-11. KAPITEL-
„Ich weiß nicht wo ich anfangen soll", gebe ich seufzend zu. In meinem Kopf schwirren alle Gedanken durcheinander, ich kann sie einfach nicht sortieren. „Am besten von vorn", flüstert Kenai mir mit einem leichten Nicken zu. Ich bin froh, dass Koda und Milou gerade nicht in Hörweite sind. Mit der Zeit ist diese Sache zu meinem Geheimnis geworden und wenn ich ehrlich bin, möchte ich es eigentlich dabei belassen. Ich vertraue Kenai soweit, dass er meine Sorgen nicht weitererzählt. „Ich träume. Und ich kann mich an jeden Einzelnen erinnern, manchmal kann ich nicht mal unterscheiden was real und wann ich träume." Während ich es ausspreche meine die Worte banal, sodass ich mich ein wenig schäme. Doch Kenai scheint das nicht zu bemerken: „Und was träumst du da so? Immer das Gleiche?", fragt er mich interessiert. „Nicht immer das Gleiche, aber immer von diesem See und ein und demselben Mädchen. Sie ist wunderschön", sage ich verträumt, sodass mich Kenai irritiert anblickt: „Bist du gar nicht mehr mit Yuna zusammen?" Ihr Name lässt mich kurz erstarren. „Doch doch, aber es ist eben nicht mehr das, was es einmal war." Ich bin schon ein wenig wehmütig, wenn ich an unsere gemeinsame Vergangenheit denke. Wir hatten viele schöne, unvergessliche Momente gemeinsam und wir wurden häufig als das perfekte Paar- die Liebenden für das Leben- genannt. Seufzend lasse ich mich zurück auf mein Handtuch fallen. „Vielleicht will dir dein Unterbewusstsein sagen, dass du nicht weiter an der Beziehung mit Yuna festhalten solltest." Kenai setzt sich auf sein Handtuch neben mich und blickt nachdenklich in die Ferne. „Aber warum du gerade von diesem Ort träumst kann ich dir nicht sagen", sagt er mehr zu sich selbst als zu mir.
„Ey ihr faulen Säcke!", ruft Koda während er mit Milou händchenhaltend aus dem Wasser in unsere Richtung gelaufen kommt. Ich bin eigentlich ganz froh, dass das Gespräch zwischen Kenai und mir nun beendet ist. „Hat jemand Lust auf Eis? Ich habe während der Herfahrt gesehen, dass es ein paar Straßen weiter eine Eisdiele gibt", fährt Koda fort ohne so wirklich auf uns zu achten. Seine Augen gelten nur Miliou, die sich an seinen Arm klammert, als hätte sie Angst alleine gelassen zu werden. „Eis wäre jetzt super. Kannst du mir eine Kugel Erdbeere mitbringen?", frage ich in die Runde, da ich nicht weiß, wer Eis kaufen gehen will. Auch Miliou bekennt sich Eis essen zu wollen und so gehen die beiden Brüder los. Ich lege mich entspannt zurück auf mein Handtuch, schließe meine Augen und hoffe in meinen letzten Traum zu gelangen. Milou nimmt davon keine Notiz, denn sie spricht einfach drauf: „Seit wann kennst du Koda?", fragt sie mich und ich gebe ein halb verträumtes „Seit der fünften Klasse" zurück. Als sie dann anfängt über Koda zu schwärmen und mir bestimmt jeden gemeinsamen Moment, den sie bis jetzt mit ihm erlebt hatte, zu erzählen setze ich mich seufzend wieder auf. Mein Traum ist jetzt verflogen, ich könnte sowieso nicht mehr in der selben Situation weitermachen, an der ich vorhin aufgehört hatte.
