Kapitel 5
Den ganzen Tag über wurde ich geschminkt und hergerichtet. Dauernd machte jemand an mir etwas herum, weshalb ich im Anschluss ziemlich genervt zum Saal fuhr, in dem die Feier stattfand.
Der Wagen hielt vor einem Schloss an, wobei mir ein anerkennender Laut, was beinahe wie ein Pfeifen klang, entfuhr. Ich trat aus dem Auto, lief auf das Schloss zu, vor dem sogar ein mit Figuren und Verzierungen geschmückter Brunnen stand. Durch das riesige Tor betrat ich das Innere des Palastes und staunte über die mittelalterliche Atmosphäre. Eine zweite Tür offenbarte sich mir.
"Miss, dort müssen Sie hinein", deutete der vorherige Chauffeur.
Ich hatte gar nicht bemerkt, dass er mir nachgekommen war. Mir stockte der Atem, als ich durch die Tür trat. Ein enormer Saal mit einer hohen Decke und vielen runden Säulen nahm mein Blickfeld ein. Die Wände waren aus hellfarbigen Steinen, typisch für ein Schloss. Durch die Mitte lief ein von Tischen frei gehaltener Gang, der vom Eingang in einen freien Bereich, wahrscheinlich die Tanzfläche, mündete. Verteilt im ganzen Raum standen runde Tische, alle befüllt mit Menschen, auf denen weiße Rosen und silberne Kerzenständer aufgestellt waren. Generell herrschten helle Töne im Raum.
Ich sah mich in der Menschenmasse um und fühlte mich unwohl in meiner Haut, denn plötzlich sahen viele zu mir herüber. Binnen Sekunden drehten sich dann alle Köpfe in meine Richtung, sogar die Musik spielte nicht mehr. Unter den ganzen Leuten erkannte ich ein bekanntes Gesicht. Ladislao.
Er sah besonders gut aus heute. Sein Bart, sein Anzug und überhaupt seine Ausstrahlung. Ich bemerkte wie er mich mit offenem Mund anstarrte, was mich irgendwie stolz machte.
Camilla hatte lange auf mich eingeredet, niemandem über meine Lage zu erzählen. Sie stellte mir die schlimmsten Szenarien vor, wie die Carbones mir das Leben zur Hölle machen würden. Vielleicht würden die meisten in meiner Situation für ihre Freiheit kämpfen oder irgendwie versuchen hier abzuhauen. Aber wieso und wozu sollte ich das tun? Wieso sollte ich mein Leben riskieren und versuchen abzuhauen? Vor allem was würde ich danach tun? Richtig, gar nichts. Ich war obdachlos, aber ganz sicher nicht dumm. Ladislao wollte mich als seine Frau präsentieren. Dieser Mann war nicht besessen von mir oder gar verliebt in mich. Ich diente nur zur Schau. Und im Gegenzug bekam ich diesen Luxus zu genießen. Ergo, blieb ich da, wo ich war.
Sein Vater redete auf ihn ein. Selbstverständlich konnte ich nicht hören, was er zu ihm sagte, aber er bewegte sich langsam in meine Richtung. Ich hielt den Atem an. Er kam zielsicher auf mich zu. Was würde jetzt passieren? Er stoppte paar Schritte vor mir und sein Blick wanderte über meinen Körper. Ich sah ihm stets in die Augen, was er mir nach seiner Erkundung gleich tat, wobei sein Blick etwas länger auf meiner Oberweite ruhte. Wir sahen uns intensiv an. Plötzlich kam mir seine Augenfarbe nicht mehr gruselig vor. Ich beneidete ihn eher um die Schönheit und die Einzigartigkeit darin.
Ladislao trat näher, fasste meine rechte Hand, woraufhin er einen Kuss auf meine Knöchel hauchte und sich den Blick haltend vor mir leicht verbeugte. Ach, du Scheiße! Ich hielt mich schwer, um nicht irgendwie zu zucken. Das war ungewohnt für mich. Noch nie hatte jemand vor mir so eine Geste gemacht.
"Folge mir", flüsterte er mir kurz zu und hakte meinen Arm bei ihm unter, indem er noch seine Hand auf meine legte, die auf seinem Unterarm ruhte.
Seine Berührung war nicht grob oder hart. Sie war ganz sanft, wie ein Tuch legte sich seine Hand auf meine. Gemeinsam schritten wir in den freien Bereich. Er hielt wieder meine Hand und stellte sich vor mich hin. In dem Moment dröhnte eine schöne, langsame Melodie. Sie nahm mich mit in eine andere Welt.
