Die Tage danach
Wir kamen eine halbe Stunde zu spät zum Unterricht. Sabine und Tills Mutter standen vor der Schule und gaben uns schnell unsere Schultaschen. Tills Mutter war ein wenig besorgt wegen Tills demoliertem Gesicht, er spielte es aber runter und wir liefen dann einfach schnell in unseren Klassenraum.
Er hatte immer noch das Hemd und die Jeans an, was beides ziemlich dreckig von der Schlägerei war. Seine Haare waren wild durcheinander und standen in alle Richtungen ab.
Mein Blümchenkleid saß auch nicht mehr so wie am Vortag und es hatte sogar ein paar Tröpfchen von Tills Blut drauf.
Meine Haare waren ebenfalls zerzaust und mein Mascara verschmiert.
Till und ich sahen furchtbar aus und so fühlten wir uns auch.
Unsere Schädel dröhnten und ich hatte einen unangenehm Alkohol Nachgeschmack im Mund.
Selbst unserer Lehrerin Frau Fröhlich war dies aufgefallen und als wir im Türrahmen standen sagte sie abwertend: »Ah ja ihr beide habt es also auch mal geschafft aufzustehen und hier zu erscheinen. Nichtmal ordentlich kleiden könnt ihr euch! Tja so ist die Jugend von heute nun mal, nur noch Partys im Kopf und Alkohol trinken, keine Perspektiven haben und dann auch noch die Schule für unnötig empfinden!«
Ich schnaubte und wollte gerade zur Verteidigung ansetzten, aber Frau Fröhlich ließ mich nicht reden.
Sie schnaubte nur ein unfreundliches »setzt euch und seid still« und Till und ich taten was sie sagte.
Wir waren Frau Fröhlichs letzte Klasse gewesen, sie stand kurz vor der Rente und dementsprechend altmodisch war sie in ihrer Art. Sie konnte mit dem Reitsport und unseren Erfolgen nichts anfangen. Hätte sie den Umgang mit ihrem Fernseher beherrscht, hätte sie mich und Till öfters mal in den Nachrichten gesehen und gemerkt, dass wir so viel mehr Perspektive hatten als sie und wir schon mehr als die Hälfte ihres Jahresgehalts nur durch unser Talent und ein wenig Glück verdient hatten.
In der Pause steuerte ich direkt das Mädchenklo an und wusch mir erstmal das Gesicht und Eske gab mir eine Haarbürste.
»Hat jemand eine Aspirin für mich?«, fragte ich in die Runde, nachdem Maria, Eske, Nick, Jule und ich alle beisammen standen.
Ich war nur mit Eske in einer Klasse, die anderen 3 waren in meiner Parallelklasse.
»Du siehst ja schrecklich aus«, lachte Nick und zupfte an meinem Haar.
»Das kennen wir sonst doch immer nur von Jule«, lachte Maria.
»Conni was hast du getan?«, fragte Eske ein bisschen besorgt und gab mir eine Kopfschmerztablette.
»Also wir hatten ja gestern die Meisterschaft und danach gab es eine Aftershowparty...«
»Oho gefährlich«, lachte Jule.
Jule war sonst immer diejenige die, die Nächte durchfeierte und nur gerade mal so durch die Schule kam. Eske musste ihr Montagmorgens immer einer Asperin geben, nicht mir.
»Oh ja das war es auch! Ein paar Gegner von uns haben ordentlich was an Alkohol dabei gehabt und wir haben einen Shot nach den nächsten getrunken. Wir sind dann die Nacht durchgefahren und naja nun bin ich hier - übermüdet und verkatert.« Ich lehnte mich schmunzelnd an Nicks Schulter, der mich ein wenig auslachte.
»Und was ist dort passiert?«, fragte Maria und zeigte auf die winzig kleinen Blutflecke auf meinem Kleid.
»Naja also Till hat sich geprügelt.«
»Und ich hab mich schon gefragt ob er vom Pferd getreten wurde«, meinte Jule lachend.
»Wie ist das denn passiert?«, fragte Eske besorgt.
Eske war so die Mutter im Bunde, sie war immer schnell besorgt und hätte nicht mal eine Mücke töten können.
Ich erzählte die ganze Geschichte vom Vortag und änderte auf ein Mal meine Stimmlage als ich zu der Stelle im LKW kam. Ich schaute mich um und als die Luft so weit rein war flüsterte ich vorsichtig: »Ich hab mit Till geschlafen.«
»Conni!«, sagte Maria ein wenig geschockt, aber alles andere als wütend
»Du hast was? Ich hoffe ihr habt gut verhütet«, meinte Mutter Eske wieder.
»Och Eske, Conni ist doch nicht dumm!«, meinte Maria lachend.
»Du bist mir schon eine. Du wirst immer mehr wie ich«, lachte Jule und umarmte mich stolz.
Jule hatte immer noch so eine große Klappe wie damals und sie war die, mit der ich immer die wildesten Sachen machen konnte.
Mit Maria konnte man gut lernen und sie war diejenige die einen immer über seine gesetzten Grenzen hinausbrachte. Sie war einfach unglaublich motivierend.
Nick war halt Nick - mein allerbester Freund.
Er fand diese Sache zwischen mir und Till nicht so toll und antwortete erstmals nichts.
