Kapitel 20

Es lag einige Tage zurück, dass Snake gekommen war. Ich fragte mich immer wieder, was er geplant hatte. Mit Ladislao sprachen wir auch nicht mehr darüber. Zwar sah ich ihm an, dass er viele Fragen an mich hatte, aber er wollte mich wohl nicht bedrängen, dass er seine Fragen in sich hinein fraß. Für mich war das in Ordnung, denn ich wusste, dass er mir nichts über sich erzählen würde und so wollte ich auch nicht meine Vergangenheit offenbaren.

Seit kurzem stand auch der Tag fest, an dem unsere Hochzeit stattfinden sollte. Wir hatten noch gute zwei Monate. In dieser Zeitspanne mussten die Vorbereitungen getroffen werden. Ladislao wirkte im Grunde genommen entspannt. Er machte sich nicht viel aus der Sache und ließ eher seine Leute alles regeln. Ich fragte mich, zu was das alles führen sollte.

Wir küssten, taten uns gegenseitig gut, aber waren wir denn nun ein Paar? Ladislao wich solchen Unterhaltungen eher aus. Und da ich so oder so keine gesprächige Person war, konnte ich ebenso gut darauf verzichten. Mein Alltag bekam eine Routine. Alles lief monoton ab.

Mir war aufgefallen, dass Ladislao Angelie nicht mehr besuchte. Lag das an mir? Ich hatte kein einziges Mal mitbekommen, dass er in ihr Zimmer ging. Ab und zu begegnete ich Marina, die ich dann nach ihr fragte, aber Marina antwortete immer ähnlich. Dass es nichts zu befürchten gäbe und alles gut sei.

Alfonso... ja, Alfonso war so eine Sache für sich. Manchmal unterhielten wir uns und saßen gemeinsam im Wohnbereich. An einem Tag zeigte er mir grob das Klavierspielen. Ich hatte eine Menge Spaß dabei, was mich ehrlich gesagt wunderte, da ich die Zeit mit Alfonso genoss. Aber dennoch wollte ich nicht voreingenommen sein. Er wirkte auf den ersten Eindruck etwas seltsam auf einen. Trotzdem empfand ich die Zeit mit ihm als angenehm. Er konnte durch seine Art jemanden auch sehr oft zum Lachen bringen.

Ich konnte es kaum glauben, aber ich fühlte mich mittlerweile wirklich wohl hier. Es gefiel mir. Ich hatte Menschen um mich, die ich mochte, mit denen ich mich verstand. Und das Wichtigste, ich hatte Ladislao. Neben ihm fand ich meine innere Ruhe. Von mir aus könnte ich auf seinem Schoß leben. Mich klein machen und in seine Hosentasche einquetschen. Es würde mir nichts ausmachen.

Nach der Hochzeit sollten wir weiterhin in diesem Haus leben. Ich war mit dieser Tatsache einverstanden. Was sollte ich auch großartig dagegen unternehmen? Ich wusste nicht, wo ich genau bei Ladislao stand. Mochte er mich? War ich ihm wichtig? Wie erkannte man das?

„Oh, dieses Kleid ist toll!", erfreute sich Camilla und Nadja stimmte mit ein.

„Schau mal, Crystal!"

Ich erwachte aus meinen Tagträumen und sah zu den beiden. Seit der Countdown lief, brachten sie dauernd irgendwelche Kataloge zu mir, damit wir uns Brautkleider ansahen. Wir hatten gerade gefrühstückt und schon am Morgen fingen sie an mir welche zu zeigen. Ich hatte wirklich keine Nerven mehr. Das war doch keine echte Hochzeit! Oder doch? Wir standen uns nah. Aber nie hatten wir auch ein Wort über unsere Beziehung verloren.

„Ja, sieht toll aus", gab ich desinteressiert von mir.

„Wow...", verdrehte Nadja ihre Augen.

Ich hatte keine Lust mehr auf diese Kleider, stand auf und lief aus der Küche. Zwei verwirrte Augenpaare blickten mir hinterher, aber ich ignorierte diese Tatsache einfach. Ich lief hoch und kam vor Angelies Tür an. Erstarrt blieb ich stehen. Sollte ich nach ihr sehen? Ich hatte sie seit langem nicht mehr zu Gesicht bekommen. Ach, was soll's, dachte ich mir und klopfte an. Natürlich würde ich keine Antwort bekommen, da ich wusste, dass sie mit niemandem sprach. Dennoch wartete ich einige Sekunden ab, bis ich eintrat. Sie saß auf ihrem Bett und sah zu mir.

