65. Kapitel - Violet

Violet Elaine Craig

Emil beim Schlafen zuzusehen, ist wieder einmal unheimlich entspannend. Wir haben gleich Mitternacht, aber Ash ist noch nicht wieder hier. Er hat mir geschrieben, dass er auf dem Weg ist, lange wird es also nicht mehr dauern, aber noch bin ich hier allein mit Emil. Zu gern würde ich mich zu ihm legen und schlafen, aber ich kann nicht. Vor über einer Stunde habe ich es schon mal versucht, bin aber nur wenig später wieder aufgewacht.

Ich weiß nicht warum, aber ich brenne darauf, Ash wieder zu sehen. Das heißt, ich freue mich nicht nur, wie schon die letzten Tage, ich sehne mich regelrecht nach ihm.

Vorhin, als ich hergekommen bin und Jennifer aufgetaucht ist, war ich kurz neben der Spur. Ash hat mich mit seinem Kuss und seiner Umarmung wieder zurückgeholt und mir versichert, dass alles in Ordnung ist. Seitdem muss ich immer wieder daran denken. Seine Küsse und seine Berührungen, sind jetzt irgendwie anders.

Die Küsse im Schwimmbad und als Emil Fieber hatte, waren schön, romantisch und einfach nur aufregend. Seitdem wir zusammen sind, wenn auch nur formell, hat sich das geändert. Vor allem aber in den letzten beiden Tagen. Unser kleines Abenteuer gestern Abend war das Resultat. Ich verstehe immer noch nicht, warum ich das gemacht habe. Normalerweise bin ich überhaupt nicht so. Luca musste jeden einzelnen Schritt auf mich zu gehen, ich bin ihm nie entgegengekommen, weil ich bei dem Thema Nähe und Sex einfach extrem zurückhaltend bin. Bei Ash bin ich es irgendwie nicht. Zumindest nicht so sehr und das ist komisch.

Er ist älter als ich, definitiv erfahrener in Beziehungen und allem, was dazu gehört. Ich kann nicht glauben, dass ich ihm wirklich gefalle, so rein körperlich betrachtet, aber das hat mich nicht daran gehindert, ihm das Shirt auszuziehen. Diese ganze Sache gestern ging nur von mir aus und wenn ich jetzt darüber nachdenke, kann ich nicht glauben, dass das wirklich passiert ist.

Bei Luca bin ich vor jedem Kuss sicher gegangen, dass es in Ordnung ist, dass er das auch will. Wenn ich dagegen Ash küssen will und wir allein sind, dann mache ich das einfach. Dabei weiß ich gar nicht, ob das in Ordnung ist. Aber ich kann ihn auch nicht einfach fragen. Das wäre viel zu peinlich.

>Hey<, höre ich seine Stimme ganz leise, sehe auf. Ich habe nicht mitbekommen, dass Ash nach Hause gekommen ist und laufe auf der Stelle hoch rot an. Es ist ein Segen, dass er meine Gedanken nicht lesen kann. >Willst du bei mir schlafen?<, will er wissen und ich muss schlucken. Selbstverständlich will ich das, aber ob das klug ist, weiß ich nicht. Vermutlich aber nicht. >Nur schlafen, mehr nicht. Ich bin tot müde<, erklärt er leise, ein entspanntes Lächeln im Gesicht und tatsächlich nicke ich. Ich möchte bei ihm sein.

Langsam stehe ich auf, versuche Emil nicht zu wecken und verlasse dann das Gästezimmer. Ash schließt leise die Tür, dann begleitet er mich in sein Schalzimmer, schaltet das Licht an und zieht sich sein Shirt über den Kopf. Automatisch huscht mein Blick zu seinem trainierten, leicht gebräunten Körper und ich ermahne mich, nicht zu starren. Was, wie immer, ausgesprochen schwierig ist, aber es klappt zumindest halbwegs. Denn nun sehe ich wehmütig dabei zu, wie er zu der Wäschetonne neben dem Kleiderschrank geht, traue mich aber nicht, etwas zu sagen. Vermutlich ist das auch viel zu kindisch. >Willst du es haben?< Überrascht sehe ich zu ihm auf. Er lächelt leicht, hält sein Shirt noch in der Hand.
>Ja<, gebe ich zu und er bringt es mir, dann legt er einen Finger an mein Kinn, hebt es an, damit ich ihn ansehe.

