Das Training
Anfang der Sommerferien hatten Till und ich ein zweiwöchiges Kadertraining und dies war ausgerechnet in München.
Schon als Till und ich Asterix, Obelix, Don, Penny und sogar Conti aufluden, war ich aufgeregt.
Diese Aufregung wurde auf der Fahrt sogar noch viel schlimmer.
Mama fuhr den LKW und ich legte meine Füße auf dem Armaturenbrett ab. Die Sonne schien mir kitzelnd ins Gesicht und das Radio spielte leise einen Hit nach dem anderen.
Als die Landschaft hügeliger wurde und die Wälder immer dichter, fing ich an mit Till ganz viel über meine alte Heimat zu reden.
Er hörte gespannt zu und schaute träumerisch aus dem Fenster. Nur manchmal sah er mich an und sagte etwas zu mir. Dann drehte er sich aber immer wieder weg und schaute weiter den vorbeiziehenden Bäumen zu.
An diesem Tag schien er ziemlich abgelenkt und zum Teil sogar traurig. Woran es lag, wusste ich nicht. Ich fragte aber auch nicht nach.
Till und ich waren 17 Jahre alt, nicht wirklich befreundet und in der Schule redeten wir ja nicht einmal miteinander.
Ich hatte ein paar mal versucht Gespräche aufzubauen, aber ich merkte schnell, dass ich einfach nicht in seiner Liga spielte. Er hing immer nur mit Franzi und den anderen hübschen Mädels ab. Nicht falsch verstehen, ich war alles andere als hässlich und die Jungs schenkten mir genug Aufmerksamkeit, aber ich war nun mal kein Mädchen, dass sich die Nägel machen ließ, irgendwelche Instagram-Ratschläge befolgte oder irgendwelchen Influencer-Trends nachjagte. Ich war einfach Conni, die unter den ganzen aufgetakelten, meist gar nicht so hübschen Mädels, aussah wie ein hässliches Mauerblümchen - auch wenn ich dies alles andere als war.
Ich hatte auch ein Instagramprofil, wo ich regelmäßig neue Bilder hochgeladen hatte, aber es waren nur Bilder beim reiten, auf Turnieren oder von meinen Pferden. Tatsächlich war ich sogar relativ bekannt, hatte viele Follower und sogar Kooperationen mit diversen Reitsportmarken, dies war mir aber tatsächlich egal.
Ich wollte einfach nur Conni sein.
Till war einfach anders, er sah gut aus und wusste dies auch ganz genau. Die Mädels fielen ihn schon damals, mit 12 Jahren, um den Hals, aber im Alter von ca. 16 wurde dies immer mehr.
Till war wirklich unglaublich hübsch gewesen und es stimmte alles bei ihm - so wie bei Emil.
Anders als Emil hob Till aber ganz schön ab und konnte ein ganz schön eitler Typ sein. Emil war einfach Emil - immer steht's bodenständig.
Aus diesen Gründen beschränkte sich die Freundschaft zwischen Till und mir, wenn man dies überhaupt so nennen konnte, ausschließlich auf das Reiten.
Ich war aber froh über diese „Zweckgemeinschaft" so war ich nämlich wenigstens auf Turnieren nicht so alleine und die langen Autofahrten vergingen auch wie im Flug.
Als wir auf dem unglaublich großen Trainingsgelände ankamen, mussten wir erst einmal diese neuen Eindrücke auf uns wirken lassen.
Es war alles so atemberaubend groß dort.
Zuerst einmal fuhren wir eine lange Auffahrt entlang, die rechts und links von Bäumen bepflanzt war und riesige Weiden auf die neuen Pferde warteten. Die Auffahrt endete an einem riesigen Metalltor, dass sich nur öffnete, wenn ein bestimmter Knopf gedrückt wurde.
Auf dieses Gelände kam man wirklich nur mit einer Einladung, die wir zum Glück hatten.
