18

Pov Julien

Ich übergab Mina den Einkaufswagen. Natürlich hatte ich den sperrigen, offenen Wagen gewählt, der für große, unhandliche Gegenstände gedacht war. Nicht den normalen mit Korb – wo bliebe da der Spaß?

Wie selbstverständlich ging ich vor den Wagen, setzte mich auf die Tragefläche und zog meine Beine an.

„Was tust du da?" fragte Mina, ihre Stimme eine Mischung aus Genervtheit und Belustigung.

Ich drehte mich zu ihr um und schielte unter meiner Kapuze hervor. „Na, nix", grinste ich und machte es mir bequem.

Sie schnaubte, laut und deutlich, aber schob den Wagen dann wortlos an. Ich saß im Schneidersitz auf der Fläche, ließ mich wie ein König durch die verschiedenen Abteilungen kutschieren. Sie hielt hier und da an, um sich etwas anzusehen, nahm aber kaum etwas mit.

Als wir in der Lampenabteilung ankamen, zögerte sie vor einer kleinen, schlichten Lampe. Ihre Augen musterten sie kritisch.

„Wofür brauchst du die?" fragte ich neugierig und stützte mein Kinn auf die Hände.

„Meine Bettlampe ist kaputt", erklärte sie und schüttelte den Kopf. „Aber ich glaube, die hier ist nicht hell genug zum Lesen. Sie ist hübsch, aber nicht praktisch."

„Du kannst doch einfach eine hellere Glühbirne reindrehen", schlug ich vor.

Mina deutete auf die kleine Plakette mit der maximalen Wattleistung und schüttelte erneut den Kopf. „Geht nicht. Die schafft das nicht."

„Und was ist mit der hier?" Ich zeigte auf eine größere, stabilere Lampe.

„Die muss man an der Wand befestigen", seufzte sie. „Wenn wir irgendwann ausziehen, müssen wir die Löcher wieder zumachen. Ich versuche, das Bohren zu vermeiden."

„Verstehe."

Mina stellte die Lampe zurück und schob den Wagen – und mich – weiter durch die unzähligen Reihen voller Lampen.

„Es gibt doch noch andere Geschäfte mit Lampen", warf ich irgendwann ein, als ich sah, wie enttäuscht sie wirkte.

„Hast du etwa keine Lust mehr?" fragte sie, ohne aufzuhören zu schieben.

„Ich sehe nur, dass dir hier nichts zu gefallen scheint."

„Du hast recht", gab sie zu und lachte kurz. „Aber ich will auch keine fünfhundert Euro für eine Designerlampe ausgeben."

„Nicht?" fragte ich mit gespielter Überraschung.

Mina lachte wieder und bog mit dem Wagen in die nächste Abteilung ab: Kerzen und Kunstblumen. Während sie zwischen den Regalen nach Kerzen wühlte, schnappte ich mir eine kitschige, rosafarbene Kunstblume. Ich hielt sie hoch und betrachtete sie kritisch.

Kunstblumen waren mir ein Rätsel. Die Dinger sahen für zwei Wochen okay aus, danach staubten sie ein und wurden hässlich. Was sollte man damit?

Ich steckte die Blume wieder zurück, doch in dem Moment flog ein Paket Teelichter auf mich zu. Reflexartig fing ich es auf.

„Wolltest du mich damit erschlagen?" fragte ich und hob die Packung vor mein Gesicht, um sie zu begutachten.

„Ich wollte dich gar nicht treffen", behauptete sie, klang dabei aber alles andere als überzeugend.

„Eintausend Teelichter?" las ich laut und schüttelte den Kopf. „Was macht man mit so vielen? Eins reicht doch."

„Eins?" Sie sah mich an, als hätte ich den Verstand verloren. „Es sieht viel schöner aus, wenn man mehrere auf der Fensterbank stehen hat."

„Ah, du benutzt sie zur Deko", stellte ich fest und lächelte.

Während da stand, beobachtete ich ihre Gesichtszüge. Wenn Mina überlegte, zog sie ihre Nase leicht kraus. Es war ein kleiner, fast unbemerkbarer Zug – aber er war da.

„Und du?" fragte sie plötzlich und riss mich aus meinen Gedanken. „Was machst du mit Teelichtern?"

Ich grinste sie an und legte die Packung hinter mich auf den Wagen. „Das findest du irgendwann noch heraus."

Mina schüttelte nur den Kopf und trat aus meinem Sichtfeld, um den Wagen weiter zu schieben. Währenddessen versuchte ich, mein selbst erzeugtes Kopfkino zu stoppen – mit mäßigem Erfolg.

Mina schob den Wagen in Richtung der Kassen, wobei sie unterwegs noch eine Fußmatte auflud. Ohne mich von meinem Platz auf der Tragefläche zu bewegen, half ich ihr, die Sachen auf das Kassenband zu legen.

Die Kassiererin warf einen Blick auf mich, lachte und sagte: „Wie kleine Kinder sind die Männer manchmal, was?"

„Er ist leider noch zu klein, um ihn im Spieleparadies abzugeben", antwortete Mina trocken, und beide lachten.

