8 Dr. Franklin
"Katrina?"
Verschlafen blinzelte ich. Über mir war die Zimmerdecke. Das Licht blendete mich. Ich wollte es mit der Hand abschirmen, doch es ging nicht.
Mit den Augen folgte ich meinem Arm hinunter zu meiner Hand. Am Handgelenk lag die lederne Manschette und hinderte mich daran mich zu bewegen.
Ich atmete ruhig ein und aus. Ich mochte das Gefühl eingesperrt zu sein gar nicht. Und ich bekam leichte Panik, weil ich mich nicht bewegen konnte.
Mein Kopf arbeitete nicht richtig. Es war, als wäre ich in Watte gepackt, oder würde durch diese hindurch schwimmen.
Ich blinzelte noch mehrmals. Verwirrt.
"Katrina?", fragte die Stimme erneut und jetzt richtete ich den Blick auf die Frau, die mit Abstand neben meinem Bett stand.
Es war Luna. Hinter ihr stand Theo und direkt hinter ihm Klara.
"Der hat echt nen geilen Arsch!", grinste sie mich schmierig an und grapschte ihm an den Hintern.
Schnell schloss ich die Augen. Was meine Freundin da tat, wollte ich ganz sicher nicht mit ansehen.
"Wie geht es dir heute?", wollte Luna wissen, während Theo zu mir ans Bett kam.
"Drehst du wieder ab, wenn ich dich losbinde? Dr. Franklin möchte mit dir sprechen.", wollte der dunkelhaarige Mann wissen und ich schüttelte langsam den Kopf.
Ich war doch noch nie durchgedreht. Warum fragte er mich denn danach?
"Dumme Nuss! Er kann uns nicht auseinanderhalten. Ist doch logo!", sagte Klara und wuschelte ihm durch die Haare, während er sich über mich beugte und meine Hand losband.
Luna reichte ihm ein weißes Hemd.
"Ziehst du es freiwillig an?", fragend hob er eine Augenbraue, während er es mir hinhielt. Ich seufzte. Dann streckte ich die Arme aus und schob sie hinein.
"Es ist nur zur Sicherheit. Das verstehst du doch.", sagte Luna entschuldigend und ich nickte einsichtig.
"Mensch Mädel! Jetzt mach doch mal die Fresse auf.", Klara verdrehte die Augen, während sie hinter mir aufs Bett stieg und wie ein wildgewordener Floh darauf herum hopste.
"Du weißt gar nicht, wie toll es ist ICH zu sein!", freute sie sich und sprang vom Bett herunter, während Theo die Ärmel der Zwangsjacke auf meinem Rücken verknotete.
"Ich kann es mir vorstellen.", flüsterte ich leise und lächelte sie an. Die überdrehte Klara war mir deutlich lieber als die aggressive.
"Hey! Ich bin nicht überdreht!", beschwerte sie sich, "Und auch nicht aggressive! Ich mag es nur nicht, wenn man mich in meinem Körper einsperrt! Okay!"
"Ich mag unseren Körper.", flüsterte ich, während Theo meine Beine losmachte und Luna mich skeptisch ansah.
"Sie weiß nicht, ob sie dir trauen kann.", lachte Klara und bohrte wenige Zentimeter vor ihr in der Nase.
"Kannst du es ihr verdenken? Du hast die ganze Station die letzte Woche gewaltig auf Trab gehalten.", seufzte ich unhörbar.
"Nicht ich. Du!"
Am liebsten hätte ich meiner Freundin die Zunge raus gestreckt, doch unterlies ich es. Nicht, dass Luna oder Theo noch auf dumme Gedanken kamen.
"Hättest du gar nicht.", sagte Klara und streckte nun ihrerseits mir die Zunge raus. Ja, sie hatte es gut. Sie konnte jetzt wieder tun, was sie wollte. Ich hingegen, musste mich an ihre Regeln halten.
"Na, dann wollen wir mal.", forderte Theo mich auf. Er hatte seine eine Hand in meinem Rücken liegen. Mit der anderen hielt er die Tür fest, die Luna für uns geöffnet hatte.
