Wie ich endlich Ich wurde

Hallo Kinder, Onkel Roiben möchte euch eine Geschichte erzählen.

Die Geschichte, wie ich nach dreiundzwanzig (23) Jahren endlich mit mir selbst und meiner Sexualität klar kam, sie akzeptierte und mich nicht mehr versteckte. Take a seat, it's gonna be a long ass journey!

Jetzt bin ich 24 und kann mit mir leben und akzeptiere mich. Hi, ich bin übrigens sehr gay und stehe hart auf cute Typen, falls es einer aus der letzten Reihe nicht wusste (Shawn Mendes, call me). Eigentlich identifiziere ich mich eher als Bi, aber mit der mega starken Tendenz zum Gay, also sage ich eher gay, live with it.

Um jetzt aber auf den eigentlich Punkt zu kommen: Lange Zeit habe ich mich versteckt und mir nicht eingestanden, dass ich schwul bin. Und wie hätte ich das auch können, mit einem Umfeld, dass einem konstant Homosexualität als etwas Schlechtes assoziiert?

Angefangen hat es, als ich noch jünger war - ich weiß nicht mehr, wie alt, aber ich gehe mal so von acht bis zehn aus. Bis zu diesem Alter war mein Freundeskreis auf Mädchen beschränkt und ich war vollkommen zufrieden damit. Meine beste Freundin seit der Kinderkrippe war ein Mädchen, meine Schulfreunde waren Mädchen, ich ging nach der Schüle mit den Mädchen draußen spielen, you got it. Ich hatte vielleicht ein oder zwei Jungs in meinem Alter, mit denen ich was anfangen konnte. Ich war schon als kleiner Pimpf so drauf, dass ich die anderen Jungs doof fand. Die wollten immer Fußball spielen und mochten keine Puppen sondern lieber Autos.

Ich mochte früher immer lieber mit den Barbies meiner großen Schwester spielen. Die waren viel spannender als so ein langweiliges Auto, also hat meine Mutter mir irgendwann selbst eine gekauft. Fand ich super! Im Kindergarten habe ich immer am Backofen gespielt, habe Puppenkleider gebügelt (dabei habe ich bisher noch nicht mal meine eigene Kleidung gebügelt, go figure) und habe eher die von der Gesellschaft feminin angesehen Dinge gemocht. Dennoch fühlte ich mich als Junge vollkommen wohl - ich mochte eben die Spielsachen von Mädchen lieber. Da war ja nichts Verwerfliches dran, oder?

Dachte mein Vater nicht so. Ich will ihm keine Schuld zusprechen oder sonstiges, aber er hat es mir als eine der Personen nicht einfach gemacht, mich selbst zu akzeptieren. Für ihn war es unnatürlich, dass sein einziger Sohn nicht mit Autos spielen wollte. Er war schon immer dieser große, bullige Mann der Lastkraftwagen fuhr und Bier trank, wenn er nach Hause kam - kein Alkoholiker, versteht sich. Eben das männliche Feierabendbier. Nichts schlimm daran. Aber er wollte nicht, dass sein Sohn so feminin aufwuchs. Also musste er mir natürlich Sachen zeigen oder geben, die er für männlich hielt. Noch mehr Autos. Power Ranger (sind Power Ranger nicht der dümmste Shit ever???). Sowas eben. You understand.

Mochte ich alles immer noch nicht. Wisst ihr, womit ich als Kind stundenlang Spaß hatte? Mit einem Eimer, etwas Wasser und unserem damaligen Vorgarten. Ich hab einfach meine eigenen Zaubertränke gebraut und das war DER SHIT, ich sags euch! Wer das als Kind nicht gemacht hat, hat echt was verpasst!

Okay, wo war ich? Richtig, ich wollte was erzählen...

Gut, das mit dem Spielzeug hätten wir. Machen wir weiter mit der Realschule. Den absolut fucking schlimmsten Jahren meines Lebens!!! Yeah!

Es fing alles sehr harmlos an. Die erste Hälfte der fünften Klasse war ich fast nur mit Leuten auf einer Schule, mit denen ich bereits vier Jahre Grundschule und davor noch Kindergarten hinter mir hatte. Die kannte ich alle, die mochte ich, die waren meine Freunde. Aber meine Mutter war nicht unbedingt begeistert von meinen Noten. Die Schule war schlecht und so waren meine Noten auch. Von Einsern und Zweiern in der vierten Klasse rutschte ich auf Vierer und Fünfer in der Fünften Klasse ab. Es war nicht schön. Also beschloss sie, dass ich nach den Weihnachtsferien die Schule wechseln sollte.

