Anfänger und alte Hasen
Nachdem ich gebadet hatte, erzählte ich Mama die ganze Geschichte nochmal.
Ich erzählte ihr von dem Abhang, Nicks und Theos Rettungsversuch und von den Pferden. Dass es Nicks Schuld war, dass Daisy weggelaufen war, verschwieg ich lieber, denn ich wollte nicht, dass er Probleme bekam.
Mittlerweile war es 17 Uhr geworden und da ich das letzte Mal zum Frühstück was gegessen hatte, hatte ich dementsprechend einen großen Hunger.
Ich ging in die Küche und nahm mir ein Brötchen, was vom Frühstück übrig geblieben war und belegte es mit Käse.
Durch das Küchenfenster sah ich eine etwas mollige Frau mit schulterlangen braunen Haaren vor unserer Tür stehen.
Bevor sie sich bemerkbar machen konnte, sprintete ich schon zur Tür und öffnete sie.
»Hallo«, sagte die Frau freundlich. »Ist deine Mama da?«
»Ähm ja?«, sagte ich ein wenig fragend.
»Mama kommst du mal runter, hier ist jemand der nach dir fragt!«, rief ich Mama zu, die gerade sich im Bad etwas frisch machte.
Sie machte sich gerade einen Ohrring zu, während sie die Treppe hinunter kam.
»Claudia?«, fragte Mama ungläubig während sie mit offenen Armen auf die Frau zu ging um sie zu umarmen.
»Tilly! Also stimmt es doch was Rosa im Dorf erzählt. Mathilde Steiner ist wieder zurück«, sagte die Frau, die Claudia zu heißen schien, während sie und Mama sich ausgiebig umarmten.
»Fiedler«, sagte Mama schmunzelnd während sie die Umarmung löste.
»Ach Quatsch, nein, du hast echt geheiratet? Also von dir hätte ich das ja am wenigsten erwartet. Du warst doch sonst immer so auf Freiheit und Schleifen sammeln aus«, erwiderte Claudia mit einem ungläubigen lachen.
Schleifen sammeln? Was bedeutete das? Ich hätte echt gerne gewusst was Claudia damit gemeint hatte, aber ich fragte nicht weiter nach, denn im selben Augenblick sah ich Nick auf unser Haus zugehen.
»Hey Conni, Theo und ich treffen uns mit ein paar anderen auf dem Spielplatz. Willst du mit kommen?«, rief er mir zu.
Ich schaute Mama fragend an und wartete auf eine Antwort.
Sie nickte mir einfach zu und ich rannte raus zu Nick.
Da Mama und Claudia immer noch vor unserer Tür standen fragte Mama: »Wollen wir nicht rein gehen und ein wenig quatschen?«
»Auf jeden Fall. Ich möchte jetzt hören wie es dazu kommen konnte, dass du geheiratet hast«, erwiderte Claudia lachend.
»Geh du schon Mal ins Wohnzimmer, ich koche uns rasch einen Tee«, meinte Mama während sie in die Küche ging.
Claudia wusste ganz genau wo das Wohnzimmer war und setzte sich auf das Sofa.
»Hier sieht es ja noch genauso aus wie vor 15 Jahren«, rief Claudia erstaunt.
»Ich war ja auch kein einziges Mal hier gewesen. Warst du in den letzten Jahren hier?«, rief Mama fragend zurück während sie das heiße Wasser in die Tassen kippte.
»Nein nein, Bienchen und ihre Kinder waren die Einzigen die hier waren und zwar tagtäglich. Wir anderen wollten ihr helfen, aber sie hat den Schlüssel nicht rausgerückt, den hat sie gehütet wie ihren Augapfel.«
»Kinder?«, fragte Mama während sie mit den heißen Tassen ins Wohnzimmer kam.
»Ja sie hat zwei. Einmal den Nick, den du aber bestimmt schon kennen gelernt hast. Er ist 12 und ein wahrer Goldschatz, hilft der Sabine immer steht's fleißig auf dem Hof und macht mit seinem Pony Möhrchen das Dorf unsicher.«
»Ja, den hab ich vorhin schon kennengelernt. Conni ist einen Abhang runter gefallen und Nick und, ich glaube sein Kumpel Theo, haben sie da Gott sei Dank wieder raus gezogen.«
»Ne ne, nicht sein Kumpel, seine Große Schwester«, meinte Claudia korrigierend.
»Wie seine große Schwester?«, fragte Mama ungläubig. »Wie alt ist sie denn, 13, 14?«
»Nein nein, sie ist 15, sogar fast 16 Jahre alt...«
»Ich verstehe nicht, vor 16 Jahren waren Sabine und ich fast 17 und sie war garantiert nicht schwanger, das kommt doch nicht hin«, fiel Mama ihr verwirrt ins Wort.
»Ach Tilly jetzt lass mich doch Mal ausreden«, sagte Claudia schmunzelnd und fuhr fort. »Die Theo, ganz armes Ding, ihre Mama starb als sie eins war und ihr Papa war mit ihr alleine überfordert. Kurz vor Theos zweitem Geburtstag, da war Sabine gerade 19 geworden, lernten Sabine und ihr Papa sich kennen - rein freundschaftlich. Wie wir Sabine kennen, hat sie sofort ihre Hilfe angeboten. Das war kurz nachdem Cosima den schweren Unfall hatte.«
»Ja davon habe ich gehört, die arme Sabine«, sagte Mama betroffen.
»Ja ja, das war eine ganz schwere Zeit für das Dorf. Jeder wollte ihr helfen, denn sie war doch erst 19, aber sie ließ sich nicht helfen, sie machte ihr eigenes Ding.«
»Typisch Sabine«, erwiderte Mama und trank einem großen Schluck Tee.
