The Updside of Unrequited > OneShot

Was geht! Ich hab heute das Buch 'The Upside or Unrequited' von Becky Albertalli durchgelesen und habe es sehr geliebt aber war enttäuscht, weil mein gay-ship nicht gesailed ist, also musste ich die Dinge selber in die Hand nehmen!

Will war irgendwie mein Lieblingscharakter und er kam am Ende gar nicht mehr vor, was ich richtig scheiße fand, also musste ich ihn und Max noch einmal mit in die Geschichte schmuggeln! Ich glaube, ihr könnt den OS auch lesen, wenn ihr das Buch nicht kennt, aber - Spoilergefahr, duh! Also, wenn ihr es noch lesen wollt, vielleicht noch nicht hier mit mir gay shippen!

Den anderen wünsche ich aber viel Spaß! Und lasst mir gerne 1 Kommentar da, das wäre super töfte!

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Theoretisch gesehen waren Will und Max gar nicht auf die Hochzeit eingeladen. Praktisch gesehen sahen sie sich als männliche Begleiter für Mina, die natürlich Cassys Date war. Da sie an diesem lauen Sommerabend sowieso nichts anderes vorgehabt hatten, bot sich die Hochzeit von Cassys und Mollys Eltern geradezu perfekt an. Es würde Musik geben, ausgelassene Stimmung und niemandem würde auffallen, wenn Will ein oder zwei Bier trinken würde.

„Wehe du schießt dich komplett ab", warnte Max ihn, als sie ankamen. Die Zeremonie war schon vorbei und die beiden Bräute gaben wohl gerade den ersten Tanz zur Schau, denn aus einem schicken Plattenspieler dröhnte Musik und alle hatten sich in einen Kreis gestellt, die Stühle zur Seite geschoben und beobachteten die tanzenden Frauen mit glänzenden Augen. Seine Augen fanden Mina, die an Cassys Seite stand und die Han des anderen Mädchens hielt und für einen winzigen Moment zog sich sein Herz zusammen. Dann sah er ihr glückliches Lächeln und der kurze Schmerz verschwand und wurde von einem Gefühl der Freude abgelöst. Er war froh, dass Mina glücklich war. Das zählte für ihn am meisten.

„Keine Sorge", meinte Will und klopfte seinem besten Freund auf die Schulter. „Ich hab eh nicht viel dabei." Er tippte mit dem Finger auf seine, wie Molly sie nannte, 'berühmte Männerhandtasche' und grinste. „Ein bisschen Vodka schadet auch nicht."

Max verdrehte die Augen. „Ich hab keine Lust dich nachher zum Auto schleppen zu müssen. Also pass einfach auf, klar?"

„Ja, ja, Mann, ist ja gut." Will fuhr sich durch die roten Haare und lächelte noch mal. „Ich geh mal Molly suchen."

„Dachte du willst nichts von ihr?", fragte Max und hob eine Augenbraue.

„Tu ich auch nicht", erwiderte er und zuckte mit den Achseln. „Aber Molly ist trotzdem 'ne Freundin, oder? Und immerhin ist das hier die Hochzeit ihrer Eltern, ich finde, da wäre es nur höflich, wenn ich ihr kurz Hi sage."

„Hm. Sicher", brummte Max und ließ seine Augen über der Menge schweifen. Viele waren nicht da, aber es schienen alles enge Bekannte, Freunde und Familienmitglieder von Mollys Eltern sein.

Die Dekoration war hundertprozentig von Molly. Das sah er auf den ersten Blick. Kleine Einmachgläser, die mit bunten Motiven bemalt waren, pastellfarbene Bänder, die sich durch die Bäume im Garten schlangen und LED-Lichter in kleinen Glaskolben, die in den Ästen versteckt waren und nun am aufkommenden Abend so richtig zur Geltung kamen. Es sah aus, als hätte Molly ein Bild aus Pinterest eins zu eins perfekt kopiert und in ihrem Garten zum Leben erweckt.

