K A P I T E L 2
Mit einem energischen Schlag landete Harry Styles' Faust auf dem Boxsack, während ein lauter Schrei seine Kehle verließ.
Eigentlich hatte er vorgehabt, seinen freien Tag zu nutzen, um seine Sachen aus Lennarts Wohnung zu holen, doch nachdem ein Anruf seines Vaters ihn erreicht hatte, war ihm nicht mehr danach zu Mute gewesen.
Zwar hatte Mr. Styles durchaus die Absicht gehabt, seinem Sohn zu kondolieren, aber nach einem „Es tut mir schrecklich leid", folgte ein „Da wirst du schon drüber hinweg kommen", was Harry furchtbar auf die Palme gebracht hatte.
Vielleicht stimmte diese Tatsache sogar, aber es war absolut nicht das, was der Lockenkopf momentan hören wollte. Doch im Grunde hätte Harry auch nichts anderes erwarten können, da er noch nie das beste Verhältnis zu seinem Vater gehabt hatte.
Also hatte er seinen Erzeuger relativ schnell wieder abgewimmelt und anschließend zu seinen Boxhandschuhen gegriffen - das half dabei, seine Gefühle zu regulieren.
Abermals schlug er auf den Boxsack ein, bevor ihn das Klingeln seines Handys in die Wirklichkeit zurückholte.
Beim Blick auf das Display zierte ein Lächeln seine Lippen und er atmete kurz durch, dann nahm er das Gespräch an.
„Hallo Johannah."
Lennarts Mutter, eine herzliche Frau in den Mittvierzigern lachte verhalten auf.
„Hallo Harry. Störe ich dich?"
Dieser wischte sich einige Schweißperlen von der Stirn und schnappte sich mit der freien Hand eine Wasserflasche, die er unweit des Boxsacks positioniert hatte.
„Nein. Absolut nicht."
„Okay gut. Hör mal, ich... ich habe eine Bitte..."
Sie flüsterte beinahe, als sei es ihr peinlich, woraufhin Harry die Ohren spitzte und seiner Schwiegermutter mit einem Brummen zu verstehen gab, fortzufahren.
„Am Montag ist Lennarts Beerdigung und ich... ich fände es schön, wenn du eine kleine Rede halten würdest. Es muss kein Roman sein, aber du hast ihm neben seinen Geschwistern am nächsten gestanden. Das wäre ganz wundervoll."
Kurz überlegte Harry, denn schon allein die Vorstellung, wie er an diesem Tag Lennarts Sarg gegenüber stand und sich für immer von ihm verabschieden musste, trieb ihm prompt Tränen in die Augen. Keine gute Voraussetzung, um vor einer Menge, zum Teil fremder, Menschen persönliche Dinge preiszugeben.
Allerdings konnte er Johannah auch nicht einfach so hängen lassen, sodass er schließlich zustimmte.
„Oh, danke Harry! Weißt du, meine Kinder wissen auch noch nichts von meinem Wunsch, dass sie ebenfalls etwas sagen und ich wollte gleich meinen Sohn zu uns einladen. Magst du auch kommen? Wir könnten zusammen Mittag essen."
Obwohl er lieber allein in seiner Wohnung gegessen hätte, meldete sich sein Magen just in diesem Augenblick verräterisch zu Wort und ließ Harry aufseufzen.
„Ja, ich komme. Gib mir eine halbe Stunde."
Rasch sprang er unter die Dusche des Fitnessstudios, schlüpfte in seine frischen Wechselklamotten und parkte kurz darauf auf dem Gelände der Tomlinsons.
Kaum dass er ausgestiegen war, kam ihm Lennarts jüngere Schwester Lana entgegen, die er bereits kennen gelernt hatte.
Man sah ihr ohne Umschweife an, dass sie geweint hatte, weswegen Harry seine Arme ausbreitete und sie in eine Umarmung schloss.
„Es wird alles wieder gut", säuselte er, ehe sie sich voneinander lösten und das Familienhaus betraten.
