- 30. KAPITEL -

Ich kann nicht sagen wie lange ich schon da stehe, meine Hände über Elvas schlafenden Körper ausgebreitet. Meine Konzentration und Kraft verlässt mich schlagartig, sodass ich mich erschöpft in den Rollstuhl zurücklehne. All die Hoffnungen, dass sie durch meine Energie erwachen könnte, zerplatzen in sekundenschnelle wie eine Seifenblase und ich bleibe zerstört zurück. Ich brauche eine Sekunde, um wieder zur Realität, wieder in dieses sterile weiße Zimmer zurückzukehren, in dem es im Sekundentakt piept und einem das Desinfektionsmittel in die Nase steigt. Mit einem Mal erdrückt mich dieser Raum, sodass ich panisch Richtung Tür rolle. "Bis später, Elva", flüstere ich ihr noch ein letztes Mal zu bevor ich die Tür hinter mir schließe. Auf dem Flur blicke ich in die bemitleidenden Gesichter meiner Mom und meiner Freunde. Doch ich habe keine Kraft ihnen nur ein Wort entgegenzubringen. Stattdessen blicke noch einmal durch die Scheibe zu Elva und verlasse dann stumm den Flur. Ich bahne mir den Weg zu Dr. Adams Behandlungszimmer, in welches ich ohne anzuklopfen fahre. Seufzend stelle ich fest, dass keiner hier ist, weshalb ich kehrt mache und mich auf den Flur vor dem Zimmer parke. Wie in Trance sitze ich einfach nur da, in mich gekehrt, höre nur mein Atem und meine Gedanken drehen sich im Kreis. Ich höre nicht, wie Mom und die Jungs auf mich zu eilen und mir unendlich viele Fragen entgegen bringen. Ich bin gefangen und ich kann nicht fliehen. So muss sich Elva fühlen.

*****

Langsam dringen Geräusche eines Fernseher an meine Ohren. Verwirrt schaue ich mich um, denn ich kann mich mit keiner Silbe an die letzten Stunden erinnern. Das Letzte, was ist noch weiß ist, wie ich das Zimmer von Dr. Adams stürmte. Desorientiert schaue ich mich im Raum um und erkenne Kenai, der neben mir sitzt und auf den Bildschirm starrt. Ich nehme meine ganze Kraft zusammen, um meine Hand auf seinen Arm zu legen. Er zuckt bei meiner Berührung zusammen, doch schnell verwandelt sich sein schockierter Blick in ein Lächeln. "Wie geht es dir?", flüstert er. Doch mir fehlt noch die Kraft um irgendwas zu sagen, weshalb ich nur leicht nicke. Wie gern würde ich ihn fragen, was passiert war. Aber das muss noch warten, zumindest solange bis ich wieder sprechen kann. Die Tür wird aufgestoßen und Dr. Adams kommt händereibend ins Zimmer spaziert. Sein Blick bleibt für einen Moment auf Kenai hängen ehe er sich lächelnd zu mir wendet: "Hallo Per, wie geht es dir?" Ich gebe mir die größte Mühe meine Lippen zu bewegen, doch ich bleibe stumm. Stattdessen lächele ich und nicke dem Arzt zu. "Ich werde deine Mutter informieren, dass du wach bist. Ich komme gleich wieder", sagt er und verschwindet in der Tür. Was ist nur passiert? Verzweifelt versuche ich mich an das Geschehene zu erinnern - ohne Erfolg. "Du lagst im Wachkoma. Du hattest zwar die Augen offen, aber hast nichts mehr um dich herum wahrgenommen", erklärt mir Kenai, als hätte er meine Gedanken gelesen. Wie konnte nur sowas passieren? Ein leichter, aber penetranter Schmerz durchzieht mein Kopf je länger ich mir über Geschehene das Hirn zermartere. Also schließe ich wieder meine Augen, um mich zu erholen. Vielleicht kann ich wieder sprechen, wenn ich aufwache. Doch lange hält mein Nickerchen nicht an. Mom kommt ins Zimmer gestürzt und ich kann ihr ansehen, wie ihr ein Stein vom Herzen fällt. Kleine Tränen laufen ihr über ihre Wange, als sie mich herzlichst umarmt. "Endlich!", haucht sie mir ans Ohr und ich frage mich wie lange ich weg war. Ich räuspere mich, um ein neuen Sprechversuch zu wagen. "H- Hallo Mom", krächze ich, woraufhin ich in strahlende Gesichter schaue. "Ruh dich erstmal schön aus. Du warst zwei Wochen im Koma. Da braucht man schon etwas Geduld bis alles so ist wie vorher." Mir stockt der Atem. Ich war zwei Wochen weg? Zwei Wochen, in denen sich Mom und meine Freunde um mich sorgten und die Frage im Raum stand, ob ich je wieder erwachen würde. Und noch viel wichtiger - zwei Wochen, die Elva auf mich wartete und kein Lebenszeichen von mir bekam. Am liebsten würde ich gleich zu ihr gehen, aber dazu fehlt mir leider die Kraft. "Du musst noch ein paar Tage hier bleiben - zur Beobachtung. Ich muss jetzt weiter. Bis nachher", verabschiedet sich Dr. Adams. "Charles? Gehen wir in der Mittagspause zusammen was essen? Ich rufe dich dann an", ruft Kenai schnell dem Arzt hinterher ehe er die Tür hinter sich schließt. Kenai kann sich ein verliebtes Lächeln nicht verkneifen, weshalb ich ebenfalls lächeln muss. Es macht mich glücklich, dass Kenai seine Liebe gefunden hat. Und er hat Glück, dass seine Beziehung einfacher ist als meine. Obwohl, sie müssen sich wahrscheinlich auch wegen ihres Altersunterschiedes Einiges anhören. "Mein Liebling, ich muss jetzt auch zur Arbeit. Ich komme danach aber wieder zu dir. Ruhe dich schön aus", verabschiedet sich nun auch Mom und gibt mir ein Kuss auf die Stirn. "Kenai, ich..", ich gebe mir die größte Mühe einen zusammenhängenden Satz herauszubringen, doch scheitere daran. "Ist gut. Ich werde mich jetzt auch auf die Socken machen. Liebe Grüße übrigens von Koda. Er ist über das Wochenende mit Milou weggefahren. Er musste raus. Das Ganze hat ihn ziemlich mitgenommen. Und mit Milou scheint es diesmal etwas ernster zu sein", meint er lächelnd während er aufsteht und den Stuhl, auf dem er saß, an den Tisch schiebt. "Tschau Per. Bis morgen", verabschiedet er sich winkend ehe er den Raum verlässt. Trauer macht sich in meiner Brust breit. Am liebsten würde ich aufspringen, um mich unter Leute zu mischen, aber dazu fehlt mir die Kraft. Mir bleibt nichts anders übrig, als meine Augen zu schließen und versuchen zu schlafen. Elva wartet sicher schon auf mich.

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