- 37. KAPITEL -
"Früher wurde für jede Sektion ein Stein ausgewählt, der die Gruppe beschützen und leiten sollte. Seit der Machtübernahme der Kamanas sind alle Steine verschwunden. Und mit Liebe meinen sie vielleicht, dass nur bestimmte Menschen ihr helfen können- Menschen für die sie wichtig ist." Nachdenklich fährt sich Milou durch ihr braunes Haar. "Sie ist mir wichtig!", platzt es aus mir heraus, ohne darüber nachgedacht zu haben, und ziehe nur grinsende Gesichter auf mich. "Das wissen wir doch, Per", neckt mich Kenai, fährt dann aber gleich fort:"Aber dann haben wir doch den ersten Teil des Rätsel gelöst. Jetzt brauchen wir nur noch die Steine. Wo finden wir die?" Die ganze Aufmerksamkeit liegt jetzt auf Milou, die nervös mit ihren Fingern spielt. "Ich weiß es nicht." Na toll. Wir sind kurz vor dem Lösen der ganzen Misere und dann scheitert es an solchen blöden Steinen! "Heißt das denn auch, dass alle fünf Sektionen vertreten sein müssen? Bis jetzt haben wir doch nur Milou!", schaltet sich nun auch Koda ein. Diese ganze Situation wird mir schon wieder viel zu viel. Alles ist so verwirrend. "Du hast Recht. Per, aus welcher Sektion ist deine Mom?" Daran hatte ich bis jetzt noch gar nicht gedacht."Luft, sie ist ein Kea", flüstere ich. Dann haben wir schon zwei von fünf Leuten. Na super! "Mein Cousin ist ein Keahi, den könnte ich fragen, ob er uns hilft. Wenn ich ihm die Situation erkläre wird er direkt Feuer und Flamme sein", schlägt Milou leicht lachend vor. Es dauert eine Minute, ehe ich den Wortwitz verstehe. Da auch Koda und Kenai uns unwissend anschauen kläre ich auf: "Keahis sind die Sektion Feuer." "Ahh", ertönt es im Chor als der Groschen bei Beiden fällt. Doch ich nehme meine Umgebung kaum noch wahr. Ich bin in meinem Gedankenkarussell gefangen. Die Informationen überschlagen sich, sodass ich keine zu greifen bekomme. Mein Kopf wird schwerer, womöglich falle ich gleich um. Ich schließe meine Augen, in der Hoffnung, dass es mir gleich besser geht. "Geht es dir gut?", fragt Kenai, woraufhin ich nur nicke. Doch dann finde ich meine Stimme wieder: "Mir ist gerade aufgefallen, dass wir ein Kamana im Team brauchen. Und wie sollen wir bitte ein Kamana davon überzeugen gegen seine eigene Sektion zu kämpfen?" Vermutlich hat noch keiner bisher daran gedacht, denn mit einem Mal verstummen die Gespräche. "Und wie wollen wir ein Kamana finden, ohne direkt dem Boden gleich gemacht zu werden?", spreche ich weiter meine Gedanken aus. Ratlosigkeit macht sich breit, wir starren uns nur gegenseitig an, während keiner ein Ton sagt. Letztendlich zucke ich mit den Schultern, um zu signalisieren, dass es schon irgendwie klappen wird. Womöglich könnte ich Elva nach Rat fragen. Vielleicht kennt sie jemanden, der ein Kamana kennt oder wie auch immer. Meine Euphorie von heute Morgen ist jedenfalls dahin und ich merke, dass mich langsam aber sicher meine Kräfte verlassen. Jedoch muss ich den Unterricht noch überstehen bis ich endlich mit Mom über die neuen Erkenntnisse sprechen kann.