Er fand sie nach ein paar Minuten, in denen er sich durch die Gäste gedrängt und hier und da mal angehalten hatte, um einen Blick auf die immer noch tanzenden Bräute warf. Er musste schon sagen, er konnte sehen, wo Molly und Cassy ihr Aussehen herhatten. Ihre Mütter waren beide wirkliche Schönheiten. Die Art, wie sie sich ansahen, ließ ihn lächeln und sein Herz etwas schneller schlagen. Wahre Liebe zu finden, musste wundervoll sein.

Molly stand mit ihrem neuen Freund, einem dunkelhäutigen Mädchen und einem Jungen mit schwarzem Wuschelkopf an einem der kleinen Tische und blickte zu ihren Müttern.

„Hey, nette Party", sagte Will und kam neben ihr zu Stehen. Molly sah ziemlich hübsch in ihrem Kleid aus und er konnte verstehen, was Reid an ihr fand. Sie war definitiv ein großartiges Mädchen.

„Will! Oh mein Gott, was machst du denn hier?" Er sah aus dem Augenwinkel wie das dunkelhäutige Mädchen ihn ganz genau betrachtete und grinste.

„Dachte, ich schau mal vorbei. Konnte mir ja wohl schlecht entgehen lassen, wie du Pinterest zum Leben erweckst, oder?" Er blickte Reid kurz an und nickte ihm dann zu. Keine Sorge, ich klau dir dein Mädchen nicht. Wenn er es ihm schon nicht sagen würde, dann könnte er es ihm so zu verstehen geben.

Mollys Wangen wurden ein bisschen dunkler, aber ansonsten ließ sie sich nichts anmerken. Sie lächelte breit. „Oh Gott, das? Ist doch nichts Besonderes!"

„Ah, das sehen alle anders", grinste er. „Nicht wahr?"

„Total", stimmte Reid ihm zu und lächelte schwach. Hinter seinen Brillengläsern funkelten seine Augen. „Das ist unglaublich umwerfend, Molly. Er hat Recht."

„Ach, naja", murmelte sie und scharrte ein bisschen mit den Füßen, konnte aber ihr breites Grinsen nicht verbergen. „Egal, hast du Abby schon kennengelernt?"

„Ich glaube die Ehre hatte ich noch nicht", lächelte er und wandte sich an das andere Mädchen.

„Sehr erfreut", meinte Abby und lächelte wissend. Ihm wurde etwas unwohl bei dem Gedanken, dass Molly sicherlich mit ihr über ihn gesprochen hatte, ließ sich aber nichts anmerken, sondern nahm einfach ihre dargebotene Hand entgegen und schüttelte sie kurz. „Und das ist mein Freund Nick. Wir sind gestern erst aus Georgetown angekommen."

„Wirklich?", fragte er interessiert und schenkte Nick nicht wirklich Beachtung. „Meine Tante wohnt dort, soll ganz hübsch sein."

„Oh, es ist nett, ganz klar, aber irgendwie vermisse ich die große Stadt. Und natürlich meine liebste Molly." Sie drückte Molly kurz an sich und kicherte.

„Lass das!", beschwerte sie sich und strich ihr Kleid glatt.

Die Musik erstarb und Applaus ertönte laut und dröhnend im Garten.

„Oh Gott!", rief Molly aus. „Entschuldigt mich kurz, ich muss den Kuchen mit Cassy holen!" Sie ließ sich kurz von Reid auf die Wange küssen, dann eilte sie ins Haus, dicht gefolgt von ihrer Zwillingsschwester und Mina. Als Mina ihn jedoch erblickte, blieb sie zurück und warf ihm einen fragenden Blick zu.

„War nett, Abby, Reid. Nick." Er nickte den Dreien zu und wandte sich dann um.

