~Prolog~
Lia beobachtete die goldbraune Stute, die mit ihrem Fohlen über die große Weide galoppierte. Die Stute hatte wunderschöne, schwungvolle Gänge und Lia konnte sich kaum an den Pferden sattsehen. Das Gras, in dem sie saß, pikste gegen ihre nackten Beine. Die Mittagssonne strahlte heiß auf Lia nieder. Sie schloss die Augen und hörte den donnernden Hufen der Pferde zu. Lia saß oft an dieser Koppel. Sie saß einfach nur da und beobachtete die Pferde. Am schönsten war es hier im Frühjahr, wenn die ganzen jungen Fohlen wild miteinander spielten.
Sie hörte wie eines der Pferde näher kam. Es stupste sie sanft an und Lia schlug die Augen wieder auf. Das Pferd war die wunderschöne, goldbraune Stute, deren kleines Fohlen neben ihr stand und Lia neugierig beäugte. Das Fell der braunen Stute glänzte in der Sonne, wie flüssiges Gold.
Lia kramte in ihrem Rucksack, nach der alten Kamera, die sie letztes Jahr von ihrer Heim Betreuerin Annika zum Geburtstag bekommen hatte. Sie fand die Kamera schnell, doch als sie diese rausziehen wollte, berührte ihre Hand etwas kaltes, ledriges. Es war das alte Tagebuch ihrer Mutter, die vor langer Zeit verstorbenen war. Das Tagebuch war in braunes Leder gefasst und die Seiten waren schon ziemlich zerfleddert. Es bewahrte ihr größtes Geheimnis. Ein Geheimnis, das ein großes Ausmaß auf ihre Zukunft haben konnte, sollte es jemand herausfinden.
Lia nahm die Kamera zur Hand und machte ein Foto von der Stute und ihrem Fohlen, wie sie da standen und nach Futter bettelten. Die beiden guckten so niedlich, das sie die Kamera beiseite legte und Sie der Stute einen Apfel hinhielt, den sie sich eigentlich als Mittagessen mitgenommen hatte. Diese zerkaute ihn genüsslich. Als die beiden Pferde bemerkten, das Lia nichts mehr für sie hatte zogen sie wieder ab. Wenn sie Menschen gewesen wären, hätten sie wahrscheinlich einen Schmollmund gezogen. Bei diesem Gedanken musste Lia grinsen. Die Stute war bestimmt eine tolle Mutter für das kleine Fohlen. Eine Mutter, wie sie sie sich gern gehabt hätte. Aber sie hatte keine mehr.
Sie musste an ihre Eltern denken, die vor langer Zeit gestorben waren. Wie sie gestorben waren, wusste Lia nicht. Sie hatte auch keinen anderen Verwandten mehr, der es ihr erzählen konnte, oder wollte. Sie hatte nur noch einen sehr alten, armen Onkel, der es ihr nicht erzählen wollte. Und um sie kümmern konnte er sich auch nicht mehr. Es musste schön sein, Eltern zu haben. Ganz in Gedanken, berührte Lia ihre Kette. Sie war aus Silber und hatte einen Anhänger in Herzform. Diese Kette und das Tagebuch ihrer Mutter, waren das letzte, was sie noch von ihren Eltern hatte. Ihr Onkel hatte ihr die beiden Gegenstände vor einiger Zeit gegeben. Er hatte außerdem erzählt, das Lias Vater ihrer Mutter die Kette geschenkt hatte, als sie mit Lia schwanger war. Die beiden Gegenstände hütete Lia wie ihren Augapfel. Oft wurde sie im Heim gefragt, was mit ihren Eltern passiert war, doch sie wusste es ja selbst nichtmal. Und selbst wenn sie es gewusst hätte, würde sie NIEMALS jemanden davon erzählen.
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