-12. KAPITEL -

Ich liege auf meinem Bett und starre immer noch ungläubig auf den Bildschirm meines Telefons. Ich verstehe nicht, wie das Foto, von dem ich geträumt hatte es gemacht zu haben, auf meinem Handy sein kann.
„Per! Aufstehen!", ruft Mom von unten und ich schwinge seufzend meine Beine aus dem Bett.
Mein Frühstück kaue ich schweigsam vor mich hin - nicht, dass ich mich nicht unterhalten will, aber der Gedanke an dieses Mädchen und dem Bild lassen mich einfach nicht in Ruhe. „Ist alles in Ordnung?", fragt Mom besorgt. Soll ich ihr alles erzählen? Ich weiß, dass sie es nicht verstehen wird, ich verstehe es ja selber nicht, aber ich werde mich wahrscheinlich besser fühlen, wenn ich es jemand erzählt habe. Die Jungs hatte ich nach dem Gespräch mit Yuna einfach sitzen gelassen und war nach Hause gerannt. „Yuna hat mit mir Schluss gemacht. Ich weiß nicht, ob das gut oder schlecht ist", gebe ich trocken zu während ich mich von meinem Marmeladenbrot abbeiße. „Fühlst du dich denn jetzt besser oder schlechter?" Ich höre für einen Moment in mich hinein, um meine Gefühle richtig einordnen zu können: „Ich denke, mir geht es jetzt besser- nicht mehr so eingeengt. Ich muss mich vor niemandem mehr rechtfertigen", sage ich mehr zu mir als zu Mom, doch sie scheint dies nicht zu beachten. „Also ist es doch gut. Per Liebling, Kopf hoch", sie nimmt mein Kinn in ihre Hand und zwingt mich in ihre Augen zu schauen, „Du bist jung, voller Energie und voller Liebe. Yuna wird nicht deine letzte Freundin gewesen sein. Du wirst jemanden finden, der dich so liebt, wie du bist." Ihre warmen Worte hinterlassen ein schmelzendes Herz und ein Lächeln auf meinen Lippen. Wie kann ein Mensch nur so viel Liebe in Form von Wörtern verbreiten? „Danke Mom, du hast mein Tag gerettet.", flüstere ich ihr zu gefolgt von einem Kuss auf die Wange.