»Auf jeden Fall«, fuhr Claudia fort, »hat Sabine den jungen Mann und seine Tochter aufgegabelt und ihnen angeboten zu ihr auf den Hof zu ziehen. Das taten sie dann auch und Sabine kümmerte sich ab dann um Hof, Kind, Haushalt, Reitunterricht und ihre Freunde. Ich weiß nicht wie, aber sie hat alles unter einen Hut bekommen. Als sie dann 20 war, waren wir alle auf einer Party in der Nachbarstadt und irgendwie hat Sabine dort einen Typen kennen gelernt. Wie das Schicksal so will, wurde sie schwanger und der Typ zog nach Neuseeland und wollte nichts von Nick wissen.«
»Krass, und jetzt hilft Theos Vater Sabine?«, fragte Mama gespannt.
»Nein der starb noch vor Nicks Geburt an einem unentdeckten Tumor«, sagte Claudia ruhig.
»Uff das muss ich jetzt erstmal verdauen«, sagte Mama geschockt. »Also damit ich das richtig verstehe, Theo hatte schon mit 3 Jahren beide Eltern verloren und Sabine kümmerte sich ganz alleine um alles und dann noch die beiden Kinder.«
»Ja du verstehst genau richtig, mit 22 Jahren adoptierte Sabine die kleine Theodora, wie sie eigentlich heißt, und ein Jahr zuvor wurde Nick geboren. Die Adoption von Theo war ein bisschen schwierig wegen Bienchens Umständen, aber die Tatsache, dass Sabine sich schon seitdem sie 19 war um die kleine Theo gekümmert hatte, brachte ihr einen großen Pluspunkt. Sabine und ihr Papa waren zwar nie zusammen gewesen, aber Sabine wurde wie ihre zweite Mama und das sah auch das Jugendamt so und ließ Sabine die kleine adoptieren. Theo ist ein unglaublich liebes Mädchen, immer dankbar und hilft wo sie kann. Außerdem ist sie eine unglaublich tolle große Schwester.«
»Uff«, Mama schnaubte einmal durch. »Also das finde ich ganz schön mutig von ihr. Ich meine wenn ich mich ansehe, ich habe zwar auch mit 21 ein Kind bekommen, aber hatte eigentlich keine wirklich große Arbeit.
Conni war ein friedliches Baby, ihr Papa hat das Geld verdient, ich konnte den ganzen Tag Zuhause sein oder mit Freunden etwas unternehmen und die Großeltern waren auch nicht weit.«
»Gut dass du das ansprichst, wie war das denn jetzt mit deiner Hochzeit und dem ganzen Drum und Dran?«, fragte Claudia amüsiert.
»Also es fing eigentlich ganz einfach an, ich bin von hier einfach in den nächsten Zug gestiegen - mir war egal wo er hinfuhr. Ich musste einfach hier weg.«
»Stimmt du bist ja noch in der Nacht verschwunden, wo die Polizei bei dir vor der Tür stand und dir beibrachte, dass deine Eltern bei einem schweren Autounfall ums Leben kamen. Dein Auto war ja am Bahnhof gefunden worden. Das gibt es übrigens immer noch, Sabine hatte es damals zu sich genommen und jetzt steht es bei ihr auf dem Hof, seitdem wurde es kein Millimeter mehr bewegt«, sagte Claudia ergänzend.
»Was Sabine hat immer noch meine alte Kiste?«, fragte Mama erfreut.
»Auf jeden Fall. Es gab nur eine Sache die dir wichtiger war als dein Auto und das war dein Pferd. Auch wenn du mit 17 eigentlich noch gar nicht befugt warst alleine zu fahren«, schmunzelte Claudia.
»Ja...«, meinte Mama traurig. »Aber auf jeden Fall war die Endstation München, dort stieg ich dann so gegen 10 Uhr morgens aus und wusste erstmal nicht wohin. Ich war überfordert und aufgeschmissen, so ganz alleine in der Großstadt, gerade meine Eltern verloren. Ich holte mir erstmal einen Kaffee bei einem Bäcker und setzte mich auf eine Bank im Bahnhof. Ich holte dann mein Handy raus und schaltete es an. Zwanzig verpasste Anrufe von Sabine - unzählige Textnachrichten von ihr. Unzählige Anrufe von Rosa, Cosima und Mathias, dir und gefühlt allen anderen aus dem Dorf«, fuhr Mama ablenkend fort.
»Ja stimmt, die Nachricht, dass deine Eltern verunfallt waren verbreitete sich im Dorf wie ein Feuer. Es wusste sofort jeder und als du dann auch nicht Zuhause warst, hatten wir uns alle große Sorgen gemacht. Wir dachten mit dir wäre sonst was passiert.«
»Ich weiß, ich hab die Nachrichten alle gelesen und du weißt, ich war absolut kein emotionaler Mensch, aber da habe ich ganz dolle angefangen zu weinen. Mitten im Bahnhof. Es interessierte eigentlich so gut wie gar keinen, außer einem jungen, gut aussehenden Mann. Er hatte mich gefragt ob alles in Ordnung sei und ich hab einfach »ja« gesagt, weil ich ihn nicht mit meinen Problemen belästigen wollte.«
»Okay und was hast du dann gemacht? Hast du etwa draußen geschlafen?«, fragte Claudia schockiert und angespannt zugleich.
