Kapitel 2
Der nächste Tag ist grau und regnerisch. Also wage ich mich für einige Minuten nach draußen, um dem Bäcker einen kurzen Besuch abzustatten. Solange Angelika und ich in diesem Dorf Halt machen, möchte ich dem Mädchen so viel Hilfe leisten, wie es mir nur möglich ist. Da Angelika es nicht mag, tagsüber unseren Unterschlupf zu verlassen, habe ich genug Zeit für mich. Während unserer ersten Tage ohne Seelen hatte sie sich in die Sonne gewagt und hätte dafür sogar mit ihrem Leben bezahlen müssen, wäre ich ihr nicht zur Hilfe geeilt. Ich schätze, nun fürchtet sie sich vor dem Tag.
Ich betrete die Bäckerei. Mir strömt Wärme und das Geruch von frischem Brot entgegen. Das Mädchen empfängt mich mit einem fröhlichen Lächeln und ich ertappe mich dabei, dass ich selbst lächle.
“Ich hätte gern vier Brote.“, bitte ich.
Das Mädchen sieht mich verwundert an. “Du musst eine große Familie haben.“
Ich nicke ausweichend.
“Vater! Unser Kunde wünscht sich vier Brote!“, ruft sie nach hinten in den Flur.
Ein tiefes überraschtes Lachen erklingt. “Wird gemacht!“
Es fängt an zu poltern.
“Dein Vater scheint zufrieden zu sein. “, bemerke ich.
“Es passiert nicht oft, dass vier Brote auf einmal bestellt werden.“, erklärt sie. “Das Backen wird einige Zeit dauern. Ich rate dir, ein wenig spazieren zu gehen, solange das Wetter noch einigermaßen gut ist.“
Ich winke ab. “Ich warte lieber hier. Ich möchte nicht plötzlich vom Regen erwischt werden.“ Ich gehe zur Wand und setze mich, an sie gelehnt, auf den Boden.
Das Mädchen geht um den hohen Tresen herum und setzt sich zu mir. “Mein Name ist Alicia.“ Sie mustert mich interessiert. “Ich habe dich davor nie im Dorf gesehen. Wie heißt du?“
Solch eine Feststellung habe ich schon oft hören müssen. Und die Antwort darauf ist nicht einmal eine Lüge.
“Ich heiße Joshua. Meine Schwester und ich sind waise und wandern deshalb durch Dörfer und Städte. In zwei Wochen wollen wir wieder abreisen.“
Ein Ausdruck des Mitleids breiter sich auf ihrem Gesicht aus. Doch dann lächelt sie. “Wozu brauchst du dann so viele Brote? Sie werden doch hart, ehe ihr sie aufzuessen schafft. Wofür gibst du so viel Geld aus?“
Ich lächle zurück. “Vertraue mir, wir werden das schaffen. Ich habe noch nie so ein leckeres Brot gekostet.“
Selbstverständlich habe ich ihr Brot nicht in den Mund genommen, doch ich möchte dem Mädchen einfach gut tun.
Alicia wird rot und lacht. “Du willst mir doch nur schmeicheln. Deine Worte können keinesfalls der Wahrheit entsprechen, Joshua!“
Es gefällt mir, wie der Name aus ihrem Munde klingt. Sie spricht ihn sanft und schüchtern aus, nicht so hochmütig und abweisend wie Angelika.
“Natürlich ist das die Wahrheit!“, erwidere ich überzeugt.
Sie lächelt glücklich. Dann weiten sich ihre Augen und sie fasst nach meiner Hand. Ihr müsste wohl eine Idee eingefallen sein.
“Soll ich dir zeigen, wie wir das Brot machen?“, schlägt sie motiviert vor. “Dann wirst du später selbst eins machen und es jemandem zur Probe geben können. Sie werden merken, dass wir die beste Bäckerei des Landes sind, und unsere Kunden werden kein Ende mehr finden! Dann werden wir endlich genug Geld für die Medizin meines Bruders haben und er wird wieder gesund!“
Voller kindlicher Begeisterung springt sie auf und versucht, mich auf die Beine zu ziehen.
“Komm schon, Joshua, Brote backen ist ganz einfach, du wirst es sehen.“
Lachend erhebe ich mich und lasse mich von ihr hinter den Tresen bringen. Wir gehen den kurzen Flur entlang und gelangen in eine Küche. Hier drin ist es noch wärmer und weißer Mehlstaub fliegt in der Luft. Erst jetzt kommen Alicias Worte bei mir an. Ihr Bruder ist krank. Wenn er, so wie meine Mutter, unter der Pest leidet, dann wird auch sie krank werden. Das ganze Dorf könnte sterben.
Mein Blick wandert besorgt durch den Raum und ich bemerke den Mann mir gegenüber. Er ist groß, kräftig und lächelt mich breit an.
“Na wen haben wir denn da? Alicia, möchtest du mir nicht unseren Gast vorstellen?“
Das Mädchen erklärt ihm, wer ich bin, und erzählt von ihrer Idee. Ich kann es nicht anders, als in den Kopf des Mannes einzudringen. Er bemitleidet seine Tochter. Er weiß, dass sein Sohn nicht zu retten ist und Alicia sich nur falsche Hoffnungen macht. Aber er möchte ihr die grausame Wahrheit nicht klarmachen.
Ich ziehe mich aus seinen Gedanken zurück und sehe, wir er mir zuwinkt.
“Komm her, Joshua, ich zeige dir, wie man gute Brote macht.“
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