Luna schloss die Glastür auf. Theo führte mich nach oben, bis zum Büro von Dr. Franklin.
Und wieder war es Luna, die mich bei ihr anmeldete.
"Aber DU solltest doch mit Dr. Franklin reden.", zischte ich Klara zu, die immerhin bis hier her mitgekommen war.
"Ich fand die Idee schon immer scheiße!", sie lehnte mit verschränkten Armen an der Wand neben der Tür und sah den Mann, der mich an der Flucht hindern sollte schmachtend an.
"Aber...", wollte ich wiedersprechen, doch sie unterbrach mich energisch.
"Halt die Klappe! Ich bin doch hier oder nicht!"
"Kommst du mit rein?", wollte ich skeptisch wissen. Und zu meiner Verwunderung nickte sie.
"Jetzt tu mal nicht so erstaunt. Ich hab doch gesagt, ich helfe dir. Ich bring dir schon bei zu sprechen."
"Aber bitte nicht wie damals. Ich will nicht wieder ertrinken.", sagte ich voller Angst, was Klara genervt die Augen verdrehen ließ.
"Ist ja schon gut! Ich kann ja wieder gehen!"
Schon wollte sie sich abwenden, als ich sie mit einem deutlich hörbaren: "Bitte nicht!", aufhielt.
Theo sah mich skeptisch an. Klara verschmitzt grinsend.
"Siehst du geht doch."
"Du kannst jetzt reingehen, Katrina.", Luna war aus Dr. Franklin's Büro zurückgekehrt und warf Theo einen vieldeutigen Blick zu, den dieser mit einem kleinen Nicken erwiderte.
"Na, dann wollen wir mal.", sagte er locker zu mir und schob mich dann sanft vorwärts.
Ich hatte richtiges Herzklopfen, als ich Dr. Franklin an ihrem Schreibtisch sitzen sah. Seit dem letzen Mal war ich nicht mehr hier gewesen, doch der Raum sah aus wie immer.
Nur die blauen Blumen, die sie letztes Mal extra für mich mitgebracht hatte suchte ich vergebens.
Eingeschüchtert senkte ich den Blick. Folgte Klara jedoch verstohlen ins Zimmer und blieb schließlich stehen, während sie sich frei durch den Raum bewegte.
"Hässlich!", sagte sie und streckte einem der Bilder angeekelt die Zunge entgegen. "Hässlich!", sagte sie erneut und verdrehte die Augen, weil ihr auch das nächste Bild nicht zusagte.
Ich musste mir ein grinsen verkneifen.
"HÄSSLICH!", sagte sie zum dritten Mal und schaute dabei jetzt direkt Dr. Franklin an, die mich aufmerksam durch ihre kleine, schmale Brille musterte.
"Setzt dich doch."
Sie bot mir wieder den Platz auf dem Sofa an, zu dem ich zögernd ging, während sich Theo neben die Tür an die Wand stellte. Er folgte mir nicht.
Uns allein lassen tat er aber auch nicht.
"Natürlich nicht! Die haben schiss vor uns.", sagte Klara gelangweilt und räkelte sich neben mir, kopfüber in den Polstern. Die Beine hatte sie über die Lehne gehängt und ihre kurzen dunklen Haare hingen zerzaust auf den Boden.
"Könntest du auch mal versuchen. Dann sieht die Schrulla gleich viel besser aus.", lachte Klara vergnügt, doch schüttelte ich verschüchtert den Kopf.
"Sagst du mir wie du heißt?", richtete Dr. Franklin schließlich das Wort an mich. Sie rückte ihre Brille mit dem Zeigefinger zurecht. Das konnte ich gerade noch sehen.
Ich hatte den Kopf gesenkt, schaukelte leicht mit dem Oberkörper vor und zurück.
"Katrina!", Klara klang gereizt, "Jetzt sag der dummen Kuh schon wie du heißt! Sonst kommen wir hier keinen Schritt weiter! Wenn du der da nicht mal deinen Namen sagen kannst, wie willst du sie dann fragen, ob wir raus können?"
