- 22. KAPITEL -
Die Sonnenstrahlen kitzeln mich an der Nase, sodass ich meine Augen öffne. Ein Lächeln huscht mir über die Lippen, als mein Blick auf den See fällt. Vor Freude springe ich auf, schaue mich um, doch als ich Elva nicht sehe, setze ich mich im Schneidersitz wieder auf den Boden, da ich weiß, dass ich gleich in Elvas wunderschöne Augen blicken werde. Doch leider verlässt mich mein Glücksgefühl sofort wieder, als ich merke, dass ich alleine in der atemberaubenden Kulisse sitze. Die Schatten der Wolken spiegeln sich auf der Wasseroberfläche wider und laden mich förmlich ein, das Spiel zu beobachten. Also setze ich mich in das feuchte Gras und lasse meinen Gedanken freien Lauf, während ich mir Geschichten zu den einzelnen Formen der Wolken überlege. Ich schließe meine Augen und stelle mir vor, wie sich das Wasser zu einer Säule aufbaut und all die Schatten der Wolken durchbricht. Als ich meine Augen öffne staune ich nicht schlecht, denn das Bild, dass ich vor einer Minute noch vor meinem inneren Augen hatte, gleicht der Realität. Vor mir erhebt sich eine riesige Säule bestehend aus Wasser und mit einem Mal spüre ich, wie das Wasser meine Energie in sich aufsaugt. Doch es macht mir keine Angst - Die Neugier hat mich gepackt, sodass ich nun versuche, in diesen Energiefluss hineinzuspüren. Das Kribbeln meines Körpers kommt mir bekannt vor, das leichte Vibrieren meines Körpers ist mir jedoch neu. Ich lasse mich aber davon nicht ablenken, sondern versuche die Wassermassen, die sich vor mir auftürmen, zu bewegen. Mit viel Mühe schaffe ich es, dass sich die Säule leicht nach links biegt. Ich genieße dieses Gefühl der Macht - Es ist als hätte ich die Fäden einer Marionette in der Hand, an denen ich nur ziehen muss, damit sich die Natur mir beugt. "Das machst du schon gut." Die plötzliche Stimme hinter mir lässt mich zusammenschrecken, sodass ich die mir der Energiefluss entgleitet. Mit einem lauten Knall platscht das Wasser nach unten, ebenso wie voll auf mich. Mit finsteren Blick drehe ich mich um, wo Elva hinter vorgehaltener Hand kichert. "Das mit dem Energiefluss Halten müssen wir noch üben", lacht sie. "Haha, wie witzig", meine ich mürrisch und ziehe mein Shirt über mein Kopf, um es auszuwringen. Das abrupte Ende von Elvas Lache lässt mich innehalten. Als ich sie ansehe kann ich nicht anders, als sie anzulächeln. Mit großen Augen starrt sie auf meine nackte Brust, die leider nicht ganz so durchtrainiert aussieht, wie ich es in diesem Moment gern hätte. "Gefällt dir, was du siehst?", frage ich sie verschmitzt, woraufhin sie mir schnell ihren Rücken zuwendet. "Ähh, ähhm, tschuldigung..", nuschelt sie sich in ihre Hände, mit denen sie sich ihr Gesicht verdeckt. Ohne weiter darüber nachzudenken gehe ich um sie herum und greife nach ihren Händen, um sie von ihrem schönen Gesicht zu nehmen. Die weißen Funken, die immer bei unseren Berührungen entstehen, lasse ich links liegen, denn meine ganze Konzentration liegt auf dem Mädchen, das vor mir steht. "Du brauchst dich nicht zu schämen", sage ich leise mit einem leichten Lächeln auf den Lippen. Ich hatte Elva bis jetzt immer als starkes, selbstbewusstes und kämpferisches Mädchen gesehen. Jetzt ist es das erste Mal, dass sie mir ihre Schüchternheit zeigt. Ihre Augen suchen nach einem Punkt, auf den sie starren kann, ohne in ein weiteres Fettnäpfchen zu treten. Ihre Augen springen hektisch von einem zum nächsten Punkt, bleiben dann jedoch an meinen Augen kleben. Unserer intensive Blick jagt mir im ersten Moment ein kalten Schauer über mein Rücken, dann aber verliere ich mich in dem Eismeer ihrer Augen. Als ich es nicht mehr aushalten kann ziehe ich sie einfach an mich. Ich atme den Duft ihrer Haare ein und fühle jedes einzelne Gefühl unserer Berührungen nach, um mich später darin in Erinnerung wiegen zu können. Ich spüre, wie unsere Energien miteinander spielen, obwohl ich dem Tanz der weißen Funken nicht zusehe. Sie löst sich stumm von mir, um sich ein wenig entfernt von mir in das Gras am Ufer zu setzen und in die Ferne zu starren. Sofort vermisse ich ihre Berührung, aber ich lasse von dem Gedanken ab. Mich irritiert eher ihr Verhalten. Also setze ich mich vorsichtig neben sie. Eine Weile lang sagt niemand etwas, doch dann breche ich die bedrückende Stille: "Hab ich was falsch gemacht?", frage ich sie vorsichtig, woraufhin sie den Kopf hebt und mir direkt in die Augen sieht. "Nein, ich habe sowas noch nie gefühlt. Das Gefühl macht mir Angst." Innerlich macht mein Herz Luftsprünge, doch ich versuche ernst zu bleiben: "Es ist doch ein gutes Gefühl, oder? Warum macht es dir dann Angst?" Ihr Blick richtet sich wieder in die Ferne, während sie nervös an ihren Fingern spielt. "Ich weiß es nicht", sagt sie mehr zu sich als zu mir. Unschlüssig sitze ich neben ihr, denn ich weiß nicht, was ich nun tun soll. Ich glaube, es ist das erste Mal, dass ich mir wünsche aufzuwachen. "Hey, es ist alles gut", sage ich vorsichtig und tätschle ihre Hand, die sie daraufhin abrupt wegzieht. "Nichts ist gut! Ich bin hier gefangen!", ruft sie plötzlich aus folgend von dicken Tränen, die ihr nun über das Gesicht laufen. Instinktiv rutsche ich zu ihr und ziehe sie an mich heran. "Du liegst im Koma, Elva. Du kannst erst von hier weg, wenn du auch in Realität erwachst", erkläre ich ihr traurig. Erschrocken sieht sie mich an: "Ich liege im Koma?" Mein leichtes Nicken reicht aus, dass sie weinend in mein Schoß zusammenbricht. Ich streichle ihr über das Haar, da ich sonst keine Ahnung habe, wie ich sie beruhigen könnte. Welche Worte sollten auch ihre derzeitige Situation beschwichtigen. "Mach was. Bitte Per, du musst was unternehmen", haucht sie zwischen ihren Schniefern. "Aber was soll ich tun? Für mich ist alles so neu! Ich weiß doch gar nicht wirklich, was mit mir los ist", gebe ich hilflos zu, woraufhin sie mich ansieht. "Sprich mit deiner Mutter." "Aber...", fange ich an, doch in diesem Moment verschwindet Elva vor meinen Augen und ich befinde mich im unendlichen Schwarz.
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