„Aber mir wurde ein Eis versprochen, weil ich hier so artig saß", warf ich ein, woraufhin die Kassiererin noch mehr lachte.

Nachdem Mina ihren Einkauf bezahlt hatte, verabschiedete sich die Kassiererin mit einem: „Einen schönen Tag Ihnen beiden!"

Mina nickte höflich und schob den Wagen in Richtung der kleinen Essensstände. Dort hielt ich ihr einen Zehn-Euro-Schein hin.

„Darfst dir auch ein Eis aussuchen", lächelte ich großzügig.

„Wie großzügig", grinste sie und nahm das Geld. Sie kam mit zwei Eistüten zurück und setzte sich neben mich auf den stillstehenden Wagen, den sie an der Wand geparkt hatte.

„Nichts tun ist echt anstrengend mit dir", sagte ich und lehnte mich zurück.

„Du hättest ja mit deinem Hintern zu Hause bleiben können", konterte sie und biss in ihr Eis.

„Und wer hätte dich dann auf ein Eis eingeladen?" fragte ich mit einem herausfordernden Grinsen.

„Vielleicht irgendein Tinder-Date", antwortete sie und zuckte mit den Schultern.

Ich drehte meinen Kopf zu ihr und musterte sie. „Du hast die App doch locker seit Monaten nicht mehr geöffnet. Bei den Noten, die du da schreibst, hast du für so was doch keine Zeit."

Mina nickte langsam. „Da hast du wohl recht. Aber ich könnte sie öffnen, wenn ich wollte."

„Brauchst du ja aber nicht. Du hast ja mich." Ich grinste sie an, woraufhin sie nur genervt die Augen verdrehte.

„Ich dachte, man benutzt die App, um Menschen kennenzulernen, mit denen man etwas Ernstes oder auch nicht so Ernstes anfängt – und nicht, um in den Wahnsinn getrieben zu werden."

Ich lachte laut und lehnte mich wieder zurück.

„Was machen wir denn noch so den restlichen Tag?" fragte ich, als wir wieder bei meinem Auto ankamen.

„Wir?" fragte Mina mit hochgezogenen Augenbrauen.

„Wolltest du mich etwa auf dem Parkplatz stehen lassen?" fragte ich und beobachtete, wie sie die Fußmatte und die anderen Einkäufe in den Kofferraum legte.

„Nee, das wäre zu offensichtlich", antwortete sie schmunzelnd. „Aber da hinten ist ein Gebrauchtwarenhändler. Vielleicht bekomme ich noch ein bisschen was für dich."

Ich musste lachen. Ihre Schlagfertigkeit nahm zu, und ich mochte das.

„Sorry, stehe nicht zum Verkauf. Mui hätte wohl etwas dagegen."

„Mui?" fragte sie, während sie die Klappe des Kofferraums schloss.

„Meine Mom. Die wirst du bestimmt auch noch kennenlernen", erklärte ich und stieg ins Auto ein.

Mina brachte den Wagen weg und ließ sich schließlich hinter das Steuer fallen.

„Du willst das also wirklich heute durchziehen?" fragte sie und startete den Motor.

„Jetzt tu nicht so, als wäre das meine Idee gewesen", verteidigte ich mich. „Es war dein Wunsch, dass ich nichts tue. Ich hätte heute eigentlich am Schnitt gearbeitet."

„Dann fahre ich dich da jetzt hin", entschied Mina.

„Und dann? Ich darf ja nicht—"

„Julien Bam!" rief sie plötzlich, ihre Augen funkelten vor genervter Ernsthaftigkeit. „Was zur Hölle willst du von mir?"

Ich nahm die Kapuze ab, sah sie direkt an und grinste. „Meinen Spaß."

„Ich werde nicht mit dir schlafen!" sagte sie entschieden. „Wenn wir es genau nehmen, hast du mich als Praktikantin eingestellt. Damit bist du mein Chef. Hör auf mit dem, was du tust!"

„Was tue ich denn?" fragte ich unschuldig. „Ich habe dich bislang nicht in mein Bett eingeladen, oder?"

Mina stöhnte genervt, warf ihren Kopf gegen die Kopfstütze und murmelte: „Dieser Tag bringt mich ins Grab."

Ich nutzte den Moment, um meinen Blick unauffällig über sie gleiten zu lassen. Ihre Hände waren zu Fäusten geballt, und ich war mir sicher, dass sie kurz davor war, mir eine zu verpassen.

„Ich war ewig nicht mehr im Kino", sagte ich schließlich. „Ich lad dich ein."

Sie öffnete die Augen, schielte zu mir herüber und zog eine Augenbraue hoch.

„Du darfst den Film aussuchen", fügte ich hinzu und lächelte breit.

Mina atmete tief durch, entspannte ihre Hände und starrte kurz nachdenklich nach vorne aus dem Fenster.

„Das sind zwei Stunden, in denen ich meinen Mund halte", warf ich noch ein weiteres Argument in die Runde.

Und schließlich nickte sie, ein leises Lächeln auf den Lippen.

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