»Nein nein keine Panik, der Mann hatte mir nicht so wirklich geglaubt. Er ging zwar weg, kam aber nach einer kurzen Zeit wieder und setzte sich mit einer Tafel Schokolade, die er mir gekauft hatte, neben mich. Zuerst dachte er nämlich, dass ich mich von meinem Freund getrennt hätte und Nervennahrung bräuchte.«
»Naw, wie süß ist das denn bitte? Sag mir nicht du hast den Typen weggeschickt«, sagte Claudia schmunzelnd.
»Ganz und gar nicht, ich lachte vor Freude, machte die Schokolade auf und aß erstmal ein Stück. Ich hatte mich zwar nicht von meinem Freund getrennt, aber er hatte recht, ich brauchte Nervennahrung«, schmunzelte Mama und fuhr fort. »Er sagte dann, dass er Julius hieß und fragte mich was ein so hübsches Mädchen wie ich, weinend am Bahnhof macht. Außerdem gab er mir ein Taschentuch und wischte mir meine Tränchen weg.« Mama trank kurz einen Schluck Tee und hielt dann ganz kurz inne.
Claudia sagte ganz ungeduldig: »Tilly! Spann mich nicht so auf die Folter, wie geht es weiter?«
Mama lachte und fuhr fort: »Also zuerst wollte ich ihn gar nicht so belästigen und meinte zu ihm, dass er schon lieb genug war und bestimmt irgendwo hin müsste. Er hatte halt einen Anzug an und war generell so gekleidet als hätte er einen wichtigen Termin. Er meinte zu mir, dass er eigentlich vor Gericht erwartet wird.«
»Was?! Vor Gericht?«, fragte Claudia schockiert. »Sag mir nicht du hast dir so einen "bösen Jungen" als Vater deiner Tochter geangelt.«
»Genauso habe ich am Anfang auch reagiert«, sagte Mama lachend. »Schnell stellte sich aber raus, dass er Anwalt war. Er rief einfach seinen Vater an und der tauchte dann vor Gericht für ihn auf.«
»Glück gehabt, sonst hättest du dir aber was von Rosa anhören müssen«, sagte Claudia erleichtert und lachend zugleich.
»Ja«, lachte Mama. »Die Dorfmutti Rosa hat immer aufgepasst, dass wir ja artig waren, meistens zumindest.«
»Sie hat es mit am meisten getroffen, dass du weggegangen bist ohne was zusagen. Aber nichts ging über Sabine, ihr hast du am meisten weh getan«, sagte Claudia traurig und nahm Mamas Hand.
Mama schaute Claudia traurig an, die aufmunternd zurück schaute.
»Nichts desto trotz möchte ich schon gerne wissen wie es weiter geht, also Tilly fahre fort«, fügte sie aufmunternd hinzu.
Mama grinste und erzählte weiter: »Er fragte mich ob ich weiß wo ich hin gehörte, geschweige denn ob ich überhaupt irgendwo wohne oder weningstens schlafen konnte.
Ich hab ihn nicht angelogen, weil ganz ehrlich ich war einfach am Ende. Er machte mir ein Angebot was ich nicht abschlagen konnte, er nahm mich so wie ich war, ohne Hintergrundwissen über mich, zu sich nach Hause. Ich musste ihn halt nur ein wenig Vertrauen schenken.«
»Also ein bisschen gruselig ist dieses Angebot ja schon. Hattest du keine Angst?«
»Ehrlich gesagt eigentlich nicht, er hat mir Mut gemacht und das war absolut alles ohne Druck und ich bin wirklich freiwillig mit ihm gekommen. Also wenn ich heute darüber nachdenke wird mir schon ganz anders, weil es war ja schon ziemlich leicht sinnig und dumm von mir. Es hätte ja sonst was passieren können.«
»Genau das war mein erster Gedanke. Aber es ist alles gut gegangen oder?« hakte Claudia interessiert nach.
»Auf jeden Fall, ich hätte echt auf niemandem besseren treffen können. Ich stieg in sein Auto ein und durfte die Musik auswählen, durfte auswählen wo hin wir fuhren, er erklärte mir zu jedem wichtigem Gebäude alles was man wissen musste und fuhr sehr vorbildlich. Wir fuhren in so ein Schickimicki Viertel und dort eine super lange Auffahrt hoch. Und dann hab ich das "Haus" zum ersten Mal gesehen. Es war eine riesige Villa mit riesigem Grundstück. Aber ehrlich gesagt hätte ich mir das ja denken können, denn sein Auto war auch nicht gerade billig gewesen. Er wollte mir erst einmal alles zeigen, aber ich wollte mich erstmal ein wenig frisch machen und eine Stunde schlafen, denn ich war die ganze Nacht mit dem Zug gefahren und fertig mit der Welt.«
»Verständlich, ich meine du hattest gerade erst deine Eltern verloren«, sagte Claudia und trank ihren Tee.
»Da ich absolut kein Gepäck dabei hatte, fragte ich ihn ob er eine Ersatzzahnbürste hätte und vielleicht was neues zum anziehen für mich. Er ging mit mir dann ins zweite Stockwerk und dort standen wir in seinem Schlafzimmer. Eigentlich bestand ich darauf mich aufs Sofa zulegen, aber er ließ das auf gar keinen Fall zu. Er hatte mir ein T-Shirt von ihm gegeben und eine Zahnbürste. Er ließ mich alleine und ich ging dann rasch duschen und schlafen.«
»Uh, kam er noch mit dir ins Bett?« fragte Claudia amüsiert.
»Nein, er ließ mich einfach schlafen. Und ich schlief verdammt gut, sein Bett war traumhaft groß und weich. Ich hab geschlafen wie eine Prinzessin. Eigentlich wollte ich nur eine Stunde schlafen, aber aus einer Stunde wurden dann acht«, lachte Mama. »Als ich aufgewacht war, war es schon dunkel draußen und neben meinem Bett war Pizza und ein kleinen Brief wo stand:
Ich wusste nicht was du so gerne isst, also hab ich Pizza gebacken. Jeder mag doch Pizza oder?
