K A P I T E L 3

Sie unterhielten sich den ganzen Nachmittag lang, und ehe sie sich versahen, stand ein vor Müdigkeit quengelnder Freddie vor seinem Vater.

Louis Tomlinson strich seinem Sohn liebevoll ein paar blonde Strähnen aus dem Gesicht, bevor er den Jungen bereitwillig auf den Arm nahm. Dieser rieb sich bereits permanent die Augen und würde sicherlich binnen weniger Minuten einschlafen.

Etwas unschlüssig erhob sich Louis schließlich von der Parkbank und musterte Harry unsicher. Der Lockenkopf hatte ihm ausführlich davon erzählt, wie er Lennart vor dreieinhalb Monaten im Urlaub kennengelernt und sich prompt verliebt hatte, wohingegen Louis versucht hatte, die Beziehung zu seinem Bruder halbwegs in Worte zu fassen. Es war ihm schwer gefallen, da er kaum etwas  herausbringen konnte, ohne eine Welle der Trauer in seinem Herz zu fühlen - außerdem hatte er sich bis jetzt nie große Gedanken gemacht, wie er zu Lennart stand.

Sie waren Brüder, hatten sich blind vertraut und zusammen den größten Scheiß verzapft, nur um im nächsten Moment einander die Tränen zu trocknen.

Für Louis war es noch immer unbegreiflich, dass das plötzlich der Vergangenheit angehören sollte - dass er niemals wieder an einem Sonntagmorgen spontan vor Lennarts Wohnungstür stehen konnte, um ihn mit frischen Muffins zu überraschen, oder dass sie niemals wieder in lauen Sommernächten im Garten ihrer Eltern sitzen und Bier trinken konnten, während sie sich über Geschichten aus Kindheitstagen austauschten.

Louis würde niemals wieder seinen großen Bruder anrufen können, um ihn spontan um Rat zu bitten, er würde niemals wieder sehen, wie Lennart seinen Neffen auf den Arm nahm und freudig durch die Luft wirbelte. Er würde nie wieder frustrierten Seufzer loslassen, wenn Lennart ihm mal wieder den falschen Kaffee von Starbucks mitgebracht oder sich, ohne vorher zu fragen, einen Film aus Louis' DVD-Sammlung geliehen hatte.
Und wenn Louis jetzt darüber nachdachte, würde er nie wieder genervt von seinem großem Bruder sein, sondern ihm bereitwillig jeden Film schenken und den noch so ekligsten Kaffee trinken - solange das bedeuten würde, dass er noch lebendig wäre.

Durch das Gespräch mit Harry, der Lennart ebenfalls auf eine ganz besondere Art nahegestanden hatte, wurde es ihm erst wirklich deutlich und plättete ihn; an diesem Nachmittag schlug ihm die Wahrheit unaufhörlich ins Gesicht:

Sein Bruder würde nicht mehr wiederkommen.

Und auch Harry war davon überwältigt, noch einmal verstehen zu müssen, dass er seine große Liebe verloren hatte, den Mann, der ihm innerhalb eines Augenaufschlags das Herz gestohlen hatte.

Nie wieder würde er neben ihm aufwachen und sanft seine Lippen küssen können, nie wieder würden Sie Händchen haltend im Restaurant sitzen und sich eine Pizza teilen. Nie wieder würde Harry hören, wie Lennart vergnügt gluckste, wenn eine Filmszene besonders lustig war und nie wieder würde er spüren, wie die Arme des Älteren sich beschützend um ihn schlangen.

Während des Sprechens war ihnen beiden jedoch nicht nur aufgefallen, dass sie sich zum Einen  verdammt viel erzählen konnten, ohne dass es langweilig wurde, sondern zum Anderen auch, dass sie sich unglaublich sympatisch waren. 

Aus diesem Grund wollte Louis den Grünäugigen nicht einfach so gehen lassen - zumal er so aussah, als würde er ungern allein sein. Also schlug der Blauäugige vor, dass sie bei ihm zuhause noch einen Tee tranken, was Harry mit einem erleichterten Nicken dankend annahm.

Kurz darauf erreichten sie Louis' Wohnung und sobald Freddie aus seinen Schuhen geschlüpft war, begann er, zu weinen, weshalb sein Vater sich beeilte, ihn in sein Bettchen zu bringen. Dort kuschelte der Blondschopf sich sofort in seine Bettdecke und ließ sich von Louis seinen Lieblingsteddy in die Armbeuge legen, sodass er mit einem zufriedenen Schmatzen seine kleinen Ärmchen darum schlingen konnte.

"Gute Nacht, mein Goldstück", wisperte Louis und küsste seinen Sohn ein letztes Mal auf die Stirn, dann schnappte er sich das Babyfon, schaltete das Mobilee ein und löschte das Licht.

In der Küche stieß er wieder auf Harry, der es sich derweil ein wenig schüchtern auf einem der Stühle bequem gemacht hatte und etwas unsicher sein Handy in den Händen hielt - der junge Brite hatte das Gefühl, unbedingt etwas zu tun haben zu müssen, um nicht wahnsinnig zu werden.