>Du kannst immer gern fragen. Ich finde es schön, dass du solche Dinge magst.< Ich will etwas sagen, zwar weiß ich noch nicht was, aber das erübrigt sich auch, als er mich küsst. Nur ganz sanft, beinahe vorsichtig und doch vergesse ich, wie man spricht. Wenn er mich Tagsüber küsst, wie heute Mittag, dann ist das schön, aber jetzt ist es atemberaubend. Das liegt nicht nur daran, dass es mitten in der Nacht ist, sondern vor allem daran, dass er halb nackt vor mir steht und wir uns direkt neben seinem Bett befinden. Es kann alles Mögliche passieren. Heute Mittag war der Verlauf klar, aber jetzt liegt es an uns beiden, was passieren wird und was nicht.

>Ash<, entfährt mir ein leises Seufzen, dann packt er plötzlich meine Taille, zieht mich eng an sich. Sein Shirt fällt zu Boden, denn auch meine Hände sind mit wichtigeren Dingen beschäftigt. Ich lehne an seiner Brust, spüre die Wärme durch mein Oberteil und ich will, dass nichts mehr zwischen uns ist. Aber ich traue mich auch nicht, mich von ihm zu lösen und es auszuziehen.

Er löst sich von meinen Lippen, küsst meine Wange, dann meinen Hals. Dabei wandern seine Hände unter meinem Oberteil nach oben, halten erst, als sie meinen BH erreichen. Mein Herz schlägt ganz schnell, meine Hände streichen über seine Arme. Es ergibt keinen Sinn, dass ich schon wieder in so einer Situation bin. Zurückhaltung ist etwas anderes, aber ich bin hier und ich will nirgendwo anders sein. Er saugt leicht an meinem Hals, sorgt für eine ordentliche Gänsehaut und ich kann spüren, wie seine Muskeln spielen.

>Ich würde zu gern weiter machen<, flüstert er leise, dicht an meinem Ohr, lässt seine Daumen ganz sanft an dem unteren Rand von meinem BH entlang fahren. >Aber wir sollten aufhören.< Stumm nicke ich, gehe aber nicht weg. Er hat Recht, also theoretisch, wir sollten aufhören, aber ich will nicht. Er soll weiter machen, ich will noch viel mehr Schmetterlinge in meinem Bauch haben. Und ich will auch noch etwas anderes, aber das geht nicht. Dafür ist es viel, viel zu früh.

Seine schönen, blauen Augen mustern mein Gesicht, dann lächelt er. Ich habe ihm nie gesagt, wie gut er aussieht. Das werde ich vermutlich auch nie machen, aber das ändert nichts daran. Ash ist ein sehr attraktiver Mann, in mehr als nur einer Hinsicht.

>Also gehen wir schlafen?<, frage ich nach, nur um sicher zu gehen, dass er es ernst meint. Obwohl das durchaus klar ist. Es ist schließlich auch die einzig sinnvolle Option.

>Ja, das sollten wir<, sagt er leise, geht aber noch immer nicht weg.

-----

Am nächsten Morgen finde ich mich in den Armen von Ash wieder und kann nicht anders, als glücklich zu lächeln. Nur wenige Sekunden später registriere ich dann, dass da auch jemanden in meinen Armen liegt und tatsächlich liegt Emil vor mir, als ich meine Augen öffne. Er hat sich an mich gekuschelt, mit dem Rücken zu mir, umklammert meinen Arm mit seinen kleinen, weichen Händen. Wir liegen hier wie eine Familie und das lässt mein Herz höher schlagen. Dieser Gedanke ist einfach wunderschön.

Irgendwann will ich eine Familie mit Ash, glaube ich. Zumindest kann ich mir das gut vorstellen und wir alle könnten jeden Morgen so glücklich aufwachen, wie ich es jetzt bin.

Ash scheint auch wach zu sein, denn er beginnt, sanfte Küsse auf meiner Schulter zu verteilen, bis er den Kopf so weit gehoben hat, dass er Emil sehen kann.

>Und ich dachte, ich hätte dich noch ein paar Minuten ganz für mich<, flüstert er leise, legt sich wieder hin.

