Bücher und Hauswände
,,Elfriede, schau mal ins Buch, ob da schon was über die Party drinsteht." Quengelte Siri.
Ich stöhnte und warf einen Blick über die Schulter. Es war Freitagnachmittag und ich war grade auf dem Weg von der Schule nach Hause.
Der heutige und der gestrige Tag waren ziemlich ereignislos verlaufen, von zwei kurzen Begegnungen mit Aiden mal abgesehen. Aber immerhin hatte das Buch mich diesmal rechtzeitig gewarnt und mir gezeigt wie ich reagieren musste.
Kylie, Ashley, Olivia und ich waren anscheinend jetzt beste Freundinnen, was mich freute, aber auch überforderte. Jason hatte ich gemieden, um nicht von Aiden auf die Fresse zu kriegen und diesen Jackson, auf dessen Party ich heute Abend gehen würde, hatte ich immer noch nicht kennengelernt. Laut den Mädels war er irgendein Promi und kam nur selten zur Schule.
Die Straße war völlig ausgestorben, nicht einmal die Villen, die der in der ich wohnte ziemlich ähnelten, schienen bewohnt. Ich fühlte mich in dieser Bonzengegend jedesmal so fehl am Platz.
,,Da ist niemand! Jetzt gucke schon ins Buch. Ich bin so aufgeregt, ich wette da wird irgendwas richtig krasses passieren."
,,Schon gut, ich gucke ja schon."
Seufzend holte ich das Buch aus meinem Rucksack, über die letzten paar Tage hatte da herzlich wenig drin gestanden, aber jetzt war tatsächlich ein neuer Absatz erschienen.
3. Kapitel
Als ich am Freitagnachmittag nach Hause kam, wartete meine Mutter im Wohnzimmer auf mich. Normalerweise war sie um diese Zeit noch arbeiten.
,,Hallo, Liebes. Wie wars in der Schule?"
,,Ganz okay." Sage ich und nehme meinen Rucksack von der Schulter. Sie lächelt. ,,Ich muss für die nächsten drei Wochen auf Geschäftsreise. Ich habe dir Geld für Essen überwiesen, wenn du damit nicht auskommst, schreibe mir."
Ich nicke. Meine Mutter muss oft auf Geschäftsreise, aber das stört mich nicht. So musste ich auch nicht um Erlaubnis wegen heute Abend fragen.
Ich sah auf. ,,Das ist irgendwie traurig."
,,Ach was. Ich kann mir schlimmeres vorstellen, als als bildschöne Siebzehnjährige drei Wochen alleine in einer Villa mit Pool zu verbringen und sich Essen zu bestellen. Davon abgesehen ändert es doch nichts, ist ihre Mutter sonst etwa schonmal vorgekommen?!" Gähnte Siri.
Ich zögerte. Irgendwie tat mir Destiny leid. Es stimmte, ihre Eltern waren noch nie wirklich im Buch aufgetaucht, nur das Essen im Kühlschrank mit kleinen Zetteln und ein Familienbild im Wohnzimmer hatten darauf hingedeutet, dass ihre Familie überhaupt existierte. Meine eigenen Eltern hatte ich mehrmals täglich gesehen, sie waren ganz normale, nette Eltern, die mir zwar manchmal auf die Nerven gingen, die ich aber trotzdem über alles liebte. Zwar hatte Destiny hier schnell Freunde gefunden und würde bald mit Aiden zusammenkommen, aber wie unendlich einsam musste sie gewesen sein, bevor sie hierher gezogen war? Die Person im Buch hatte ja nicht einmal Siri.
,,Hey! Destiny!" Ertönte es hinter mir.
Ich zuckte zusammen und verstaute blitzschnell das Buch wieder in meinem Rucksack.
Jason kam angejoggt und blieb breit grinsend vor mir stehen. ,,Was hattest du denn da grade in der Hand?"
Ich wurde blass. Verdammt! Er hatte mich mit dem Buch gesehen! Wenn er Aiden auf dem Cover erkannt hatte war alles aus!
Ich versuchte es als etwas völlig beiläufiges abzutuen. ,,Oh, das ist nur ein Buch das ich zur Zeit lese."
Er musterte mich prüfend mit seinen blauen Augen. Nervös nickte ich ein paar Mal zur Bekräftigung. Er lachte.
,,Und du liest es hier? Im stehen mitten auf der Straße?"
Ich stemmte eine Hand in meine Hüfte und versuchte meine Verunsicherung zu überspielen. ,,Ja. Hast du ein Problem damit?"
Immer noch grinsend schüttelte er den Kopf. ,,Nein. Ich dachte nur es wäre vielleicht bequemer zu warten bist du zu Hause bist und es dann in aller Ruhe in einem gemütlichen Sessel zu lesen. So machen das normale Leute, weißt du."
Ich schob die Daumen unter die Träger meines Rucksacks und wandte mich zum gehen. Je schneller ich mich von ihm entfernte desto weniger Falsches konnte mir herausrutschen. ,,Aha. Also dann. War nett dich zu treffen, Jason."
,,Nun warte doch mal!" Er holte zu mir auf. ,,Worum geht's in dem Buch denn?"
Ich winkte ab. ,,Ist eine Liebesgeschichte."
Warum war er denn so interessiert an dem Buch? Ahnte er etwas? Am liebsten hätte ich an meinen Fingernägeln gekaut, eine dieser Macken die ich hatte wenn ich angespannt oder nervös war.