„Hallo.", gab ich kleinlaut von mir.

Ich war mir nicht sicher, wie ich mit ihr umgehen sollte. Die Tür hinter mir geschlossen trat ich ins Zimmer und blickte mich um.

„Ich wollte mal nach dir sehen", erklärte ich ihr überflüssiger Weise.

Wir sahen uns eine kurze Zeit lang nur an. Danach schritt ich weiter vor und setzte mich auf den Sessel ihr gegenüber.

„Wie geht es dir?"

Meine Frage stand offen im Raum. In dem Moment kam ich mir dumm vor. Wieso war ich überhaupt hergekommen?

„Ich weiß, dass du seine Frau warst."

Absichtlich benutzte ich das Präteritum, denn ich wollte sie nicht so bezeichnen, als wäre sie noch seine Frau. Ich war kein Mensch, der eifersüchtig oder irgendwie besitzergreifend wurde. Trotzdem gefiel mir diese Vorstellung nicht. Ich sollte nur seines sein. Niemand sonst!

Angelie sah mich aus zusammen gekniffenen Augen an. Würde sie mit mir reden? Schließlich hatte sie das schon einmal getan.

„Du hast ihn nie geliebt."

Ich verstand selbst nicht, wieso ich ihr das sagte. Aber ich glaubte, dass ich sie irgendwie testen wollte. Dass ich sehen wollte, ob sie reagieren würde. Vor allem wie sie reagieren würde, falls wenn.

„Ich weiß nicht, wie er zu dir stand, aber ich glaube, er hat dich auch nie geliebt. Sonst hätte er mich niemals hergebracht."

So langsam schlich sich ein gezwungenes Grinsen auf ihr Gesicht. Was wollte sie mir damit übermitteln?

„Oder glaubst du, dass er dich liebt?"

Ihr Ausdruck änderte sich zur Belustigung, als ob sie an einen Witz denken würde. Diese Frau war mir ein Mysterium. Vielleicht lag es daran, dass ich auch ihre gemeinsame Vergangenheit nicht kannte.

„Liebst du ihn?"

Mir war klar, dass sie dies nicht tat, dennoch wollte ich eine Reaktion von ihr sehen, damit ich in meinen Vermutungen richtig lag. Zumindest es mir beweisen konnte, dass ich richtig lag. Sie grinste umso breiter und schüttelte ihren Kopf verneinend.

„Wieso redest du nicht? Du hast mit mir schon einmal geredet."

Ich sah sie nur provozierend an. Sie sollte reden, verdammt! Wir leisteten uns einen Blickduell ab. Stille füllte den Raum. Ich lehnte mich weiter zurück und legte das eine Bein auf das andere. In meiner Bewegung sah Angelie auf meine Beine. Ich konnte kurz so etwas wie Trauer in ihren Augen aufblitzen sehen, aber das ging auch so schnell wie es nur gekommen war, als dass ich es irgendwie richtig deuten konnte. Sie spielte mit ihren Fingern und sah auf ihren Schoß herunter.

„Er ist mir wichtig geworden. Und ich glaube, das bin ich auch für ihn."

Plötzlich sah sie mich herausfordernd an.

„Ja, ich weiß, dass ich nicht gerade überzeugt klinge."

Sie lächelte mich dann freundlich an. Diese Frau war komisch.

„Manchmal fühle ich mich so, als würde ich nicht selbst leben, sondern mein Leben aus einem Schaufenster betrachten. Als würde mein Bewusstsein neben mir stehen, statt in mir zu sein."

Ihr Gesichtsausdruck wechselte zu konzentriert. Sie zog ihre Brauen zusammen.

„Neben ihm fühle ich mich lebendiger. Ist das seltsam?"

In ihrem Blick stand nur Schmerz. Sie sah mich mitleidig an. Sie sah mich so an, als würde sie genau verstehen, was ich sagte, wie es mir erging. Langsam schüttelte sie wieder ihren Kopf.

„Also ist es nicht seltsam?"

Wieder verneinte sie mit ihrer Geste.

„Wieso ist das so?"

Sie zuckte mit ihren Schultern. Daraufhin entstand eine Stille.

„Ich frage mich oft, was hinter diesen Wänden alles passiert sein muss", brach ich diese.

Angelies Augen wurden wässrig. Ich sah sie schimmern. An was dachte sie gerade wohl? Sie war wie ein Rätsel, das ich unbedingt lösen wollte. Nach jedem Treffen mit ihr fühlte ich so, als hätte ich mein Sudoku halber fertig liegen gelassen.