Ich hatte mich richtig gefreut, weil dass das Erste war, was ich an dem Tag aß, bis auf die Schokolade natürlich. Als ich fertig war zog ich mir meine Hose wieder an und ging die Treppe runter. Er war im Wohnzimmer und hatte Fernsehen geschaut.
Ich hab mich bedankt und wollte eigentlich wieder gehen, weil ich fand, dass er schon genug für mich getan hatte...«
»Und wo bitteschön wolltest du hin?«, unterbrach Claudia.
»Ich weiß es nicht, aber ich wollte keine Last sein. Er bestand aber darauf, dass ich so lange bleibe bis ich was eigenes gefunden hatte. Ich war ziemlich dankbar für dieses Angebot und stimmte zu, aber nur unter einer Bedingung. Ich mach ab dann den Haushalt und den riesigen Garten. Er hat nur gelacht und mir erklärt, dass er eine Putzfrau und einen Gärtner hat.«
»Eigentlich war das ja auch logisch gewesen, ich meine welcher Mann kann denn bitte so ein Haus und Garten pflegen«, lachte Claudia.
Mama erzählte lachend weiter und meinte: »Ich war zwar ein wenig beschämt aber nahm es so hin. Er meinte, dass es keine Bedingung gibt, es reicht schon wenn ich da bin und ihm ein wenig Gesellschaft leiste. Ich habe einfach zu gestimmt und wir kamen ins Gespräch. Er zeigte mir das Haus, was riesig war - ich meine wirklich riesig. Claudia, ich glaube du kannst dir gar nicht vorstellen welche Dimension das annahm«, schwärmte Mama.
»Ne Tilly das kann ich wirklich nicht, aber ich werde hier so ein wenig neidisch«, lachte sie.
»Stell dir mal vor, wir hatten ein Pool im Keller und einen im Garten und eine Sauna, viele Bäder eine Bibliothek, zu der Zeit drei Gästezimmer, das eine wurde dann hinterher zum Kinderzimmer und vieles mehr«
»Das hört sich ja super luxuriös an, sicher, dass du wieder hier wohnen willst«, witzelte Claudia.
»Ach Claudia, es war echt schwierig dort weg zu gehen. Ich hatte dort alles, ein großes Haus, viele Freunde, einen liebenden Mann und, und, und. Aber nicht alles war dann immer so harmonisch wie am Anfang. Julius und ich hatten uns unglaublich gut verstanden. Er war ein echter Gentleman und auch seine Familie und Freunde waren super lieb zu mir. Julius und ich hatten richtig viele Gemeinsamkeiten und wir haben eine lange Zeit echt gut gelebt..«
»Das hört sich doch wunderbar an und was war das Problem?«, fragte Claudia.
»Ja das war es auch, es war wirklich ein Traum, aber dann kam alles anders«, Mama trank wieder ein Schluck Tee und erklärte dann: »Mit 20 habe ich geheiratet und mit 21 kam dann Conni. Soweit so gut, es lief alles wirklich super bis Conni ungefähr 10 Jahre alt war. In dem Jahr hatte Julius' Vater einen Herzinfarkt erlitten und Julius hatte die Anwaltskanzlei übernommen. Ab dann arbeitete er nur noch und wir bekamen ihn kaum noch zu sehen. Vor ein paar Wochen eskalierte es dann. Er hatte die Aufgabe auf Conni aufzupassen, nichts weiter, aber er ging zur Arbeit und Conni fiel die Treppe runter. Sie hatte zwar "nur" eine schwere Gehirnerschütterung, aber es hätte ja sonst was passieren können. Und jetzt sind wir hier.«
»Das tut mir leid für dich und Conni, aber auch für ihn. Das muss hart sein, für euch alle«, meinte Claudia einfühlsam.
»Ja das ist es«, meinte Mama ein wenig traurig, wechselte dann aber schnell das Thema. »Genug von mir geredet, wie sieht's bei dir und den anderen aus? Sind sie noch hier? Haben sie Kinder oder geheiratet?«
Claudia schmunzelte: »Also ich bin immernoch solo unterwegs, wie du weißt war ich noch nie so begehrt bei den Jungs. Zwar immer Mal paar Bekanntschaften, aber nichts langanhaltendes. Bienchen hat nie geheiratet, wie ich ja schon erwähnt hatte, aber sonst sind sie fast alle ins Familienbusiness eingestiegen. Johannes, Martina, David und Magdalena sind mit mir und Bienchen die Einzigen, die nicht verheiratet sind oder nicht anstreben in nächster Zeit zu heiraten.«
Mama ging in die Küche und holte Kuchen, den sie im Dorfladen gekauft hatte.
»Ach Krass, die anderen sind alle verlobt oder verheiratet?«, fragte Mama ein wenig ungläubig während sie sich wieder setzte und den Kuchen auf den Tisch stellte.
Claudia nahm sich ein großes Stück und fing an zu reden: »Ja, dieses Dorf ist echt noch ein bisschen spießig was das Ganze angeht, hier wollen irgendwie alle Heiraten und Familie, und das so schnell wie möglich«, Claudia biss von ihrem Kuchen ab und redete mit vollem Mund weiter. »Also die Elli und der Timo sind immer noch zusammen und die heiraten jetzt Anfang September.«
»Nein nicht im Ernst«, lachte Mama ungläubig. »Also wer hätte geglaubt, dass das zwischen den Beiden so lange hält, ich meine die sind doch schon seit der 8. Klasse zusammen.«
»Oh ja und immernoch verliebt wie am ersten Tag, schon ein bisschen gruselig die beiden, aber auch mega süß«, meinte Claudia schmunzelnd und biss erneut ein großes Stück Kuchen ab. »Ich schicke Mal die anderen vorbei, dann könnt ihr auch Mal wieder Plaudern, wenn es für dich okay ist.«
»Aber natürlich ist es okay, meine Tür ist immer offen und sie wissen ja wo ich wohne«.