Für mich war das der Horror! Ich wollte das nicht! Was, wenn ich keine Freunden würde? Was, wenn mich die Leute nicht mögen würden?

Und was soll ich sagen? Mein Horror wurde zur Realität. Nicht gleich am ersten Tag, freilich. Der lief ganz gut. Ich hatte das seltsame Glück, dass ich bereits einen in der neuen Klasse durch meinen damaligen besten Freund kannte. Hab ich euch von ihm erzählt? Nein? OKAY, SCHNALLT EUCH AN!

Also, wir sind glaube ich in der vierten Klasse umgezogen in eine schickere größere Wohnung und wohnten nicht mehr in Asiviertel der Stadt. Nice und so! Kann man machen, ist empfehlenswert. Was nicht so toll war, war natürlich, dass meine beste Freundin zu der Zeit noch immer dort wohnte und ich als Viertklässler nicht ständig mit Bus und Bahn in die Innenstadt und zurück gurken konnte. Der Kontakt wurde also weniger und dann gingen wir auch noch bald auf unterschiedliche Schulen - ich die Realschule, sie direkt Gymnasium. Es war nicht gut. Ich fühlte mich also ein bisschen allein. ABER!!! Eines Tages kam ich von der Schule nach Hause, allein und einsam wie jeden Tag und da spricht mit ein blonder Junge in meinem Alter an. Und BOI hatte ich Glück, dass er das gemacht hat. Ich als schüchterner kleines Etwas hätte das halt NIE getan.

Er spricht mich also an und fragt: Hey, wohnst du hier, wollen wir was spielen, ich wohne gleich da vorne! Er war einfach so ein richtig offener, lustiger, toller Junge und ich war shook! Noch nie hatte mich einer einfach so gefragt, ob ich mit ihm spielen wollte.

Ihr müsst wissen, ich hab seit meiner Geburt einen angeborenen Sprachfehler - ich stottere trotz Sprachtherapien immer noch und es suckt hart!!! Wünsche ich echt keinem - außer den Leuten, die sich drüber lustig gemacht haben, aber dazu kommen wir noch!!

Der Junge - aus Gründen von Datenschutz nennen wir ihn Sven (und das sicherlich nicht, weil er ein bisschen aussieht, wie ich mir Sven vorstelle, quatsch, ich doch nicht, er ist halt nur echt heiß, WAS) - fragt mich also, ob ich mit ihm spielen will und das literally der Beginn meiner ersten Freundschaft mit einem anderen Jungen! Ich meine, was?! ER wollte mit MIR spielen!

Sven und ich wurden also Freunde und er war halt so toll und alles. Er kümmerte sich null daran, dass ich stotterte und verteidigte mich, als er mich anderen Freunden vorstellte, was aber sehr selten passierte. Irgendwie waren es immer nur er und ich und manchmal dieser andere Junge, der in meiner Realschule war - nennen wir ihn Tim. Weil der Name basic ist (no hate). Sven war also großartig und ich war shook, weil er war cool und ich nicht. Zu der Zeit hatte ich nur noch sporadischen Kontakt mit meiner besten Freundin, die irgendwie gar nicht mehr meine beste Freundin war, aber das wollte ich nicht einsehen. Sie hatte neue Freunde auf ihrer Schule gefunden und mich wohl vergessen... egal! Zurück zu Sven!

Wir wurden enge Freunde. Am Wochenende würde ich bei ihm schlafen - sein Haus war halt literally zwei Minuten Fußweg entfernt, das war easy - manchmal wären wir mit seiner Mutter im Garten außerhalb und hätten da halt einfach fun. Typischer Kram eben. Wir haben Nintendo Gamecube gespielt, draußen getobt, geschaukelt, alles. Also, wir waren tolle Freunde und ich fand, er sollte mein neuer bester Freund sein! Und das war er dann irgendwann - zumindest für mich, ich weiß bis heute nicht, was ich für ihn war.

Zurück zur Realschule - ihr erinnert euch. Ich wechselte die Schule und kam nach Weihnachten im zweiten Halbjahr der fünften Klasse da an. Ich kannte bereits Tim, was ich vorher nicht wusste und der erste Tag war ganz okay. Er war lustig und nicht grauenhaft! Yay! Mehr wollte ich nicht.

Dann kam Tag zwei. Oh Boi. An Tag zwei fiel dem ersten auf, dass mein Stottern ja gar nicht ein einmaliger Verhaspler wegen Nervosität war. Aufgrund Nervosität war. WHATEVER!

