Kapitel 10

Als ich am nächsten Morgen wach wurde, hatte ich höllische Kopfschmerzen. Die Nacht hatte ich sehr schlecht geschlafen. Ich verstand mich selbst nicht mehr. Dieses Haus, diese Leute hier trieben mich in den Wahnsinn. Ich setzte mich im Bett auf, lehnte mich zurück und massierte meine Schläfen. Mal sehen, was heute passieren würde. Schließlich war hier jeder für Überraschungen gut. Nachdem ich mich frisch gemacht und umgezogen hatte, ging ich herunter. Unten angekommen sah ich, dass Alfonso im Wohnbereich saß.

"Morgen, liebe Schwiegertochter", sagte er schelmisch.

"Morgen", entgegnete ich ihm nur missgelaunt.

"Sind wir ein Morgenmuffel", stellte er belustigt fest.

Ich setzte mich auf den Sessel neben dem Sofa, auf dem er saß.

"Wir essen heute gemeinsam. Magst du uns Gesellschaft leisten?", fragte er mich.

Wir hatten bis jetzt nie zusammen gegessen.

"Meinetwegen", atmete ich genervt aus.

"Ist doch schön", grinste er mich an. "Alle zusammen."

Was war das für eine Laune am frühen Morgen?

"Versuchst du mich irgendwie zu provozieren?", schoss es aus mir heraus.

Daraufhin lachte er erst einmal dreckig auf. Och, Gott! Bitte, mach, dass das aufhörte!

"Du bist direkt", meinte er süffisant. "Das ist gut, aber dennoch nicht gern gesehen."

"Ja, ja", verdrehte ich meine Augen und in dem Moment kam Ladislao ins Wohnzimmer.

Ich hatte total verpeilt, dass er kommen würde, denn grundsätzlich wollte ich ihn momentan nicht sehen.

"Ich habe keinen Appetit mehr", gab ich verächtlich von mir und stand auf.

"Autsch, das kam hart. Was' los? Ärger im Paradies?"

Alfonso machte sich über die Situation lustig und lachte über seinen eigenen Witz.

"Wohin?", ignorierte Ladislao seinen Vater und hielt mich am Handgelenk.

Seine Berührung breitete eine Wärme in mir aus. Ich bekam Lust darauf mehr von dieser zu spüren.

"Ich geh mich in meinem Dreck wühlen", gab ich kalt von mir und entriss ihm meinen Arm, wobei er mich aus geweiteten Augen ansah.

"Wie niedlich", meinte Alfonso mit einem unecht mitleidigen Blick. "Etwa euer erster Streit?"

Hielt er auch mal den Mund?

"Du kommst mit zum Essen", beachtete der Sohn weiterhin nicht die Kommentare von Alfonso.

"Oh, nein, ich gehe jetzt hoch", sagte ich stur und setzte mich in Bewegung nach oben.

"Los, mein Junge, mach deine Frau wieder glücklich", kam es erneut unnötig von dem sitzenden Herr.

Ich beachtete sie nicht weiter und lief zu den Treppen.

"Bleibst du jetzt endlich still?", fuhr Ladislao ihn an und ich hörte hinter mir Schritte, was ich nicht länger zur Kenntnis nahm und einfach meinen Weg fortsetzte.

Als ich gerade die Tür hinter mir zugeschlagen hatte, wurde sie abrupt nochmals geöffnet.

"Crystal", brachte er wieder mein Herz zum Rasen.

Ich versuchte so gut es mir gelang, ihn zu ignorieren und setzte mich auf die Couch. Die war aber auch echt gemütlich.

"Hör mal, ich... ich weiß nicht, was ich sagen soll, aber ich wollte dir nicht wehtun. Wirklich nicht."

Er kam zu mir und setzte sich neben mich. Seine Nähe bescherte mir ein fremdes Gefühl. Ich fühlte mich, als würde etwas nicht in mich hinein passen, als würde ich irgendwie innerlich brutzeln. Seltsam.

"Wir kennen uns nicht lange", versuchte er weiterhin zu erklären. "Ich... auf jeden Fall, möchte ich dir danken, dass du dich um Angelie gekümmert hast. Sie ist mir wichtig."

"Wer ist sie eigentlich?", fragte ich kleinlaut.

Ich hörte ihn neben mir tief einatmen. Er blieb still. Würde er mir antworten?

"Das ist eine lange Geschichte", meinte er und starrte dabei in die Leere.

