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Pov Ju
Verschlafen öffnete ich die Augen. Ein dumpfes Vibrieren in der Nähe meines Kopfes drang durch den Restnebel der Nacht. Die weiße Decke über mir wirkte fast spöttisch. Es war, als würde sie mir sagen: "Bleib doch einfach liegen." Doch das Geräusch ließ mir keine Wahl. Ich tastete mit einer Hand nach meinem Handy auf dem kleinen Tisch neben dem Bett, bis ich es endlich fand.
Der Bildschirm leuchtete grell auf und ließ mich zusammenzucken. Zwei verpasste Anrufe von Thomas. Ich blinzelte zur Uhrzeit oben rechts: 9:35 Uhr. Mein Herz setzte einen Schlag aus.
"Wo bist du? Stehe an der Adresse, die du gestern geschickt hast," las ich in WhatsApp und biss mir auf die Lippe.
"Shit," murmelte ich leise und setzte mich auf. Ein Blick in den Spiegel gegenüber ließ mich stöhnen. Meine Haare standen in alle Richtungen ab, und die Schatten unter meinen Augen verrieten, dass ich eindeutig nicht genug geschlafen hatte. Als ich mich bewegte, raschelte die Decke hinter mir, und ich erinnerte mich plötzlich, wo ich war – und mit wem.
Neben mir regte sich eine Gestalt, lange braune Haare fielen wie ein Schleier über ihr Gesicht. Das hier war nicht meine Wohnung. Es war ihre. Ich versuchte mich zu erinnern, wie wir uns kennengelernt hatten. Irgendein Club, ein paar Drinks, ein Lächeln ... aber ihr Name? Keine Ahnung.
Leise stand ich auf und begann, meine verstreuten Klamotten einzusammeln. Mein T-Shirt lag in der Ecke, meine Jeans hing halb über einem Stuhl, und mein Pullover – ernsthaft? – über der Lampe. "Komme," tippte ich hastig als Antwort an Thomas, während ich mich in Rekordzeit anzog.
Auf einem Bein hüpfend schnürte ich meine Schuhe und warf einen letzten Blick auf die Frau im Bett. Sie schien tief zu schlafen, völlig unbeeindruckt von meinem Aufbruch. Schulterzuckend drehte ich mich um und schlich zur Tür. Was auch immer das hier gewesen war, es war nicht einmal eine Erwähnung in unserem Podcast wert.
Auf der Straße angekommen, sprintete ich zu dem weißen Audi, in dem Thomas bereits auf mich wartete. Sein genervter Blick durch die Windschutzscheibe sagte alles. Ich stieg ein, schnallte mich an und fuhr mir durch die Haare.
"Ich dachte schon, du willst mich verarschen und bist gar nicht hier," begrüßte er mich trocken.
"Hab noch gepennt," antwortete ich und klappte die Sonnenblende herunter. Im kleinen Spiegel sah ich meine ungebändigten Haare und versuchte sie mit den Händen zu bändigen.
Thomas schüttelte den Kopf und startete den Motor. "Hinten liegt was Vernünftiges zum Anziehen für dich. So kannst du auf keinen Fall in eine Uni gehen, Professor Bam."
Ich verdrehte die Augen, konnte mir ein schiefes Grinsen aber nicht verkneifen. "Wie konnte es bloß so weit kommen, dass mich eine Uni einlädt?"
Thomas lachte trocken. "Weil du einer der erfolgreichsten Content Creator des Landes bist und die Leute glauben, dass du tatsächlich was zu sagen hast."
Ich stöhnte und ließ mich tiefer in den Sitz sinken. Die Anfrage war vor ein paar Monaten gekommen. Eine Uni wollte, dass ich einen Vortrag über Videoproduktion halte – ausgerechnet ich. Damals hatte ich sofort abgewunken. Ich hatte keinen Masterplan, kein Konzept, das ich einfach jemandem erklären konnte. Meine Arbeit war ein Mix aus Bauchgefühl, harter Arbeit und viel Rumprobieren.
Aber dann hatten alle auf mich eingeredet. Thomas, Rezo, sogar meine Mutter. Sie alle meinten, es sei eine tolle Gelegenheit. Und irgendwann hatte ich nachgegeben – auch wenn ich das flaue Gefühl im Magen bis jetzt nicht losgeworden war.
"Dank dir hab ich immerhin eine Präsentation," sagte ich schließlich und sah zu Thomas hinüber.
"Ich hab dir eine verdammt gute Präsentation gemacht," korrigierte er mich. "Du musst nur drauf achten, nicht zu oft 'äh' zu sagen."
Ich grinste schief. "Na super, das ist ja meine Stärke."
Thomas rollte mit den Augen und wechselte das Thema. "Hör zu, wir kommen pünktlich an. Du hältst den Vortrag, wir machen ein paar Selfies mit den Studenten, und danach bist du der Held des Tages. Easy."
"Easy," wiederholte ich leise und starrte aus dem Fenster.
Die Wahrheit war: Ich war nicht sicher, ob die Studenten wirklich von mir lernen wollten – oder ob sie nur für das obligatorische Selfie nach der Vorlesung kamen. Ich hatte keine Ahnung, was sie von mir erwarteten, und das nagte an mir.
Thomas parkte vor dem Gebäude und warf mir ein frisch gebügeltes Hemd zu. "Los, zieh das an. Wir wollen keinen Skandal, bevor du überhaupt da drin bist."
Ich lachte leise und tat, was er sagte. Dann holte ich tief Luft, öffnete die Tür und trat hinaus.
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