Die kamen also auf den Trichter, dass ich stotterte und guess what! Das war für die ja der lustigste Scheiß ever. „Haha, der Roiben kann ja gar nicht richtig reden. Ha-Ha-Ha-Hallo! Hahaha!" Lustig, oder? NEIN!

BOAH! Diese Kinder haben mir das Leben zur Hölle gemacht. Ich war nicht der Neue, ich war auch noch der Stotternde. Und Schüchternde! Und LESENDE! ICH LAS BÜCHER!! FREIWILLIG, WAS!

Okay, diese Kinder fingen also an, darüber zu lachen, dass ich stotterte. Um nicht sofort aus dem sozialen Rang zu fallen, habe ich mitgelacht. Weil - haha, ist ja nur ein Spaß, oder? Irgendwann hören sie bestimmt auf und dann sind wir alle Freunde.

Nein. Nein und einfach nein. Sie hörten nicht auf. Und ich kapierte das irgendwann. Die lachten weiter, wenn ich stotterte, weil es ja lustig ist, wenn der Kleine da vorne struggelt, seine Wörter rauszubekommen und man es mit seinem Lachen nur noch schlimmer machen kann. HUI! Welch Spaß für alle außer mich!

Ich fand das also weniger toll. Aber es hörte nicht auf. Mein Freundeskreis von der fünften bis zur zehnten Klasse bestand aus drei Leuten. DREI! Und nicht mal von denen waren alle auf meiner Seite. Dazu später.

Um einen draufzusetzen, kamen dann natürlich andere Kommentare dazu. Wir von einem wie mir zu erwarten, hatte ich mit vierzehn nicht meine erste Freundin oder war überhaupt verliebt. Und andere Kinder merken das! Die bekommen es mit, wenn du anders bist! Also kamen dann Kommentare wie: „Bist du schwul oder was?", „Das ist so schwul!" etc. Und in meinem Kopf kam es eben so an. Schwul = Schlecht.

Und ich wollte denen sicherlich keinen weiteren Grund geben, mich runterzumachen. Also schluckte ich alles runter (pun not intended) und sagte natürlich nein. Ich bin doch nicht schwul. Ich steh natürlich voll auf Mädels!

Spoiler: Es war ne Lüge.

Zu dieser Zeit war Sven mein richtig echter bester Freund geworden. Er war echt so der einzige Mensch, dem ich richtig vertrauen konnte und der wusste, wenn es mir schlecht geht und was er tun musste, damit es nicht so war. Ich sah zu ihm auf. Er war groß und toll und konnte alles besser, war beliebter, sportlicher und allgemein einfach mehr das, was ich immer sein wollte.

Ich erzähle euch jetzt etwas, was ich noch nie irgendjemandem erzählt habe. Noch nicht einmal meinen anderen besten Freunden. Niemand weiß das!

Mit Sven hatte ich meine ersten schwulen Erfahrungen. Uff, ich weiß, was ihr denkt, aber nein, nicht so. Er war der erste Junge, den ich nackt gesehen habe, er war der erste Junge, den ich nackt sehen wollte! Wir waren beide in einem Alter, in dem man seinen Körper entdeckt - dreizehn oder vierzehn, ich weiß es nicht mehr. Es ist lange her. Jedenfalls war es dann eben auch mal so, dass man beim anderen guckte. Und auch mal mehr tat als gucken. Es war komisch, aber ich fand es nicht falsch. Es fühlte sich zwar komisch aber richtig an!

Ihm ging es nicht so. Er lachte es weg - dumme Idee, nur neugierig, finde das seltsam, lass mal nie wieder machen.

Okay, wenn Sven es blöd fand, muss ich es auch blöd finden, dachte sich mein dummes Ich damals. Remember, er war literally mein Vorbild. Das war dann noch mal ein Grund, wieso schwul für mich schlecht war. Idiotisch, ich weiß.

Dann passierte natürlich der Super-Gau in der Roiben-Welt. Sven zog weg. Ich weiß, es ist so Klischee! Aber er ist weggezogen, ich wusste nicht wohin und wir hatten keine Handys. Und wer schreibt schon Briefe??? Also dachte ich, ich hatte meinen besten Freund verloren und irgendwie hatte ich das auch, auch wenn Sven noch nicht durch ist! Der kommt noch mal vor, guys!

Schule war grauenhaft. Ich wurde Tag für Tag aufs Neue gemobbt, meine Noten waren okay, aber könnten besser sein und im Unterricht brachte ich mich schon gar nicht ein. Schule war die Hölle für mich. Jeder war mein Feind. Ich wurde richtig mies drauf. Ich will nicht sagen, dass ich depressiv wurde denn das war ich nie, zum Glück! Ich habe es immer geschafft, mich auf der Schwelle zu halten und nicht in die Depressionen zu rutschen. Natürlich hatte ich depressive Gedanken und spielte mit dem Gedanken, was wohl wäre, wenn ich mir was antun würde, aber habe es nie durchgezogen oder ähnliches.