»Hat's dem kleinen Nicki etwa die Sprache verschlagen?«, fragte Jule provokant und kaute ihr Kaugummi.
»Halt die Klappe Jule«, zischte er.
Sie guckte ihn nur komisch an und er ging einfach weg.
So ein komisches Verhalten kannte ich von Nick nicht und lief ihm nach.
»Was ist denn jetzt mit dir los?«, fragte ich besorgt.
»Es ist nichts«, meinte er und ging einfach weiter.
Ich holte ihn wieder ein und meinte: »Nick, bleib stehen! Was ist los?!«
Er blieb abrupt stehen und sagte böse: »Ach komm Constanze, du weißt ganz genau, dass ich nichts von Tills Gehabe halte! Er wird dir weh tun!«
»Du kennst ihn doch gar nicht...«
Nick unterbrach mich.
»Komm schon Conni, lass gut sein ey. Ich will mir das Gelaber gerade nicht anhören. Ich kenne ihn wohl besser als du denkst. Ganz ehrlich mach was du denkst, aber heul mir nicht die Ohren voll wenn dein kleines naives Herz gebrochen wird!«
Mit diesen Worten ging er einfach und redete den ganzen Tag nicht mehr mit mir.
So eine Reaktion hätte ich von ihm nicht erwartet! Was war bloß mit ihm los gewesen?!
Es war schwer für mich Nick seinen Freiraum zulassen, aber es war wichtig.
Was zwischen Till und mir war, war schwer zu sagen.
Am Montag nach dem Wochenende wollte ich mit ihm reden. Ich wollte einfach eine normale Unterhaltung führen. Als ich dann aber zu ihm ging machten sie alle sich wieder lustig über mich.
Als ich dann fragte was das sollte, zog er mich zur Seite und meinte ziemlich respektlos: »Conni was möchtest du von mir?!«
»Ich wollte mich nur mit dir unterhalten.« Während ich dies sagte streichelte ich verführerisch mit meinem Zeigefinger über seinen Arm.
Er fing an abwertend zu lachen und meinte: »Boah Conni wenn du denkst, dass wir jetzt befreundet sind oder sogar etwas zwischen uns läuft, dann täuschst du dich aber! Sieh es ein, du spielst einfach nicht in meiner Liga!«
Ich sah ihn enttäuscht an und meinte dann mit einem gezwungenen Lächeln: »Nein, Nein ich weiß. I-ich wollte nur wissen ob du heute Abend beim Training dabei bist.«
Ich konnte nur schwer meine Tränen zurück halten.
»Klar, wann bin ich denn bitte nicht dabei?! Tu mir ein Gefallen und sprich einfach nicht mit mir in der Schule! Verstanden?!«, sagte er noch abwertender.
»Ja klar ich wollte nicht...«
Er gab mir nicht mal den nötigen Respekt um mir zu Ende zuzuhören und ging einfach weg.
Im nächsten Moment sah ich Till zu Franzi gehen, die ihm einen Kuss gab - AUF DEN MUND! Es war garantiert nichts freundschaftliches und sie hätte ihn am liebsten an Ort und Stelle vernascht!
Ich drehte mich um und ging. Obwohl wir eigentlich noch Unterricht hatten ging ich einfach in den Stall und verkroch mich auf dem Heuboden. Ich fühlte mich elendig und weinte. Ich weinte einfach so vor mich hin und wollte nichts mehr tun außer weinen. Nick hatte recht gehabt - dieser Idiot hatte wirklich recht!
Ich weinte bitterlich und mein Herz schmerzte. Ich konnte einfach nicht verstehen wieso Till so sein konnte!
Wie konnte jemand nur so unterschiedliche Gesichter haben! Heute war er der respektvollste Junge den ich kannte und schon am nächsten Tag tat er mir weh und behandelte mich wie ein Stück Dreck.
Ich war wirklich bis zum Abend auf dem Heuboden und weinte.
Plötzlich stand dann Nick hinter mir und meinte besorgt: »Gott Conni da bist du! Wir haben dich alle schon überall gesucht.«
Ich drehte mich zu ihm um und war total verheult.
»Conni was ist denn los?«, fragte er geschockt und kniete sich zu mir runter.
Ich wischte meine Tränen weg, stand auf und sagte schnell: »Es ist nichts!«
Ich wollte gerade runter gehen, als Nick mich am Arm festhielt und mich in einer „ich hab's dir doch gesagt" Tonlage fragte: »Es geht um Till, stimmt's?«
Ich schaute ihn nur an und die Tränen liefen und liefen.
»Och Conni. Komm her.« Er nahm mich tröstend in den Arm und auf einmal musste ich unweigerlich wieder an Till denken.
Ich weinte so viel doller und sackte auf meine Knie.
»Ist schon gut«, tröstete er mich wieder.
»Du hattest recht mit Till! Ich hab alles falsch gemacht«, winselte ich.
»Es ist nicht deine Schuld, er ist ein Idiot!«
»Aber es tut so weh und es hört nicht auf!«, schrie ich verzweifelt.
Nick nahm mich einfach in den Arm und ließ mich weinen.
Ich weinte so viel bis ich so leer war, dass ich nichts mehr fühlte, keine Trauer, keine Wut, kein gar nichts - keine Gefühle.
Das Training schwänzte ich an diesem Abend und am nächsten Tag ging ich auch nicht zur Schule.
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top