Dort überkam die Erinnerung Harry wie eine Welle und er dachte an den Abend zurück, an dem er bei Lennarts Eltern zum Abendessen eingeladen war. Dieses Ereignis lag erst zwei Wochen zurück und es war, als läge der Duft des Brathühnchens noch in der Luft, und sobald Harrys Blick durch die Glasfront im Wohnzimmer fiel, sah er den gedeckten Tisch vor seinem inneren Auge - Lennart neben ihm in einem dunkelblauen Hemd, das ihm hervorragend stand und seine Kurven perfekt umspielte. Es war ein gemütlicher Abend gewesen und sie hatten sich noch bis spät in die Nacht unterhalten.
Die Trauer übermannte ihn und schlagartig begann er zu schluchzen, weshalb Johannah ihn hilfsbereit zur Couch schob und ihn dort sanft in die Kissen drückte.
„Es wird alles wieder gut", versicherte die hübsche Brünette ihm, was ihn traurig lächeln ließ. Wie sollte es je wieder gut werden, wenn Lennart nicht mehr da war?
Schniefend nestelte er am Saum seines - Lennarts Pullovers und nuschelte nichtsdestotrotz ein leises Danke.
Einige Minuten verstrichen, in denen keiner ein Wort sagte, bis irgendwann das Türschloss knackte und Louis Tomlinson, Lennarts jüngerer Bruder, den Flur betrat.
Anhand einer jungen, brabbelnden Fistelstimme erkannte Harry sofort, dass Louis seinen kleinen Sohn dabei hatte, von dem Lennart des Öfteren geschwärmt hatte - er hatte sogar immer ein kleines Foto seines Neffen im Portmonee gehabt.
Auch über Louis hatte Lennart nur Gutes berichtet und eigentlich vorgehabt, die beiden einander bei einem ungezwungenen Bowlingabend vorzustellen.
„Weißt du, Louis und ich haben irgendwie eine spezielle Bindung zueinander. Er ist zwar mein kleiner Bruder, aber irgendwie auch mein bester Freund. Ich lege sehr viel Wert auf seine Meinung und wenn ihr euch kennen lernt, will ich, dass es perfekt wird", hatte er immer gesagt. Und inzwischen war es für das „perfekt" zu spät.
Harry atmete rasselnd ein, nur um im nächsten Augenblick die Luft erschrocken wieder anzuhalten. Denn sobald Louis das Wohnzimmer betrat, fielen ihm nicht nur die unfassbar dunklen Schatten unter den blauen Augen des Engländers auf, sondern auch die Hüftknochen, die sich durch den Jeansstoff fraßen.
Außerdem hatte Louis besonders markante Wangenknochen und fein gliedrige Finger, die einmal flink durch das kurze Haar fuhren.
Es wurden einige Worte getauscht, wobei Harry nicht wirklich zuhörte, und erst als er bemerkte, wie Louis ihn unentwegt ansah, wachte er allmählich aus seiner Trance auf.
Lana, die sich neben Harry gelegt hatte, winkte ihren Bruder zu sich und kuschelte sich direkt an ihn, um einige leise Tränen zu verdrücken.
Sie beteuerte, dass sie zumindest einander hatten, und auch wenn Harry sich noch immer innerlich meilenweit von der Situation entfernt fühlte, schmunzelte er dennoch.
„Stimmt", wisperte er und spürte, wie Louis seine Hand drückte. Er weinte ebenfalls und gab sein bestes, die Lippen währenddessen fest aufeinander zu pressen und somit kein Laut von sich zu geben.
Gerne hätte Harry ihn getröstet, doch er war selbst viel zu niedergeschlagen, um irgendwelche aufbauenden Worte zu finden, sodass er sich darauf beschränkte, Louis Körperwärme zu schenken.
Schließlich waren die Tränen halbwegs getrocknet und Johannah verkündete am gedeckten Esstisch, welchen Plan sie verfolgte.