Mit einem Ruck schnellte ich plötzlich vor. Ladislao hatte seine freie Hand an mein Kreuz gepresst, weshalb ich gegen seine Brust knallte. Ein erotisches 'Oh' raunte durch die Menge. Was war nur mit diesen Leuten falsch? Kein Blatt hätte zwischen uns gepasst. Die Außenstehenden dachten sich wahrscheinlich, dass wir total verliebt ineinander wären. Kein Wunder, bei dem Bild, das wir gerade anboten.
"Verlobte?", flüsterte Ladislao ganz leise.
"Verlobter?", machte ich ihm nach, was er mit einem herzerwärmenden Lächeln quittierte.
"Tanze mit mir", forderte er mich mit einer lieben Stimme auf.
Erst jetzt fiel mir auf, dass er uns leicht hin und her schwenkte.
"Ich kann nicht tanzen", erwiderte ich leicht panisch.
"Pscht, du machst das gerade gut", zwinkerte er mir zu. "Halt dich daran!"
Mein Herz raste. Was tat er mir an? Ich fühlte mich wie in einem Traum, aus dem ich nicht aufwachen wollte. Geschah das alles tatsächlich?
An einer Stelle lockerte er seinen Griff um meinen Rücken, schob mich elegant von sich weg und drehte mich in nächster Sekunde so zu sich, dass sich mein Rücken an seine Brust schmiegte. Eine angenehme Wärme machte sich in mir breit. Irgendwie wollte ich in dem Moment mehr von ihm spüren. Ich bemerkte, wie er an meinem Hals die Luft einsog.
"Du riechst gut."
Sein Atem an meiner Haut machte mich ganz konfus. Ich vergaß, Luft zu holen. Er drehte uns wieder in unsere ursprüngliche Position. Die Menge um uns herum klatschte daraufhin.
Die Melodie endete, wodurch wir aufhörten zu tanzen. Mit mir an seiner Hand lief er nach vorne zu dem Orchester und ergriff das Mikrofon. Ich stellte mich zu ihm und hakte mich bei ihm unter als wäre das ganz selbstverständlich.
"Ich möchte keine lange Rede halten und Sie langweilen. Ich möchte Ihnen im Namen meiner ganzen Familie herzlichst danken, dass Sie uns bei dieser schönen und für uns sehr wichtigen Feier nicht alleine gelassen haben. Sie sehen meine wunderschöne, zukünftige Frau an meiner Seite. An dieser Stelle möchte ich dieser tollen Frau vor Ihren Augen nochmals danken, dass sie mich zu einem besseren und vor allem glücklicheren Mann macht."
Ich traute meinen Ohren nicht. Wie konnte ein Mensch so seidig lügen? Mir blieb der Mund offen, was die ganzen Gäste völlig falsch interpretierten und alle wie wild applaudierten.
Ladislao kam mir mit seinem Gesicht näher und drückte mir einen Kuss auf die Wange. Die Stelle kribbelte wie verrückt, als hätte sie davor keine Blutzufuhr gehabt.
"Denk dir ja nichts, alles nur Show", hauchte er in mein Ohr, wonach er sich wieder von mir entfernte.
Ich erwiderte nichts auf seine Aussage. Was hätte ich auch sagen sollen? Mir war durch und durch bewusst, dass das alles gespielt war. Zum Glück war das auch so. Nur dem Essen und der Übernachtungsmöglichkeit willen machte ich bei seinem Theater mit. Er brachte mich zu unserem Tisch und verschwand dann.
Nun saß ich da wie eine Schaufensterpuppe. Ab und zu stahlen sich welche Blicke zu mir. Die Leute beobachteten mich. Besonders die Frauen. Jüngere Frauen. Wünschten Sie sich etwa, an meiner Stelle zu sein? Einfach nur lächerlich. Ich versuchte diese so gut wie möglich zu ignorieren und betrachtete die tanzenden Pärchen, wobei die meisten der Gäste einfach nur tranken, lachten und Spaß hatten. Sie sahen glücklich aus, als hätten sie gar keine Probleme, so unbeschwert.
Lange Zeit saß ich alleine, als plötzlich ein Mann vor mir stand. Er war ziemlich groß. Seine dunklen Haare standen im Einklang zu seinen honigbraunen Augen.