Weiterhin war es dann aber für mich ein Alter, in dem die Eltern auch neugierig wurden. „Wann hast du denn eine Freundin?"; „Hast du schon ein Mädchen kennengelernt, das du gut findest?"; „Bist du verliebt?" Und natürlich die altbekannte Frage von Oma: „Wann lernen wir denn deine Freundin kennen?"

Spoiler: Gar nicht.

Ich interessierte mich nicht mal mehr für Mädchen. Das war nichts mehr. Jungs waren zwar spannender, aber alle, die ich kannte, waren Idioten. Ein paar von denen sind aber ganz süß...

Tja und da fing es an. Ich dachte es. Ich war dabei, es richtig zu denken. Ich mochte Jungs mehr als Mädchen. Ich guckte im Sport bei den Jungs hin, wenn wir uns umzogen. Ich dachte, das wäre nicht normal und habe es natürlich versteckt. Wenn schon alle fragen, wann ich eine Freundin habe, dann sollte ich jawohl nicht an Mädchen interessiert sein!

Uff, ich weiß. Schreckliche Gedanken. Aber was soll ich sagen? Wenn deine Mitschüler dir jeden Tag die Hölle heißmachen und dann auch noch klarmachen, dass schwul schlecht ist, dann willst du nicht schwul sein. Ist glaube ich verständlich.

Kommen wir zu meiner Mutter. First of all, ich liebe meine Mutter! Echt! Sie ist toll und ich bin ihr wahnsinnig dankbar, dass sie so viel für mich getan hat! Aber sie ist nicht fehlerfrei. Die Beziehung von mir und meiner Mutter war schon immer eng. Ich hab als kleiner Junge ihre Haare gemacht - ich wollte ihr immer Zöpfe und Spangen reinmachen, weil ich das cool fand - und ich hab mit ihr zusammen immer „Nur die Liebe zählt" mit Kai Pflaume geguckt. Kennt das jemand von euch? Das ist so eine ganz schreckliche Sendung in der der gute Kai zwei Liebende über Differenzen hinweg zusammenbringt. Richtig klischeehaft und cheesy, aber meine Mama fand es toll und ich hab es jeden Samstag mit ihr geguckt. Das war immerhin witzig! (In dieser Sendung gab es btw auch nur heterosexuelle Paare, also ein weiterer Faktor der mir unterbewusst gezeigt hat, dass Homosexualität nicht normal war.)

Meine Mutter und ich haben diese Beziehung, wo wir kontinuierlich Witze machen. Wir lachen eigentlich immer und haben so eine „Ich kann dich im Witz beleiden"-Beziehung. Es ist toll, echt. Ich kann zu ihr blöde Kuh sagen und sie weiß, dass ich es nicht ernst meine. Sie nennt mich undankbares Arschloch und ich lache drüber, weil sie es auch tut. Probiert das mal aus, macht Spaß.

Warum ich das jetzt erzähle, hat folgenden Grund: Mütter fragen ihre Söhne, ob sie eine Freundin haben. Wenn der Sohn verneint, dann fragen sie dich im Spaß, ob du denn schwul bist.

Pro Tipp: Macht das nicht.

Ich weiß, dass meine Mutter es nicht böse meinte, aber diese Bemerkung zerstörte mich. Jetzt dachte sogar schon meine eigene Mutter, dass ich schwul war und schwul war doch schlecht! Meine Schulkameraden verpassten keinen Moment, mir das klar zu machen. (Über jemanden zu lachen, der einen Sprachfehler hat und ihn dann noch einen Homo, eine Schwuchtel oder einen Schwanzlutscher zu nennen, hilft im Übrigen nicht, damit dieser sich in seiner Haut wohl fühlt.) Also, was sollte ich denken? Schwul war schlecht und ich war nicht schwul! Ich wollte nicht schwul sein.

Fast forward. Meine Eltern trennten sich und ich zog mit meiner Mutter in die Stadt zurück. Meine Schwester war ausgezogen und ich war das erste Mal im Leben so richtig allein. Doch wie es das Leben so will, gab es einen winzigen Hoffnungsschimmer.

Denn wen sehe ich dort auf dem Balkon gegenüber von meinem Zimmer? Richtig, SVEN! Er und seine Mum haben die Wohnung gegenüber von uns bezogen und wir sind ihnen nichtsahnend hinterhergezogen. Ist das nicht klasse! Ich hatte meinen besten Freund ein weiteres Mal wieder und war nicht mehr allein. Uff, nice!