"Warum muss ich ihr das denn sagen?", wollte ich von Klara wissen, "Kannst du nicht?"
"Ne. Kein Bock! Und jetzt mach endlich die Klappe auf. Du MAGST sie doch. Dann kannst du auch mit ihr reden.", sagte sie sarkastisch und zog dabei das 'magst' ganz besonders in die Länge.
"Ja, ja.", flüsterte ich stumm und kniff die Augen zusammen. Atmete tief durch, bevor ich dann an meine nackten Füßen gerichtet: "Katrina.", flüsterte.
Mir schlug das Herz bis zum Hals. Und es fühlte sich an, als würde es mir gleich aus der Brust springen, so aufgeregt war ich.
"Hallo Katrina.", sagte Dr. Franklin jedoch höflich und notierte sich etwas auf ihrem Zettel. Sehnsüchtig wagte ich einen Blick auf ihren Stift, den sie aber nicht in meine Richtung schob.
"Ja. Warum sollte sie auch? Hast du vergessen, was letztes Mal passiert ist?", grunzte Klara genervt und ich schüttelte den Kopf.
Natürlich hatte ich das nicht vergessen, aber malen würde ich trotzdem gerne.
"Dann sag das der Hexe doch!", verlangte meine Freundin und schwang jetzt die Beine von der Lehne und setzte sich erst auf das Sofa bevor sie sich darauf stellte und zu hüpfen begann.
"Klara!", zischte ich ihr zu. "Lass das."
"Warum sollte ich."
"Das gehört sich nicht."
"Is mir egal.", teilte sie mir mit und machte weiter. Ich spürte den prüfenden Blick von Dr. Franklin auf mir. Wagte aber nicht ihr ins Gesicht zu blicken.
"Das Bild, das du gemalt hast, war sehr schön.", sagte sie zu mir, doch fragte ich mich, warum sie es dann entfernt hatten, wenn sie es doch gemocht hatte.
"OH, Mädel! Kannst du dir das nicht denken?! Die Mögen Kunst nur an Wänden nicht auf dem Boden. Oder hast du hier schon mal Bilder gesehen, die auf dem Boden lagen.", Klara verdrehte genervt die Augen, hopste aber munter weiter auf dem Sofa herum.
"Du meinst, wenn ich an der Wand gemalt hätte, hätte Luna nicht geschimpft?", fragte ich Klara, doch Dr. Franklin war es die mir antwortete.
"Vermutlich schon. Aber warum hast du denn auf dem Boden gemalt?"
"Ja, Warum?", fragte auch Klara und grinste mich blöde an.
"Du weißt genau warum.", zischte ich ihr mit verstimmter Mine zu, "Ich hatte kein Papier."
"Du hättest um Papier bitten können.", sagte nun die Therapeutin und musterte mich aufmerksam. Sie schien über irgendwas stark nachzudenken, doch wusste ich nicht worüber.
"Bist du so doof oder tust du nur so. Du hast ihre Frage beantwortet. Das findet die da sicher richtig toll.", sagte Klara und sprang über die Lehne vom Sofa herunter. Sie schlenderte durch den Raum und blieb schließlich vor dem Bücherregal stehen.
"Langweilig.", sagte sie, "Langweilig. Laaangweilig! Die haben hier nur Schrott! Sag ihr, dass wir einen Thriller wollen.", verlangte sie von mir, bevor ich allerdings etwas erwidern konnte unterbrach mich Dr. Franklin jedoch in meinen Gedanken.
"Warum hast du nicht um Papier gebeten, Katrina? ", wollte sie erneut wissen, "Schwester Luna hätte dir welches gegeben."
"Los, sag ihr warum."
"Ich kann nicht.", zischte ich Klara zu, die tief seufzte.
"Und warum nicht?", antwortete sie mir genervt, wohingegen die Ärztin wissen wollte: "Warum kannst du nicht fragen."
"Ich spreche mit niemandem." antwortete ich Klara.
"Du sprichst mit mir.", sagte Dr. Franklin jedoch, was mich verwundert den Blick heben lies, aber nur soweit, dass ich ihre Hände sehen konnte, die sie auf ihren Knien gefaltet hatte.