Unseren LKW parkten wir direkt links auf dem Parkplatz und luden erst einmal unsere Pferde ab. Ein Angestellter brachte die 5 erstmal auf einen Paddock, wo sie sich kurz die Beine vertreten konnten.
Das Gelände verfügte über 200 Pferdeboxen, die auf 4 Stalltrakte aufgeteilt waren.
Die beiden großen Stalltrakte hatten jeweils 90 Boxen und verfügten jeweils über eine große Reithalle. Die Ställe lagen direkt Parallel zu einander und die beiden kleinen Stalltrakte mit jeweils 10 Boxen, fungierten als Hengstställe und waren direkt mit einer der beiden Reithallen verbunden.
Das Herrenhaus bildete sozusagen das Kopfende und lag direkt Parallel zu dem großen Metalltor.
In der Mitte des Hofes war eine eiserne Statue von einem steigendem Pferd. Es war unbeschreiblich schön.
Um diese Statue waren kleine gepflegte Hecken gepflanzt, die außerdem noch an den jeweiligen Wegrändern zu den Gebäuden standen.
Jeder Stalltrakt hatte eine eigene Sattelkammer, ein Putz- und Waschplatz, eine Futterkammer und ein Solarium. Im Generellen waren die Trakte riesig, schön luftig und licht durchflutet. Es war großartig.
Das Gelände verfügte noch über ein Dressurviereck und ein Springplatz, beides natürlich groß und gepflegt.
Hinter dem riesigen Herrenhaus waren Weiden so weit das Auge reichte.
Ja sogar ein eigenen Geländeplatz und hektarweise Privatwald direkt vor der Tür hatte der Hof zu bieten.
Wir hatten fast alle insgesamt 6 Reitstunden pro Tag, nur ich nicht. Ich hatte bis zu 8.
Mama hatte so ihre Kontakte und ganz klar eine Menge Geld spielen lassen, damit Conti und ich jeweils 2 Einzelstunden am Tag bekamen.
Mama hatte wirklich ein unmenschliches Vermögen. Sie hat wirklich nie gearbeitet, aber leisten konnten wir uns alles was wir wollten.
Ich muss aber auch sagen, dass ich zu der Zeit auch viel Geld mit nach Hause brachte. Die Instagram-Kooperationen und die saftigen Siegesprämien von den Turnieren brachten schon nicht wenig Geld ein.
Conti ist in dieser Zeit wirklich nicht gut drauf gewesen, er vermisste Allegra sehr. Ohne sie konnte er nicht. Im Endeffekt klappte das Training trotzdem den Umständen entsprechend gut.
An einem freien Nachmittag hatte ich Till die Gegend gezeigt. Wir hatten uns 2 Fahrräder vom Hof ausgeliehen und sind in die Stadt gefahren. Ich zeigte ihm viele Hotspots meiner Kindheit und er zeigte wirklich mal Interesse an mir. Ich zeigte ihm das Restaurant, indem wir früher immer waren, meine Schule, den Spielplatz, Friedas Haus und am Ende sogar unser Haus - nein, unsere Villa.
Erst nach der langen Zeit in unserem kleinen Haus an der Ostsee, ist mir bewusst geworden wie riesig unser Haus in München doch gewesen war und in was für eine vermögende Familie ich hineingeboren wurde.
Wir standen vor dem riesigen Metalltor und Till stand wie angewurzelt da und bekam den Mund nicht mehr zu.
»Da habt ihr gewohnt? Das ist euer Haus?!«, fragte er ungläubig. »Du redest doch nur Quatsch! Beweise es mir!«
Unser Metalltor bekam man nur durch 2 Möglichkeiten auf.
Durch ein Knopf, der im Haus und in Mamas und Papas Autos angebracht war und durch einen 8 stelligen Code, den man in ein Tastenfeld eingeben konnte.
Ich ging zum Tastenfeld und gab den Code ein, den Papa übrigens über die Jahre nie geändert hatte - mein Geburtsdatum.