„Ebenfalls, Will!", hörte er Abby hinterherrufen und erkannte das Grinsen in ihrer Stimme. Er schüttelte kaum merkbar den Kopf und wischte sich eine rote Strähne aus den Augen.

„Was zum Teufel, Will?", fragte Mina, als er sie erreichte. „Hast du dich echt auf die Hochzeit geschlichen?"

„Reg dich nicht auf, Mina", meinte er. „Ich bin auch Cassys und Mollys Freund, oder? Da kann ich ja wohl mal vorbeischauen, wenn hier 'ne Party läuft."

„Das ist keine Party", zischte Mina und packte ihm am Handgelenk. „Nadine hat dich das letzte Mal gehört, als du dir die Leber um halb vier ausgekotzt hast und die beiden haben hart Anschiss deswegen bekommen."

„Das ist doch schon Wochen her", sagte er und winkte mit der anderen Hand ab. „Da hatte ich eben 'n bisschen viel, na und? Ist ja nicht verboten."

„Rein rechtswirkend gesehen schon!", sagte sie und schlug ihn. „Verdammt, Will, mach das hier nicht kaputt!"

„Komm schon, ich kann mich auch beherrschen."

„Ja, manchmal und tagsüber! Aber jetzt ist Abend und alle anderen werden auch was Trinken. Gott, Will, du hast schon so ein Problem und dann - "

„Mina?" Das war Cassy aus dem Haus. Einen Moment später stand sie mit Molly im Türrahmen und hielt den Griff eines dieser Wagen in der Hand, die in Restaurants immer mit Desserts herumgeschoben werden. Eine riesige Kreation aus Sahne und Blütenblättern aus Marzipan stand darauf und wartete nur darauf, dass sie endlich angeschnitten wurde. Anscheinend hatte Molly ihr schon gesagt, dass er hier war, denn sie schenkte ihm nur ein kurzes Lächeln und wandte sich dann wieder ihrer Freundin zu. „Mina, da bist du. Kannst du aus meiner Tasche den Lippenstift holen? Meiner ist schon ganz verschmiert."

Mina warf noch einen Blick zu Will und zog kurz die Augenbrauen zusammen, dann lächelte sie Cassy zu. „Klar. In deinem Zimmer?"

„Uh-Hu." Nickend schob Cassy den Wagen weiter. Die Gäste machten Platz für sie und Molly und die riesige Torte und gaben Geräusche der Zustimmung von sich. Mina eilte derweil ins Haus und ließ Will wieder alleine zurück. Er seufzte.

Immer dasselbe mit ihr, dachte er sich und öffnete den Verschluss seiner Tasche. Zwei Flaschen lagen dort ganz unschuldig und warteten nur darauf, dass er sie trinken würde. Du hast schon so ein Problem. Minas Worte hallten erneut in seinem Kopf wieder und er knirschte kurz mit den Zähnen. „Scheiß doch auf Mina", murmelte er zu sich selbst und drehte sich mit dem Rücken zu den Feiernden. Die erste Flasche war schnell bis zur Hälfte geleert und er drückte sie schnell zurück in seine Tasche, ehe er sich wieder zu den anderen begab.

Er fing für einen Moment Max' Blick auf und grinste ihn an, dann stieß er mit einem breiten Typen zusammen und kam kurz ins Straucheln.

„Whoops. Sorry, Mann", sagte er und blickte auf. Der Mann sah Abby ziemlich ähnlich, fiel ihm auf.

„Kein Problem, Junge", brummte er, runzelte dann aber die Stirn. Seine Nasenflügel blähten sich zwei Mal kurz auf und er warf ihm einen kritischen Blick zu. Scheiße, dachte er. Er hatte die Pferfferminzkaugummis vergessen. Er lächelte flüchtig und zwängte sich dann an dem breiten Mann vorbei und setzte sich dann an einen der Stühle.

Erneut erfüllte Applaus die Luft, als Nadine und Patty die Torte anschnitten und sich mit den ersten Stücken fütterten. Eine ziemlich alberne Tradition, wie er fand, aber solange sie glücklich dabei waren, beschwerte er sich auch gar nicht.