„Wie dem auch sei", beschloss ich herauszugehen. „Ich störe nicht weiter."

Aufgestanden schritt ich auf die Tür zu und griff gerade zur Klinke, als mich ihre Stimme aufhielt.

„Hinter diesen Wänden gibt's nichts außer Schmerz."

Ich erstarrte. Das war der erste richtige Satz, den sie in meiner Gegenwart ausgesprochen hatte. Sie hatte eine volle, klare Stimme. Melodisch, klangvoll. Alles an ihr war schön. Sie, ihre Stimme.

„Für dich", sagte ich ohne mich umzudrehen. „Für mich nicht."

Mit einem Schwung öffnete ich die Tür und schloss sie gleich wieder, als ich heraus trat. Ich lehnte mich an die Wand und atmete ein Mal tief durch. Mein Hals war wie zugeschnürt. War ich gemein? Diese Frau tat mir leid. Auch wenn sie die Ex-Frau von Ladislao war, mich provozierend ansah, ihr Blick sprach Bände. Allein mit ihren Augen konnte sie so viel ausdrücken. Es gab Menschen, die einfach nur betrachteten und Menschen, die sahen. Sie war eine Form des Letzteren. Es mochte daran liegen, dass sie nicht mehr mit jedem sprach und somit gezwungen war mit ihren Blicken zu kommunizieren, da diese so viele Emotionen zeigten.

Ich wollte unbedingt wissen, was alles vorgefallen war. Was hatten sie für eine Ehe? Wieso waren sie überhaupt verheiratet, wenn sich doch beide nicht liebten? Wie kam sie zu diesem Zustand?

Für einen Moment ließ ich meine Augen geschlossen und nahm tiefe Atemzüge. Mein Leben kam mir so surreal vor in letzter Zeit. Wenn ich mit Ladislao alleine war, fühlte ich mich wie in meinem persönlichen Himmel. Mit Camilla und Nadja herrschte eine angenehme Atmosphäre. Das waren Gefühle, die ich bis heute nicht gekannt hatte.

Nun hatte ich wieder einen ganzen Tag vor mir. Ich wusste nichts mit mir anzufangen. Weshalb ich kurzerhand beschloss meine Trainingssachen anzuziehen und nach unten zu laufen. Ich brauchte Ruhe. Ich musste mich abregen, mich ablenken. Gerade hatte ich mich aufgewärmt und vor den Boxsack gestellt, welcher meinen ganzen Frust und mein Ärgernis abbekam. Wie wild schlug ich auf den Sack ein, der durch meine Schläge hin und her baumelte. Es gab niemanden, der ihn fest halten konnte. Durch jeden Schwung wurde er mehr und mehr herum geschleudert. Kräftiger, schneller schlug und trat ich zu.

Ein Lachen ertönte hinter mir plötzlich. Ich blieb kurz stehen und drehte mich um. Carlos stand hinter mir und beobachtete mich.

„Alleine geht es schlecht", meinte er nur und zog seinen Sakko aus.

Er knüpfte sich sein Hemd oben und an den Ärmeln auf. Ich sah ihm zu, wie er noch seinen Gurt und seine Schuhe ablegte. Wollte er mit mir etwa trainieren? Er beantwortete meine Frage, indem er sich hinter den Boxsack stellte und mich auffordernd ansah.

„Na, los!"

Das ließ ich mir nicht zwei Mal sagen und schlug schon voller Wucht zu. Verteilte gezielt meine Tritte und Fäuste. Nach gefühlten Stunden legten wir eine Pause ein und setzten uns an die Wand gelehnt auf den Boden. Ich trank aus einer Flasche, die Carlos hergebracht hatte.

„Dein Kampfstil sagt viel über dich aus."

Was meinte er? Ich blieb wie immer nur still und wartete, dass er weiter sprach. Aber seltsamerweise tat er das nicht.

„Was sagt er denn über mich?", wurde ich doch neugierig.

Ich schielte zu ihm herüber und bemerkte einen zufriedenen Ausdruck auf seinem Gesicht. Hah, er wollte, dass ich nachfragte!

„Dass du deine Wut mit einem kühnen Kopf unterdrückst. Es versuchst zumindest. Aber immer dann, wenn du dich in deinen Schlägen vertiefst, verlierst du deine Kontrolle."

Er drehte seinen Kopf zu mir.

„Man könnte sogar behaupten, dass du im Rausch jemanden umbringen könntest."

Mein Kopf schnellte zu ihm. Ich sah ihn schockiert an. Wollte er mich irgendwie testen? Irgendwie etwas über mich herausfinden? Er hielt meinem Blick stand. Wir sahen uns nur an.