"Aber ich spreche doch gar nicht mit ihr.", flüsterte ich Klara zu, die inzwischen hinter der Ärztin Faxen machte.
"Nicht?", grinste sie mich an. "Du antwortest aber auf ihre Fragen."
"Ich antworte auf deine Fragen.", wiedersprach ich.
"Ist doch dasselbe."
"Wenn du nicht mit mir sprichst, mit wem denn dann?", wollte Dr. Franklin wissen und blickte sich aufmerksam nach allen Seiten um, "Mit Theo?", schlug sie dann vor.
"Au ja!", sagte Klara begeistert und riss vor Euphorie die Augen auf. "Lass uns mit Theo reden!"
"Nein!", zischte ich erschreckt. Der große Mann machte mir Angst.
"Aber außer ihm und mir ist niemand hier Katrina. Mit wem redest du denn, dann?"
"Klara, Klara, Klara, Klara....", wiederholte meine Freundin mit Singsang Stimme, weshalb ich belustigt: "Klara!", murmelte.
"Ist Klara deine Freundin?", wollte die Therapeutin wissen und diesmal konnte ich ihr antworten. Ich nickte verstohlen.
"Dann ist Klara also hier?"
Wieder nickte ich und Klara schrie mir laut: "JA!" ins Ohr.
Verschreckt zuckte ich zusammen, weil ich nicht bemerkt hatte, wie sie hinter mich getreten war.
"Sag es. Es ist nicht schwer. Los! JA, JA, JA...", intonierte sie diese beiden Buchstaben mehrmals, doch diesmal tat ich nicht was sie wollte.
"Sagt Klara dir was du sagen sollst?", wollte Dr. Franklin wissen und da ich nicht genau wusste, was ich sagen sollte, nickte ich und zuckte die Schultern.
"Ganz toll!", sagte Klara genervt, "Jetzt ist die Trulla sicher wirklich schlau aus dir geworden."
Verlegen schwieg ich und senkte den Blick wieder auf meine Knie. Ich wollte meine Arme bewegen, doch ich konnte nicht. Die Jacke verhinderte fast jede Bewegung.
"Mensch! Echt gut erkannt! Das Teil verrichtet tatsächlich seinen Dienst. Was?!"
"Hör auf. Nur wegen dir stecke ich in der Jacke.", sagte ich leise.
"Du meinst Klara hat dir gesagt, dass du auf dem Boden malen, und nicht unter dem Bett rauskommen sollst?"
Ich wollte gerade nicken, als mir einfiel, dass das nicht ganz stimmte, doch wie ich ihr dass mitteilen sollte wusste ich nicht.
Klara hatte zwar vorgeschlagen, dass ich unter dem Bett malen könnte, aber dass ich dann nicht mehr darunter hervorkommen wollte, habe ich selbst entschieden und so tat ich einfach gar nichts.
"Total erwachsen!", seufzte Klara genervt auf. "Muss ich dir denn jedes Wort aus der Nase ziehen?! Du sagst jetzt...Ich wollte es so..."
"Aber das stimmt nicht.", wiedersprach ich, "Du hast mich dazu überredet, auf dem Boden zu malen."
"Und wenn schon.", sie zuckte gleichgültig mit den Achseln, "Aber unter dem Bett hast du dich verkrochen, weil du nicht den Mund auf kriegen konntest."
Verstimmt runzelte ich die Stirn. "Ich bin unter dem Bett geblieben, weil ich hier nicht her wollte. wir haben uns nur gestritten, weil ich kein Papier hatte.", sagte ich leise und Dr. Franklin schrieb etwas auf ihren Zettel.
"Also gut. Hör zu Katrina. Meinst du wir können uns darauf einigen, dass du nicht mehr auf den Boden malst und auch nicht auf die Wände, sondern dass du um Papier bittest, wenn du malen möchtest? Was meinst du?"
Ich nickte, doch wusste ich schon von vornherein, dass das schwierig werden könnte. Denn ich sprach ja mit niemandem.
Nur mit Klara.
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2162 Worte
13.04.17
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