Will konnte noch einen Blick auf Molly und Reid werfen, die am Rand der Party standen und sich unterhielten, dann sah er Mina und Cassy auf der Tanzfläche, umgeben von anderen glücklichen Paaren, die sich im Kreis drehten und dabei ABBA mitsangen.

Vielleicht war es doch keine gute Idee gewesen, dass er hergekommen war.

Während er bei der ersten Flasche noch leichte Schuldgefühle im Magen verspürte, war die zweite wesentlich angenehmer. Er leerte sie ohne einen Gedanken daran zu verschwenden, was Mina gesagt hatte oder das Max ihn gewarnt hatte. Gerade wollte er auch gar nicht daran denken. Es war eine Hochzeit, er sollte doch Spaß haben, oder nicht?

„Will, verdammte Scheiße", zischte Mina ihn an, als er eine halbe Stunde später fast über sie stolperte. „Wie viel hast du bitte getrunken? Max! Max!", fügte sie lauter hinzu. Sein bester Freund kam sofort aus der Menge getreten, komplett nüchtern und nur leicht verschwitzt. Die dunklen Haare waren feucht und klebten auf seinem Schädel und er hatte diesen gehetzten Blick aufgesetzt, den er immer hatte, wann immer Mina ihn wegen Will rief. Also ziemlich oft.

„Alter", sagte er und legte sofort einen von Wills Armen über seine Schulter. „Du siehst aus wie 'n verdammtes Wrack, Mann? Wie viel hattest du?"

„Nich' viel", murmelte er und musste aufstoßen. Der Geschmack von Vodka und Kotze vermischte sich in seinem Mund und er würgte kurz. „Bäh."

„Kannst du ihn nach Hause bringen? Ich glaube, er kotzt gleich die Büsche voll." Mina rümpfte die Nase, wirkte aber trotzdem besorgt.

„'S waren doch nur swei Bier", sagte Will und unterdrückte einen Schluckauf. „Und vielleicht 'n bisschen von dem Erdbeerschnaps..."

Max stöhnte und hievte sich seinen Arm noch ein bisschen weiter um die Schulter. „Schöne Scheiße, Alter. Ich hab dir gesagt, du sollst aufpassen, Mann. Du hast mir richtig den Abend ruiniert. Ich glaub eine von Mollys Cousine stand voll auf mich."

Irgendwo in seiner Magengegend spürte Will wieder dieses vertraute Ziehen und Stechen, dass immer kam, wenn Max von einer seiner Eroberungen sprach. Seine Finger krallten sich unangenehm fest in das Leder seiner Tasche und er presste kurz die Augen zusammen.

„Ist ja jetzt auch egal", murmelte er und ging einen Schritt. „Ich bring den hier weg, Mina. Sag Molly und Cassy noch was Nettes von uns."

„Mach ich. Ruf an, wenn er Zuhause ist", erwiderte Mina noch und konnte die Sorge nicht ganz aus ihrer Stimme bannen.

Max schleppte Will durch den Garten bis zur Straße und dann auf die andere Seite. Die Geräusche von der Hochzeit wurden leiser und langsam durch das kühle Wehen des Windes und die vorbeifahrenden Autos abgelöst. In der Ferne glitzerte die nächtliche Stadt und er meinte sogar die Metro riechen zu können. Molly wohnte wirklich ziemlich nah an der Metro.

„Komm schon, tu auch mal was", presste Max zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor und mühte sich weiter damit ab, den beinahe schlafenden Will über die Straße zu schleppen. Ab und an verlor er den Halt und ließ seine Füße dann für ein paar Meter über den Boden schleifen. An der Bordsteinkante stolperte er und knallte gegen Max, der ein leises „Uff", von sich gab. Er würde zu Boden gegangen, würde sein Freund ihn nicht stützen. Der vertraute Geruch von Schweiß und Deodorant drang in seine Nase und er musste dümmlich grinsen, als er sich der Nähe bewusstwurde, die sie beide gerade hatten.

