-13. KAPITEL -
Ich spüre, wie sich mein Herzschlag beruhigt und ich mich langsam entspanne. Die warmen Sonnenstrahlen bringen die Wasseroberfläche zum Glitzern, sodass ich mich in diesem Funkeln verliere. Minuten vergehen ehe ich meinen Blick wieder losreißen kann und meine Gedanken zu dem Vorfall in der Schule abschweifen. Noch immer verstehe ich es nicht, wie diese Glasexplosion zustande kommen konnte. Mich lässt der Gedanke einfach nicht los, dass ich an allem Schuld bin. Aber wie soll das funktionieren? Ich lasse von dem Gedanken ab, als mein Kopf von diesen wirren Gedanken zu schmerzen beginnt. Es würde sowieso nichts an dem Geschehenem ändern.
Das Klingeln meines Telefons durchdringt die Stille und lässt mich hochschrecken. „Wo bist du?", schreit Kenai über den Lärm hinweg in mein Ohr. „Am See", gebe ich trocken zurück. „Was machst du denn am See? Komm zurück zur Schule. Die Lehrer haben schon nach dir gefragt." „Ok, ich bin unterwegs." Ich stecke mein Telefon zurück in meine Tasche, werfe ein letzten Blick auf das Wasser und begebe mich auf den Weg zur Schule. Unterwegs gehe ich jede einzelne Erklärung durch, die ich den Lehrern auftischen könnte, jedoch überzeugt mich Keine, weshalb ich die Gedanken fallen lasse. Es würde mir sowieso niemand glauben. Stattdessen beschließe ich, es einfach auf mich zukommen zu lassen.
„Per, du sollst direkt zum Direktor gehen!" Koda rennt mir aufgebracht entgegen, als ich auf das Schulgelände einbiege. Genervt verdrehe ich meine Augen: "Ja, ich gehe ja schon.", schnauze ich ihn an und renne an ihm vorbei. Nach ein paar Metern bleibe ich jedoch stehen. Koda kann doch gar nichts dafür. Ich drehe mich um: "Entschuldige bitte." Koda zuckt nur mit den Schultern und zeigt sein verschmitztes Grinsen. Anscheinend wollte er mir nur ein schlechtes Gewissen machen. Zusammen gehen wir in Richtung Sekretariat, sprechen aber so gut wie gar nicht miteinander, was ich aber auch nicht als unangenehm empfinde. "Ich warte hier.", meint er, als wir für dem Zimmer des Direktors stehen bleiben. "Musst du nicht gleich wieder in den Unterricht? Geh ruhig. Ich komme dann nach.", meine ich leise, drehe mich um und verschwinde im Sekretariat.
******
Als ich endlich aus dem Gespräch entlassen werde, hat es gerade zur großen Pause geklingelt. In meinem Kopf schwirren immer noch die Gedanken umher, sodass sie ein leichten Schmerz hinterlassen. Erschöpft setze ich mich auf die Tischtennisplatte, bei der sich die Jungs und ich immer treffen, lasse meine Beinen baumeln und genieße für einen kurzen Moment die Ruhe und die warmen Sonnenstrahlen, die meine Haut erwärmen. So langsam trudeln die ersten Schüler auf dem Pausenhof. Schreiend und kichernd durchbrechen sie die Stille, die ich eben noch genossen hatte. Ich habe das Gefühl, dass ich dem heutigen Tag nicht gewachsen bin. "Hey Schulschwänzer!", ruft Koda und kassiert dafür direkt ein Seitenhieb von Kenai, der neben ihm her schlendert. Ich kann nicht anders als darüber zu schmunzeln. Die Beiden bekommen es immer wieder hin mich aufzuheitern. "Was wollte der Direktor von dir?", fragt mich Kenai ohne Umschweife worauf er ein finsteren Blick von Koda erntet. "Ich hab Anschiss bekommen, weil ich mich während der Unterrichtszeit außerhalb des Schulgeländes aufgehalten hatte. Aber ich keine Verwarnung oder so bekommen, da ich sonst unauffällig bin. Aber lass uns nicht weiter darüber reden." "Ok, dann hole ich uns jetzt ein Eis und wir vergessen das Geschehene.", lenkt Koda schnell ein ehe ich wieder in schlechter Laune versinken kann. Und schon dreht er sich um und verschwindet in der Menge.
Mit einem Eis in der Hand fühle ich mich gleich viel besser. Ähnlich wie nach einer Dusche spüre ich wieder Energie in meinem Körper. Motiviert gehe ich mit den Jungs in die letzte Unterrichtseinheit für heute. Doch meine Motivation ist nur von kurzer Dauer und so bin ich nach ein paar Minuten schon total unkonzentriert. Statt weiter zuzuhören schmiede ich insgeheim Pläne, wie ich dieses heiße Kribbeln in meinen Fingerspitzen wieder entstehen lassen könnte. Ich möchte unbedingt herausfinden, ob ich es war, der das Glas heute Morgen zerspringen lassen hat. Dieser Gedanke lässt mich einfach nicht in Frieden, sodass ich mir vornehme, zu Hause über mögliche Ursachen zu recherchieren.
*****
"Kommst du heute Abend mit ins Kino?", fragt mich Kenai als wir uns an meiner Haustür verabschieden. "Nein, ich brauche heute mal ein wenig Ruhe. Macht euch einen schönen Abend. Bis morgen.", lehne ich dankend ab. "Alles klar, bis morgen."
Ich nehme mir ein Glas aus dem Küchenschrank und hoffe, dass Mom nicht gerade dieses Glas suchen wird. In meinem Zimmer stelle ich es auf meinem Schreibtisch und setze mich gegenüber auf das Bett. Ich bin froh, dass mir keiner zuschaut, denn ich fühle mich schon sehr schräg.
Meine Gedanken sind vollkommen auf das Glas fixiert. "Zerspring.", murmele ich immer wieder vor mich her, als würde ich ein Mantra sprechen. Leicht schaukle ich hin und her. Warum ich das mache weiß ich nicht, aber mir hilft es meine Konzentration zu bündeln. Die langsam aufsteigende Wärme, die sich schnell zu Hitze verwandelt, erfüllt meinen Körper und hinterlässt das erhoffte leichte Kribbeln. Alles fühlt sich genauso an, wie heute Morgen im Chemieunterricht und ich kann nicht aufhören, weiter und weiter in die meditaionsähnliche Ebene vorzudringen. Ich sehe, wie das Glas ein kleinen Riss bekommt und beobachte, wie ich der Riss immer weiter ausbreitet. Die Hitze und das Kribbeln hat sich nun in meinem ganzen Körper ausgebreitet und ich weiß intuitiv, dass es nicht mehr lange braucht, bis das Glas in tausend Splitter zerspringt.
"Per, ich bin wieder zuhause." Meine Mom öffnet die Tür, sodass ich hochschrecke. Auf der Stelle ist die Hitze verschwunden und ich brauche eine Sekunde, um wieder zu mir zu kommen. Als sich mein Blick wieder klärt, stehe ich auf und gebe Mom ein Kuss auf die Wange. "Hi", ich zwinge mich ruhig zu bleiben, denn eigentlich könnte ich gerade an die Decke gehen. Es brauchte nicht mehr lange, ehe das Glas zerbrochen wäre. Aber jetzt habe ich es nicht geschafft.
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