Die Hochzeit

Da saß ich nun mit einem starren Blick in den Spiegel.
Mein Make-Up schon fertig, meine Frisur fast fertig und mein Kleid noch auf dem Bügel.
Vicky, Frieda, Isabell und Clarissa saßen mit Champagner neben mir und ließen sich ebenfalls die Haare machen.
Frieda war meine Trauzeugin und die anderen drei meine Brautjungfern.

Wir saßen in diesem riesigen Zimmer, auf diesem riesigen Schloss und bereiteten alles für die Hochzeit vor.
Ben, die Zwillinge, Alex und Ludwig waren ein paar Zimmer weiter und machten sich dort fertig.

»Jetzt lächle doch mal, du heiratest in einer Stunde!«, forderte mich Clarissa auf und reichte mir ein neues Glas Champagner.
Sie war groß geworden und das kleine Mädchen von damals war zu einer jungen Frau herangewachsen. Mittlerweile sahen sich Vicky und Clarissa ziemlich ähnlich und man hätte sie für zweieiige Zwillinge halten können.

Mit viel Hilfe zog ich mein Kleid an. Meine Mutter war in mein Zimmer gekommen, um mein Kleid zu schnüren.
Schnüre um Schnüre fädelte sie nach einander ein und zog immer fester.
»Nicht so doll, ich muss auch noch atmen«, schnauzte ich sie an.
»Stell dich nicht so an - du musst gut aussehen!«, sagte sie kühl, ohne auch nur eine kleine Miene zu verziehen und zog fester.

Eine Dreiviertelstunde vor der Hochzeit kamen mir Zweifel. Meine Brautjungfern beauftragte ich etwas total unnützes aus dem Auto zu holen. Ich musste mit Frieda sprechen.
»Ich hab Angst«, sagte ich mit zitternder Stimme und musste mir eine Träne verkneifen.
»Ach, Schätzchen, auf diesen Tag hast du doch so lange gewartet! Es wird großartig. In nicht einmal einer Stunde wirst du im Festsaal den Gang zum Altar bestreiten und von einem überragendem Mann in Empfang genommen werden. Ben ist der perfekte Mann, das wirst du wohl doch nicht verspielen.«
»Pff von wegen perfekter Mann! Vor ein paar Wochen fand ich raus, dass er mich betrügt.«

Auf einmal wurde Frieda blass und fing an so komisch zu gucken.
»Ach, Constanze, das ist doch bestimmt nur Schwachsinn. Du hast bestimmt wie immer  irgendwas in den Falschen Hals gekriegt.«
»Nein, Frieda, das habe ich nicht! Ich hab diese Nachricht gelesen...«
»Du bist eine schlechte Frau und er nicht der schlechte Mann! Du vertraust ihm ja nicht einmal - sonst hättest du wohl nicht sein Handy durchguckt!«, fing sie an abwertend zu brüllen.
»Ich hatte doch wohl auch gutes Recht ihm zu misstrauen! Frieda, er geht mir fremd!«
»Nur weil du ihn nicht glücklich machen kannst! Du weißt doch gar nicht was du hast - du dumme...«
»RAUS!«, schrie ich sie an und deutete auf die Tür, die genau in diesem Moment aufging und meine Brautjungfern mit Schokolade, meinem Portmonee und meiner Sonnenbrille eintraten.
»Das werde ich deiner Mutter erzählen!«, meinte Frieda eingeschnappt und zog an den drei Mädels vorbei.
Die Tür fiel mit einem lautem Knall ins Schloss.

»Ich muss hier weg!«, meinte ich auf einmal und fing an panisch hin und her zu rennen.
»Oh nein, du setzt dich jetzt auf diesen Stuhl und trinkst erstmal einen zur Beruhigung«, sagte Clarissa und quartierte mich auf den Stuhl neben dem Bett.
»Nein... ich kann nicht... bitte...«, juchzte ich und fing an zu weinen.
»Clarissa, du holst jetzt sofort Alex hier her!«, trug Vicky ihrer kleinen Schwester auf, die sofort rüber ins Jungszimmer lief.