Lana schien davon begeistert zu sein und klatschte gerührt in die Hände, wohingegen Louis eine ähnliche Abwehrhaltung einnahm, wie Harry sie zuerst gehabt hatte.
„Ich schaff das nicht, vor so vielen Menschen zu reden. Nicht an solch einem Tag", sagte er, während er Freddie vorsichtig ein Stück Banane zwischen die Zähne schob.
Der kleine Blondschopf saß bei seinem Dad auf dem Schoß und spielte mit dessen Gabel - im Mundwinkel ein paar Bananenreste, die er geschickt mit der Zunge wegleckte.
Ohne Vorwarnung zog Johannah eine Schnute, weshalb Louis resigniert aufseufzte. „Na schön. Ich mach's."
Zufrieden lächelte seine Mutter und setzte noch ein „dein Bruder hätte es so gewollt", was Louis erneut seufzen ließ, dieses Mal deutlich bedrückter.
„Ich weiß. Ich wünschte nur, ich müsste es nicht tun."
Es war kaum hörbar und trotzdem verstand Harry es deutlich, wodurch er ein bisschen näher zu Louis rutschte.
Wie von selbst fand seine Hand zu der des Braunhaarigen, der erst zusammenzuckte und dann lächelnd bemerkte, dass Harry ihre Finger miteinander verzweigte.
Es war eine stille Anteilnahme, eine schweigende Zustimmung, die sich wie ein Band zwischen die beiden legte und zumindest Harry ruhiger werden ließ.
Er war nicht allein, ein Gefühl, dass sich bis vor einer Stunde noch beißend in ihm breit gemacht hatte - gerade nachdem sei Vater ihm am Morgen so ungeniert über den Mund gefahren war.
Jetzt jedoch rückten die flapsigen Speiche des Weltenbummlers in den Hintergrund und der Lockenkopf lehnte sich etwas in seinem Stuhl zurück.
Plötzlich bemerkte er, dass er nach wie vor Louis' Hand hielt. Schnell ließ er sie los und konzentrierte sich wieder auf seinen Teller.
Er befürchtete, Louis könnte ihn für übergriffig halten, aber als Harry sich wenig später Louis' Plan, einen Spaziergang mit Freddie zu unternehmen, anschloss, wirkte er sogar erleichtert, Gesellschaft zu haben.
Einige Schritte brachten sie schweigend hinter sich, bis sie irgendwann einen kleinen Park erreicht hatten und Freddie sich von Louis' Hand losriss.
„Freddie will spielen!", rief der Kleine und rannte übermütig zu einem Sandkasten, in dem einige verlassene Sandförmchen lagen
Zuerst beobachtete Louis seinen Sohn, damit er ja nicht auf die Idee kam, seine Unterhosen mit Sand zu füllen, dann wandte er sich zu Harry.
„Wollen wir uns setzen?", schlug er mit einem Nicken in Richtung nächster Parkbank vor.
Auf Harrys Zustimmung hin nahmen sie auf dem hölzernen Untergrund Platz, der von der Sonne angenehm warm geworden war.
Mittlerweile musste Harry auch zugeben, dass er in seinem Pulli zu schwitzen begann, weshalb er ihn schweren Herzens auszog und stattdessen locker über die Schultern warf.
Eine Wolke von Lennarts Parfum zog ihm dabei in die Nase und bereitete seinen nackten Armen eine Gänsehaut.
Wehmütig rieb er sein Gesicht in dem Stoff des Ärmels und presste einen kurzen Kuss dagegen, ehe er sich zu Louis drehte.
Dieser hatte das Szenario mit einem überraschend liebevollen Blick gemustert und hob nun einen Mundwinkel, woraufhin sich leichte Lachfalten um seine Augen kräuselten.
„Lennart hat eine Menge von dir erzählt. Ich freue mich, dich endlich kennenzulernen."
die beiden tun mir so unfassbar leid, da fehlen selbst mir die worte....
dennoch hoffe ich, dass euch kapitel 2 gefallen hat!
alles liebe. x
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