„Grins nicht so blöd", grunzte Max und trat ihm gegens Bein. „Steh auf oder ich lass dich liegen."

„Machs' du nich'", erwiderte Will und grinste noch breiter.

„Scheiße, natürlich nicht", meinte Max. „Ich kann dich ja keine fünf Minuten alleine lassen, du Holzkopf."

„Du bist 'n Holzkopf, du Holzkopf", konterte Will lahm und Max lachte kurz.

„Schlagfertig wie eh und je, is' klar." Er hievte Will noch einmal auf seine Schulter und zog ihn dann weiter zu seinem Auto, welches glücklicherweise unter einer leuchtenden Straßenlaterne stand. Mit der Hand, die nicht Will stützte, kramte er seinen Autoschlüssel hervor und entsperrte es mit einem leisen Fiepen.

„Los, rein mit dir. Und wehe du kotzt, dann drück ich dein Gesicht da rein."

„Ich bin doch keine Katze", sagte Will und blickte Max verwirrt an. Dann brach er in schallendes Gelächter aus. „Keine Katze, Ha!"

Max schüttelte einfach nur den Kopf und stieg dann auf der Fahrerseite ein. „Schnall dich an, sonst fahr ich nicht los."

„Nö", sagte Will und verschränkte die Arme.

„Will, ich meins ernst, schnall dich an."

„Ich will aber gar nicht."

„Is' mir doch egal, ob du willst oder nicht, schnall dich an!", sagte Max und sah ihn an.

„Und wenn nicht?", fragte Will und grinste ihn an.

Max seufzte und leckte sich kurz über die Lippen. Ziemlich geschwungene Lippen, fiel Will auf. Er löste seinen bereits eingerasteten Sicherheitsgurt und lehnte sich dann zu Will herüber. „Wie ein Scheißkleinkind, ey", murmelte er und versuchte den Gurt zu fassen zu bekommen. „Mach dich nicht so fett, ich komm nicht – scheiße!", fluchte er, als Will ihn an der Hand fasste und zu sich zog.

„Immer willst du, dass ich mich anschnalle", sagte er und verstärkte seinen Griff um Max' Handgelenk. „Warum?"

„Weil ich keinen Bock hab, deswegen angehalten zu werden", erwiderte Max. „Und jetzt lass mich los oder ich scheuer dir eine, Will."

„Du wirst nie angehalten", sagte Will, ließ ihn nicht los. Er spürte, wie Max' Blut seine Haut erwärmte. „Weil du dich verfickt gut an die Regeln halten kannst."

„Einer muss es ja, oder? Und hör auf mich so anzuatmen, du stinkst nach Erdbeere."

Will pustete ihm ins Gesicht.

„Alter!" Max schaffte es seine Hand zu lösen und setzte sich wieder auf seinem Sitz hin. „Widerlich, ey. Und wenn du es genau wissen willst: Ich will nicht, dass du dich verletzt, wenn ich mal 'nen Unfall bauen sollte, klar? Dafür sind diese Scheißgurte nämlich da. Um dich zu beschützen." Er blickte Will für einen Moment wütend an, dann erweichte seine Miene etwas. „Heulst du, Alter?"

„Was?" Will hob die Hand und fasste sich ins Gesicht. Tatsächlich. Dort hatten salzige Tränen aus seinen Augenwinkel geschlichen und flossen nun seine Wangen herunter. Er leckte sie mit der Zunge weg und wischte sich dann über die Augen. „Nein, Mann. Hatte was im Auge."

„Was ist denn los mit dir? Das ist der dritte Abend in Folge das du dich einfach zulaufen lässt und jetzt - ", fing Max an, aber Will unterbrach ihn.

