K A P I T E L 7


Louis hatte noch lange wach gelegen, nachdem er sich von Harrys friedlichem Anblick hatte losreißen können - doch entgegen seiner Befürchtungen hatte sein Herz nicht so sehr geschmerzt, sondern eher eine wohlige Wärme ausgestrahlt bei dem Gedanken an Lennart, der ihn letztendlich in den Schlaf geschickt hatte.

Harrys Zuspruch hatte also seine Wunder bewirkt.

Am nächsten Morgen wachte der junge Engländer noch vor seinem Gast auf, weshalb er die Zeit nutzte, um frischen Kaffee zu kochen.

Kaum dass er zwei Tassen der dampfenden Köstlichkeiten vorbeireitet hatte und nun versuchte, den Toaster so einzustellen, dass er nicht das Brot verkohlte, vernahm Louis leise Schritte.

Als er sich umdrehte, stand er einem noch völlig verschlafenen Harry gegenüber, der sich gähnend die Augen rieb - ein Anblick, den Louis insgeheim süß fand, zumal Harrys Locken ihm unwirsch in die Stirn fielen und ihm einen verwegenen Rockstarlook verpassten.

„Guten Morgen", nuschelte ebendieser Rockstar nun und wischte sich endlich ein paar Strähnen aus dem Gesicht, damit er Louis betrachten konnte.

Dieser lächelte ihm verlegen zu, ehe er ihm eine Tasse reichte.

„Bist du eher der Nutella-Typ, oder der Erdnussbutter?", erkundigte er sich, woraufhin Harry bloß mit den Schultern zuckte. „Warum nicht beides?"

Prompt verzog der Ältere die Miene und schüttelte sich. „Oh Gott, mit dieser Unart hat Lennart dich doch nicht etwa angesteckt, oder?", fragte er mit gespielter Empörung, wodurch Harry kichern musste.

„Irgendwie schon", gestand er glucksend, was Louis mit einem missbilligenden Augenaufschlag quittierte.

Ihre Blicke kreuzten sich und plötzlich war da wieder dieses Band von gestern Abend, diese unbeschreibliche Verbundenheit, die beiden Männern eine Gänsehaut bescherte.

Aber gerade als Harry etwas sagen wollte, klingelte sein Handy, weshalb er sich nur kurz entschuldigte und dann ins Wohnzimmer verschwand.

Dort nahm er das Gespräch an und hätte beim Hören seines Gegenübers gerne direkt wieder aufgelegt - sein Vater war am anderen Ende der Leitung.

Er fragte kurz, wie die Beerdigung war und bemühte sich um aufmunternde Worte, bevor er recht schnell zu seinem eigentlichen Anliegen kam.

„Ich bin nächstes Wochenende in der Stadt und würde dich gerne zum Mittagessen einladen."

Harry wurde bei der Aussicht, seinen Vater wiederzusehen, schlagartig schwindelig, sodass er sich auf dem Sofa niederließ und erst einmal durchatmete - immerhin hatte er seinen Erzeuger das letzte Mal vor über zwei Monaten getroffen; danach war er nach Italien abgehauen.

Und es war ein Muster, welches Harry bereits zur Genüge kannte: sein Vater reiste durch die Weltgeschichte, vertrieb sich die Zeit mit schönen, viel jüngeren Frauen, und wann immer er sich mal bequemte, nach England zurückzukehren, rief er seinen Sohn an und erwartete, dass der sofort sprang.

Das Dumme war: meistens sprang Harry, obwohl er absolut keine Lust dazu hatte. Denn ein Treffen mit seinem Vater bedeutete bloß, sich zwei Stunden lang langweilige Geschichten anhören zu müssen, um anschließend vor unangenehmen Fragen zu seinem Studium auszuweichen.

So rang er sich auch jetzt eine Zustimmung ab und stand kurz darauf wieder in der Küche, die Unterlippe frustriert zwischen den Zähnen habend.

„Du kannst einfach sagen, du seist krank", schlug Louis vor, sobald der Jüngere seinen Bericht abgeschlossen hatte und mit einem Seufzen einen Schluck Kaffee trank - der war inzwischen nur noch lauwarm und versetzte Harry somit zusätzlich einen Dämpfer.