Die letzten Stunden mit Louis waren zwar sehr schön gewesen und es hatte gut getan, verstanden zu werden, doch auf der anderen Seite hatte es ihn furchtbar geschlaucht. Deswegen erhellte sich auch seine Miene schlagartig, als Louis Wasser aufsetzte und sich in einem der Küchenschränke auf die Suche nach Teebeuteln und Tassen machte.

In der Zwischenzeit erlaubte Harry es sich, aufzustehen und sich ein bisschen in der Wohnung umzusehen. Im Wohnzimmer, das durch einen kleinen Kamin und ein dickes, rotes Sofa urgemütlich aussah, hingen zahlreiche Babyfotos von Freddie, aber auch einige Bilder, die Louis mit anderen Erwachsenen, die wahrscheinlich seine Freunde waren.

Auf einem der Motive erkannte Harry eine bildhübsche Blondine mit einem strahlenden Lächeln, die einen Arm um Louis' Taille geschlungen hatte. Sie sah Freddie verdammt ähnlich und war garantiert seine Mutter.

"Das ist Briana, Freddies Mum", ertönte plötzlich Louis' hohe Stimme hinter Harry und ließ ihn beinahe zusammenzucken. Er drehte sich um und erblickte den jungen Mann im Türrahmen, zwei Tassen dampfenden Tee in den Händen und ein undefinierbares Lächeln auf den Lippen.

"Seid ihr noch zusammen?", erkundigte Harry sich vorsichtig, woraufhin Louis rasch den Kopf schüttelte. "Nein, wir... wir haben nicht zusammengepasst", murmelte er zerknirscht und reichte Harry sein Getränk.

"Aber es war unser erstes Pärchenbild und da ich ihr durch Freddie noch immer sehr verbunden bin, habe ich es aufgehängt. Außerdem soll der Kleine wissen, dass seine Mutter auch wichtig ist, wenn er hier ist." Passend dazu deutete er auf ein weiteres Bild, das erneut Briana zeigte, dieses Mal an einem Strand, einen noch deutlich jüngeren Freddie auf dem Arm haltend.

"Das war an seinem ersten Geburtstag, den wir in Cornwall bei ihren Eltern gefeiert haben. Es war eigentlich ganz schön und wir haben uns ausnahmsweise mal überhaupt nicht gestritten." Glucksend nippte Louis an seiner Tasse und Harry konnte nicht verhindern, dass ihm ein Seufzen entwich. 

"Ich wünschte, mein Vater wäre so gewesen", murmelte er eher zu sich, wurde allerdings trotzdem von Louis gehört, der fragend eine Augenbraue hob. "Scheidungskind?", riet er, was Harry mit einem erneuten Seufzen beantwortete. 

"Sie haben sich getrennt, als ich 4 war und seitdem herrscht zwischen ihnen eine eisige Stimmung. Und mein Vater.... er ist sehr schwierig, gerade wenn es um mich geht." 

Louis summte verständnisvoll. "Ich habe gar keinen Kontakt mehr zu meinem Vater, weil es so ähnlich war. Nachdem Lana auf die Welt gekommen ist, hat er sich in ein echtes Arschloch verwandelt. Ist fremd gegangen und hat seine Kinder vernachlässigt. Ein Glück ist Mum den ziemlich bald losgeworden und hat stattdessen Dan geheiratet", sagte er und klang dabei unglaublich bitter, was ihn fast selbst überraschte. 

Er hatte länger nicht mehr über seinen Erzeuger gesprochen, da er immer befürchtete, dadurch alte Wunden aufzureißen, die er mit Mühe und Not zusammengekflickt hatte. Doch nun die verständnisvolle Miene Harrys zu sehen, der ihn aufmunternd anlächelte und meinte: "Dan ist ein wundervoller Mann. Genau derjenige, den ihr alle verdient.", brachte Louis tatsächlich dazu, tief durchzuatmen und die Mundwinkel zu heben. 

"Ich weiß nicht, ob die Idee blöd ist, aber soll ich uns noch was zum Abendessen machen und wir setzen uns an die Reden für Montag? Denn ehrlich gesagt weiß ich nicht, ob ich das alleine schaffe." 

Dankenswerterweise erwiderte Harry diesen Vorschlag mit einem freundlichen Nicken und versprach, einen kurzen Blick in Freddies Zimmer zu werfen, während Louis den Kühlschrank plünderte. 

Wenige Sekunden später steckte der Lockenkopf den Kopf zaghaft durch die angelehnte Tür und musste feststellen, dass der kleine Racker tatsächlich aufrecht in seinem Bettchen saß und ganz unglücklich aussah. 

Seine Augen waren glasig, seine Lippen bebten und er hatte die Hände zu kleinen Fäusten geballt, sodass Harry schnell das Licht anknipste und zu ihm eilte, um sich vorsichtig vor ihn zu knien. 

"Freddie, was ist los?", wollte er besorgt wissen, woraufhin dieser ohne Umschweife zu weinen begann. 