Das Tor öffnete sich mit einem Schwung und ich trat ein.
»Das ist doch wohl ein Scherz oder? Sag mir, dass das ein Scherz ist!«, meinte Till ungläubig und bewegte sich keinen Millimeter nach vorne.
»Ach komm jetzt«, forderte ich ihn auf und packte ihm am Arm.
Er war gute 30 cm größer als ich und es sah bestimmt ziemlich komisch aus wie ich ihn die lange steinerne Auffahrt hoch zog.
Beim Haus war alles so wie früher, nur eins nicht.
Etwas entscheidendes - für mich entscheidendes.
Das Tor, es quietschte nicht mehr!
Innerlich war ich ziemlich traurig, aber ich ließ es nicht Till bemerken. Für ihn war alles total toll und perfekt dort. Diesen Anschein wollte ich bewahren. Auch wenn es vielleicht nicht immer so gewesen ist.
Als wir die etwas steile Auffahrt hochgegangen waren, sah Till das volle Ausmaß unserer Villa und des Grundstücks.
Er war überwältigt.
Ich holte den Ersatzschlüssel, der, wie damals noch, unter dem Blumenkübel links neben der Tür lag. Nicht wirklich sicher oder?
Ich drehte den Schlüssel im Schloss und öffnete die Tür.
Till bewahrte einen großen Abstand und konnte alles noch nicht so ganz wahrhaben.
»Na komm schon«, lachte ich und zog ihn ins Haus.
»Soll ich meine Schuhe ausziehen?«, fragte Till vorsichtig.
Wir hatten noch unsere Stallsachen an und es war tatsächlich ein wenig dreckig.
Wir beschlossen also unsere Schuhe auszuziehen und fingen an mit unserem Rundgang durchs Haus.
Ich zeigte ihm zuerst den Keller, mit all seinen gewissen Luxusgütern und am besten gefiel Till den Pool.
Im Erdgeschoss war meiner Meinung nach nicht viel besonderes, Till aber staunte über unsere riesigen Panoramafenster und den endlosen Blick nach draußen.
Ja selbst unsere Treppen fand Till unglaublich Luxuriös und wollte sie kaum betreten.
Im ersten Stock bekam er den Mund vor Staunen gar nicht mehr zu als er das Designerbad sah und auch Papas Schlafzimmer im zweiten Stock liebte er.
Die kleine Bibliothek und mein Zimmer wollte ich ihm erst nicht so zeigen, es waren so intime Räume und ich hatte Angst vor meinen Emotionen. Ich war zu der Zeit seit 5 Jahren nicht mehr da gewesen und ich bekam eine Gänsehaut in diesem Haus.
Ich zeigte ihm zuerst unsere Bibliothek und er war überwältigt. Mir fiel auf, dass Papa ein paar mal dort drinnen gewesen sein musste - auch wenn es bestimmt schon lange her gewesen war. Auf dem roten Sessel lag mein Lieblingsbuch und als Till es sah sagte er: »Ihr habt es auch? Das ist mein absolutes Lieblingsbuch gewesen.«
»Meins auch! Ich bin eigentlich immer ein kleiner Bücherwurm gewesen und dies hier war immer mein Lieblingsraum«, meinte ich verlegen und strich mir vorsichtig eine Strähne hinters Ohr.
Ich hatte schon immer davon geträumt, also ich meine vom reiten. Jedesmal wenn ich in diesem Buch gelesen habe, träumte ich mich so in diese Geschichte rein und wollte es so unbedingt auch haben. Nun hatte ich es.
Aber wollte ich es denn noch?
Die Antwort war ja! Definitiv ja, aber nicht so wie ich es hatte. Mehr Freiheit und weniger Druck, das wäre optimal gewesen.
Mein Zimmer war dann nochmal eine riesige Überraschung für Till. Das Zartrosa an den Wänden ließen so gut wie jedes kleine Mädchenherz höher schlagen. Ich hatte mein Zimmer nicht so groß in Erinnerung.