Mama war glücklich über das Gespräch mit Claudia und freute sich die anderen Mal wieder zu sehen.
Claudia schaute auf die Uhr und meinte dann: »Du sei mir nicht böse, aber ich muss noch zu meinen Eltern.«
»Ich muss sowieso noch mit Daisy raus und dann wollte ich am Spielplatz Mal nach Conni schauen«, meinte Mama verständnisvoll.
»Ach das passt ja, dann gehen wir ja sowieso in die selbe Richtung, dann können wir auch zusammen gehen.«
»Ja sehr gerne, ich hole nur Mal eben rasch die Leine und dann können wir auch schon los.«
Mama leinte Daisy an und sie verließen zusammen das Haus.
»Wie sieht es denn jetzt mit dir und Arbeit aus?«, fragte Claudia interessiert.
»Ich weiß nicht, also eigentlich hab ich nie wirklich gearbeitet, musste ich ja auch nicht. Julius überweißt mir monatlich eine ordentliche Summe Geld, mit der es sich gut leben lässt - ihn liegt halt doch irgendwie was an uns. Eigentlich bin ich auch davon nicht abhängig, denn ich hab ja noch das ganze Erbe meiner Eltern. Da ich es finanziell nie gebraucht habe, ist es alles noch auf dem Konto. Aber ich denke ich suche mir einfach was kleines zum arbeiten damit ich einfach was zutun habe. Und wie sieht es bei dir so aus?«
»Also das ist ja ein Luxus, aber wenig Geld hattet ihr ja nie. Ich mein mit den Fohlen die ihr gezüchtet habt, hat sich ja auch ordentlich was verdient. Aber bei mir sieht's auch nicht so schlecht aus, ich hab ein kleinen Blumenladen und es läuft gut«, meinte Claudia und strahlte über beide Ohren.
»Das ist schön zuhören, du wolltest ja schon seit der Grundschule Floristen werden und dass sich das so erfüllt hat ist wunderbar. Ich freu mich richtig für dich«, sagte Mama und freute sich wirklich aus ganzem Herzen für sie.
»Ich hab mir echt mein Lebenstraum erfüllt, aber eigentlich wie fast jeder von uns. Jeder macht eigentlich das was ihm spaß macht. Nur dein Traum von Olympiareiterin hat sich nicht so ganz erfüllt«, witzelte Claudia.
»Ja, aber das ist sowieso schon längst nicht mehr mein Ding«, meinte Mama ziemlich traurig.
»Was? Wieso das denn? Reitest du etwa nicht mehr? Du warst doch so gut, die ganzen Schleifen und Turniere die du gew...«
»Ich reite einfach nicht mehr, es ist kein Teil meines Lebens mehr. Es hat mir einfach kein Spaß mehr gemacht, okay?!!«, fiel Mama Claudia laut ins Wort.
»Aber du hast es doch immer so geli...«
Mama ließ sie erneut nicht ausreden und meinte traurig: »Bitte Claudi, lass gut sein.«
»Tut mir leid«, meinte Claudia ziemlich irritiert.
»Schon gut, ist okay«, sagte Mama und schaute traurig zu Boden.
Den Rest des Weges sagten sie nichts mehr und es herrschte eine unangenehme Stille. Aber als Mama am Spielplatz ankam war die Traurigkeit von eben, wie weggeblasen.
»Alles in Ordnung?«, rief Mama fragend zu mir rüber.
»Jup, alles in bester Ordnung«, rief ich zurück.
Mama rief, dass ich bald nach Hause kommen sollte und ging weiter mit Daisy.
Nick und ich spielten zusammen mit Theo und ein paar anderen Kindern verschiedene Spiele wie Verstecken oder Fußball.
Ich hab viele neue Kinder kennengelernt und hatte einen riesigen Spaß.
Ich habe Theos beste Freundin Esther kennengelernt.
Theo und Esther waren sich unglaublich ähnlich, sie waren beide nett, laut, aufgeweckt, selbstsicher und irgendwie hatte jeder die beiden gerne. Das konnte ich vollkommen verstehen, denn sie waren echt toll zusammen.
Außerdem waren die beiden auch noch verdammt hübsch. Wie Theo aussah, habe ich ja bereits erklärt, und Esther hatte wirklich hübsche rothaarige Locken und wunderschöne grüne Augen, ihr Gesicht war voller Sommersprossen und ihre Haut war ziemlich Blass. Außerdem war sie ein bisschen größer als Theo.
Esther war nicht die einzige die ich kennengelernt habe, sie hatte noch eine kleine Schwester die so alt war wie Nick und ich. Sie hieß Eske und sah so ähnlich wie Esther aus, sie hatte rote schulterlange wellige Haare und ebenfalls grüne Augen. Auch sie war ziemlich Blass und hatte Sommersprossen, längst nicht so viele wie Esther aber sie waren dennoch nicht zu übersehen.
Im Gegensatz zu Esther war Eske relativ klein und schmal.
Die beiden hatten mit Pferden nicht wirklich viel am Hut, sie haben beide Ballet getanzt, so wie ihre Mutter, und das nicht gerade schlecht.