Und für die erste Zeit war es nice. Wir waren ein bisschen älter und von den Experimenten damals redete keiner von uns. Wir waren immer noch Freunde, aber auch er hatte neue Freunde gefunden. Auf seiner Schule gab es immerhin auch Leute in seinem Alter - oh boy. Das erste Mal machte sich die Eifersucht in mir breit. Ich wollte ihn nicht teilen. Das war immerhin mein Sven. Mein bester Freund!

Also kam es, wie es kommen musste. Ich verlor ihn wieder. Langsamer, dieses Mal. Nicht sofort durch den Umzug, wie zuvor. Meine Gefühle für ihn wurden stärker und je mehr ich für ihn empfand, desto eifersüchtiger wurde ich, wenn er keine Zeit für mich hatte. Die ganze Sache ging ungefähr zwei Jahre so, dann zog er wieder weg und verschwand dieses Mal für immer aus meinem Leben. Seitdem habe ich ihn nicht ein einziges Mal wiedergesehen. Ich glaube, das war mit siebzehn, aber ich bin mit nicht sicher. Auf jeden Fall war er weg. Aber in meinem Kopf war er da.

Sven wollte meinen Kopf nicht verlassen und ich spoiler euch jetzt mal voll was: Ich war so richtig Hals über Kopf in ihn verliebt gewesen und ich Trottel hatte keine Ahnung von nichts. Glaubt ihr echt, ich hätte das gemerkt? Natürlich nicht! Richtig realisiert habe ich das mit zweiundzwanzig. Fünf Jahre später! Tja, da hab ich wohl meinen besten Freund geliebt und es nicht mal gewusst. Funny story, right?

Sie geht weiter.

Realschule ist vorbei, ich hatte bis dato eine einzige Beziehung gehabt - zwei Wochen lang mit einem Mädchen, das jeder hätte haben können. Ja, wie war so eine. Ich judge nicht, sie macht, was sie will, aber es war für mich ein kleines Achievment. Hey, ich hatte eine Freundin und geküsst habe ich sie auch, also kann ich gar nicht schwul sein! (Die Message kam an meine Klassenkameraden nicht an.)

Okay, Abi beginnt. Es war nicht ganz so schrecklich. Eine Menge Leute aus der Realschule sind mit in die neue Klasse gekommen, aber es waren aber auch viele neue Leute da, mit denen ich Fuß fassen konnte. Das Dilemma der Grundschule wiederholte sich: Ich hatte eine beste Freundin und sonst auch nur Mädchen als Freunde, mit der Ausnahme des einen anderen Weirdos, der sich dazu erbarmte, sich mit mir abzugeben.

Also, im Abitur habe ich wahnsinnig viele tolle Freunde gehabt. Junge Menschen, von denen ich mir wünschte, dass ich noch Kontakt mit ihnen hätte. Irgendwie war es mir egal geworden, was die anderen von mir hielten. Ich weiß nicht, wann es passiert ist. Aber es kümmerte mich nicht mehr so sehr, wie zuvor. Ich hatte diese eine Freundin, mit der ich jeden Tag nach der Schule shoppen ging, bis ihr Zug kam und mit der ich über Shopping-Queen reden konnte (Guido Maria, call me!), es war klasse. Diese andere Freundin da war auch klasse. Bei hatte ich das Gefühl, ich könnte richtig ich sein.

Und dann geschah es. Das Undenkbare. Das Unverhinderbare. Ich verliebte mich in sie. In einer RomCom wäre das mein Happy End gewesen aber NEIN! Natürlich nicht. Sie war vergeben. Und schwanger. Uff, guys. The Story got wild!

Sie bekam ich nie, aber das war nicht schlimm. Fast forward again! Abi ist vorbei und ich hab keine Ahnung von nichts. Noch mal fast forward und ich hab meine erste Wohnung und Ausbildung sicher (Spoiler: Das mit der Ausbildung wurde nichts.), aber ich war mal wieder allein. In einer fremden Stadt und noch immer ohne Selbstbewusstsein. Ihr glaubt ja wohl nicht, dass ich Leute ansprechen kann! As if!

Ich wohne jetzt seit knapp drei Jahren allein (das ist toll, I tell ya) aber erst vor ungefähr eineinhalb Jahren habe ich echte Freunde hier gefunden. Bis es jedoch dazukommt und ich endlich damit klar komme, wer ich bin, gibt es noch zwei Zwischenstopps.

