63. Kapitel - Violet

Violet Elaine Craig

Das Wochenende steht vor der Tür, endlich. Freitage gehen zum Glück immer schnell rum, der Unterricht war heute auch ganz in Ordnung und Michael habe ich einfach immer ignoriert, wenn er versucht hat, mich anzusprechen. Er war nicht so arrogant wie gestern, nur nervig, aber damit kann ich leben. Irgendwann hört er schon auf damit.

Heute Abend bringt June meinen kleinen Engel zu Ash und dann kann ich mindestens achtundvierzig Stunden lang Zeit mit ihm verbringen. Meine Zwischenblutung ist auch schon wieder vorbei, das bedeutet, ich kann ganz unbesorgt die ganze Zeit bei Ash bleiben. Also fast, zum Duschen muss ich immer noch nach Hause gehen.

Nicht unbedingt, weil es peinlich ist, bei einem erwachsenen Mann zu duschen und sich allein der Gedanke, bei ihm zu Hause nackt zu sein, komisch anfühlt. Sondern hauptsächlich deshalb, weil ich nicht einfach so Klamotten mitnehmen kann, ohne, dass das zu Hause auffällt.

Das alles ist wie ein Traum und lässt mich die Sorgen der Woche hoffentlich weitestgehend vergessen. Wobei ich am Wochenende dann noch Mal zu Scarlet will, aber vielleicht kommen Ash und Emil mit. Ash hätte ich auf jeden Fall sehr gern dabei. Zwar hat Scarlet am Samstag Geburtstag, aber sie macht sich nicht viel daraus, deshalb wird immer nur der von Maja gefeiert.

>Was machst du am Wochenende?<, will Tina von mir wissen, sieht dabei Tristan nach. Wir haben eben erst das Schulgebäude verlassen und uns verabschiedet, jetzt gehen wir den üblichen Weg zusammen nach Hause, bis sich unsere Wege womöglich trennen.

Tristan ist mit Sam schon vor gegangen. Die beiden wollen auf den Bolzplatz gehen, weshalb Tina und ich überlegen, womit wir die nächsten beiden Stunden verbringen. Ob wir jeweils nach Haus gehen, oder noch etwas unternehmen, steht noch nicht fest.

Sie weiß schon, dass ich gegen fünf nach Hause muss, damit ich mich umziehen kann, bevor ich zum Babysitten verabredet bin. Zwar habe ich noch keine genaue Uhrzeit, aber so wird es auf jeden Fall nicht hektisch.

>Babysitten. Das ganze Wochenende, bis auf ein paar Stunden bei meiner Schwester, zumindest ist es bis jetzt so geplant.< Sie löst den Blick von Tristan, sieht nun zu mir.

>Das war kein Scherz?<, hakt sie nach und ich schüttle den Kopf. >Dann gehen wir jetzt zu mir. Ich muss dir noch was erzählen und wenn du morgen keine Zeit hast, machen wir das jetzt.<

>Moment mal<, bitte ich sie, nehme ihre Hand, damit sie stehen bleibt und mich ansieht. >Ich habe immer Zeit für dich, okay? Wenn es in irgendeiner Weise wichtig für dich ist, kann ich auch morgen zu dir kommen.< Sie lächelt, zieht mich mit sich, weiter in die Richtung, in welcher sie wohnt.

>Das weiß ich doch, aber es geht eigentlich auch heute schon. Falls ich dich morgen trotzdem brauche, rufe ich dich an, keine Sorge<, versichert sie mir und ich lasse mich bereitwillig von ihr mitziehen. >Tristan und ich, wir haben morgen unser erstes, richtiges Date<, verkündet sie, ein glückliches Lächeln im Gesicht.

>Was? Wann? Wo? Was ist geplant?<, will ich sofort wissen, bin selbst ganz aufgeregt, obwohl ich damit nichts zu tun habe und sie lacht, hebt die Schultern.

>Das weiß ich nicht. Also morgen Mittag geht es los, er holt mich um zwei Uhr ab, aber mehr weiß ich nicht. Es soll eine Überraschung sein, hat er gesagt.< Ich freue mich sehr, dass Tristan offenbar einen romantischen Tag für Tina geplant hat und natürlich beneide ich sie auch. Allerdings möchte ich daran nicht denken. Es geht hier schließlich um meine beiden besten Freunde und nicht um mich.

>Hat er schon Andeutungen gemacht, oder weißt du wirklich gar nichts?<, hake ich nach, dann überqueren wir eine Straße.

>Er hat sich nichts aus der Nase ziehen lassen, kein einziges Wort. Und genau deshalb brauche ich dich. Ich weiß überhaupt nicht, was ich anziehen soll.< Wenn sie das nicht weiß, kann ich ihr da auch nicht helfen. Aber Beistand leisten, das kann ich sehr wohl.