Mich wieder zu ihm gewandt sah ich, wie er seine Augenbrauen zusammenzog, was seine Narbe noch mehr hervortreten ließ. Er drehte sich zu mir und wir sahen uns in die Augen. Ich hatte kein Zeitgefühl mehr. In dieser Sekunde wünschte ich mir wirklich, ihm so nah wie möglich zu sein. Etwas näher an ihn gerückt legte ich meinen Kopf auf seine Schulter und schloss meine Augen. Er blieb regungslos. Wie erstarrt. Nach einigen verstrichenen Sekunden spürte ich seinen Arm um meinen Schultern und ich wurde näher an seine Brust gezogen.

"Ich hoffe, du bist nicht mehr sauer auf mich", flüsterte er.

Ich sah auf. Mein Blick blieb an seinen Lippen hängen. So schön geformt. Füllig. Voll. In meiner Vorstellung weich. Ich reckte mich weiter hoch und bemerkte, wie er ebenso meinen Mund anstarrte. War es endlich so weit? Wollte ich das überhaupt? Er zog mich an. Das konnte ich nicht mehr verleugnen. Sein Blick wurde plötzlich traurig. Wie ein Schleier legte sich ein Schmerz auf ihn.

"Angelie ist meine Frau", hauchte er gegen meine Lippen. Was? Was? Bitte, was? Ich schrak zurück und sah ihn entgeistert an. Meine Kinnlade klappte herunter. Irgendwie zerbrach mein Herz. Es schmerzte. Irrsinnig. Blödsinn. Wie seine Frau? Was sollte dann die Show mit mir?

"Es ist aber nicht so wie du denkst", fügte er hinzu.

Wie war es dann? Verdammt! Sie war seine Frau!

"Was... ich...", murmelte ich unverständlich vor mich hin.

Als ich aufstehen wollte, fasste er mich an meiner Hand und drückte mich wieder zurück.

"Die Leute denken, sie sei tot. Deshalb brauchte ich eine andere Frau."

Egal was er sagte, es änderte nichts an der Tatsache, dass sie seine rechtmäßige Frau war. Was tat ich hier nur? Habe ich mich etwa an einen verheirateten Mann heran geschmissen? War ich das Flittchen in dieser Geschichte? Ich brachte immer noch kein Wort heraus, war einfach nur sprachlos. Er ließ meine Hand los und lehnte sich mit ausgebreiteten Beinen zurück. Gerade sah er nur erschöpft und müde aus. Mann, war das aber ein Morgen.

"Sie hat mich nie geliebt", kam es leise von ihm. "Ich dachte, sie würde irgendwann. Habe mir selbst immer was vorgemacht."

Ich sagte immer noch nichts.

"Diese Hoffnung auf etwas Unmögliches. Genau sie macht einen einfach blind und dumm. Ich habe viel zerstört, vielen weh getan, weshalb es mir wichtig ist, dass du mir verzeihst. Ich wollte dir niemals Leid zufügen. Okay, ich habe dich entführt, aber sage mir nur, geht es dir jetzt schlechter als zuvor?"

Er blickte mich erwartungsvoll an.

"Nein", brachte ich nur ein Flüstern heraus.

Mein Hals war wie zugeschnürt. Ladislao blieb dann auch still. Wir saßen so nebeneinander, bis er plötzlich sich etwas aufrichtete und sich zu mir beugte. Ich sah ihn fragend an, da ich mir nicht ausdenken konnte, was er wollte. Er kam mir langsam näher. Seine Hände fassten zu meiner Taille. Was wollte er tun? Plötzlich schlang er seine Arme um meinen Oberkörper und legte seinen Kopf auf meiner Brust ab. Durch den Schock warf ich meine Hände hoch und legte dann die eine auf seinen Rücken und die andere auf seine Schulter. Wie ein kleines Kind lag er in meinen Armen und vergrub sein Gesicht in mein T-Shirt.

"Ich hatte vergessen, wie schön sich eine Umarmung anfühlen kann", wisperte er. "Du hast mich wieder daran erinnert."

Ein Mann wie ein Koloss lag wie ein kleiner Junge in meinen Armen. Ich konnte es nicht fassen. Wie automatisch fuhr ich mit meinen Fingern kleine Kreise auf seiner Schulter. Anschließend legte ich meine Hand auf seinen Kopf und strich durch seine Haare. Sie waren weich. Ich mochte das Gefühl. Er summte kurz zufrieden, was mich zum Lächeln brachte.

"Ich bin so müde, hatte kaum geschlafen", murmelte er und machte es sich gemütlicher auf der Couch.