Ich meldete mich bei Wattpad an. Also, nicht erst vor drei Jahren, glaube ich, sondern schon etwas länger, aber egal. Über Wattpad lernte ich neue Menschen kennen. In zwei von denen war ich mal wieder verliebt. Beides waren junge Frau, beide 'Beziehungen' gingen nicht gut aus. Die erste hielt nicht mal einen Tag und ging irgendwann in Manipulation über und die zweite hielt immerhin drei Monate, musste dann aber mit beidseitigem Einverständnis und der Entfernung eines ganzes Landes zwischens uns abgebrochen werden. Bis zum heutigen Tage habe ich nicht mehr mit einem Menschen gemacht, als ein bisschen rumzuknutschen (danke dafür, Selbstbewusstsein und alte Klassenkameraden, die alles in dir kaputt machen, ist echt cool).

Dann kam ich Ende 2016 in eine Maßnahme. Ich war arbeitslos und das Amt hatte keine Lust, nur lustlose Bewerbungen von mir zu bekommen, also wurde ich dort hin gesteckt, wo man alle Schulabgänger, Arbeitslosen Jugendlichen und andermögliche Menschen in meinem Alter hinsteckt, wenn man nicht weiß, wohin mit ihnen. In dieser Maßnahme lernte ich also neue Leute kennen. Unter anderem war das ein Junge in meinem Alter. Gerade mal zwei Wochen älter als ich. Genauso groß wie ich. Aber mal wieder das komplette Gegenteil.

Und mit ihm wird alles enden.

Wir nennen ihn für einfaches Erzählen einfach mal Jason. (Ich liebe diesen Namen, uff.) Jason war also ein Typ dort. Mittlerweile ist er nicht mehr da und geht wieder zur Schule und ich könnte nicht stolzer auf ihn sein, aber das ist jetzt nicht damals. Neben Jason waren da noch zwei Mädels. Nennen wir sie Emily und Lily. Die beiden Mädchen sind beste Freundinnen und irgendwie bin ich schuld daran. Denn ohne mich wären die beiden gar nicht richtig in Kontakt gekommen. Aber egal!

Jason. Jason, Jason, Jason. Dieser Typ hat mir die Augen geöffnet und das Herz gebrochen. Es ist also Winter 2016 und ich bin so: „Uff, ich erinnere mich gerade an Sven zurück und ich glaube???? Ich war in den verliebt???" Und alle, die von ihm wussten, waren nur so: „ACH DU DENKST????"

Und ja, das war mein erster Schritt ins Akzeptieren. Akzeptieren, dass ich Sven richtig geliebt habe und richtig am Boden zerstört war, als er gegangen ist. Ich habe den richtig geliebt, okay? Er war mein bester Freund, mein Vorbild und mein einziges Licht in der schrecklichen Schulzeit. Dann war er weg und ich war allein. Ich hatte andere Freunde aber niemand konnte sein Licht ersetzen.

Dann kam Jason.

Jason hat Probleme. Immer noch und wird sie lange haben. Darüber will ich gar nicht reden. Jasons Probleme gehen niemanden von euch etwas an und er hat sie mir im Privaten anvertraut.

Jason war cool. Er war locker und wusste, wer er war. Er war lustig und - was einfach mal krass ist - er fand, ich war lustig und cool. What a wild turn!!

Jason war also extrem cool und ich hatte gerade gecheckt, dass ich Sven geliebt hatte - guess what!!!

Richtig, ich Idiot verliebe mich in ihn. Ganze 20 Tage nach ich ihn kennengelernt habe, checke ich, dass ich mich in ihn verliebt habe. Wie der Idiot der ich bin. Wow, kann mich jemand schlagen? Jason ist nicht gut für mich, das wusste ich, das wusste er, das wussten ALLE!

Immerhin hat Jason Probleme, remember? Er ist destruktiv und Alkoholiker. Er zerstört sich selbst, aber dumm wie ich bin, dachte ich, ich könnte ihn retten. Ich wollte ihn retten. Ich wollte sein Sven sein.

Hat nicht geklappt. Ungefähr einen Monat lang hab ich es ausgehalten, lediglich mit einer Person über Jason zu reden, die ihn nicht persönlich kannte, dann konnte ich nicht mehr. Ich erzählte also erst Emily und dann Lily davon. Lily wusste es bereits - ich starre wohl sehr offensichtlich, aber don't judge, er ist heiß!!! - und sie waren beide sehr angetan von der Vorstellung, dass ich mit ihm zusammen sein würde. But like, ich auch, aber ich war halt so afraid! Ich konnte doch nicht einfach zu einem JUNGEN gehen und ihm SAGEN, dass ich in ihn VERLIEBT bin!!! Das geht doch nicht!