"Ich bin Frederico, ein guter Freund Ihres Verlobten", stellte er sich vor.
"Crystal", sagte ich nur und reichte ihm meine Hand, die er ergriff und wie Ladislao vorhin einen Kuss darauf gab.
"Wie unverschämt, dass Ladislao Sie einsam lässt. So eine klasse Frau kann man doch nicht alleine lassen."
Flirtete er etwa mit mir? Falls doch, war das mir auch egal.
"Würden Sie mir diesen Tanz erlauben?", fragte er mich und ich bemerkte, dass wieder ein eher langsameres Lied gespielt wurde, als hätte er das so geplant.
"Wissen Sie, ich kann nicht so gut tanzen", versuchte ich mich herauszureden.
"So ein Quatsch, das haben Sie vorhin super hinbekommen", meinte er daraufhin.
Ich wusste nicht, wie ich ihn umstimmen sollte.
"Ich glaube, Sie lassen mir keine andere Wahl oder?"
"Nope. Diesen Tanz muss ich haben. Sagen Sie mir geehrte Dame, wo soll ich noch so eine Schönheit je wieder finden? Diese Gelegenheit lasse ich mir keineswegs entgehen."
Ich musste schmunzeln.
"Na gut", brachte ich lächelnd hervor.
Er reichte mir seine Hand und in der tanzenden Menge angekommen fingen wir an, uns zum Rhythmus zu bewegen, wobei ich darauf achtete, dass eine gewisse Distanz bewahrt blieb.
"Und dann sagen Sie noch, Sie könnten nicht tanzen", sagte er belustigt.
"Ehrlich gesagt, tanze ich heute zum ersten Mal", gestand ich ihm.
"Wow, so hübsch und talentiert zugleich."
So ein Schleimer! Ich musste auf seinen Kommentar hin lachen, da ich gewiss nicht so gut tanzte wie er behauptete, und ließ beschämt meinen Blick durch die Gegend wandern, um ihn nicht weiter ansehen zu müssen. Jedoch entdeckte ich dabei Ladislao, der uns anstarrte. Sein Blick brannte sich förmlich durch mich hindurch. Er sah wütend aus, aber warum denn? Ich sah wie er mit eiligen Schritten auf uns zu geschlendert kam.
"Frederico, dürfte ich wieder übernehmen?", fragte er mit den Zähnen knirschend versucht freundlich.
Oh, keiner sah, dass er gerade vor Wut kochte. Nein, das merkte man nun wirklich nicht.
"Äh, sicher doch, mein Freund, hab' mich gefreut, Crystal", fügte er wieder an mich gewandt hinzu.
Nachdem er zurück trat, ergriff mich Ladislao. Er legte seine ausgebreitete Hand fest und grob an mein Kreuz, wobei er fast meinen Hintern berührte. Seine Hand lag tiefer als bei unserem ersten Tanz. Ich wurde wieder an seine Brust gepresst und spürte den schweren Atem an meinem Nacken. Er war um einiges größer als ich, weshalb er seinen Kopf weiter herunter gebeugt hatte. Seine Wange streifte bei jeder Bewegung meine Haare, in denen er seine Nase vergraben hatte.
Zu meinem Glück endete endlich dieses Lied und etwas Schnelleres wurde gespielt, denn seine Nähe fühlte sich befremdlich und einfach nur unangenehm an.
"Entschuldige, ich gehe wieder an meinen Platz", gab ich kleinlaut von mir und wollte weggehen, als er mich am Arm zurück zog.
Er gab mir einen Kuss an meine Schläfe und beugte sich weiter herunter bis seine Lippen an meinem Ohr ankamen. Mein Blut rauschte durch meinen Körper.
"Ich will dich nie wieder, nie wieder so nah an einem Mann sehen", zischte er.
Danach drückte er mir einen Kuss an die Stelle hinter meinem Ohr, damit es so aussah, als würden wir schmusen und nicht uns gegenseitig bedrohen.
"Geh jetzt."
"An deiner Stelle, mein liebster Verlobter, würde ich eher darauf achten, was ich von mir gebe. Sonst schreie ich hier herum, dass du mich entführt und gezwungen hast."