>Du hattest sie schon die ganze Nacht<, beschwert sich Emil, dreht sich zu uns um. Ich dachte nicht, dass er schon wach ist. >Das ist gemein. Vio ist mein Kindermädchen, nicht deins<, stellt er klar, lässt uns beide lachen.

>Du bist also wach und belauschst uns, ja?<, versucht Ash zu kontern, aber Emil lässt sich nicht klein kriegen.

>Ich habe gar nicht gelauscht. Wenn Vio bei dir schlafen darf, dann darf ich das auch<, stellt er klar, klettert aus dem Bett. >Machst du Frühstück?<, will er dann von mir wissen, diesmal klingt er allerdings weitaus freundlicher.

>Natürlich, ich fange gleich damit an.< Er nickt zufrieden, dann umrundet er das Bett und Ash lässt mich los, um ihn dabei zu beobachten.

>Komm, wir müssen den Tisch decken<, erklärt Emil, nimmt sich eine Hand von Ash und versucht ihn aus dem Bett zu ziehen. >Wenn Vio das Frühstück macht, müssen wir auch was machen.<

>Du wirst mal ein richtiger Gentleman<, stellt Ash fest und steht tatsächlich auf. >Bis gleich<, verabschiedet er sich von mir mit einem warmen Lächeln, dann holt er sich ein frisches Shirt und folgt Emil aus seinem Schlafzimmer.

Es ist ein bisschen schade, dass Ash nicht mehr an meinem Rücken liegt und mich wärmt, aber es ist auch schön, dass Emil uns aus dem Bett geholt hat.

Ich weiß im Moment nicht, wie ich mich verhalten soll. Es ist wirklich schön, wenn wir uns küssen und berühren, aber ich bin mir nicht sicher, ob es nicht doch ein bisschen zu schnell geht. Seitdem wir zusammen sind, steigert sich das alles ziemlich rasant. Das ist schön, verunsichert mich aber auch. Immerhin ist seitdem erst eine Woche vergangen und wir stehen mehr oder weniger immer wieder kurz davor, miteinander zu schlafen. Dafür ist es eigentlich noch viel zu früh, falls ich mich überhaupt dazu durchringen kann. Da ist noch immer sehr viel Unsicherheit, die ich überwinden müsste, um so weit zu gehen.

Es fällt mir nicht so leicht, mich darauf einzustellen und ich verstehe auch nicht, warum mir das so gut gefällt. Er löscht auch weiterhin die Stimme der Vernunft in mir aus, wenn er in meiner Nähe ist und das ist nicht gut. Ich will nicht, dass wir wieder damit aufhören oder so, aber wenn es geht, will ich das Tempo ein bisschen runter schrauben. Wir haben schließlich Zeit. Zumal ich manchmal immer noch nicht verstehe, warum wir uns so sehr mögen.

Ich bin für ihn noch ein Teenager, nicht halb so erwachsen wie er und ich kann nicht behaupten, dass ich mich mit ihm immer auf Augenhöhe unterhalten kann. Also zwischenmenschlich schon, er behandelt mich nicht wie ein Kind oder so, aber ich merke durchaus immer wieder, dass sieben Jahre kein sehr kleiner Altersunterschied sind. Er weiß so viel Mehr über die Welt, hat mehr Erfahrung in einfach allem, da fühle ich mich manchmal wirklich noch sehr jung. Alles, was ich kenne, ist die Schule und meine Freunde.

Ash dagegen steht schon längst mit beiden Beinen im Leben, hat einen Job, ein eigenes Haus und auch einen Plan für seine Zukunft. Ich dagegen weiß noch rein gar nichts über das, was nach der Schule kommen soll. Abgesehen davon, dass ich meine Zukunft sehr gern mit ihm verbringen würde.

Seufzend reibe ich mir das Gesicht, klettere aus dem Bett. Es mag sein, dass mein Kopf bei der ganzen Sache nicht so wirklich mitkommt, aber mein Herz hat bei dem Thema sowieso schon sehr lange die Führung übernommen. Wenn es bei Ash auch so ist, dass sein Herz den Ton angibt, ist das vielleicht auch alles gar nicht so wichtig. Und da er Lehrer werden will, aber mit mir zusammen ist, scheint sein Herz zumindest eine sehr große Rolle zu spielen. Vermutlich eine wesentlich größere, als sein Verstand, also ganz genau so wie bei mir. 

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top