Clarissa klopfte an der Tür und Julien öffnete.
»Wir brauchen Alex drüben bei uns - sofort!«
Alex kam sofort mit zu uns rüber und bemerkte schnell den Ernst der Lage.
Vicky, die mich ablenken wollte damit ich nicht vollkommen die Nerven verlor, war überfordert.
»Sie hat sich eben mit Frieda gestritten und jetzt will sie alles hier abblasen«, sagte sie aufgebracht.
»Mädels, raus hier!«, befahl er den anderen, die auch sofort den Raum verließen.

»Was ist passiert?«, fragte er besorgt und hockte sich auf meine Höhe.
»Vor ein paar Wochen habe ich eine Nachricht auf Bens Handy gelesen und seitdem weiß ich, dass er mir fremd geht! Ich wollte gerade einfach nur mit Frieda reden, ich brauchte ihren Rat - ich dachte doch, dass sie meine beste Freundin ist! Aber sie hat sofort überreagiert und dann wurde es mir bewusst.« Ich stockte kurz und beendete erst nach einer kurzen Zeit meinen Satz.
»Alex, Frieda ist Bens Geliebte!« Ich brach in Tränen aus. Ich weinte so sehr, dass ich nicht einmal bemerkte, dass die Tür sich wieder ein Spalt öffnete.

»Bist du dir sicher, dass du recht hast? Ich meine, du kannst dich doch auch irren.«
»Nein, Alex, ich irre mich nicht! Ich hatte mich damals schon so gewundert, warum Ben seine Affäre so komisch eingespeichert hat, aber jetzt ist es mir klar. Frieda ist diejenige, die immer mit so einem komischen Zwinker-Smiley schreibt und auf meiner Geburtstagsparty haben die beiden sich auch immer so komisch zu gezwinkert. Damals verstand ich es nicht, aber jetzt!«
»Constanze, ich weiß, dass das schrecklich ist, aber was willst du denn jetzt tun? Die Hochzeit geht in einer halben Stunde los - du kannst jetzt nicht einfach gehen.«
»Aber ich kann doch da gleich nicht einfach den Gang runter spazieren, als wenn alles gut wäre! Das geht nicht! Ich will das hier doch gar nicht!«, jammerte ich.
»Was willst du schon wieder nicht?!«
»Na das hier alles! Ich wollte dieses Kleid nicht, ich wollte dieses Schloss nicht, ich wollte diesen Schleier nicht und ich wollte diese bescheuerte Frisur nicht! Alles wurde wieder für mich entschieden und ich verbiege mich bis zum brechen!«
»Aber warum sagst du denn nichts?!«, fragte er ein bisschen schreiend und ergriff sachte mit seinen Händen mein Gesicht.
»Hab ich doch! Schon bei der Kleideranprobe hatte ich mich für ein anderes entschieden, aber meine verfluchte Mutter fand das sah nicht teuer genug aus! Wie soll ich wieder Ich sein, wenn alle um mich rum das nicht zulassen?!«
»Constanze, ich weiß es nicht! Ich kann nichts für deine Situation und ich kann sie auch nicht ändern! Du musst deiner Mutter die Stirn bieten und Ben sagen, was du fühlst! Du kannst nicht immer nur einknicken, weil du nicht stark genug bist, um zu argumentieren!«
»Ich brauch doch einfach nur die Unterstützung meiner Familie! Keiner von ihnen steht hinter mir, wenn ich meine eigenen Entscheidungen treffe! Ich bin einfach nur noch die Verwirklichung der Träume meiner Eltern. Meine Mutter macht mich zu ihrem kleinen Reiterpüppchen und mein Vater benutzt mich als Schwiegersohnmagnet, um die Kanzlei irgendwann in guten Händen zu wissen. Was ich will?! Irrelevant! Ich habe vor kurzem Eleonora Winterbottom getroffen und war total hin und weg. Als ich meiner Mutter das erzählt habe, hat sie sie schlecht geredet und gesagt, dass ich aufhören soll zu schwärmen! Wenn ich nicht mal Ich sein darf, wenn ich Zuhause bin, wo soll ich dann Ich sein.«
Ich betonte meine Worte hart und meine Augen verloren eine Träne nach der Nächsten.
Mit seinem Daum wischte er meine Träne weg.
Ich griff nach seiner Hand in meinem Gesicht.
»Hör auf meine Tränen zu fangen.«