Dazu lernte ich noch Jule, Maria, Emil, Paul, Tommy, Mira, Moritz, Fabi, Elisa, Thore, Marlene und Niklas kennen.
Jule, Maria und Moritz waren so alt wie ich.
Jule war strohblond, blauäugig, mindestens ein Kopf größer als ich und dünn. Sie war ziemlich verrückt, frech, mutig und laut.
Sobald jemand unfair gegenüber ihr oder ihren Freunden war, hat sie ganz klar ihre Meinung gesagt. Sie ließ sich von keinen ärgern, nicht einmal von den älteren. Das fand ich richtig toll und bewunderte sie für ihre mutige Art wirklich sehr.
Maria hingegen war ziemlich schüchtern. Sie war eine Einserschülerin, konnte Klavier spielen und konnte richtig gut malen.
Sie war ein richtiger Streber, aber auch sie war richtig nett. Eigentlich war sie ziemlich hübsch, aber ihre schüchterne, unsichere Art ließ das gar nicht so zum Vorschein kommen.
Sie hatte lange dunkel braune Haare und braune Augen und sie hatte eine pinke Brille, außerdem war auch sie relativ klein und schmal. Sie konnte spanisch sprechen und sah generell eher südländisch aus.
Moritz war auch blond und hatte blaue Augen, seine Haare waren ein wenig struppelig und seine vorderen Schneidezähne standen ziemlich weit auseinander.
Moriz war halt ein Junge, er hat gerne Fußball gespielt und uns Mädels geärgert. Außerdem war er Emils kleiner Bruder.
Theo sagte immer wir sollten uns nichts aus Moritz ärgereien machen, sobald wir älter werden, würden wir solche Jungs toll finden und gerne was mit denen machen.
Aber das glaubte ich zu diesem Zeitpunkt nicht. Wir Mädels waren der festen überzeugung das Jungs immer blöd sein werden.
Nick und Moritz spielten öfters Mal zusammen, aber beste Freunde waren sie nicht. Moritz' bester Freund war Till, aber der war mit seiner Familie im Schwarzwald und machte Urlaub.
Eske, Maria und Jule waren ziemlich beste Freunde sie machten viel zusammen, aber ehrlich gesagt haben sie mich schnell in ihre Gruppe eingeschlossen und ich habe mich zu keiner Zeit so gefühlt als würde ich mich irgendwo dazwischen drängen.
Paul, Tommy und Marlene waren Kleinkinder.
Tommy war der Bruder von Emil und Moritz, Paul war Fabis Bruder und Marlene war die Cousine von Maria und Mira.
Paul war ein kleiner, dicker, fünf jähriger, braunhaariger Junge der gerne im Sand spielte und gut darin war sich selbst zu beschäftigen.
Marlene sah Mira sehr ähnlich, quasi Mira in Mini. Sie war zwar eine kleine Zicke, aber trotzdem nicht bösartig.
Tommy war ein kleiner Charmeur, einfach ein putziger kleiner Mann.
Emil, Fabi, Mira, Niklas, Elisa und Thore waren Freunde von Theo.
Niklas und Elisa waren ein Pärchen. Das fand Thore nicht ganz so toll, denn Elisa war seine Zwillingsschwester und Niklas sein bester Freund.
Obwohl Thore es nicht ganz so toll fand, litt weder die Freundschaft zwischen ihn und Niklas darunter, noch war es irgendwie komisch zwischen Elisa und ihn. Auch die Clique hatte absolut keine Probleme damit, aber das war nur so weil Elisa und Niklas zwar wirklich süß zusammen waren, aber auch sehr entspannt und nicht nur auf sich fixiert waren. Sie haben darauf geachtet, dass ihre knutschereien im Rahmen blieben und es keinen zu viel wurde.
Zwischen Esther und Fabi lief auch irgendwas, aber so richtig Beziehung war das nicht. Nick erklärte mir, dass es schwierig zwischen den beiden war, sie waren schon gefühlt immer ineinander verliebt, aber sie waren noch nie offiziell zusammen. Irgendwas ist halt irgendwie immer gewesen.
Mira war Marias große Schwester. Man würde es nicht denken, wenn man es nicht wüsste.
Sie waren zwar beide brünett und hatten eine Brille, aber Mira war vom Hauttyp viel heller und vom Wesen her waren sie auch komplett unterschiedlich.
Mira wusste,!dass sie hübsch war und war in keinster Weise schüchtern.
Emil war so der "coolste" die anderen Jungs orientierten sich an ihn. Die andern waren zwar auch nicht hässlich, aber er sah mit Abstand am besten aus.
Er hatte wunderschöne dunkel blonde Haare, war groß, hatte ein markantes Gesicht, er spielte Gitarre, war sehr sportlich, spielte Fußball und lernte sogar für Theo reiten.
Alle waren immer der Meinung, dass Theo und Emil DAS Traumpaar wären, aber sie waren immer nur Freunde gewesen. Sie unternahmen viel miteinander und Unterstützten sich.
Emil machte zum Beispiel fast immer den Turniertrottel für Theo und war auf fast jedem Turnier ihr Helfer.
Theo hingegen stand bei seinen Fussballspielen am Spielfeldrand und war sein persönlicher "Cheerleader".
Oder sie trafen sich einfach auf einen Filmabend oder zum lernen, oder so etwas Ähnliches.
Esther war zwar Theos beste Freundin aber Emil und Theo taten sich unglaublich gut, sie waren echt mega gut befreundet und es passte kaum ein Blatt zwischen die beiden.
Aber dafür bewunderte ich Theo auch, denn sie hatte zwar Emil als wirklich guten Freund, aber sie hatte auch Esther und keiner von beiden fühlte sich irgendwie vernachlässigt oder ist unzufrieden mit der Situation gewesen.