„Nix is' los", brummte er und wandte den Blick peinlich berührt ab. Er konnte sein Gesicht in der Spiegelung der Scheibe sehen. Er war noch blasser als sonst.

„Du kannst mit mir reden, oder, Alter? Das weißt du. Du musst nicht einfach nur Trinken." Max' Stimme klang in diesem kleinen Autoinnenraum viel klarer und viel dröhnender, als er sie je wahrgenommen hatte. Sie war tief und hatte einen beruhigenden Bassklang. Will assoziierte etliche Stunden in Minas Keller mit dieser Stimme, die sie mit Videospielen und Bier verbracht hatten. Mit nächtlichen Ausflügen in die Stadt, mit Parkbänken und dem Geschmack von Alkohol auf seiner Zunge. Mit lauter Musik und ruhigen Zimmern. Mit Abenden wie diesem. Mit perfekten Sommernächten und unausgesprochenen Gesprächen, die nur in seinem Kopf stattgefunden hatten. Mit seinen Träumen, die er nie jemanden erzählte.

„Weiß ich", murmelte Will und griff dann langsam nach dem Sicherheitsgurt. Mit dem vertrauten Klicken sicherte er sich ab und blickte Max dann an. „Besser?"

Max schnaubte kurz lachend auf und nickte. „Wesentlich besser. Falls du kotzen musst, sag Bescheid."

„Mir geht's gut", sagte er und vielleicht glaubte er es für einen Moment selbst, weil er mittlerweile so gut darin war, das vorzuspielen.

„Schön." Max startet den Motor und parkte aus. Er ließ sein Fenster einen spaltbreit herunter und warf Will dann noch einen kurzen Blick zu, ehe er dann weiter die Straße entlangfuhr.

Aus den Augenwinkeln konnte Will immer wieder sehen, wie Max' Hand das Lenkrad oder den Schaltknüppel bediente und wie er in perfekter Manier in die Kurven fuhr, ohne zu schlingern. Er biss sich auf die Zunge und versuchte den Gedanken herunterzuwürgen, der gerade in ihm aufkam. Es funktionierte nicht und er wandte den Blick aus dem Fenster.

Zwanzig Minuten später hatten sie die Downtown hinter sich gelassen und Will atmete auf. Die vorbeirasendenen Lichter der Laternen und anderen Wagen hatten ihn ganz verrückt gemacht und sich als brennende Streifen auf seiner Netzhaut eingearbeitet, sodass er die Augen geschlossen gehalten und sich mit der Hand in den Sitz gekrallt hatte.

Langsam spürte er, wie der Effekt des Alkohols seinen Körper verließ und seine Gedanken wieder langsamer wurden. Er fand plötzlich die Stimme der Radiomoderatorin nicht mehr zum Schießen komisch. Und auch Max' Haare waren plötzlich nicht mehr ganz so lustig.

Stattdessen wurde es trüb. In ihm.

„Wir sind da." Max' Stimme klang wieder klar in seinen Ohren und Will blickte ihn an. Er ließ den Motor absterben und lächelte dann schief. „Sag mir bitte, dass du deinen Schlüssel dabeihast."

Er wartete nicht auf eine Antwort, sondern stieg aus und joggte um das Fahrzeug herum. Max öffnete die Beifahrertür und griff um Will herum, um den Gurt zu lösen. Dabei konnte er seinen Geruch wieder deutlich wahrnehmen und nicht nur das. Irgendwie spürte Will Max. Er spürte, dass er nah war. Seine Existenz drückte auf ihn ein, wie die Last von Wasser, wenn er tief tauchte. Und in diesem Moment, in dem er von Max erdrückt wurde, schaltete sich sein Gehirn einfach aus.

Er griff nach Max' Hand, die den Gurt gelöst hatte und dieser ließ ihn los. Sirrend flog er zurück und streifte seinen Arm.

„Was denn jetzt schon wieder?", fragte Max mit einem genervten Seufzen.