Nur, weil ich jetzt cool damit war, dass ich diese Gefühle hatte, hieß das nicht, dass alle das wissen sollten!!!

Ja, das hat dann auch nicht lange gehalten. Ganze vier Monate lang, dann habe ich all meinen Mut zusammengekratzt und ihm vor dem zweiwöchigen Urlaub gesagt, was Sache ist. Aber nicht so cool, wie alle das machen! Nein!

Es war so: Wir gehen von der Maßnahme nach Hause. Meine Wohnung liegt auf dem Weg. Ich denke mir die ganze Zeit, ich muss es ihm sagen. Jetzt aber. Nein jetzt! Lieber jetzt! Bei dem Schild davorne! Ah, blöd, verpasst, dann beim nächsten.

Ehe ich mich versehe, verabschieden wir uns. Ich gehe traurig und dumm nach Hause und dann überkommt es mich! Wie ein komplett IRRER renne ich los und renne durch Matsch und Schnee und ekligem Zeug ihm hinterher. DAS WAR EIN GANZER KILOMETER OKAY ER GEHT SEHR SCHNELL!

Ich hole ihn aber, sterbe an Atemnot und sage es dann frei raus. „Ich bin in dich verliebt."

In einer RomCom setzt jetzt schöne Musik ein und wir küssen uns. In meiner Realität ist er cool aber bestimmt, als er sagt, dass er nicht so fühlt und hetero ist. Ich Idiot mache mich also mal wieder zum Affen.

ABER! Lustige Sache, genau diese Sache führte dazu, dass Jason und ich besser befreundet waren. Party weil er dachte, ich wäre nur so halbwegs verknallt, partly weil ich hoffte, ihn von mir überzeugen zu können. Wir hängen also mehr ab, werden bessere Freunde, yada, yada. Ich wusste von anderen, dass er Schwierigkeiten hat, sich anderen zu öffnen.

Bis er an diesem einen Tag nicht zur Maßnahme kommt, weil er mal wieder verpennt hat und ich ihm das allererste Mal privat schreibe. Unser Chat führt dazu, dass ich sage, dass er immer zu mir kommen kann, wenn was ist und er einen Beweis dafür will. Also sagt er, wir gehen jetzt ins Kino.

Und wir wollten dann echt ins Kino gehen! Ich bin sofort los, mein Herz raste BIS HIER!! Als ich zu ihm bin und es war surreal. Leider lief kein guter Film also sind wir wieder zurück zu ihm... Emily war auch dabei, ist aber kurz vor Neun wieder nach Hause gegangen. Und ich dachte, das wäre es jetzt.

Aber nein. Ohhhh nein. Denn für Jason begann der Abend erst. Wir tranken ein bisschen mehr Vodka. Er ein bisschen mehr Bier. Und gegen Elf sage ich, ich gehe nach Hause. Wir mussten immerhin am nächsten Tag wieder um Acht in der Maßnahme sein. Jason besteht darauf, mich nach Hause zu bringen. Spoiler: Nein, wir küssen uns nicht, leider...

Wir sind also bei mir, das erste Mal alleine und es ist heiß as fuck, weil mitten im Sommer. Aber statt er wieder nach Hause geht, fangen wir an zu reden. Und reden. Und reden. Und er öffnet sich. Ich bringe ihn dazu, mir von sich und seiner Vergangenheit zu erzählen (von der einfach jeder andere die übelste Depression hätte WTF der Junge hat NERVEN EY) und ich habe ihn so SO kurz davor gebracht, das erste Mal seit zehn oder mehr Jahren zu weinen. Aber nur fast. Ich heule wie ein Schlosshund von seiner Geschichte und darf ihn umarmen.

Jason mag keinen Körperkontakt, aber ich durfte ihn umarmen. Mehrmals!! LANGE! Es war great! Ich hatte zuvor noch nie einen Jungen umarmen dürfen. Und das war nur die Spitze. Denn!!! Zuvor am Abend, als Emily noch bei war, haben wir Bilder gemacht und er wollte, dass ich seine Wange küsse!! AAAAARGHRGRHRGRH *pterodaktylisches Kreischen*

Es ist also fast zwei Uhr morgens und ich habe ihn fast aufgeknackt. Es war toll! Ich sah ihn in einem neuen Licht und das ließ mich ihn nur noch mehr lieben. Ich habe ihn danach wieder nach Hause gebracht und der Abschied war sehr seltsam und ich bin immer noch 10000000% davon überzeugt, dass er mich küssen wollte.