Viele Mädels waren ziemlich neidisch auf Theo weil sie so gut mit Emil befreundet war wie kein anderer und auch sonst ziemlich beliebt war.
Emil war ein richtiger Mädchenschwarm und so gut wie jede wollte mit ihm zusammen sein, umso mehr verstanden die anderen Mädels die Freundschaft zwischen ihm und Theo nicht und wollten, dass Theo Amor spielte. Aber Theo tat sowas nicht, waren halt nicht ihre Angelegenheiten.
Es war spät geworden und es wurde langsam ganz schön dunkel.
Ich hatte eigentlich schon immer ein bisschen Angst im dunkeln, aber durch einen Vorfall verschlimmerte sich die Angst ein wenig und die Tatsache, dass ich neu hier war und der Spielplatz ein wenig versteckt im Wald lag, machte mir schon ziemlich dolle Angst.
Ich hatte gehofft, dass ich mit Nick und Theo nach Hause gehen könnte, aber die mussten noch zu einer ihrer Pferdekoppeln und nach dem Rechten sehen.
Jule und Maria waren schon gegangen und die kleinen waren sowieso schon weg. Theos Freunde und Eske und Moritz wollten noch ein wenig da bleiben, also blieb mir nichts anderes als mich zu verabschieden und alleine zugehen.
Theo merkte irgendwie, dass ich Angst hatte und meinte, dass ich kurz warten sollte.
Sie besprach etwas alleine mit Emil, der die ganze Zeit nur nickte und sich dann vorerst von den anderen verabschiedete und meinte, dass er noch was holen müsste.
Zuerst dachte ich, dass er wirklich nur was holen müsste, aber dann kam er auf mich zu und meinte leise zu mir, dass er mich nach Hause brachte. Ich glaube er sagte das so leise zu mir weil er nicht wollte das sich Moritz und Nick über mich lustig machten oder dass ich mich schämte.
Ich weiß zwar nicht wie Theo merkte, dass ich Angst hatte, aber es war unglaublich aufmerksam und nett von ihr.
Emil, Nick, Theo und ich verließen gemeinsam den Spielplatz. Nick und Theo mussten in eine andere Richtung als Emil und ich, also trennten sich unsere Wege recht zügig und ich ging mit Emil ein Stück alleine durch den Wald.
Zuerst schwiegen wir beide vor uns hin, aber dann sagte ich leise und schüchtern: »Danke.«
»Nichts zu danken, ich mache das gerne und ehrlich gesagt ist dieser Weg ja auch ein wenig gruselig wenn man ihn alleine geht«, meinte er verständnisvoll.
»Ja, mag sein«, sagte ich beschämt und schaute zu Boden.
»Das brauch dir nicht unangenehm zu sein. Jeder hat vor irgendwas Angst, ich hab Angst vor Gewitter. Aber psst das wissen nur meine Familie und Theo und jetzt du«, schmunzelte er aufmunternd.
»Vor Gewitter?«, fragte ich ungläubig.
»Jap, die ganzen Blitze und das laute Gedonner, das ist nicht so mein Ding.
Ich war früher immer mit meinem Papa Segeln und es war auch immer richtig toll, aber einmal zog plötzlich ein starkes Gewitter auf und es wurde richtig ungemütlich. Im Endeffekt ist nicht wirklich viel passiert und wir haben es irgendwie noch heile in den Hafen geschafft, aber seitdem bin ich nicht so scharf auf Gewitter.«
»Oh verstehe.«
»Und was ist mit dir?«
»Wie? Was soll denn mit mir sein?«, fragte ich ziemlich irritiert.
»Na warum hast du Angst im dunkeln?«
»Ach so, also das ist irgendwie schon immer so gewesen. Ich muss aber gestehen daß es einen Vorfall gab und seitdem mag ich es nicht mehr so gerne alleine im dunkeln Draußen zu sein...«
»Wenn du nicht drüber reden willst, musst du nicht«, fiel er mir verständnisvoll ins Wort.
»Nein nein, ist okay. Also mein Papa ist ein Anwalt und er hatte es vor Gericht mal mit einem kranken Stalker zutun.
Auf jeden Fall wurde der Stalker nicht wirklich bestraft, weil es keine Beweise gab die belastend genug waren.
Irgendwie fand er dann raus wo wir wohnten und stand ziemlich oft nachts in unserem Garten, lauerte mir vor der Schule auf, war in unserer Garage und hat sogar versucht in unser Haus zukommen. Er hat mir zwar nie was angetan und stand überwiegend nur da, aber das hat mir unglaubliche Angst gemacht.«
»Wenn ich fragen darf, wie alt warst du da und was habt ihr dagegen gemacht?«, fragte er sehr zurückhaltend und höflich.
»Ich war da glaube ich 9 Jahre alt oder so. Auf jeden Fall ist mein Papa ein guter Anwalt mit ziemlich guten Kontakten. Irgendwie haben so mein Vater und mein Opa es bewirkt, dass dieser Typ für immer weg gesperrt wurde.«
»Das muss schrecklich gewesen sein.«
»Ja das war es auch, aber es ist vorbei und ich weiß, dass er mir nichts mehr tuen kann.
Nichts desto trotz bleibt die Angst ein wenig und gerade in neuen Umgebungen fürchte ich mich schon wenn's darum geht alleine im dunkeln irgendwo hin zugehen.«
»Wenn du willst kann ich mit Theo reden und dann achten wir darauf, dass dich immer jemand begleitet, wenn du es willst.«
»Das ist richtig nett von dir und es würde mich und bestimmt auch meine Mutter, beruhigen«, sagte ich glücklich.
