-10. KAPITEL -
Meine Ohren fokussieren sich endlich wieder auf die Geräusche der Umgebung. Jedoch höre ich nicht, wie angenommen, die Stimmen der Anderen - mich umgibt nichts als pure Stille. Als mir der Gedanke kommt, dass sie vielleicht einfach gegangen sein könnten, öffne ich meine Augen und blicke mich um. Und was soll ich sagen - Ich liege hier allein an diesem See. In mir wächst die Wut auf Koda und Kenai: Ich hätte nie gedacht, dass sie sich einfach aus dem Staub machen und mich hier allein zurück lassen. Ich setzte mich und krame mein Handy aus der Tasche. Das kann nicht wahr sein! Ich habe kein Netz! Wenn ich die Beiden das nächste Mal sehe, dann können sie was erleben! Wütend knalle ich das Telefon neben mich auf mein Handtuch. Das heißt dann, dass ich wohl oder übel nach Hause laufen muss. Aber wenn ich einmal hier bin, kann ich auch einen Augenblick diese Stille und die Atmosphäre genießen. So langsam verpufft meine Wut wieder und ich versuche dieser Situation etwas Positives abzugewinnen. Die Sonne verschwindet gerade am Horizont und taucht alles in ein wunderschönes Rot. Die sonst so schroffen Berge spiegeln sich in dem rosaroten Wasser des Sees wider, die Bäume wiegen sanft im Wind und mich umgibt eine Zufriedenheit, wie ich sie nur selten spüre. Ich fühle mich frei und auch die Wut ist nun endgültig verschwunden. Der Anblick des Sees sowie des Waldes lässt meine Gedanken an das geheimnisvolle Mädchen wandern. Ihre blonden Haare, ihr blauen Augen und diese wunderschönen vollen Lippen entlockt mir ein Lächeln. Nichts als Zufriedenheit füllt mich und ich wünschte, ich würde nie wieder Anders fühlen.
Mein Herz setzt für ein kurzen Moment aus, als ich das Mädchen, an das ich gerade gedacht hatte, nur ein paar Meter von mir entfernt stehen sehe. Als hätten sich meine Gedanken in die Realität projiziert. Die Erkenntnis trifft mich wie ein Schlag. Wenn sie hier ist, dann ist alles nur ein Traum.
Ungläubig schaue ich an mir hinunter. Wie kann das sein? Es sieht alles wie in Wirklichkeit aus. Ich will nicht weiter darüber grübeln und beschließe meine Gedankengänge später fortzuführen. Jetzt konzentriere ich mich erst einmal auf sie. Mein Blick fällt auf mein Handy, welches immer noch neben mir liegt. Wenn ich von ihr heimlich ein Foto machen könnte, dann könnte ich beweisen, dass ich nicht verrückt bin. Kurzerhand zücke ich mein Telefon, öffne die Kamera App und warte auf den perfekten Moment - den Moment, der alles ändern könnte.
Das Mädchen scheint mich noch nicht bemerkt zu haben, denn sie steht seelenruhig am Ufer, ihr Blick auf das Wasser gerichtet und summt leise vor sich hin.
Vorsichtig stehe ich auf, bedacht darauf ihre Aufmerksamkeit nicht auf mich zu lenken. Auf Zehenspitzen schleiche ich zum nächstgelegenen Gebüsch, um mich zu verstecken und dort auf den Moment zu warten. Mein Herz pocht wie wild, hoffentlich hört sie es nicht. Endlich erreiche ich das Gebüsch und hocke mich dahinter. Das Adrenalin rauscht in meinen Ohren, sodass ich das Gefühl habe, ich würde gleich umkippen. Ich fühle mich wie ein Stalker, jedoch hält mich nicht davon ab weiter an Ort und Stelle zu bleiben, auch wenn es sich falsch anfühlt. Als sie sich endlich umdreht, springt mein Herz fast aus meiner Brust und ich drücke schnell den Auslöser.
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Ich reiße die Augen auf. Warum muss gerade jetzt der Traum vorbei sein? Verwirrt schaue ich in die Gesichter meiner Freunde, die über mir hängen. „Gut geschlafen?", fragt Koda amüsiert, aber ich antworte nicht darauf. Ich rappele mich hoch, immer noch im Traum gefangen schaue ich mich um, in der Hoffnung das Mädchen zu sehen. Aber natürlich ist sie nicht hier. Warum musste gerade dann der Traum enden, als ich den Auslöser gedrückt habe? „Alles in Ordnung bei dir?" Kenai sitzt auf seinem Handtuch und schaut mich besorgt an. „Ähhm... ich denke ja", gebe ich kleinlaut bei. „Ich glaube dir das aber nicht. Was ist wirklich los mit dir?" Soll ich ihm das wirklich erzählen? Vielleicht wird es mir besser gehen, wenn ich es jemandem erzählt habe. Wahrscheinlich wird mich Kenai als verrückt erklären, aber was habe ich denn schon zu verlieren?
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