,,Oh. Eine Liebesgeschichte." Er hob die Augenbrauen. ,,Mannomann! Geh doch nicht gleich so ins Detail. Welche Art von Liebesgeschichte ist es denn?"
,,Weiß ich selber noch nicht, ich bin noch am Anfang."
,,Nur ganz grob. Ist es eher so Good girl und bad boy? Oder enemies to lovers? Oder verbotene Liebe? Oder dieses wir tuen so als wären wir zusammen bis wir tatsächlich zusammen kommen?"
Fassungslos starrte ich ihn an. Was wusste der Typ so viel über Liebesgeschichten?
,,Äh ich schätze Bad boy und good girl trifft es davon am besten. Es scheint aber auch ein bisschen richtung enemies to lovers zu gehen."
Er nickte wissend. ,,Jaja, diese Kombination findet man häufig."
Ganz der Experte. Dachte ich spöttisch und fügte, plötzlich mutig geworden, hinzu: ,,Soll ich es dir mal leihen, wenn ich es durch habe?"
Er stützte die Hand unter seinen Kopf und überlegte übertrieben. Dann winkte er ab. ,,Nein, aber vielen Dank für das großzügige Angebot. Tatsächlich hasse ich Liebesgeschichten."
Ich lachte kurz, erleichtert das das Gespräch in eine andere Richtung ging. ,,Was für Bücher magst du denn dann?"
,,Weiß nicht. Hauptsache mit mindestens 12 Bänden. Es hat immer so was beruhigendes wenn man weiß das die Story noch weitergeht. Was ist dein Lieblingsbuch?"
Was?! Meiner Meinung nach waren alle Bücher die mehr als zwei Fortsetzungen hatten zu 99,9% Schrott. Aber jedem das Seine.
,,Mein Lieblingsbuch ist..." ich überlegte. Ich hasste es wenn Leute mich das fragten, ohne mir mindestens zwei Stunden Zeit zum Nachdenken zu lassen. Das letzte Buch was ich angefangen hatte zu lesen, bevor ich gegen meinen Willen in ein Buch befördert worden war, hatte mir extrem gut gefallen. Wie hieß es nochmal?
,,Morgen Grauen."
,,Aaah!" Er schnipste mit den Fingern. ,,Ist das nicht dieser eine Krimi wo am Ende rauskommt, dass der Butler der Mörder war?!"
Fassungslos starrte ich ihn an. ,,Was? Ich dachte es wäre diese Affäre vom Verlobten. Außerdem war ich da noch nicht! Du hast mir grade den Mörder verraten, du Arsch!"
Er lächelte zuvorkommend. ,,Sei doch froh, musst du es nicht mehr lesen. Ich finde gegen Ende zieht es sich dann doch etwas."
Unfassbar! Es schien ihm nicht einmal Leid zu tuen.
Warum lief er eigentlich immer noch neben mir her? War er nicht joggen oder musste irgendwo hin?
,,Was machst du eigentlich hier, Jason?"
Er grinste und fuhr sich durch die Haare. Seine Augen funkelten schelmisch. ,,Och ich statte nur jemandem einen Besuch ab."
,,Oh, Wem denn?" Ich biss mir auf die Lippe. Hatte er etwa eine Freundin? Dann wäre es asozial, dass er mich Anfang der Woche ja schon irgendwie angeflirtet hatte.
,,Aiden. Oder besser gesagt seiner Hauswand." Jason griff in die Tasche seiner Jogginghose und zeigte mir eine schwarze Spraydose. ,,Er wohnt hier in der Straße, in so ner richtig geschniedelten Villa mit Pool."
,,Du willst seine Hauswand ansprühen?!"
,,Jep. Obwohl... ich schätze mal wenn ich nicht über den Zaun komme würde sein Wagen es auch tuen."
Fassunglos starrte ich ihn an. ,,Aber warum?"
Jasons Augen verengten sich gehässig. ,,Weil er ein absoluter Bastard ist." Dann wandte er sich an mich und sein Gesicht wurde wieder freundlich. ,,Möchtest du mitkommen und auch was ransprayen? Ich weiß, dass er bei dir auch schon mit seinen Regeln angekommen ist und dafür könntest du ihm eins auswischen."
Ich lächelte gequält. Bei dem Gedanken war mir ganz und gar nicht wohl zumute. Davon abgesehen war ich mir nichtmal sicher ob er es ernst meinte. ,,Ähm Nein danke."
Er sah mich bittend an. ,,Ach komm schon, Destiny. Das wird cool. Und es wäre echt super wenn ich jemanden hätte der Wache halten kann."
Ich zögerte. Eigentlich sollte ich ja nach Hause gehen und meine Mutter auf ihren Business - trip verabschieden. Aber von hier aus war ich ja in 5 Minuten da und wenn ich jetzt mit Jason ging und ihm eben 10 Minuten dabei zusah wie er eine Hauswand besprayte, würde das auch nicht schaden. Vermutlich gehörte das alles zur Handlung, schließlich hatte es ja etwas mit Aiden zu tun.
Hilfesuchend sah ich auf mein iPhone. Siri konnte vor Jason nicht reden, aber ich sah, dass sie ihr Spiel pausiert hatte, was hieß das sie aufmerksam zuhörte. Aber solange Jason neben mir stand war von ihr keine Hilfe zu erwarten. Das hieß, dass ich mich selber entscheiden musste und zwar jetzt. Ich seufzte, wenn es eine Sache gab mit der ich mir schwertat, dann waren es Entscheidungen.
,,Okay, ich komme mit. Wenn es nicht zu lange dauert."
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