»Constanze, du musst dich entscheiden. In 15 Minuten beginnt die Hochzeit und wir müssen dein Make-Up noch einmal richten lassen.«
»Ich weiß nicht, ob ich noch heiraten möchte.«
»Ich will dich nicht drängen, aber jetzt sind es nur noch 14 Minuten.«
Ein kurzen Moment dachte ich nach und sagte dann entschlossen: »Hol die Make-Up Artistin - ich werde mich jetzt auffrischen lassen und dann entscheide ich, was ich will.«

Das was ich sagte, tat Alex auch und keine zwei Minuten später turnte wieder eine Frau um mich rum, die mir wieder mit Pinseln im Gesicht rum wischte.
Die Frau steckte mir noch meinen Schleier in meine hochgesteckten Haare und fixierte alles noch ein letztes Mal mit einer gefühlten Tonne Haarspray.
»So, jetzt wird es aber auch Zeit«, verkündete ich und stand auf.
Meine Brautjungfern jubelten und auch Alex war froh über meine Entscheidung.
Was ich mir in diesem Moment dachte?
Scheiden kann man sich hinterher immer noch.

Entschlossen zog ich meine Schuhe an und schaute ein letztes Mal in den Spiegel.
Dann verließen wir das Zimmer und gingen in den Innenhof des Schlosses.
Aufgeregt stand ich vor der großen Tür und wartete bis alle, die ich brauchte, versammelt waren.
Mein Vater stand stolz neben mir.
Meine Brautjungfern und meine Trauzeugin vor mir.
Ganz vorne standen sogar zwei süße, kleine, blonde Mädchen mit Blumenkörben.
Nur meine Mutter ließ auf sich warten.

»Wo bleibt sie denn nur? Wir müssen gleich anfangen«, sagte mein Vater, der ungeduldig auf seine Uhr schaute.
»Vicky, holst du bitte meine Mutter aus ihrem Zimmer«, bat ich freundlich, aber dennoch ein bisschen genervt.
Umso länger ich wartete, desto mehr Zeit hatte ich, um es mir nochmal anders zu überlegen.
Das konnte ich nicht mehr ertragen. Das gefiel mir nicht.

Nach fünf Minuten kam Vicky aufgeregt wieder durch die Tür gerannt.
»Sie ist weg! Nur noch das hier war da«, rief sie und wedelte mit einem Brief.
Umgehend öffnete ich diesen und laß ein paar Zeilen.

»Ich muss weg!«, sagte ich auf einmal und wollte los laufen.
»Oh nein - du bleibst hier!«, sagte Frieda und hielt mich am Arm.
»Ich werde gehen!«, schrie ich sie an und riss meinen Arm los.
Noch bevor mich jemand aufhalten konnte, lief ich in meinen Highheels zu meinem Auto.

»Constanze!«, hörte ich es auf einmal hinter mir rufen, als ich gerade einsteigen wollte.
Ich drehte mich auf dem Absatz um und sah zu ihm.
»Du bleibst hier!«, rief Ben wütend und kam immer weiter auf mich zu.
»Es tut mir leid - ich muss gehen«, sagte ich mit einem entschuldigenden Blick und stieg ein.
Ich startete den Motor und gab Gas.
Im Rückspiegel sah ich noch, dass Ben meinem Auto nachlief, Rücksicht nahm ich aber nicht darauf.
Ich fuhr davon.

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