*****
"Mom, ich weiß nicht, wie das Ganze funktionieren soll", erkläre ich missmutig als ich mich in den Sessel tief sinken lasse. Meine Augen verfolgen gedankenlos die Rauchschwaden meines Tees, den Mom gerade frisch aufgebrüht hat. "Wir sind bis jetzt zu zweit. Es fehlen noch Feuer, Erde und Geist", fasst sie zusammen als sie sich neben mich auf das Sofa setzt. Ihre Finger umkreisen den rand der Tasse während sie im Kopf mögliche Pläne durchgeht. "Wenn Milou ihren Cousin fragt, dann sind wir schon zu dritt. Die Frage ist, wie kommen wir an ein Kano", flüstert sie vor sich hin, mehr zu sich selbst als zu mir. "Ich glaube, das ist noch einfacher als ein Kamana aufzugabeln", gebe ich zu Bedenken, woraufhin Mom mir nickend zustimmt. "Sei nicht so deprimiert. Wir bekommen das schon hin. Lass Milou erstmal mit ihrem Cousin sprechen und dann werden wir weitersehen." Sie hat ja Recht, ich stecke viel zu schnell den Kopf in den Sand. "Sie wird ihn heute noch anrufen. Können wir bis dahin ein wenig trainieren? Ich will nicht aus der Übung kommen und außerdem lenkt es mich das ab." Ich will mich im Moment nicht mit den Oihanas beschäftigen. Ich merke einfach, wie viel Kraft mich das Ganze raubt. Lieber möchte ich mich meiner Fähigkeiten hingeben und darin wachsen.
*****
"Spürst die Energie? Versuche dich mit einer zu verbinden", flüstert Mom mir mantramäßig entgegen. Da ich beim letzten Mal Wind erschaffen hatte, möchte ich jetzt mal etwas Neues ausprobieren. Wie wäre es mit Erde? Kurzerhand spüre ich den Boden nach, auf dem ich sitze. Ich stelle mir vor, welche Tiere und Pflanzen unter mir leben. Die leichte Vibration unter mir hilft mir mich mit der Energie zu verbinden. Mutig lasse ich mich von ihr leiten und gebe mich der Vorstellung einer Pflanze hin. Ehe ich mich versehe erklimmen kleine grüne Blättchen vor mir das Licht. Während sie im Zeitraffer wachsen verziehe ich meine Lippen zu einem breiten Lächeln. Ich hab es geschafft! Langsam weiß ich, wie ich mit den Energien umzugehen habe. "Super gemacht! Das nächste Mal trainieren wir mit Feuer. Mit Wasser kannst du, wie ich gehört habe, schon gut umgehen. " Zwinkernd schenkt sie mir noch ein Lächeln bevor sie sich den weg zurück ins Haus bahnt. Ich bleibe noch einen Moment sitzen, fühle die Energie nach, während ich das Pflänzchen vor mir betrachte. Es ist Wahnsinn, wie ich die Natur beeinflussen kann. Es ist ein wunderschönes Gefühl der Macht, aber gleichzeitig macht es mir unheimliche Angst, dass ich alles nur mit einem Gedanken vernichten könnte. Seufzend lasse ich mich ins Gras zurück fallen. Noch vor wenigen Wochen war ich ein ganz normaler Teenager und plötzlich wird mein ganzes Leben auf den Kopf gestellt. Ich weiß nicht, ob das Leben in Unwissenheit besser gewesen wäre. Aber dafür ist es jetzt zu spät. "Per! Dein Telefon klingelt!", ruft Mom von der Terassentür aus. Das wird Milou sein! Ich springe auf und sprinte los. "Ja?", hechele ich in das Telefon. Ich höre, wie Milou ihr Lachen unterdrückt: "Chester wird sich auf den Weg machen." Dieser Chester muss ihr Cousin sein. "Wann wird er da sein?", krächze ich, während ich mich für mein Außer- Atem-sein hasse. "Keine Ahnung. Es ist ziemlich zur Zeit schwer aus Kulana abzuhauen. Die Kamanas bewachen die Pforten stark. Er beeilt sich." Also muss ich noch ein paar Tage warten- Super. "Danke Milou, bis morgen dann." Zähneknirschend lege ich auf. "Chester ist auf dem Weg, Mom. Wir kommen unserem Ziel näher." Wenn ich es nur auch glauben würde.
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