>Ich würde ja Mutmaßungen anstellen, aber Tristan ist ein hoffnungsloser Romantiker. Er plant immer Dinge, die uns im Traum nicht einfallen würden.< Tina nickt zur Bestätigung, zieht ihren Schlüsselbund hervor, denn wir sind gleich bei ihr angekommen.

>Genau das ist ja das Problem. Wenn ich feste Schuhe anziehe, will er tanzen gehen und wenn ich hohe Schule aussuche, wandern wir. Bei ihm kann man nie wissen, was auf einen zukommt.< Genau das mag ich eigentlich an Tristan, weil er dadurch immer für eine Überraschung gut ist, aber in diesem Fall ist das nicht wirklich optimal. Obwohl er sie durchaus darauf ansprechen wird, wenn er sie abholt und ihr Outfit überhaupt nicht zu seinem Plan passt. Aber es ist einfach schöner, wenn sie gleich alles richtig vorbereitet und nichts mehr geändert werden muss. Dann kann man sich viel besser auf das Abenteuer einlassen.

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Unter dem Vorwand, dass ich uns einen Tee machen will, habe ich Tina allein in ihrem Zimmer gelassen und bin ich die Küche gegangen. Dort zücke ich nun mein Handy und rufe Tristan an, wobei ich nebenbei durchaus auch Wasser aufsetze. Die Überraschung werde ich niemandem nehmen, aber wir grübeln seit über einer Stunde, was sie anziehen und mitnehmen soll. Das findet nie ein Ende und wenn sie angespannt ist, macht das Date auch nicht ganz so viel Spaß.

>Hey Elly<, grüßt er mich, etwas außer Atem. Offenbar ist er noch immer auf dem Bolzplatz und spielt Fußball mit seinen Freunden. Ich werde wohl nie verstehen, wie man so lange einem Ball nachjagen kann.

>Hey, kannst du mir einen Tipp für morgen geben? Tina und ich verzweifeln grade ein bisschen an der Ausrüstung für euer Date.< Er lacht leise und ich sehe genau vor mir, wie er die Augen rollt.

>Macht euch doch nicht verrückt deswegen. Ich werde dir auch nicht sagen, was geplant ist, also lege ich jetzt auf<, verkündet er, aber das kann er vergessen.

>Sag mir wenigstens, ob sie feste Schuhe anziehen soll oder ob sie sich hohe aussuchen kann<, bitte ich ihn schnell und er seufzt.

>Keine hohen Schuhe, aber sonst ist es egal. Und das auch nur, weil wir nicht die ganze Zeit rumsitzen. Mehr sage ich aber nicht mehr<, erklärt er, im Hintergrund ruft jemand seinen Namen. >Ich muss wieder, also entspannt euch. Wir gehen weder Bergsteigen noch Tiefseetauchen, also ist es fast egal, was sie anzieht und mitnimmt. Sie soll sich nur darin wohlfühlen. Wir sehen uns<, erklärt er und seine Worte erinnern mich an Ash. Er hat gestern etwas ganz Ähnliches zu mir gesagt.

>Okay, Danke und viel Spaß noch<, verabschiede ich mich, dann hat er schon aufgelegt und das Wasser kocht auch. Aus einem Schrank hole ich zwei Tassen, dann noch zwei Beutel Tee und gießen ihn auf, bevor ich wieder nach oben gehe. Dort finde ich Tina vor, in einem hübschen Sommerkleid und in High Heels.

>Was meinst du?<, will sie wissen, dreht und wendet sich vor ihrem Spiegel. Sie hat eine schöne, schmale Figur und lange Beine, dadurch steht ihr eigentlich jedes Kleid.

>Das steht dir unheimlich gut, aber ich weiß aus sicherer Quelle, dass du in den Schuhen keine fünfzig Meter laufen kannst und Tristan ist ein sportlicher, aktiver Typ. Zur Sicherheit solltest du Schuhe anziehen, in denen du gut laufen kannst.< Ich denke, so habe ich meine neuen Informationen ganz gut verpackt, stelle die beiden Tassen auf einer Kommode ab.

>Da ist was dran<, murmelt sie, zieht die Schuhe wieder aus, wobei sie sich an mir festhält. >Ich kenne Tristan schon so lange, aber diese Date-Sache bringt mich durcheinander. Ich habe die ganze Zeit versucht, mich auf irgendein Date vorzubereiten, aber das war ganz falsch. Ich muss mich darauf vorbereiten, Tristan zu treffen. Diesmal soll es romantisch werden, aber es ist immer noch der Kerl, den ich schon seit Jahren kenne.< Da hat sie vollkommen Recht, aber ehrlichgesagt habe ich das auch nicht bedacht. Wir kennen Tristan wirklich gut und trotzdem haben wir nur daran gedacht, wie sie sich hübsch machen kann, anstatt einfach offen zu sein. Es gibt eben nicht immer einen Plan.