„Du warst Snakes rechte Hand. Seit kurzem warst du aber komplett auf der Straße. Kleiner Taschendiebstahl, harmlose Überfälle. Ich frage mich nur, wieso? Wieso bist du wieder nach ganz unten? Erzähl mir was, was ich noch nicht weiß, Cry."

Mein Gehirn arbeitete gerade auf Hochtour. Er war sich bei seiner Erzählung sicher. Hatte er nun feste Informationen gefunden? Wusste Ladislao schon Bescheid?

„Aber die Frage, die mich am meisten quält, ist: Wieso hast du dich schwächer gegeben als du eigentlich bist? Vor wem hast du dich und dein Talent versteckt?"

Es war doch keine gute Idee mit ihm zu trainieren. Woher wusste er all das? Dass ich Menschen auf meinem Gewissen hatte. Dass ich mich versteckte, schwächer gab als ich war, damit ich auf keine gefährliche Mission mehr musste.

„Willst du schweigen? Wie immer? Das ist wohl deine Masche, was? Stille Gewässer sind tief, aber bis heute wusste ich nicht, wie tief wirklich."

Carlos blieb dann still. Er rieb sich über seinen Kinn. Nachdenklich.

„Man lernt wohl nie aus", murmelte er vor sich hin.

Was sollte ich ihm erzählen? Ich konnte nicht meine ganze Vergangenheit offen legen. Das ging einfach nicht!

„Ich bin keine Gefahr. Nicht für Ladislao...", brachte ich stotternd hervor. „Was habt ihr mit den Banden zu tun?"

Ich stellte ihm absichtlich keine präzisen Fragen. Er sollte nicht wissen, wie viel ich schon in Erfahrung gebracht hatte. Er antwortete mir nicht.

„Ich dachte, ich könnte das alles jetzt hinter mir lassen", sagte ich nach einer Weile. „Aber anscheinend holt es mich immer wieder ein."

„Du musst das nicht mehr", sagte er aufmunternd. „Du musst so nicht mehr leben. Du hast uns. Du hast ihn. Teile nur mit uns dein Wissen. Snake ist anscheinend der Neffe einer unserer Verbündeten, Brandon Carirra."

„Ich weiß nichts über diesen Mann", fuhr ich ihm dazwischen.

„Was weißt du über Snake?"

„Carlos, ich... wie leid es mir auch tut... ich kann ihn nicht verraten."

„Glaubst du, du interessierst ihn noch?", fragte er mich.

Daraufhin konnte ich nur meinen Blick senken. Nein, ihn interessierten nur seine Geschäfte und seine Rache. Die Rache des kleinen Jungen an die ganze Welt. Aber einen Teil hatte er bereits erfüllt damit, dass er seinen Onkel umgebracht hatte. Zumindest vermutete ich das.

„Denk darüber nach", meinte er. „Fürs Erste wird Ladislao noch nichts erfahren bis ich ihm meine Aussagen auch richtig beweisen kann. Du solltest lieber jetzt duschen gehen, sonst erkältest du dich noch."

Mit diesen Worten stand er auf, schnappte sich seine Kleidung, die er eben ausgezogen hatte und lief heraus. Die Situation verkomplizierte sich nur noch mehr. Was sollte ich machen? Was machte Snake? Carlos antwortete nie auf meine Fragen, aber wollte, dass ich seine präzise beantwortete.

Ich saß noch lange in der Halle, bemerkte gar nicht wie spät es schon war. Irgendwann war ich aufgestanden, um zu duschen. Danach ging ich noch essen und verzog mich dann in mein Zimmer. Unser Zimmer.

Die anderen warfen mir zwar merkwürdige Blicke zu, aber ich wollte einfach mal meine Ruhe haben. Menschen strengten mich zu sehr an. Wie wohl ich mich auch neben ihnen fühlte, irgendwann wurden mir die Stimmen zu viel. Ich bekam Kopfschmerzen. Ich fühlte mich beengt.

Nun lag ich auf der Couch und starrte Löcher in die Luft. Die Stille umgab mich und sie fühlte sich einfach wunderbar an. Ich genoss sie in vollen Zügen.

"Piep, piep!"

Ich sah mich irritiert um, setzte mich auf und bemerkte dann auf dem Tisch das summende Gerät. Da ich mittlerweile ein Handy besaß, schrieb mir Ladislao manchmal, wenn er zu spät kam oder wegen sonst was.

Ich werde heute Nacht nicht kommen. Meine Kleine, schlaf du schon!

