zartbiss
heute ist es draußen zartbitterkalt. ich zieh mir eine leichte jacke an, ich werde rad fahren, es wird reichen.
ich wasche die wäsche meiner wg, präzisiere kleinkram. staub auf waschbeckenrändern, ein haar an der badwand, diese eine verpackung. kann man entdecken verlernen? ich räume spülmaschine aus, küche auf, müll raus
ebenso wie pfand. ich bin heut allein aufgewacht und werde allein bleiben. draußen ist's beraureift und es ist leise, und plötzlich fällt mir auf: seit ich 18 bin, bin ich eine art pflegemutter.
das erste kind war ambulant, am wochenende dann das kümmern, das war so ganz gut für den anfang. als wir in die selbe stadt zogen, und das zählt durch meine niedrigen erwartungen schon als stationär, trennte ich mich. das kind zweite war auch eher ambulant, wenn auch ursprünglich nicht so geplant. mein drittes ist es nun auch, fühlt sich aber fast stationär an (oder ich habe einfach zu gut gelernt, mit wenig kontakt auszukommen). übrigens, falls das noch nicht rauszuhören war: ich bin abhängig davon, mich um andere zu sorgen. meine pflegekinder kümmern sich um mich. und ich glaube, mein drittes hat das herausgefunden. wir stillschweigen wissend darüber. das nur so zur vollständigkeit der gegebenheiten.
nun weiter: dieses mein drittes pflegekind, ambulant, doch stationär anmutend, es ist außerdem schon ziemlich selbstständig. es ist 26 jahre alt, 2 meter groß und hat einen sehr guten geschmack in musik, literatur, kleidung, inneneinrichtung, alkohol. ansonsten hat es auch noch einen sehr feinen geschmack in theater, tanz, film und menschen. der ist aber nicht immer gut. wenn der junge jemanden nicht mag, spuckt er seine meinung aus und legt diese ab, wie feine fischgräten, kardamomkapseln, oder ganze gewürznelken. wenn jemand (auch ich) einen unausgewogenen witz macht, so spuckt er ihn aus. wenn eine soziale situation (leichte) schieflage bekommt, wird der mund verzogen. muss ausgehalten werden, schwillt alles zu einer beklommenen bulimie und schwappt irgendwann über.
der unterschied: es sind nicht wahrlich fischgräten oder große gewürzreste, es sind kleinigkeiten, die andere aus höflichkeit mitessen würden, er aber nicht. war es also nun: die feinen unterschiede nach bourdieu, oder:
"essen statt meckern: das liebevolle ernährungsbuch für mäkelige kinder", oder vielleicht doch: "so viel freude, so viel tut - gefühlsstarke kinder verstehen und begleiten"
wahrscheinlich ersteres und letzteres, denn das leben - auch wenn ich es gerne immer so beschreibe und lese - ist nunmal doch keine metapher.
(Und vor allem, oh gott: er dürfte das hier niemals zu lesen bekommen.)
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