„Ich will dich küssen", sagte Will und erkannte seine eigene Stimme nicht wieder. „Genau jetzt. Scheiße, Mann, ich will dich gerade so sehr küssen."

Max' Gesicht änderte die Farbe schneller als eine Verkehrsampel und er versuchte seine Hand aus Wills Griff zu lösen. „Was laberst du da, Alter?", fragte er mit einem nervösen Zucken in der Stimme. „Du bist ja komplett besoffen."

Will schüttelte den Kopf und drückte seine Finger noch fester auf Max' Haut. Er spürte ihn noch mehr. „Ich bin kaum noch voll", sagte er und zog an Max' Hand. „Außerdem... keine Ahnung. Ich will dich einfach küssen."

„Du hast keine Ahnung, was du redest, Alter", erwiderte Max und versuchte ihn hochzuziehen. „Jetzt komm, dein Bett wartet und Mina dreht bestimmt schon halb durch, weil ich mich noch nicht gemeldet hab."

„Mina hier, Mina da", knurrte er und kniff in seine Hand. „Kann es einmal nicht nur um Mina gehen? Mina hat Cassy bekommen, schön! Mina hat tolle Eltern, schön! Mina hat das und das und das und das und das, verfickt schön!", rief er. „Und was hab ich? Nichts. Ich hab nicht mal... nicht mal dich."

Max schluckte sichtbar. „Hey, was ist denn überhaupt los?", fragte er zaghaft und Will sah ihn an, die Augen verärgert geweitet.

„Hast du es immer noch nicht gecheckt?", knurrte er erneut und stieg aus dem Auto. Immer, wenn er direkt vor Max stand, fühlte er sich klein und unbedeutend. Aber jetzt fühlte er sich das erste Mal offen und mutig und stark und er wollte dieses Euphoriegefühl nicht verlieren. Er wollte nicht mehr nur zurückstecken müssen. Dieses Mal wollte er das haben, was er schon so lange begehrte und niemals niemanden sagen würde. Max.

„Scheiße Mann, du bist total dicht. Hast du gekifft, oder was?", fragte Max und Will hatte das Verlangen ihn zu schütteln, weil er nichts verstand. „Und was hat das bitte mit Mina zu tun? Du weißt doch, dass sie - "

„Kann es eine verdammte Minute mal nicht um Scheiß-Mina gehen?", fragte er laut und ließ Max' Hand los, um seine eigenen aufgeregt in die Luft zu werfen. „Kann das hier mal nur um uns gehen? Wir sind mehr als nur Mina mit ihren Freunden. Oder Mina mit den Jungs. Oder Mina und ihre Begleiter! Fick sie doch einfach mal und hör mir zu!"

Max blickte ihn verwundert an, sagte aber nichts mehr.

„Weißt du, wie scheiße es ist, das zu sehen? Wie Mina jetzt glücklich mit Cassy ist? Am Anfang hab ich mich ja echt für sie gefreut aber dann war ich mit Molly auf der Party und wir haben die beiden rumknutschen sehen und ich hab mich so... kaputt gefühlt. Und ich dachte, es wäre, weil ich Mina einfach nur liebe, weißt du, aber so ist das gar nicht. Es ist verdammt toll für sie, dass sie Cassy hat und dass die beiden glücklich sind und all die Scheiße, aber ich bin... scheiße, ich bin irgendwie einfach eifersüchtig. Ich will das auch. Ich will auch..."

„Glücklich sein?", beendete Max den Satz und Will spürte, sie seine Augenwinkel wieder anfingen zu brennen. „Ich dachte immer, du stehst auf sie..."

„Tu ich doch auch. Irgendwie. Aber... verdammt, keine Ahnung, Mann, ich hab das nur für dumme Träume und idiotische Gedanken um Mitternacht gehalten, aber ich steht nicht nur auf Mina, okay?"