Meine Drohung sprach ich in aller Ruhe aus und sagte somit an diesem Abend das erste Mal meine Meinung. Dann gab ich ihm einen Kuss auf seine Wange, wobei ich absichtlich meine Lippen länger als nötig auf seiner Haut ruhen ließ und setzte mich danach in Bewegung, ohne weiter auf ihn zu achten. Normalerweise würde ich jeden vermöbeln, der mit mir so sprach, aber er machte mir Angst, auch wenn ich mir das nicht eingestehen konnte, stimmte es. Er war unberechenbar. Ich kannte ihn nicht, seine Stärken, seine Schwächen. Er tickte nicht aus, brüllte nicht, wurde nicht wirklich handgreiflich, aber trotzdem schüchterte er mich ein. Ich klang eben vielleicht selbstbewusst, aber im Inneren hatte ich Angst, zu weit gegangen zu sein. Ich wollte sicherlich nicht seine Wut auf mich lenken.
Wieder an meinem Platz angekommen setzte ich mich und im Anschluss wurde das Essen serviert. Zwanghaft versuchte ich mich wieder daran zu erinnern, wie ich welche Gabel und welchen Löffel benutzen sollte. Wieso erschwerten sich die Menschen das Essen? Konnte man nicht nach Belieben zugreifen? Trotz meiner Zweifel, versuchte ich mich an die Regeln anzupassen. Na gut, ich sah eher zu Ladislao herüber, der seit eben wieder neben mir saß und auch mit seinem Essen beschäftigt war, was er zu welchem Gang benutzte. Als endlich auch diese Tortur vorüber war, tanzten die Leute wieder und genossen die Musik.
"Ich lasse es dir für den heutigen Abend durchgehen, aber rede nie wieder so mit mir", sagte er plötzlich und brach die Stille, die seit meiner Standpauke zwischen uns herrschte. "Das wird nur für dich unschön, liebste Verlobte."
Ich blieb stumm. Er war mir rätselhaft.
"Die Feier ist so lahm", murmelte ich die Augen verdrehend vor mich hin und hörte plötzlich ein tiefes Lachen neben mir.
Scheiße, ich hatte komplett ausgeblendet, dass er noch neben mir saß.
"Was sollte denn passieren, dass sie nicht mehr lahm wäre?", fragte mich Ladislao schmunzelnd.
Gut, zumindest nahm er den Kommentar humorvoll auf, was mich ehrlich gesagt wunderte.
"Weiß nicht, kenne mich nicht wirklich aus", erwiderte ich ihm achselzuckend.
Daraufhin blieb er ruhig. Ich ebenso. Stille. Sehr angenehm. Da ich seine Reaktion nie gescheit einschätzen konnte, würde ich keine Konversation anfangen. Zumindest hatte ich mir das vorgenommen. Ich würde nicht mit ihm reden, bis er mich ansprach, also döste ich vor mich hin. Ladislao verschwand natürlich wieder einmal. Erst hielt er diese schnulzige Rede vor den Gästen und machte ein großes Spektrum um unseren Tanz, aber blieb keine Sekunde bei mir. Nicht dass ich mich nach seiner Gesellschaft sehnte, aber mir war einfach nur zum Kotzen langweilig.
"Ich stelle dich jetzt den Leuten vor, wobei du einfach nur still bleibst", stand er wieder neben mir und hielt mir seine Hand auffordernd hin, die ich dann ergriff und wir zu den einzelnen Tischen gingen.
Ich hörte nur mit halbem Ohr zu, vergaß gleich alle Namen wieder, außer Frederico, den ich bereits kennengelernt hatte und seinen Vater Franchez. Sie waren anscheinend Familienfreunde. Franchez seine Frau war verstorben und Frederico hatte auch keine Begleitung. In dieser Branche überlebten wohl die Frauen nicht lange, was ich anhand der Quote der verwitweten Männer feststellen konnte. Die noch lebenden Frauen schleimten sich seltsamerweise ein, wobei sich die jüngere Generation zur Aufgabe genommen hatte, mich zu nerven.
"Studierst du?"
"Wie alt bist du?"
"Dein Kleid ist ja toll!"
Jedoch sagte das komische Flunkern was anderes. Zu meinem Glück überging Ladislao charmant ihre Fragen und wechselte das Thema. Irgendwann, für meinen Geschmack viel zu spät, waren wir endlich mit der Kennenlernrunde fertig.
Der Abend verlief dann ohne weitere Zwischenfälle, außer dass wir noch unsere Ringe bekamen, Alfonso eine Rede hielt, der ich nicht wirklich zuhörte und irgendeine Frau beim Tanzen hin bretterte. Der Anblick war einfach nur köstlich, wie jeder sie auslachte und sie heulend zur Toilette rannte, als würde sie dort von der Kloschüssel Trost bekommen. Die Frau sah ich danach nicht mehr.