>Hat er dir zu irgendetwas mal ein Kompliment gemacht? Ein Shirt, eine Hose oder einfach nur eine bestimmte Farbe an dir?< Sie wirkt kurz irritiert, dann scheint sie nachzudenken.

>Ich glaube, das lachsfarbene Kleid von eurer letzten Geburtstagsfeier fand er gut. Vielleicht war er nur betrunken, aber er hat es fast jedes Mal erwähnt, wenn wir uns begegnet sind und ein paar Worte gewechselt haben. Da war er aber noch nicht in mich verknallt, oder?<, fragt sie, wirkt ein bisschen verloren. Das wären über vier Monate, in denen sie es nicht bemerkt hätte.

>Nein, ich glaube nicht. Mehr als einen Monat weiß ich es noch nicht und ich Maße mir einfach Mal an, dass ich es gemerkt hätte, wäre er schon länger so angetan von dir gewesen. Dann hätte ich es dir auch gesagt, als das mit Henry angefangen hat.< Sie beißt sich auf die Lippe, öffnet den Reisverschluss von ihrem Kleid wieder.

>Ich weiß einfach nicht, ob ich das mit Henry bereuen soll oder nicht. Tristan kommt damit klar, aber irgendwie steht es trotzdem noch ab und an mit im Raum. Ich kann das nicht einfach ignorieren und ich glaube, er denkt auch immer mal wieder daran. Aber es war ganz schön und die Sache selbst würde ich auch nicht bereuen, nur die Situation, die sich dadurch ergeben hat.< Sie zieht das Kleid aus und reicht es mir. Tina hat kein Händchen dafür, Kleider wieder ordentlich in den Schrank zu hängen, ich dagegen schon. Sie wirft viel lieber alles auf einen Haufen. >Versteht du, was ich meine?< Tatsächlich tue ich das, nicke darum.

>Ich bereue auch die Zeit mit Luca nicht, obwohl ich deshalb schwanger bin und das steht auch manchmal bei Michael und mir im Raum. Also die Beziehung, die Schwangerschaft ist ein Dauerthema. Aber es ist in Ordnung, die Vergangenheit kann man eben nicht ändern.< Sie lächelt leicht, holt das lachsfarbene Kleid aus dem Schrank und streicht es glatt.

>Und dazu Ballerinas oder meine Nikes?< So, wie Tristan am Handy klag, ist das Kleid schon ein wenig gewagt, darum dürften die Ballerinas zu viel des Guten sein.

>Nimm lieber die Nikes, du hast doch sogar welche, die perfekt dazu passen.< Sie nickt knapp, deutet auf ihren Schuhschrank. Tina ist eins von den Mädchen, die etliche paar Schuhe besitzen, einfach nur, weil sie gut aussehen und man sie ja irgendwann mal gebrauchen könnte. Dazu gehört auch ein Paar, das sie sich in den Sommerferien gekauft hat und das tatsächlich zufällig zu diesem Kleid passen könntet.

Eben dieses Paar hole ich aus dem Schrank und halte es neben das Kleid. Es ist tatsächlich genau dieselbe Farbe.

>Und du sagst immer, zwei oder drei paar Schuhe reichen<, neckt sie mich und ich rolle die Augen. Meine Kleiderauswahl ist eben nicht so bunt wie ihre, bei mir reicht es aus, dass ich schwarze und weiße Schuhe habe. Zugegeben, davon habe ich auch mehr als ein Modell, aber bei weitem nicht so viele wie Tina.

>Du hast trotzdem mehr als genug davon.< Sie grinst, hängt das Kleid an eine Kommode, dann stellt sie die Schuhe dazu.

>Dazu dann noch meine weiße Clutch und das Outfit steht. Es ist noch warm genug, um ohne Jacke loszuziehen, oder?<

>Das kannst du auch morgen noch entscheiden. Du hast vier Jacken, von denen ich weiß, die hervorragend dazu passen würden.< Sie wirkt zufrieden, holt sich ihre Teetasse, stellt sie aber auch gleich wieder zurück.

>Vielleicht sollte ich mir wieder etwas anziehen, bevor wir ins Wohnzimmer gehen<, murmelt sie vor sich hin und wir grinsen uns an, dann schlüpft sie wieder in ihre Jeans. In ihrem Schlafzimmer gibt es als Sitzgelegenheit nur das Bett, darum gehen wir meistens in das Wohnzimmer, wenn ihre Eltern nicht da sind. Da kann man bequemer sitzen und für heute sind wir hier fertig. Viel Zeit bleibt auch nicht mehr, bis ich los muss und ich freue mich wirklich sehr darauf, Emil und Ash wieder zu sehen. 

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