Das große Boxspringbett stand immer noch mit den unzähligen Kissen und der Tagesdecke genauso im Raum wie damals. Im generellen hatte sich wirklich nichts in meinem Zimmer verändert. Mein Herz klopfte wie wild. Ja sogar der alte Geruch stieg mir sofort in die Nase. Mein Badezimmer war weitaus größer als das was wir an der Ostsee hatten.
Mein begehbarer Kleiderschrank, noch gefüllt mit all den Kleidern von damals.
»Ich wusste, dass ihr viel Geld habt, aber soviel?! Und du wolltest hier weg«, witzelte Till erstaunt.
»Wollte ich nicht«, meinte ich kühl ohne weiter darauf einzugehen.
Ich bereute meine Entscheidung manchmal, aber jedesmal wenn ich Rübchens wiehern hörte, war jeder Missmut sofort verflogen. Ich war dankbar für mein Leben. Wirklich sehr dankbar.
Ich zeigte Till dann noch unseren Garten und schlug dann vor eine Runde draußen in den Pool zu gehen.
Wir hatten keine Badesachen, dies war aber auch egal.
Wir zogen unsere Reithosen und Polohemden aus und sprangen in Unterwäsche in den angenehm warmen Pool.
Ich fühlte mich kein bisschen unwohl, denn Till hatte mich schon oft in Unterwäsche gesehen. Auf Turnierwochenenden schliefen wir immer zusammen im LKW und viel Platz zum ausweichen gab es einfach nicht. Früh lernten wir dies einfach so hinzunehmen und so war es dann auch einfach - keine große Sache.
Als wir nach dem schwimmen dann zusammen auf den Liegestühlen im Garten lagen, vergaß ich für einen Moment alles um mich rum.
Es war so wie damals - damals mit 12 - und ich liebte es.
Die Sonne trocknete meinen nassen Körper und ich döste in der Wärme. Till tat es nicht.
Er fand einen angeschlossenen Gartenschlauch und fing an mich damit unerwartet nass zu spritzen.
»Boah du Blödmann!«, rief ich lachend und setzte zum Gegenangriff an.
Es folgte ein wildes hin und her und her und hin.
In einem Moment bekam er eine ordentliche Ladung Wasser ab und im nächsten war ich wieder nass.
Till wollte mich gerade in den Pool werfen und warf mich über seine Schulter, als plötzlich eine Stimme hinter uns erbost aus dem Haus heraus rief: »Was ist denn hier los!«
Till drehte sich hastig um und schaute geschockt zum Haus. Ich drehte mich mit meinem Kopf so, dass ich sah wer dort war.
»Papa!«, rief ich freudig und signalisierte Till, dass er mich runter lassen sollte.
»Es ist nicht das wonach es aussieht«, setzte ich noch schnell hinter her.
Oh man. Ausgerechnet mein Vater stand an der offenen Terrassentür und war natürlich genau in dem Moment gekommen, wo Till mich in Unterwäsche über seine Schulter warf und mein Vater den besten Blick auf meinen halbnackten hintern hatte. Na toll.
Till war sichtlich eingeschüchtert und ihm war die ganze Sache noch viel unangenehmer als mir.
»Constanze?«, sagte mein Papa ungläubig und kam mit offenen Armen auf mich zu.
»Hab ich's mir doch gedacht. Tz tz tz.
Deine Mama wartet schon auf euch. Ihr habt euer Training vergessen! Als sie anrief, bin ich sofort aus der Kanzlei raus um hier nachzusehen.«
»Oh shit. Till wir hatten heute doch noch die Springstunde!« Ich schlug meine Hand gegen meine Stirn und konnte unsere Dummheit kaum fassen.
»Aha Till heißt also dein nackter Freund hier«, meinte Papa in einem amüsierten, aber leicht strengen Ton.