Max verlagerte sein Gewicht von einem Fuß auf den anderen. Die Luft war frisch und kühl, aber Will schwitzte in seinem dünnen Hemd. Sein Gesicht war rot und glänzte. „Auf wen sonst? Doch Molly? Da hast du deine Chance vertan, Alter."

„Gott, du bist so hohl", stöhnte Will und trat einen Schritt auf ihn zu, sowie Molly es vor so unendlichen Wochen bei ihm getan hatte. Er konnte ihr Gesicht noch immer vor sich sehen, hoffnungsvoll und dann komplett niedergeschlagen, besiegt, verloren. Er musste sie abweisen, hatte er sich eingeredet. Er wollte sie nicht verletzten. Und dann hatte er sich nur wieder verletzt. „Wie hast du deinen Abschluss überhaupt geschafft?" Er trat noch einen Schritt auf ihn zu und drückte ihm nun eine Hand gegen die Brust. Will konnte Max' Herz schwer schlagen spüren. Dieses Herz, dem er sich so verbunden fühlte und einfach nicht wusste, warum und wieso genau jetzt.

„Es ist nicht Molly. Oder Cassy. Oder Olivia oder sonst ein anderes Mädchen." Er schluckte seine aufkeimende Angst herunter und verkeilte seinen Blick mit dem von Max. „Du bist es, verdammt."

Max schluckte erneut. „I-Ich? Du bist - ?"

„Keine Ahnung! Ich hab doch keine Ahnung und es ist mir auch vollkommen egal, denn weißt du, im Moment weiß ich, dass ich dich will aber nicht haben kann und das tötet mich." Wills Atem zitterte. Seine Hand verkrampfte sich. Und seine Knie wurden weich.

„Aber... du hast nie...", sagte Max und unterbrach sich selbst. „Wirklich ich?", fragte er dann und seine Stimme klang ein bisschen höher und aufgeregter als noch im Auto.

„Natürlich du", lachte Will und wollte diesen Idioten vor sich schlagen und küssen. Am besten gleichzeitig. „Du willst immer, dass ich auf mich aufpassen. Dass ich mich anschnalle. Dass ich mir Mühe gebe. Mich gesünder ernähre. Nicht so viel trinke. Mehr unter Leute gehe. Lache. Lebe!"

„Ja, weil ich – also... weil..." Max' Stimme versagte wieder.

„Ja, wieso überhaupt? Ich bin nicht der, den man auf die eine rosige Zukunft loslässt. Ich bin der, der von seinen Eltern noch mit fünfundzwanzig Geld schnorren wird und es dann für Alkohol ausgibt. Ich bin der Versager. Mina hat ihre tolle Uni, auf die sie bald geht. Du hast drei Jobzusagen. Ich? Hab nichts."

„Du bist kein Versager", sagte Max sanft, was so gar nicht zu seinem grobschlächtigen Aussehen passte. „Ich finde, dass du wirklich unglaublich bist."

„Das hat noch keiner gesagt", erwiderte Will und lachte schmerzhaft.

„Dann bin ich eben der erste. Du bist unglaublich und wenn du es nicht siehst, dann glaub mir, ich sehe es. Jeden verdammten Tag, den wir zusammen verbringen. Und - " Er hob eine Hand und legte sie auf die von Will, die dieser auf seine Brust gelegt hatte. „Und weißt du was? Es ist mir egal, was du bist. Oder ob du irgendeine Tumblr-Sexualität hast. Oder ob du nun Molly oder Mina magst." Er grinste. „Solange du dich in meinem Auto anschnallst ist alles gut."

Will grinste ebenfalls, lachte kurz und schloss dann die Augen. „Du verdammter Wichser", murmelte er und lehnte sich vor. Seine Stirn berührte die von Max.

„Ich dich auch", sagte er.

Und vielleicht musste er ihn noch gar nicht küssen.

Vielleicht reichte es, wenn er sich vorerst von alleine anschnallte.

Vielleicht würde dann alles gut enden.

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