Ich streichelte weiterhin seine Haare. Einige Minuten verstrichen, ehe ich ihn gleichmäßig atmen hörte. Er war eingeschlafen. In dieser Position. In meinen Armen. Auf meiner Brust. Sein Atem wehte wie eine angenehme Brise Wind auf meine Haut. Ich bemerkte die vielen Härchen auf meinem Körper, wie sie sich aufstellten.

Die Müdigkeit übermannte mich, da ich unruhig geschlafen hatte. Ich legte meine Beine hoch und spürte wie seine Hand zu meiner Hüfte wanderte, wobei die andere an meinem Rücken blieb. Er hielt mich in seinem Griff, als würde er mich nicht mehr gehen lassen. Mein Herz erwärmte sich und erweichte. Ich drückte ihn nochmal fest und er tat es mir gleich. Eine Zufriedenheit breitete sich in mir aus. Völlig fremde Empfindungen schossen auf mich ein. Mir war warm und kalt. Mein Herz fand Ruhe, jedoch schlug es wie verrückt zur gleichen Zeit. Ich spürte ein friedvolles Gefühl in mir aufsteigen, als wäre ich in einer Parallelwelt, die sich weit entfernt von den grausamen Tatsachen befand. In nächster Sekunde fielen mir meine Augenlider zu und ich fiel in einen beruhigenden, erholsamen Schlaf.

Mein Nacken schmerzte als ich wach wurde. Ich streckte mich und bemerkte, dass etwas mich herunter drückte. Ladislao seufzte und kuschelte sich weiter in meiner Brust ein. Moment, was? Ein Blick auf ihn zeigte mir, dass ich mittlerweile etwas seitlicher lag. Das eine Bein lag um seinen Bauch, wobei seine Hand auf meinem Oberschenkel weilte. Sein Kopf lag in meinen Armen. Ich hielt ihn umklammert. Friedlich schlief er weiter. Er sah gerade vollkommen entspannt und glücklich aus. Mit einem seligen Lächeln auf meinen Lippen beobachtete ich ihn.

Angelie war seine Frau. Sie hatte ihn jedoch nie geliebt. Trotzdem blieben sie verheiratet. Jeder dachte, sie sei tot. Aus dieser Perspektive gesehen tat er mir leid. Wenn ich daran dachte, dass er mit einer Frau lebte, die ihn nie lieben konnte wie er sie. Wie ist sie wohl zu diesem Zustand gekommen? Ich konnte mir im Moment Vieles nicht erklären, aber ihn wollte ich nicht fragen. Schließlich hatte er erst jetzt mir etwas über sich erzählt. Im Allgemeinen wusste ich nicht, wie ich mit dieser Situation umgehen sollte. Wie sollte ich mich benehmen? Wir lagen Arm in Arm da.

Ich wollte darauf nicht verzichten. Nicht mehr. Auf seine Nähe, auf seine Anwesenheit. Er tat mir gut. Irgendwie. Ach, ich war sehr verwirrt.

Ladislao schnalzte wie ein Kätzchen mit seiner Zunge, atmete tief meinen Duft ein und schlief seelenruhig weiter. Mein Herz raste, als würde es aus meinen Rippen heraus springen. Ich spürte meinen Herzschlag durch meinen ganzen Körper echoen. Was tat mir dieser Mann an? Mein ganzer Körper spielte neben ihm verrückt. Ich schloss meine Arme enger um ihn, was er mir schlafend unbewusst gleich tat.

Dieser Moment. Konnte er nicht für immer bleiben? Was passierte mit mir? Geschah gerade das, wovor ich mich immer gedrückt hatte? Ich konnte mich nicht einmal wagen, daran zu denken, aber was waren diese Gefühle? Was war das in uns, das den Körper außer unserer Kontrolle trieb?

Mein Rücken lag schief, mein Nacken tat mir weh, aber das alles war nicht einmal halb so relevant wie das wohltuende Gefühl in mir. Dieses Prickeln durch meine Adern, welches süchtig machte. Ich wollte mehr solcher Empfindungen, wollte mehr von ihm.

Er regte sich, nahm seine Hand von meinem Schenkel und ich vermisste die Wärme dort, die sie ausstrahlte. Ladislao rieb sich die Augen und sah sich irritiert um.

"Oh Gott, hab' ich gut geschlafen", gähnte er laut und fuhr mit seinem Kopf hoch, sodass er nicht mehr auf mir lag.

Mein Bein umschlang immer noch seinen Bauch, weshalb er es kurz aufhob, sich gerade hinsetzte und beide meiner Beine auf seinen Schoß legte. Seine Hände ruhten auf meinen Unterbeinen.