»Er ist nicht mein Freund!«, protestierte ich kleinlaut und rieb beschämt mein Arm. In Papas Gesicht wollte ich gar nicht erst sehen. Ich hatte ihn lang nicht mehr getroffen und in Unterwäsche, in so einer Situation, wollte ich ihn garantiert nicht begegnen.
»Jaja ist gut, zieht euch doch erstmal was an«, bat Papa uns immer noch schmunzelnd.
Ich fand das Ganze gar nicht so lustig und Till erstrecht nicht.
Papa ging rein und Till und ich zogen uns schnell wieder an.
Unsere nassen Unterhosen hinterließen viele nasse Flecken auf unseren Reithosen und mein nasser BH drückte durch mein Shirt.
Vor meinen Vater, den ich gute 3 Jahre nicht mehr gesehen hatte, war mir dies ziemlich unangenehm.
Als wir dann zu ihm ins Haus gingen quetschte Papa den armen Till aus. Erst eine gefühlte Ewigkeit später ließ er uns endlich gehen.
Wir gingen wieder bis zum Ende der Auffahrt und schwangen uns dann auf die Fahrräder.
Till war immer noch überwältigt von unserem Grundstück und kommunizierte dies auch so.
»Alter Schwede Conni! Ich dachte meine Familie hätte viel Geld und unser Haus wäre groß, aber dies?! Dies ist unbeschreiblich! Warum hast du nie was erzählt?!«
»Ich wollte nicht mehr auf das Reichtum meiner Eltern reduziert werden«, meinte ich schulterzuckend.
Wir fuhren nicht allzu schnell, das Training hatten wir sowieso verpasst und scharf auf den Ärger, den wir garantiert bekamen, waren wir auch nicht.
»Conni, mit solchen Sachen kannst du Leute wie Franzi sowas von neidisch machen! Ich meine sie ist ja jetzt schon neidisch auf alles was du hast, aber sie könnte nichts mehr gegen dich sagen!«
»Vielleicht wollte ich genau dies nicht?! Mein ganzes Leben lang kannte man meinen Vater und ich hatte mich zu benehmen und an meinen Status anzupassen. Man mochte mich nur, weil ich habe was ich nun mal habe. Ich weiß was ich habe und ich weiß, dass ich Alleinerbin von dem Ganzen bin, aber ihr wusstet es nicht. Keiner von euch.«
»Nicht einmal Nick oder Theo?«, fragte Till ungläubig.
»Nein, nicht mal die! Sie wissen, dass wir viel Geld haben, ich meine wer weiß dies denn auch nicht im Dorf? Aber sie wissen garantiert keine Zahlen und kein Ausmaß. Und ehrlich gesagt Till bitte ich dich nur um eins, bitte erzähle keinen von dem. Bitte tu es für mich«, sagte ich ja schon ein bisschen flehend. Ich wollte einfach keine Freunde haben nur, weil ich so stinkend reich war, dass es noch bis zum anderen Ende der Welt stank.
»Aber du hast so viel mehr als alle anderen von uns! Du könntest gefühlt das ganze Dorf aufkaufen und hättest immer noch genug Geld um dein ganzes Leben in Saus und Braus zu leben. Du bist...«
Ich unterbrach ihn.
»Was? Reich? Super reich? Stink reich? Vermögend? Ich weiß!«
»Ich wollte eigentlich ein Glückspilz sagen«, meinte er ein wenig irritiert und schaute mich an.
»Ist das so?«, meinte ich ein wenig zurückhaltend und musste direkt an alle traurigen Erinnerungen denken, die ich mit diesem Ort verknüpfte.
»Oh ja! Du hast alles was man zum Leben braucht und egal was dein Vater arbeitet, ich will auch!«, meinte er mit funkelnden Augen.
»Anwalt...«, murmelte ich.
»Was hast du gesagt?«
»ANWALT! Verdammt nochmal er ist ein ANWALT. Soll ich es dir etwa noch buchstabieren oder was?!«, meinte ich auf einmal ziemlich zickig.
