Das erste was ich sah als ich die Augen aufschlug, war eine makellos weiße Zimmerdecke. Und zwar verdammt hoch oben. Wo war ich? In einer Kirche? Vorsichtig bewegte ich die Augen leicht nach links und entdeckte einen riesigen Kronleuchter an eben dieser Zimmerdecke.

Mich langsam aufrappelnd, schlug ich die hellrosane Bettdecke zur Seite und hätte beinahe aufgeschriehen.

Unter der Decke kam ein Paar lange, schlanke Beine zum Vorschein. Sie waren absolut perfekt. Und ganz sicher nicht meine. Meine Beine waren pummelig, haarig und nicht mal halb so perfekt.

Mit Grauen erfüllt ließ ich den Blick höher wandern. Die Beine schienen in kurzen rosa Pyjama shorts zu enden. Zögernd streckte ich die Hand aus, um sie zaghaft zu berühren. Eine weiche, feminine Hand mit unglaublich langen Fingern kam in mein Blickfeld und legte sich auf den Stoff. Er war dünn und weich, ich konnte es ganz deutlich fühlen.

,,Aaaarrghhh!!!!" Schrie ich panisch und kniff die Augen zusammen. Mir brach der Angstschweiß aus. Ich war in einem anderen Körper! Und in einem Zimmer das ich noch nie in meinem Leben gesehen hatte. Warum fühlte sich dieser Traum so echt an?

Zögernd öffnete ich die Augen, nur um sie gleich darauf wieder zuzukneifen. Heftig atmend versuchte ich mich zu beruhigen. Alles war gut. Gleich würde ich aufwachen, aus diesem verrückten Traum, wo ich im Körper von jemand anderem war.

Ganz ruhig, Elfriede. Es ist nur ein Traum. Nur ein Traum. Nur ein...

Ich spürte wie ich ruhiger wurde und sich meine Atmung normalisierte. Alles war gut. Jeden Moment würde ich aufwachen und mich wieder in meinem eigenen gewohnten Körper befinden. Dann würde ich Siri wecken, die in genau diesem Moment bestimmt seelenruhig neben mir schlief und wir würden in die Küche gehen und uns Frühstück machen.

Ich konnte mich zwar nicht daran erinnern überhaupt eingeschlafen zu sein, aber es war schließlich auch ein langer Tag gewesen. Siri und ich waren einfach eingeschlafen und jetzt träumte ich. Das war die Erklärung.

Nun ein wenig ruhiger geworden, überkam mich auf einmal der Drang aufzustehen und auf das Handy auf meinem Nachttisch zu gucken. Es war brandneu. Ein iPhone 11. Leider in einer furchtbar kitschigen rosa Handyhülle mit 3 künstlichen pinken Schleifen.

Als wäre es das natürlichste der Welt griff meine Hand, oder eigentlich nicht meine Hand, danach und schaltete es ein.

,,Alta. What the fuck. Bin ich gestorben und in der Hölle gelandet oder was?"

Mit einem Satz war ich auf den Beinen und drängte mich auf dem Bett an die Wand. Was war das? Wer hatte da gesprochen? Die Stimme war mir bekannt vorgekommen...

,,Siri? Bist du das?"

Gott sei Dank. Sie war auch hier. Ich war nicht ganz alleine in diesem Alptraum. Aber wo war sie?

,,Elfriede? Dem Himmel sei Dank das du auch hier bist, wo bist du? Was passiert hier? Fühlt sich dein Körper auch so merkwürdig an?"

Meine Knie gaben nach und ich sackte auf dem Bett zusammen. Die Stimme schien aus dem nichts zu kommen, aber es war ganz eindeutig Siri.

,,Ich verstehe nicht..." krächzte ich. ,,Was passiert hier? Siri, Weißt du was hier passiert?"

Ihre Stimme klang ebenfalls panisch als sie antwortete. ,,Ich hab keine Ahnung, verdammt!!! Das letzte woran ich mich erinnere ist, dass wir zusammen dieses Buch lesen wollten."

Ich nickte zittrig. Das war auch das letzte woran ich mich erinnern konnte. Zögernd griff ich erneut nach dem Handy.