"Bist du noch müde?", sah er mich aus weichen und warmen Augen an. Ich hätte ihm ewig in diese starren können. Vor allem dann, wenn sie mich so ansahen.

"Nein", flüsterte ich, als mir seine Frage wieder einfiel.

"Äh, hast du Lust mit mir... mit... mir... also vielleicht wenn du willst...", stotterte er.

"Wenn ich was will?", lachte ich daraufhin.

"Wir könnten rausgehen", gab er schüchtern von sich und kratzte sich am Hinterkopf. "Was essen. Als Entschuldigung."

Irgendwie musste ich daraufhin schmunzeln.

"Klar, wenn das in Ordnung geht", nahm ich sein Angebot an.

Warum auch nicht? Ich langweilte mich in den letzten Tagen. Das wäre doch mal eine Bereicherung für meinen Alltag und ich war schon so lange nicht mehr richtig draußen.

"Okay, gut, dann sollten wir uns fertig machen", grinste er mich an.

Ich stand auf und lief ins Bad, um mich frisch zu machen. Die Sache zwischen uns wurde immer seltsamer. Was waren wir nun? Freunde? Ich duschte mich schnell ab und föhnte meine Haare. Nachdem das erledigt war, lief ich in die Garderobe. Ladislao stand nur in seiner Boxershorts vor mir und hielt die Kleidung in seiner Hand.

"Ich... ich kann auch später...", setzte ich an, jedoch wurde ich unterbrochen.

"Nein, komm ruhig. Ich gehe mich im Bad umziehen."

Er kam auf mich zu und blieb genau vor mir stehen. Ich sah hoch zu ihm und entdeckte sein grinsendes Gesicht. Seine Mundwinkel schoben sich immer weiter nach oben. Plötzlich beugte er sich herunter und seine Lippen streiften mein Ohr.

"Würdest du erlauben?", raunte er und deutete mit seiner Hand auf die Tür und da fiel bei mir der Groschen.

Ich versperrte ja den Ausgang. Dennoch wollte ich diesen nicht freigeben. Er zog mich wie ein Magnet an, sodass ich nichts dagegen unternehmen konnte. Einen Schritt weiter vorne stand ich dicht an ihm. Mit meinem linken Zeigefinger fuhr ich seine rechte Brust hinunter bis zu seinem Bauchnabel und trat dann zur Seite.

"Bitteschön", hauchte ich mit einer rauchigen Stimme, was ihn kräftig schlucken ließ, sodass er erst wie erstarrt stehen blieb.

Er schüttelte kurz seinen Kopf und trat heraus. Ein Lachen konnte ich mir gerade so noch verkneifen und biss mir auf meine Unterlippe. Nicht nur er hatte eine Wirkung auf mich und das stimmte mich ungemein positiv. Er sah es vielleicht selbst noch nicht, aber ich bemerkte, dass ich ihn nicht ganz unberührt ließ. Und das machte mich glücklich. Freudestrahlend zog ich mir was Lockeres an, setzte mich auf die Couch im Zimmer und wartete auf ihn.

Als wir beide fertig angezogen draußen standen, bemerkte ich fünf Autos. Eine Horde schwarz gekleideter Männer standen um diese. Was war hier los?

"Ladislao?", er drehte sich zu mir und sah mich fragend an. "Kommen die alle mit uns?"

"Keine Sorge, es dient zur Sicherheit", antwortete er nur, steuerte den mittleren Wagen an und hielt die Tür auf. "Meine Schöne, nach dir."

Ich lief zu ihm und saß dann auf gemütlichen Ledersitzen. Plötzlich wurden viele Türen zugeschlagen, als sich die ganzen Männer in ihre Wagen setzten und Ladislao neben mir auftauchte. Wir saßen auf der Rückbank. Zusammen. Eng. Alleine. Ich konnte nicht mehr atmen.

"Wieso kommen so viele Männer mit?", fragte ich ihn, um mich abzulenken.

"Das... für die Sicherheit, weißt du?", kam es leise von ihm.

Aus dem Augenwinkel sah ich, dass er sich abwandte und aus dem Fenster sah. Na, dann. Wenn der Herr nicht reden wollte. Die Ruhe erdrückte mich. Mein ganzer Körper war wie mit Adrenalin vollgepumpt. Ich rutschte dauernd hin und her. Er machte mich ganz nervös. Er und seine Nähe. Ich könnte durchdrehen. Ich musste mir etwas einfallen lassen. So würde ich die Fahrt nicht mehr überleben.