Als wir endlich vor meinem Haus ankamen und Mama mich durch das Küchenfenster erblickte, kam sie zur Haustür gestürmt.
»Conni Schatz, ich hab mir schon Sorgen gemacht. Es ist schon stockdunkel draußen«, meinte sie besorgt.
»Ja Mama, ich hab mit den anderen noch am Spielplatz gespielt, wir hatten einen riesigen Spaß und wollen uns morgen wieder am Spielplatz treffen.«
»Es ist ja schön, dass du spaß hattest, aber du weißt, dass ich es nicht mag wenn du im dunkeln noch unterwegs bist«, sagte Mama streng.
»Ja Mama ich weiß, aber ich bin doch nicht alleine gewesen. Emil hat mich doch gebracht.«
»Conni, du gehst jetzt schon mal ins Haus«, sagte Mama ruhig aber dennoch streng.
Ich verabschiedete mich von Emil und ging ins Haus.
Mama richtete ihr Wort kritisch an Emil: »Du bist also Emil und hast sie den ganzen Weg vom Spielplatz bis nach Hause gebracht? Wie alt bist du eigentlich?«
»Ähm ja, ich bin 16 und ein sehr guter Freund von Nicks großer Schwester. Ich hab Conni begleitet, weil ich es nicht richtig fand, dass sie alleine gehen müsste.«
»Wie heißt du nochmal?«, fragte Mama plötzlich.
»Ähm Emil«, antwortete er ziemlich verwirrt.
»Aber deine Mama heißt nicht Katrin oder?«
»Äh doch, woher wissen Sie das?«, fragte er noch verwirrter.
»Du liebe Güte Emilo, bist du groß geworden, lass dich ansehen. Sind deine Eltern immer noch zusammen?«
»Ähm also ich muss gestehen, ich komm nicht mehr mit«, schmunzelte er verwirrt. »Ehrlich gesagt müsste ich mich so langsam zurück auf den Weg zum Spielplatz machen, die anderen warten bestimmt schon.«
»Wenn du nichts dagegen hast, fahr ich dich kurz rum und dann kann ich dir erklären woher ich dich kenne. Wie klingt das für dich? Ich meine du hast Conni ja auch rum gebracht.«
»Also eigentlich kann ich auch laufen, aber wenn es keine Umstände macht«, sagte er verunsichert.
»Ach Quatsch, steig schon mal ein, ich sag Conni kurz bescheid.«
»Conni«, rief Mama nach oben. »Ich fahr kurz los. Ich bin gleich wieder da, essen steht im Kühlschrank.«
Mama stieg zu Emil ins Auto, der schon auf dem Beifahrersitz gewartet hatte.
»Es war ziemlich nett von dir, dass du Conni begleitet hast.«
»Ach das hab ich gerne gemacht.«
»Ich hab es nicht so gerne wenn Conni im dunkeln noch draußen ist, weißt du es ist halt so da gab es mal so einen Typ...«
»Ich weiß, darüber hatte ich mit Conni schon geredet«, unterbrach er Mama. »Ich will ja nicht unhöflich sein, aber wie kommen Sie in den Besitz dieses Hauses? Also Theo hatte mir immer erzählt dass, das Haus einer alten Bekannten von Sabine gehört und wahrscheinlich niemals wieder bewohnt wird.«
»Also da hatte Theo auch nicht unrecht, zumindest zum Teil. Also erstmal, du kannst du sagen, ich bin Mathilde oder auch Tilly. Jetzt kommt es dazu woher ich dich kenne, ich bin hier groß geworden und das Haus ist schon seit Jahrzehnten in unserem Familienbesitz. Ich war mit deiner Mama Katrin und mit deinem Papa Torsten zusammen in einer Klasse, als deine Mama 16 war wurde sie schwanger und dann mit 17 warst du da. Du warst ein ziemlich süßes Baby«, schmunzelte Mama.
»Und warum kenne ich dich dann nicht mehr?«
»Naja also, ich bin damals kurz vor meinen 18. Geburtstag hier abgehauen und da warst du einfach noch zu klein. Ich war ziemlich gut mit deiner Mama befreundet und habe oft auf dich aufgepasst.«
»Zu deiner Frage von vorhin, meine Eltern sind wirklich noch zusammen, ich weiß von ihnen, dass es nicht leicht war und gerade am Anfang spielte meine Mama mit dem Gedanken mich zur Adoption freizugeben, aber das hat sie ja dann doch nicht getan.«
»Das war auch ein Gedanke, der als sie dich das erste Mal gesehen hat, sofort verflog. Und das nahm ihr keiner übel, ja keine Frage sie war jung und alleine hätten die es auf jeden Fall nicht hinbekommen, aber wir, ihre Freunde, Familie und das Dorf waren für sie da. Und das Torsten und Katrin immer noch zusammen sind freut mich echt zu hören. Hast du Geschwister?«, fragte Mama interessiert.
»Jap, ich hab zwei kleine Brüder und eine kleine Schwester. Moritz, Tommy und Greta.«
»Das ist schön zuhören.«
Mama fuhr den kleinen Waldweg zum Spielplatz entlang und hielt vor dem Spielplatz.
»Danke nochmal für's fahren«, sagte Emil höflich und stieg aus.
»Ach kein Ding, war schön dich wieder zu sehen. Macht nicht mehr solange und passt auf euch auf«, sagte Mama lachend.
»War auch schön dich wiederzusehen, denke ich«, entgegnete Emil verlegen.
Mama fuhr wieder los, aber nicht nach Hause, sie machte noch einen kleinen Abstecher bei Katrin.
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