,,Siri. Ich rufe jetzt die Polizei. Oder einen Arzt. Villeicht sind wir ja beide verrückt geworden, oder jemand hat uns unter Drogen gesetzt. Villeicht war etwas in den Burgern."

Eigentlich glaubte ich nicht, dass das der Fall war. Wenn wir beide wahnsinnig geworden wären, wären wir doch nicht in der selben Wahnvorstellung und könnten miteinander kommunizieren. Oder war die Stimme von Siri villeicht nur ein Trugbild. Bei dem Gedanken erstarrte ich. Bitte nicht. Ich will nicht alleine hier sein.

Mit zittrigen Händen hob ich das Handy höher und hörte die Stimme von Siri überrascht aufschreihen.

,,Elfriede, ich seh was! Ich seh so 'n Schreibtisch mit einer Lampe und eine Wand dahinter."

Überrascht ließ ich die Hand mit dem Handy wieder sinken.

,,Hast du vorher denn nichts gesehen?"

,,Doch, aber nur so eine braune Oberfläche. Und dann kurz eine weiße. Generell ist alles voll merkwürdig, ich fühle meinen Körper nicht mehr und mein Gesicht auch nicht! Also es ist nicht so, als würde ich fühlen, dass etwas fehlt, aber wenn ich zum Beispiel meine Finger bewegen will ist da nichts. Es ist fucking gruselig!"

Ihre Stimme klang ernsthaft ängstlich und merkwürdig nah an meinem Gesicht. Ich blickte auf das Handy, dessen Kamera auf die gegenüberliegende Wand gerichtet war, wo ein Schreibtisch stand. Langsam formte sich in meinem Kopf ein Verdacht.

,,Siri, ich glaube du bist in einem Handy."

,,Was?" Sie stockte. ,,Oh sehr witzig. Siri.  Handy. Natürlich. Echt witzig. Aber ich kriege hier grade echt Panik, Mann."

,,Nein, Ernsthaft. Ich glaube du bist wirklich in einem Handy. Und das Handy halte ich grade in der Hand, weil ich in irgendeinem anderen Körper bin, falls ich nicht ein massives Makeover innerhalb von ein paar Sekunden hatte!"

Vorsichtig bewegte ich das Handy ein wenig hin und her.

,,Siri. Siehst du jetzt so eine weiße Tür?"

,,Ja." Flüsterte es heiser aus dem Handy. ,,Ich glaube das ist ein begehbarer Kleiderschrank. Wo zum Fick sind wir hier? Und bin ich echt in einem Handy?"

Ich raufte mir die Haare und zuckte zusammen, als ich seidenweiche, dichte Strähnen spürte, die sich völlig von meinen eher rauen, mausbraunen Haaren unterschieden. Sie schienen außerdem länger zu sein als meine, da ich ein ungewohntes Gewicht auf den Schultern spürte.

Natürlich. Wenn ich wirklich in einem anderen Körper bin, gilt das wohl auch für Gesicht und Haare.

Wie ich wohl aussah? Irgendwie wollte ich das nicht wissen, da ich das Gefühl hatte auf der Stelle in Ohnmacht zu fallen, wenn ich mich vor einen Spiegel stellte und eine andere Person erblickte. Andererseits... ich schluckte und schaute auf diese wunderschönen Beine. Schlank, haarlos, braungebrannt. Wie die eines Models. So welche hatte ich mir schon immer gewünscht.

,,Siri, wenn ich das wüsste, hätte ich uns schon längst Tickets für die Rückfahrt gebucht! Und ja verdammt, du scheinst echt in einem Handy zu stecken!"

Eine Weile blieb es still. Dann murmelte Siri: ,,Kann ich jetzt auch nichts mehr essen?"

Ich verdrehte die Augen. Begriff sie denn nicht wie ernst die Situation war?! Wir erlebten grade etwas vollkommen übernatürliches und diese Bitch dachte nur ans essen!

,,Soweit ich weiß haben Handys keine Münder. Geschweige denn Organe zum Verdauen. Aber können wir uns vielleicht mal darauf konzentrieren irgendwas zu machen?"

Siris Stimme seufzte. ,,Moment noch. Was für ein Handy ist es? Und wie sieht die Hülle aus? Wenn das geklärt ist können wir überlegen was wir machen."