"Kann ich mein Fenster aufmachen?", fragte ich ihn.

"Natürlich mit dem Knopf dort", deutete er mir zu.

An der Tür erkannte ich einen Knopf und versuchte damit mein Fenster herunterzufahren, aber es wollte mir nicht gelingen. Ich saß ja auch nicht jeden Tag in so einem Wagen.

"Lass mich mal", lachte er auf meine misslungenen Versuche hin.

In dem Moment verfluchte ich meine Idee, denn er bückte sich zu mir herüber und drückte den Knopf, damit das Fenster sich öffnete. Währenddessen berührte er mich fast überall. Sein Gesicht stand direkt vor meinem. Sein kompletter Arm sowie seine Brust lagen halb auf mir. Ich war betäubt von seinem wunderbaren Duft. Ich konnte nicht anders, als mich nach vorne zu beugen und mit meiner Nasenspitze seinen Hals zu berühren. Meine Augen schlossen sich und ich atmete seinen Geruch ein.

"So, geht's dir gut?", fragte er mich, als er wieder auf seinem Platz war.

"Hm?"

Ich war immer noch leicht weggetreten.

"Du wolltest ja das Fenster öffnen. Geht es dir gut? Wir können auch zurück fahren."

Er sah mich mit einem fragenden Blick an.

"Nein, nein, alles gut", meinte ich beschwichtigend.

Dass er das Problem war, konnte ich ihm ja schlecht erklären. Aus dem Fenster bemerkte ich, dass wir in eine mir unbekannte Gegend fuhren. Die Minuten verstrichen, ehe wir vor einem schönen Lokal anhielten. Ein kleines Cafe mit einem großen Garten. Das Cafe war wie eine Holzhütte. Die Tische und Stühle waren in weiß gehalten, wobei einzelne beige Töne die Dekoration schmückten. Ich sah mich verzaubert um. Das alles wirkte wundervoll auf mich.

"Gefällt's dir hier?", hörte ich ihn neben mir.

"Ja, es ist wirklich schön", gab ich ihm eine ehrliche Antwort.

"Komm", flüsterte er und nahm meine Hand.

Wir liefen nach vorne in den Garten und setzten uns ins Zentrum der Tische hin. Ich sah, dass die ganzen Männer sich ebenfalls um uns herum verteilt setzten.

"Ist außer uns niemand hier?"

"Nein, dieses Lokal gehört mir", erklärte er.

Beeindruckt sah ich ihn an. Er ließ mein Herz höher schlagen. Ich mochte diese unbeschwerte und ruhige Art an ihm.

Wir verbrachten unser Frühstück ruhig. Es wurde nicht mehr geredet. Ich mochte es, dass ich die Zeit mit ihm auch schweigend als angenehm empfand. Die Stille wirkte nicht verstörend oder seltsam. Nein, im Gegenteil. Sie gefiel mir. Ich genoss jede Minute in diesem Cafe. Noch nie war ich in so einer Umgebung essen. Ladislao brachte immer etwas Neues mit sich. Er offenbarte mir eine Welt, von der ich nicht einmal geträumt hätte. Er tat mir gut. Er machte einen Menschen aus mir, ließ mich fühlen. Was ich davor war, konnte ich mir nicht erklären.

Ich sah ihn wieder genauer an, wie er aß, wie er selbstbewusst mit dem Besteck umging, wie er kaute, wie er sich bewegte und wie sich sein Gesicht immer dabei veränderte, seine Mimik. Ganz alltägliche Bewegungen sahen an ihm elegant aus, als würde er gerade eine Kunst vollbringen, einfach nur geschmeidig.

Habe ich mich... in... ihn... Ich konnte nicht einmal daran denken, geschweige denn es mir eingestehen. Ich, Crystal, konnte mich nicht meinen eigenen Gefühlen bekennen.

Liebte er Angelie noch? Bestimmt, oder? Immerhin behielt er sie in seiner Nähe. Wenn ich mich nicht täuschte, gestattete er ihr regelmäßig Besuche ab. In was hatte ich mich wieder einmal hinein geritten?

Ladislao hatte anscheinend bemerkt, dass ich ihn anstarrte, denn er sah hoch und blickte mich fragend an. Ich schüttelte stumm meinen Kopf, als wäre nichts und aß mein Essen. Jedoch wurde mir in dem Moment bewusst, dass es sich lohnte für ihn zu kämpfen, dass es sich lohnte für ein Glück mit ihm zu kämpfen.

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