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„Wie geht es dir?", fragt Kenai als ich in den Wagen steige. „Geht schon.", antworte ich nur knapp und mache es mir auf der hinteren Sitzbank gemütlich.
Als wir auf Parkplatzsuche am Schulgebäude vorbei fahren, sehe ich von Weitem Yuna vor dem Eingang stehen. Sie scheint zu warten, wahrscheinlich auf mich. „Schau mal, Yuna wartet auf dich", sagt er auf Yuna zeigend: „Lass uns zum anderen Eingang reingehen." Ich liebe es, wenn sich meine Freunde um mich sorgen, jedoch habe ich das Gefühl, als ob ich mit ihr sprechen müsste, um für mich dieses Kapitel abschließen zu können. „Nein, lass uns kurz zu ihr gehen.", sage also wider Erwarten.
Je näher ich ihr komme, desto klarer werden die klaren Linien ihres Gesichtes, welche durch ihre Tränen langsam zu verschwimmen scheinen. In ihrem sonst geschminkten Gesicht ist heute kein Fleck Make Up zu sehen. Ihre wunderschön geschwungenen Augen sind leicht gequollen und auch die rötliche Farbe rings um ihre Augenpartien entgehen mir nicht. „Hey", sage ich in die Stille hinein, als ich die Jungs weggeschickt habe. Unschlüssig,ob ich sie nun umarmen soll oder lieber nicht, stehe ich vor ihr. Mein Herz gewinnt letztendlich die Oberhand, sodass ich sie in eine feste Umarmung ziehe. „Hey", schnieft sie in mein Shirt. „Es tut mir leid. Ich wollte nicht.. Ich..", stottert sie vor sich hin, doch ich lege ihr den Finger auf die Lippen: „Shh, sag nichts. Lass uns in der großen Pause ein Kaffee trinken gehen und uns in Ruhe reden." Mit großen Augen sieht sie mich , als wäre sie überrascht solche Worte aus meinem Mund zu hören. Ich vernehme nur ein leichtes Summen aus ihrem Mund, deute es aber als Zustimmung und löse mich aus der Umarmung. „Bis dann", sage ich zu ihr während ich Richtung Eingangshalle laufe. „Da bist du ja endlich! Wir müssen los, es klingelt gleich!", aufgebracht zerrt mich Kenai über den menschenleeren Schulflur. Wir sind zwar etwas spät, aber es wäre auch kein Weltuntergang, wenn wir zwei Minuten zu spät kommen würden.
Gerade noch rechtzeitig betreten wir das Kabinett. Wie ich es hasse - Montag Morgen, erste Stunde Chemie. Seufzend lasse ich mich auf mein Stuhl fallen, packe demotiviert meinen Block und Federmappe auf den Tisch, als Herr Kapka den Raum betritt. "Ein wunderschönen guten Morgen", ruft er gut gelaunt in die Klasse. Wie kann man nur so motiviert sein? Augenrollend sehe ich zu meinen Jungs, die nicht anders auf den Auftritt unseres Lehrers reagieren. "Heute werden wir uns mit der Reaktion von Magnesiumoxid und Kohlenstoffdioxid beschäftigen.", beginnt dieser direkt mit dem Unterrichtsstoff. Den darauffolgenden Sätzen versuche ich noch zu folgen, schweife jedoch mehr und mehr in meine Gedankenwelt ab. In Gedanken durchlaufe ich nochmal meinen ersten Traum, in dem ich auf das Mädchen traf, welches mich bis heute verzaubert. Wie sie mich angesehen hatte- mit ihren strahlend blauen Augen, den vollen Lippen und den blonden Haarsträhnen, die ihr im Gesicht lagen. Sie ist einfach.... Ich schrecke hoch, als mich Koda rammt. Verdattert schaue ich wieder nach vorn. Herr Kapka ist gerade dabei ein seltsames Stäbchen anzuzünden, um es dann in ein Reagenzröhrchen zu halten. Ein Raunen geht durch den Raum als ein grell weißes Licht den Raum erhellt. „Und jetzt seid ihr dran", sagt er mit einem Grinsen im Gesicht. Denkt der wirklich, dass wir uns jetzt euphorisch auf das Experiment stürzen? "Ich hab keine Lust darauf.", flüstere ich Koda zu, der daraufhin nur mit den Schultern zuckt, "aber da müssen wir wohl oder übel durch.". Schnaufend schaue ich zu den Mitschülern, die sich alle den Weg nach vorn bahnen, und zu Herrn Kapka, der immer noch ganz begeistert mit seinem Reagenzgläschen in der Hand dasteht. Ich starre auf die kleine Flamme darin und stelle mir vor, wie jetzt das Glas in tausend Splitter zerspringt. Ich weiß nicht, woher plötzlich solch düstere Gedanken kommen, aber ich lasse sie trotzdem zu. Es muss ja keiner von diesen dunklen Gedanken erfahren. Ein warmes Kribbeln steigt in meinem Bauch auf, welches sich bis in meine Fingerspitzen ausbreitet. In meinen Fingerkuppen konzentriert sich das Kribbeln, sodass ein immer stärker werdendes Brennen entsteht. Das plötzliche Gefühl mich nicht bewegen zu können lässt mich in Panik verfallen. Das Kribbeln scheint sich über meine Nervenbahnen im ganzen Körper ausgebreitet zu haben, meine Finger brennen, als wär ein Feuer entfacht und ich kann meinen Blick von dem Glas in Herrn Kapkas Hand nicht lösen. Das schlagartige Klirren von Glas, die herumfliegenden Glassplitter und das panische Geschrei erreichen mich nicht. Ich sitze vor mich starrend da und warte darauf, dass dieses Brennen meiner Finger endlich abebbt. Erst als ich aus meiner Starre erwache, realisiere ich, dass ich die einzige Person bin, die noch seelenruhig auf dem Stuhl sitzt. Auch die Jungs haben schon das Weite gesucht. Mir kommt der Gedanke, dass ich es war, der dieses Chaos angerichtet hatte. Von Verwirrung und Furcht vor mir selbst renne ich aus dem Zimmer. Meine Beine tragen mich durch die menschenleeren Gänge und letztendlich nach Draußen. Ohne ein klaren Gedanken laufe ich los, als würde ich um mein Leben rennen. Schnaufend bleibe ich nach einer gefühlten Ewigkeit stehen. Die einströmende Luft entfacht ein Brennen in meiner Lunge, sodass ich ein Moment brauche, um runter zu kommen. Überrascht blicke ich mich um. Ich stehe am Ufer des in der Sonne glitzernden Sees. Kopfschüttelnd lasse ich mich auf das feuchte Gras fallen. Was will mir mein Unterbewusstsein bloß damit sagen?

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