,,iPhone 11, aber die Hülle ist hässlich. Können wir uns jetzt bitte bitte bitte auf das Wesentliche konzentrieren?"

Meine Stimme war weinerlich, dass hörte ich selber. Sie klang generell fremdartig. Weicher und höher als meine eigentliche.

,,Ist die Hülle..." Als könnte Siri mein Gesicht sehen räusperte sie sich und fing nochmal an. ,,Ich habe eine Theorie. Es ist doch eigentlich ganz eindeutig. Wir sind im Buch drin."

Nervös zitternd saß ich auf dem Bett und starrte auf den Entsperrbildschirm. Irgendein Sonnenuntergang am Strand.

,,So was gibts nicht! Wir können doch nicht in einem Buch sein."

,,Natürlich gibts sowas nicht. Offensichtlich aber schon."

Siri war zwar jemand der sich gerne aufregte, ließ sich aber nie unnötig stressen. Normalerweise hielt ich diese Eigenschaft für eine ihrer besten und liebenswertesten. Doch jetzt hätte ich ihr sehr gerne eine reingehauen.

,,Okay, wir sind also in diesem Buch. Badboy=best boy. Und jetzt?"

,,Nun..." sie schnalzte mit der Zunge. ,,Du bist offensichtlich im Körper von Destiny, der Hauptperson. Und bei mir ist allem Anschein nach was schief gelaufen, denn ich bin in einem Handy anstatt in einer Person. Was wir jetzt machen ist das Buch suchen. Wenn wie hierhergekommen sind, indem wir das Buch geöffnet haben, kommen wir wieder zurück wenn wir das Buch erneut öffnen."

,,Warum glaubst du, dass das Buch hier ist?"

Kurz kam sie ins Stocken. ,,Weil ich mal ein Buch gelesen habe wo ein Mädchen in einem Buch landet und sie kam zurück indem sie das Buch dort fand und es aufschlug."

,,Reizend. Und wo war das Buch da?"

Ich versuchte mir meine Genervtheit nicht anmerken zu lassen, schließlich tat Siri ihr Bestes um uns hier rauszuholen. Aber ich war einfach panisch und verzweifelt.

,,In irgendeiner Burg oder so. Das hat im Mittelalter gespielt. Aber jetzt guck doch erst mal in diesem Zimmer, ich glaube nämlich nicht, dass es hier Burgen gibt. Wir sind schließlich in einer Badboy - Highschool Romanze."

Seufzend machte ich mich also auf den Weg, um das riesige Zimmer unter die Lupe zu nehmen. Das Handy hielt ich fest umklammert. Der Raum war der absolute Hammer, luxuriös und modern. Die Wände waren in weiß und rosa gehalten, riesige Fenster gaben den Blick auf einen Garten mit Pool frei, sobald man die blassrosanen Vorhänge zur Seite gezogen hatte.

Ich hielt die Kamera so, dass Siri ebenfalls alles sehen konnte und sie kam aus dem Staunen gar nicht mehr heraus.

,,Ich bin grade schon ein bisschen neidisch auf dich weißt du."

,,Hmmhm..." machte ich und betrachtete die Buchrücken in dem letzten der drei Bücherregale.

,,Would you look at that. Shakespeare. Nach dem Kronleuchter und dem ganzen Luxus hätte ich deinen Hauptcharakter eher so als den Barbietyp eingeschätzt. Aber sie scheint auch ein bisschen typisches Good girl zu sein. Es sei denn gleich kommt ihr Mafiaboss Dad rein und verheiratet dich an einen Werwolf."

Wie Siri so locker herumwitzeln konnte, war mir unbegreiflich. Aber irgendwie half es mir auch nicht völlig durchzudrehen und mich einfach auf die Suche nach dem Buch zu konzentrieren.

,,Siri, kannst du mir mal helfen nach dem Buch zu gucken anstatt meine, Destinys, Hochzeit zu planen?"

,,Hey! Es ist nicht meine Schuld, dass ich keine Hände habe."

Augenrollend betrat ich den begehbaren Kleiderschrank, um auch dort nach dem Buch zu gucken.