„Ach so ist das! Weil ich sagte, dass ich unterwegs bin und nicht zu dir kommen kann, angelst du dir direkt eine Neue?", schreit mich plötzlich jemand von hinten an. Ich brauche keine Sekunde, um zu wissen, dass Yuna hinter mir steht. Milou sieht aus, als würde sie sich ertappt fühlen, auch wenn wir nichts Falsches gemacht haben. „Hi Yuna, schön dass du da bist. Das ist Milou, die Freundin von Koda", sage ich theatralisch. Mir geht ihre Eifersucht schon wieder auf die Nerven. Jedoch habe ich weder Lust auf Drama noch auf Streit, sodass ich auf meinem Handtuch ein Stück zur Seite rutsche, um ihr ein Platz anzubieten. Seufzend lässt sie sich neben mir fallen. „Und wie geht es dir?", frage ich sie während sie sich umblickt. „Gut, und wo ist Koda?" Genervt verdrehe ich die Augen. Zum Glück ergreift Milou vor mir das Wort: „Koda und Kenai sind Eis kaufen. Willst du auch eins? Ich rufe Koda schnell an" Sie zückt ihr Telefon, doch Yuna schüttelt den Kopf: „Nein danke, ich will kein Eis", sagt sie und wendet sich nun an mich: „Schatz, könnte ich dein Handy benutzen? Mein Akku ist leer." Das Wort Schatz löst Scham in mir aus, doch ich versuche das Gefühl einfach zu ignorieren. Stattdessen gebe ich ihr mein Telefon ohne zu hinterfragen, warum sie es benötigt. Kenai hatte mit seiner Behauptung, ich solle die Beziehung zu Yuna überdenken, Recht gehabt. Ich fühle mich weder wohl in ihrer Nähe noch verspüre ich ein erhöhtes Herzklopfen. Ich habe nicht mal Lust mit ihr zu reden. Ehrlich gesagt, weiß ich nicht mal mehr warum ich mit ihr zusammen bin- es ist nur noch eine Qual für mich. Ich werde aus meinen Gedanken gerissen, am die beiden Jungs mit Eis auf uns zu gelaufen kommen. „Na wen haben wir denn da?", ruft Koda schon von weitem. Yuna, immer noch vertieft in mein Handy, verdreht nur die Augen: „Mich. Kümmer dich lieber um deine Freundin, Koda und lass mich in Ruhe." Ihr abwertender, gehässiger Ton lässt die Wut in mir hoch kochen: „ Wie redest du mir meinen Freunden?", rufe ich entsetzt. „Du kannst ganz ruhig bleiben." Aufbauend steht sie vor mir: „Wer ist das?" Das Bild, welches sie mir vor die Nase hält lässt mir meine Adern gefrieren- das Traummädchen. Ich weiß vor Überraschung gar nicht, was ich sagen soll, versuche aber trotzdem ein paar zusammenhängende Wörter vorzubringen: „Yuna, warum schaust....." „Ich habe dich gefragt wer das ist", fällt sie mir ins Wort, „aber das ist jetzt auch egal. Werde mit ihr glücklich. Mich musst du nicht mehr ertragen. Es ist Schluss!", schreit sie und ich kann das geflüsterte „Arschloch" hören, auch wenn es eher nur Lippenbewegungen statt Stimme war. Ich reiße ihr das Handy aus der Hand: „Bitte geh", ist das Einzige, was ich hervorbringe. Das lässt sie noch nicht zweimal sagen, denn sie dreht sich um und geht. Ohne sich noch einmal umzudrehen verschwindet sie von der Bildfläche. Ich atme hörbar aus. Erst jetzt merke ich, dass ich die ganze Zeit die Luft angehalten hatte. Kenai, der immer noch mit zwei Eistüten in der Hand dasteht, umarmt mich, während er mir ein „Tut mir leid" zuflüstert. „Es musste so kommen. Wir taten uns beiden gegenseitig nicht gut", gebe ich emotionslos zurück, löse mich aus der Umarmung und nehme ihn die Erdbeereistüte aus der Hand. „Und wer ist nun auf dem Foto?", möchte Koda wissen. Ich entsperre mein Telefon und blicke in das wunderschöne Gesicht des Traummädchens. Ich zeige den Anderen das Foto: „Es ist ein Bild aus dem Internet." Ich möchte zwar nicht lügen, aber wenn ich die Wahrheit sagen würde, würden sie es mir sowieso nicht glauben. Ich packe das Handy zurück in meine Tasche und lege mich wieder auf mein Handtuch. Ich fühle mich plötzlich so ausgelaugt, aber auch erleichtert. Ich weiß nicht, ob ich glücklich oder traurig sein soll, ob ich weinen oder lachen soll. Ich beschließe für mich das Kapitel Yuna abzuschließen und das, was vor mir liegt zu genießen.
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