„Mhm", brummte er nun. „Am Ende kommt er noch auf die Idee, mir Hühnersuppe kochen zu wollen und mich zum Arzt zu fahren. Kommt nicht in die Tüte."

Louis musste angesichts des trotzigen Tons des Lockenkopf schmunzeln, konnte die Überlegung allerdings nur allzu gut verstehen. Sein Vater hatte auch einmal einen kläglichen Versuch gemacht, sich mit seinem Sohn zu versöhnen und hätte dabei zu jedem Mittel gegriffen - hätte Louis nicht seine Nummer blockiert. Manchmal kamen Väter auf die abstrusesten Ideen, nur damit sie nicht mehr wie die totalen Arschlöcher dastanden.

So hatte Mr. Tomlinson damals doch tatsächlich versucht, Louis ins Disneyland einzuladen, da er sich das früher als Kind immer gewünscht hatte. Eine ganz fiese Taktik also, um Louis' Kindheits-Ich anzusprechen und vergangene Elterngefühle zu wecken.

Jedoch war der damalige Teenager schlau genug, um zu kapieren, was Sache war. Seitdem war vollständige Ruhe eingetreten und obgleich Louis ihn manchmal vermisste, hätte er sich wahrscheinlich eher die Zunge abgebissen, als den 1. Schritt zu machen. Schließlich war nicht Louis derjenige gewesen, der sich aus dem Staub gemacht hatte.

„Lou, die Toasts sind fertig", brachte Harry den Blauäugigen wieder in die Gegenwart, woraufhin dieser einmal kurz zusammenzuckte, ehe er dankend seinen Teller annahm.

Die Nutella breitete sich in seinem Mund aus und er leckte sich genüsslich über die Lippen, während er beobachtete, wie Harry versuchte, weder Schokolade, noch Erdnussbutter zu verkleckern.

Dabei stellte eine solche Zungenakrobatik an, dass Louis irgendwann losprustete und beinahe zu Boden ging, als Harry trotz aller Bemühungen Erdnussbutter auf sein Shirt kleckerte.

„Verdammt", fluchte er und sah etwas verwirrt zu Louis, der sich mittlerweile den Bauch hielt und laut lachte.

In einer kleinen Atempause allerdings bot er Harry an, ihm ein Shirt zu leihen - welches ihm jedoch aufgrund des Größenunterschiedes viel zu klein war, wodurch seine Nippel peinlich genau herausstachen und sein Bauch rausguckte.

„Ich glaube, das ist keine gute Idee", befand Harry daraufhin mit einem kritischen, aber amüsierten Blick in den Spiegel und schlüpfte wieder hinaus.

„Aber danke." Er gab Louis das Oberteil zurück und bemerkte dabei dessen heimliche Blicke, die genau Harrys Sixpack begutachteten, sowie die zahlreichen Tattoos.

Da es ihn an die gestrige Situation erinnerte, in der er unerlaubterweise auf Louis' Torso gestarrt hatte, zog er kurzerhand wieder das dreckige Shirt an und beeilte sich, sich zu verabschieden.

Auf einmal hatte er das Gefühl, schon viel zu lange hier gewesen zu sein. Dennoch ließ er sich von Louis in den Arm nehmen und atmete dessen Geruch ein, der ihm auf unerklärliche Weise schon vertraut erschien.

„Wir sehen uns", meinte Louis noch, dann verschwand Harry im Treppenhaus und er verschloss wieder die Tür.

Langsam schlenderte er in die Küche zurück, versuchte die Verlegenheit durch Harrys nackten Oberkörper zu ignorieren und sah stattdessen aus dem Fenster.

Er erblickte noch Harry, der sich just in diesem Augenblick umdrehte, den Kopf in den Nacken legte und Louis zuwinkte.

Louis legte synchron dazu seine Finger an die Fensterscheibe und in dieser Sekunde fiel sowohl ihm, als auch Harry, der sich nun wieder dem Gehen wandte, auf, dass sie den Morgen nicht in Trauer verbracht hatten.

Endlich.

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