Nun standen wir nach dem anstrengenden Tag wieder vor der Villa. Ich war mit Ladislao im selben Wagen gefahren. Er hatte mir beim Einsteigen vor dem Schloss meine Tür gehalten, jedoch als wir wieder alleine waren stieg er aus und lief auf den Eingang zu, ohne mich zu beachten. Ich dachte mir nichts dabei, stieg selber aus und ging in die Villa. Ein mir fremdes Hausmädchen kam mir entgegen.
"Wir haben ihre Sachen nach der Anordnung von Mr. Carbone in Mr. Carbones Zimmer gebracht", informierte sie mich schüchtern.
Die Angestellten im Haus wussten nichts von meinem Aufenthalt, denn sie dachten, dass ich erst nach der Verlobung hier einzog. Die Tage zuvor wurden sie anscheinend beurlaubt, damit ich mit Camilla alleine war. Das hatte sie mir heute erzählt.
"Bitte, was?", fragte ich sie irritiert.
"Tut mir leid, ich habe mich etwas unklar ausgedrückt. Ich meinte, dass Mr Alfonso Carbone uns heute Ihren Einzug mitgeteilt hat, woraufhin wir Ihre Sachen in das Zimmer von Mr. Ladislao Carbone gebracht haben."
"Weiß Ladislao darüber Bescheid?", wollte ich von ihr wissen.
"Miss, ich weiß das nicht. Wie gesagt, wir haben nur den Befehl von Mr. Carbone befolgt."
"Okay, danke, du darfst dann schlafen gehen", entgegnete ich ihr nur.
Ich hatte nun wirklich keine Nerven mehr. Was sollte ich nun machen? Ich musste in das Zimmer von Ladislao. Da stellten sich mir einige Probleme. Erstens, wo befand sich sein abgefucktes Zimmer? Zweitens, wie würde er auf mich reagieren, wenn ich plötzlich in seinem Zimmer erschien? Drittens, wo bitteschön sollte ich nun meine Nacht verbringen? Wo war eigentlich Camilla, wenn man sie mal brauchte?
"Was machst du noch hier?", erschreckte mich im Nu jemand.
Mich umgedreht sah ich in das Gesicht von Alfonso.
"Du hast den Angestellten gesagt, dass ich oben schlafen würde?", fiel ich mit der Tür ins Haus.
"Ja, so wie es sich gehört, wirst du bei ihm schlafen", meinte er mit einem kalten Blick.
"Und wie stellst du dir das vor?", fuhr ich ihn an.
"Wie soll ich es mir vorstellen? Du bewegst jetzt deinen Arsch nach oben und gehst in dieses beschissene Zimmer. Ob du dich dann von ihm nageln lässt, still neben ihm oder auf dem Boden schläfst, interessiert mich nicht."
Er lief selber dann die Treppen hoch. Ich blieb einfach nur da stehen.
"Na, wird's bald?", kam es von ihm.
"Was denn?"
"Folge mir doch, dass ich dich in sein Zimmer bringe", meinte er daraufhin und ich stieg ebenfalls die Treppen hoch.
Oben angekommen folgten wir dem langen Flur. Ich erkannte das Zimmer wieder, in dem die Frau im Rollstuhl saß.
"Wer wohnt hier alles?", fragte ich.
"Niemand, mit dem du was zu tun hast. Sei nicht so neugierig. Das wird bei uns nicht gut geheißen."
Wir liefen den Flur fast bis zum Ende als er an eine Tür klopfte und diese dann auch ohne zu warten öffnete. Wozu klopfte er dann, wenn er gleich herein ging? Ich sah ein breites, großes Zimmer. In der Mitte stand ein rundes Bett und an der Wand ein dazu passendes Sideboard. Wenn man herein trat stand eine gemütlich aussehende Couch einem riesigen Fernseher gegenüber. Viele Gemälde schmückten die Wände. Die Möbel waren in schwarz und ein flauschiger Teppich lag auf dem Boden, was für mich vorteilhaft war, wenn ich doch auf dem Boden schlafen müsste.
"Was wird das hier?", fragte uns ein sichtlich genervter Ladislao.