»Conni was ist denn jetzt mit dir los? Ich hab doch nur gefragt«, meinte er verständnisvoll.
»Es tut mir leid, es war nicht so gemeint«, entschuldigte ich mich.
»Schon okay, aber du weißt, dass du mir ruhig alles erzählen kannst wenn du willst.«
Er klang so freundlich und ich nahm sein Angebot dankend an, erzählte aber nichts.
Ich kannte das Prinzip, irgendwann fällt dir jeder in den Rücken. Einmal, als Frieda sowas zu mir meinte, erzählte ich ihr etwas und schwups beim nächsten Streit verwendete sie dies gegen mich. Es war scheiße! Dies wollte ich unter keinen Umständen erneut erleben, also blieb alles mein Geheimnis.
Den Rest des Weges schwiegen wir und ich bereitete mich schonmal auf den Ärger meines Lebens vor - den wir dann auch tatsächlich erhalten hatte.
Till und ich wurden von den Trainern und von meiner Mutter zurecht gewiesen und bekamen 2 extra Stunden aufgedonnert. Als hätten wir nicht schon genug zu tun gehabt.
Am letzten Tag hatten wir ein kleines Abschlussturnier, zu dem überraschenderweise auch mein Papa erschien. Mama und er unterhielten sich viel und ich fühlte mich wieder so wie früher.
Mochte ich dieses Gefühl?
Ich war mir nicht sicher.
Einerseits vermisste ich solche Momente.
Andererseits wusste ich was ich alles nicht gehabt hätte, wenn es damals nicht so gekommen wäre wie es kam.
Ich hatte Angst dies wieder zu verlieren.
Auf dem Turnier wurde ich 2.Platz.
Till konnte ich an diesem Tag nicht das Wasser reichen. Ich war irgendwie aufgebracht und Conti noch schlechter drauf als die letzten Tage. Er vermisste Allegra viel zu sehr und spürte meine Unruhe.
Auf dem letzten Platz war - wer hätte es anders gedacht - Rosalie, die sich nicht einmal Mühe gab nicht vom Pferd zu fallen.
Armes Mädchen, wurde dann auch noch vor versammelter Mannschaft von ihrem Vater, dem Co-Trainer, und ihrer Mutter angeschrien.
Sie rannte weinend davon und ein Hofangestellter kümmerte sich schlussendlich um ihre Pferde.
Zur Abschlussparty tauchte sie auch nicht auf, dafür aber mein Vater. Er turtelte immer wieder mit Mama rum und mir gefiel es einfach nicht! Ich hatte wirklich Angst.
Till lenkte mich aber gut ab und wir machten uns den letzten Abend doch noch ganz schön.
Wir feierten ausgelassen und ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass ich am nächsten Morgen nicht verkatert im Jungszimmer aufwachte.
Es war eine ordentlich durchzechte Nacht und unsere Alkohlfahnen roch man noch zehn Meter gegen den Wind. Bevor wir alle abfuhren gab es dann aber noch ein gemeinsames Training.
Wir alle ritten schlampig und ich könnte schwören, dass der eine noch besoffen war.
Unsere Trainer hätten uns am liebsten von den Pferden gerissen und unsere Eltern uns enterbt.
Es war uns aber egal, es war uns zum ersten Mal so scheiß egal. Wir taten das erste Mal unser Ding und nicht das was unsere Eltern für uns bestimmt hatten!
Die Rückfahrt verbrachte ich mit einem mächtigen Kater neben Till im LKW und lehnte meinen dröhnenden Kopf gegen seine Schulter.
Mama meinte, dass ich selbst Schuld hatte und deshalb keine Schmerztablette bekam.
Sie hatte Recht, es war mir aber egal! Es war mir alles egal.
Schlussendlich schliefen Till und ich auf der Fahrt ein und wachten erst in unseren Betten am nächsten Tag wieder auf...
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