"Daddy...wo ist Daddy?", wimmerte er verzweifelt, was Harry nicht lange nachdenken ließ. Rasch griff der junge Mann unter die Achseln des Jungen und hob ihn hoch. "Dein Daddy kocht gerade und ich bringe ihn jetzt zu dir", erklärte Harry mit ruhiger Stimme und strich behutsam über den Rücken des Kleinen, damit er merkte, dass er nicht allein war. 

"Guck mal, da ist dein Vater", sagte Harry freudig, nachdem sie die Küche erreicht hatten und Louis am Herd entdeckten. Der Wuschelkopf drehte sich beim Schluchzen seines Sohnes alarmiert um und streckte schlagartig die Arme aus. 

"Komm zu mir, kleiner Schatz", säuselte er besänftigend, als Freddie sich ganz fest an seine Brust drückte und allmählich ruhiger wurde. Louis verteilte kleine Küsse auf seinem Schopf, während er mit der freien Hand in einem Topf kochender Nudeln rührte. 

Harry beobachtete diese Szene mit etwas Abstand und spürte ein unangenehmes Ziehen in seiner Magengegend, denn obgleich die beiden absolut süß waren, flackerte vor Harrys innerem Auge eine Version auf, in der er einen Kind im Arm hielt und Lennart derjenige war, der verträumt daneben stand. 

"Danke, dass du ihn mir gebracht hast", riss Louis Harry nach einer Weile aus seinen Gedanken und schenkte ihm einen dankbaren Gesichtsausdruck, ehe er Freddie auf den Boden ließ. Der Kleine wankte bei seinen Schritten schlaftrunken, schaffte es aber ohne weitere Probleme ins Wohnzimmer, wo er auf die Couch krabbelte, wo er sich zu einer Kugel zusammenrollte. 

Harry war ihm gefolgt und setzte dich zu ihm, bis er irgendwann die Augen geschlossen hatte und Louis mit zwei gefüllten Tellern den Raum betrat. 

Sie machten es sich mit Freddie in der Mitte bequem und aßen einträchtig, wobei Harry bemerkte, dass Louis' Talente eindeutig nicht beim Kochen lagen - die Spagetthi waren noch etwas hart und die Soße leicht versalzen. Es war nicht schlimm und dennoch musste Harry unwillkürlich schmunzeln, was Louis natürlich auffiel. 

"Alles okay?", fragte er leicht verunsichert, wodurch Harry sich beeilte, ihn zu beruhigen. "Ja, alles okay. Aber das Kochtalent hast weder dein Bruder, noch du geerbt", kicherte er leicht verlegen - eigentlich wollte er gar nicht lachen, nicht dass Louis ihn unverschämt fand. 

Besagter jedoch begann ebenfalls zu grinsen und biss sich belustigt auf die Lippe. "Ja, da hast du wohl Recht." 

Ihre Augen kreuzten sich und für einen Moment schien es, als stünde die Zeit still. In dieser Blase der Trauer, die sie umgab, öffnete sich ein Spalt und ließ neben zahlreichen Tränen Platz für einen Schimmer Leichtigkeit - auch wenn es nur ein Hauch war. 

Nichtsdestotrotz schaffte er Raum für ein tiefes Einatmen und den Beschluss der Engländer, sich endlich den Reden zu widmen - im Grunde würden sie immerhin ähnliche Dinge erzählen, vielleicht sogar das heutige Gespräch erwähnen. 

Sie überlegten und schrieben eine gefühlte Ewigkeit, ohne wirklich zu merken, wie die Zeit verging. Ab und zu holte Louis Teenachschub und zwischendurch lehnten sie sich synchron zurück und mussten über irgendeine Anekdote lachen, die ihnen eingefallen war - sie mochten einander bis zum heutigen Tag noch nicht begegnet sein, doch die Chemie stimmte auf Anhieb und es fühlte sich an, als hätten sie durch Lennart bereits ein ganzes Leben geteilt. 

Irgendwann hatten sie ihre Gedanken tatsächlich jeweils auf einem Blatt Papier festgehalten und fühlten sich nicht mehr ganz so ohnmächtig bei dem Gedanken an morgen - wenn auch ein mulmiges Gefühl blieb. 

Da es mittlerweile recht spät geworden war und Freddie inzwischen tief und fest eingeschlafen war, entschied Harry, dass ein guter Zeitpunkt war, um sich zu verabschieden. 

Louis brachte zuerst Freddie zurück in sein Bett, dann begleitete er Harry noch zur Tür. Doch noch bevor sie sich die Hand geben oder einige letzte Worte wechseln konnten, knackte das Babyfon und ein Motzen verriet, dass der Zweijährige wieder wach war. 

Louis stöhnte leicht genervt und wollte sich mit einem "Normalerweise ist er nicht so" fast entschuldigen, da hob Harry verständnisvoll eine Hand. "Hey, das ist in Ordnung. Geh zu deinem Sohn. Wir sehen uns am Montag." 

Und mit einem leichten Augenzwinkern verließ Harry die Wohnung. 

da scheint freddie etwas ordentlich umzutreiben... 

was sind eure meinungen? wie hat euch das erste zusammentreffen zwischen louis und harry gefallen? 

mögt ihr lennart? beziehungsweise würdet ihr?

ich liebe euch. xx




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