Ich sah kurz zu ihm und wollte wieder wegsehen, jedoch blieb mein Blick an ihm hängen. Er hatte seinen Anzug ausgezogen und stand nun nur in einer Jogginghose. Mein Blick blieb an seinem Oberkörper. Man sah man ihm sein Training an der Brust und an den breiten Schultern an. Er hatte eine gut trainierte Brust und seine Nackenmuskeln traten kräftig hervor, wobei mich auch seine V-Figur nicht ganz kalt ließ.
"Hast du jetzt auch mal genug gestarrt?"
"Als ob ich dich anstarre!", fauchte ich ihn böse an.
"Ruhe jetzt! Was soll ich nur mit euch machen?" Alfonso fuhr sich mit den Händen über sein Gesicht. "Ladislao, Crystal wird ab heute hier schlafen und keine Widerrede. Das Thema hatten wir schon. Ich gehe jetzt schlafen."
Im nächsten Moment standen wir beide alleine im Raum. Ich sah gezielt auf den Boden, um ihn nicht noch einmal anzustarren. Gott, war das peinlich.
"Was soll ich jetzt mit dir machen?", fragte er mich bockig.
"Die Frage lautet doch eher, was ich jetzt mit dir machen soll?"
"Ich habe dich gewarnt, nicht in diesem Ton", mahlte er mit seinem Kiefer.
Durch seine Anspannung traten die ganzen Konturen seiner Muskeln hervor. Der Bauch, die Brust, seine Arme. Oh Mann! Bloß nicht hinsehen, ermahnte ich mich.
"Wo kann ich mich umziehen?", ignorierte ich seine Aussage und sah wieder auf den Boden.
"Da, da sind auch deine Sachen drin", deutete er auf eine Tür neben dem Sideboard. "Hab mich schon gewundert, wieso da Frauensachen liegen."
Ich ging hinein und merkte, dass es sowas wie eine Garderobe war. Ein kleiner Raum, der in die Länge gezogen war. Auf der rechten Seite befanden sich Klamotten für Frauen. Ich stellte mich vor dem Regal, daneben befand sich eine Stange voller Kleider, die ich mit Camilla gekauft hatte. Ich fischte mir aus den Schlafsachen was heraus, was sich als Shorts und ein T-Shirt herausstellte.
Nachdem ich mich mühsam aus dem Kleid geschält und die ausgesuchten Sachen angezogen hatte, lief ich wieder ins Zimmer. Ich sah, dass der Herr auf der Couch lag und fern sah.
"Wo ist das Bad?", fragte ich ihn unfreundlich.
"Die Tür daneben. Bist du blind?"
Na, danke auch! Ich sagte einfach nichts mehr. Im Bad schminkte ich mich gründlich ab. Zum Glück hatte mir Camilla erklärt, wie ich es tun sollte.
"Du schläfst auf der Couch!", ordnete er gleich an, als ich wieder ins Zimmer kam. "Das ist sogar mehr als das, was du gewohnt bist."
Okay, der saß. Ich schluckte, damit keine Tränen kamen.
"Steck dir deine Couch sonst wohin!" entgegnete ich ihm, lief schnellen Schrittes auf das Bett zu, nahm mir die dünne Decke, die über der normalen lag, und ein Kissen.
"Was machst du da? Ich habe dir doch gesagt...", wollte er noch sagen.
"Weder schlafe ich auf deinem Bett noch auf deiner Couch!", unterbrach ich ihn. "Schließlich tue ich das, was ich eigentlich schon gewohnt bin."
Ich legte mich mit der Decke und dem Kissen auf den Teppich. Ladislao sagte zu meinem Glück nichts mehr. Da war der Herr wohl baff. Ich ließ mir von niemandem was sagen. Keiner konnte mich herunter machen.
Nach einiger Zeit machte er das Licht aus und legte sich laut den Geräuschen ins Bett. Etwas später ließ ich mich vom Schlaf einlullen. Ich liebte es, zu schlafen. Vielleicht wäre der Boden für manche hart oder ungemütlich, aber für mich war dieser Teppich wie eine perfekte Matratze. Vor allem hatte ich eine gescheite Decke, die warm hielt und ein Kissen unter meinem Kopf.
Im Schlaf bemerkte ich, wie mich jemand aufhob und trug, aber ich konnte nicht realisieren, was passierte. Ich kuschelte mich weiter in meine Decke ein, spürte im nächsten Moment etwas Weiches unter mir und schlief tief und fest weiter.
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