Genervt lehnte ich mich zurück und las mir die Nachricht noch einmal durch. Alles klar, schrieb ich ihm noch zurück, damit er wusste, dass ich seine Nachricht wahrgenommen hatte. Wieso musste er ausgerechnet heute fehlen, wo ich doch so irritiert war und mich einsam fühlte?

Ja, ich widerspreche mir! Aber ich hatte angefangen, die Stille mit ihm zu genießen. Die Stille mit ihm tat mir gut. Nicht das Alleinsein. Oh, Gott! Ich war hoffnungslos verloren. Er fehlte mir. Ohne ihn wirkte das Zimmer so leer. Ich hatte nicht sonderlich Lust nach unten zu gehen und schnappte mir ein Buch. Mit dem Lesen verbrachte ich den Rest des Abends.

***

Ich habe lange nichts mehr geschrieben, da ich keinen Zweck mehr darin sehe. Zu sehr schmerzen noch die Erinnerungen in mir.

Heute passierte aber etwas Unerwartetes. Crystal kam herein. Sie wirkte seltsam. Durch ihr Gerede merkte ich, dass sie sich Hals über Kopf verliebt hatte, was ihr selbst noch nicht bewusst war. Ja, so etwas merkte man nicht gleich. Dieser Idiot verdiente es nicht geliebt zu werden. Er hatte meine Liebe umgebracht! Verrotten sollte er in seiner Einsamkeit!

Crystal konnte ja nicht wissen, in was für ein Monster sie sich verliebt hatte. Oder wusste sie es vielleicht doch? War ich wirklich die armselige in dieser Geschichte? Die einzige, die niemanden mehr hatte? Das war aber auch nur seine Schuld!

Zuletzt hatte ich erwähnt, dass wir abgehauen waren. Endlich hatte ich es geschafft, dass ich James überzeugen konnte. Wir mussten weg! Er hatte ein Ferienhaus gemietet. Natürlich über den Namen eines guten Kumpels. Wir hielten uns dort auf, sprachen alles aus. Ich erzählte ihm wie es dazu kam, dass ich heiratete, wie unglücklich ich nur war und dass ich mit ihm wieder einen Lebenssinn gefunden hatte.

Es tat gut, das alles aus meiner Seele herauszureden. Es tat gut, keine Geheimnisse mehr zu haben. Es tat gut, mit ihm das alles zu teilen. Er tat mir gut. Nur er!

Uns war klar, dass wir nicht ewig am selben Ort bleiben konnten. Aber wohin sollten wir? Unschlüssig reisten wir weiter, wechselten unseren Wagen.

Irgendwann landeten wir in einer kleinen Stadt. Mein Bauch wurde immer größer. Ich war bereits im achten Monat. James' Schwester war eine Frauenärztin. Er bat sie darum, mich zu untersuchen, damit wir keine Papiere und Personalien angeben mussten. Sie tat es für uns. Für James und ihre Nichte. Sie kannte nicht die ganze Geschichte, aber genug davon, um uns zu helfen. In der Zeit hatte ich auch erfahren, dass wir eine Tochter bekamen. Die kleine Königin unserer kleinen Familie.

Es lief alles gut. Zu gut. Man sollte sich eines einprägen: Immer dann, wenn alles in Ordnung zu sein schien, passierte etwas. Das war wie zu viel lachen. Es verkündete nur ein kommendes Unheil an. Wie ein Naturgesetz wurde das mir viel zu oft bewusst.

Mein Schatz, meine Kleine. Wie gerne hätte ich sie kennengelernt. Wie gerne hätte ich nun ihre kurzen, weichen Haare geflochten. Oder hätte sie langes Haar? Wem würde sie mehr ähneln? Mir oder ihrem wunderschönen Vater?

Mein Herz pumpte oder schlug nicht mehr. Nein, es blutete in mich hinein. Schmerz- und qualvoll. Jeder Atemzug eine Strafe, eine Last. Jeder Tag ein weiterer Brand auf meiner Seele...

„Bitte, hör auf zu weinen. Jede vergossene Träne aus deinen Augen ist, als würde ein Licht aus meinem Sternenhimmel erlöschen. Lass meine Sterne glänzen und bring meine Galaxie nicht aus dem Gleichgewicht. Nichts ist deinen Tränen wert."

Wie sollte man einen Mann nicht lieben, der zu diesen Worten fähig war? Der einem die Welt zu Füßen legte?

Es tut mir leid, mein Herz. Ich habe jeglichen Glanz deines Universums genommen, es in Finsternis getränkt...

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