Wir stehen also vor seiner Tür, es ist Nacht, es ist dunkel, ich habe geweint, wir haben geknuddelt, ich kenne ihn besser als zuvor, er ist schon lange nüchtern. Wir stehen also da und er sagt: „Zu einem anderen Zeitpunkt würdest du mich jetzt wahrscheinlich küssen müssen, weil du mich nach Hause gebracht hast."

Und ich war nur so. *dead*

Cool, wie ich aber bin, sage ich: „Soll ich das denn?"

Und ICH SCHWÖRE, seine ANTWORT kam ein bisschen zu spät! Er sagte einfach: „Haha, nein, natürlich nicht", aber es war eben nicht sofort sondern er musste überlegene!! Echt, ich schwöre, ganz ehrlich. Ich glaube eine Million Prozent daran, dass ihm diese Möglichkeit nicht abwegig erschien. Aber letztlich einigten wir uns auf eine weitere Umarmung und er küsste mich auf die Wange. Das letzte Mal, dass ich Jason umarmt habe. Es gab es nur diese eine Nacht von Kontakt. Danach nichts mehr. Das war letztes Jahr im Februar. Über ein Jahr her.

Mein Erfolg musste ausgebaut werden. Ich dachte, ich könnte ihn dazu bringen, sich in mich zu verlieben, wenn ich mich weiter wie der gute Freund benehme, der ich war. Also versuchte ich alles, um ihn zu einem besseren Menschen zu machen. Man dichtete mir schon einen Retterkomplex an, weil ich wohl immer an Leute lande, die ein Problem mit ihrer Sicht auf sich selbst haben und like for real, it's true. Aber Jason war nicht zu knacken. Er blieb eisern und mir gingen die Ideen aus.

Dann ging auch er. Er ging wieder zur Schule und unser täglicher Kontakt ging unter. Mal zu einmal die Woche, dann nur noch einmal im Monat bis jetzt - wir haben seit Januar nicht geschrieben und das auch nur, weil ich mich richtig mies ihm gegenüber verhalten habe.

Ihr seht, ich war noch immer sehr in liebe mit ihm. Soweit, dass ich in meinem Kopf schon sagte „Ich liebe dich". Es war schlimm. Aber er hatte mir das Herz bereits gebrochen! Ich konnte nicht aufhören. Dann bin ich ihm einmal über den Weg gelaufen und das ging nicht gut aus. Ich habe ihn ignoriert und das hat gereicht, damit er mir geschrieben hat. Ich musste alles zugeben.

Ich liebte ihn noch, ich hatte ihn gesehen, ich wollte ihn nicht sehen und er verstand alles falsch! Uff, shit, ich heule gleich wieder...

Er dachte, ich wollte nicht mehr mit ihm befreundet sein und sagte, er freue sich für mich, wenn ich einen Punkt im Leben gefunden habe, auf den ich mich fokussieren kann. Er will sich mir nicht aufdrängen. Und Gott, ich habe ihm seit diesem Tag nicht mehr geschrieben, weil ich ein Feigling bin und mein Herz eine Heilung wollte.

Und es hat geklappt, echt. Früher sind meine Gedanken jeden Tag zu ihm gesprungen. Ich habe immer an ihn gedacht. Ich habe mir seinen Namen auf die Haut gemalt, damit er bei mir war. Es war beinahe krankhaft. Heute denke ich, wenn es hoch kommt, einmal im Monat an ihn. Es ist besser geworden. Ich bin definitiv nicht mehr in ihn verliebt und es tut gut, aber es tut auch weh, weil es erst soweit kommen musste, bis ich richtig loslassen konnte.

Womit ich eigentlich mit dieser ewig langen Geschichte hinwollte: Durch all diese Menschen wurde mein eigenes Ich geformt oder unterdrückt und letztendlich haben mir nur ein paar Leute geholfen, wirklich Ich zu sein.

Sven. Jason. Die einzigen Jungen, in die ich bisher richtig verliebt war. Die beiden haben mir die Augen geöffnet und mich entdecken lassen, dass es okay ist, wenn ich diese Dinge fühle. Und endlich sehe ich das auch selbst so.

Hey, ich bin Roiben und ich verliebe mich in Jungs.

Das war meine Geschichte und das wollte ich aus irgendeinem Grund mit euch teilen. Macht damit, was ihr wollt, es tat wahnsinnig gut, das aufzuschreiben.

(Gaymate, wenn du bis hier gelesen hast: Ich hab dich lieb und ich danke dir für alles, du bist der beste Mensch der Welt!!! DANKE FÜR DIESES TOLLE GAYE MOADBOARD AM ANFANG DES KAPITELS <3)

Mit gayen Grüßen,

Onkel Roiben.

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