62. Kapitel - Ash

Ash Lesharo

Am Ende waren wir drei Stunden lang in der Mall, bis Renè die anderen beiden überzeugt hat, sie nach Hause zu fahren und Violet mir zu überlassen, weil dann keiner von uns einen nennenswerten Umweg hat. Es war auch schön, mit ihnen unterwegs zu sein, es ist nicht komisch geworden, sondern war die ganze Zeit über sehr locker und entspannend. Aber irgendwann ist es auch Mal gut.

>Endlich zu Hause, das war ein langer Tag.< Violet sieht aus, als wäre sie genau derselben Meinung und folgt mir in das Wohnzimmer. Dort lasse ich das Licht erst einmal aus, weil es nur ein bisschen dämmrig, aber noch nicht zu dunkel ist und bleibe dann unschlüssig stehen, weil ich nicht weiß, was wir machen sollen.

Gestern ist viel passiert und heute hatten wir noch keine Minute nur für uns. Womöglich möchte sie noch über gestern reden, oder es wäre ihr unangenehm das anzusprechen und sie will eigentlich nur einen Film schauen, ich bin mir da nicht sicher. Um sie dahingehend einschätzen zu können, kenne ich sie vermutlich noch nicht lange genug.

>Ash?< Fragend drehe ich mich zu ihr um, doch sie sagt nichts mehr. Schweigend sieht sie zu mir auf, wirkt, als würde sie etwas sagen wollen. Es scheint ihr auf der Zunge zu liegen, doch sie schweigt.

>Was ist?<, versuche ich ihr entgegenzukommen, will ihre Hände in meine nehmen, doch sie hat etwas anderes geplant.

>Küss mich<, fordert sie leise und doch bestimmt, dann weiß ich wieder, wo und wann ich diesen Blick schon Mal gesehen habe. In dieser Nacht, als Emil das Fieber hatte und sie versucht hat, vernünftig zu bleiben, sich von mir fernzuhalten, sich aber dann doch für mich entschieden hat.

Selbstverständlich tue ich genau das, lege meine Hände an ihr Gesicht und küsse sie sanft, wie auch schon gestern Abend. Es kommt mir vor, als hätte ich das ewig nicht getan, obwohl es kaum vierundzwanzig Stunden sind. Vielleicht liegt es einfach daran, dass ich es liebe, ihr so nahe zu sein und sie berühren zu können, ohne mich zurückhalten oder verstecken zu müssen. Hier sind wir allein, ganz unter uns.

Sie lächelt leicht unter dem Kuss, dann legt sie ihre Hände wieder in meinen Nacken, vertieft den Kuss und von ganz allein komme ich ihr entgegen. Auch ihr Kuss erinnert mich an diese Nacht. Wie sie fordernd mit ihren weichen Lippen versucht hat, noch mehr zu bekommen. Genau das gemacht sie gerade. Gestern war sie noch ein wenig zurückhaltend, hat mich ab und an gebremst, aber diesmal ist es mehr als deutlich, dass sie mehr will.

>Violet<, unterbreche ich sie sanft, obwohl mir das Herz bis zum Hals schlägt und ich wirklich alles will, nur nicht aufhören, versuche zu Atem zu kommen. Sie macht es mir nicht unbedingt leicht, die gewohnte Distanz aufrecht zu halten. Sie wollte es immer langsam angehen, aber wenn sie so weiter macht, kann ich das nicht mehr lange mitmachen. Allerdings bin ich mir sicher, dass sich auf ihrer Seite nichts verändert hat. >Du machst mich verrückt<, gestehe ich leise, lege meine Stirn an ihre. Wenn sie so weiter macht, landen wir in meinem Schlafzimmer und sie hat selbst gesagt, dass es dafür noch viel zu früh ist. Unter keinen Umständen will ich, dass sie sich gedrängt fühlt oder verpflichtet. Es macht mir nichts zu warten, nur brauche ich eine Pause.

>Und du mich<, sagt sie leise, löst eine meiner Hände von ihrem Gesicht, legt sie über ihr Herz. Es schlägt schnell unter meiner Hand, kräftig, ihre Haut ist ganz warm. Vorsichtig lasse ich meine Finger über ihr Dekolleté streichen und sie bekommt eine Gänsehaut. Von dieser einfachen Berührung schon und ich liebe es mehr, als ich zugeben würde.

>Violet<, mahne ich sie leise, obwohl sie gerade gar nichts macht, meine Stimme klingt belegt. Sie weiß vermutlich gar nicht, was sie mit mir anstellt. Mein Herz ist nicht das Einzige, was auf ihre Küsse reagiert und genau das sollte ich ein bisschen bremsen.

Sie löst auch die zweite Hand von meinem Nacken, lässt ihre Finger über mein Shirt streichen, bis zu dessen Saum. Diesmal überläuft mich eine Gänsehaut, dann zieht sie den Saum nach oben und ich helfe ihr, mir das Shirt auszuziehen.

Ich kann unmöglich sagen, was ihr Ziel ist. Aufmerksam mustere ich ihr Gesicht, welches in dem schwachen Licht noch schwerer zu deuten ist als üblich. Sie betrachtet mich, meinen Körper und ich kann sehen, wie schnell sie atmet. Alles an ihr schreit nach mehr, aber es geht um viel mehr als körperliches Verlangen, wenn wir noch weiter gehen. Wenn wir das hier weiter ausführen, gibt es für uns beide kein Zurück mehr.

Ich weiß nicht, was ich tun soll. Sie zu bremsen könnte sie verunsichern und das will ich nicht. Ich weiß allerdings auch gar nicht, ob sie nicht vielleicht gleich von sich aus aufhören will. Aber einfach weiterzumachen, ohne die Konsequenzen im Blick zu behalten, ist auch nicht richtig.

Dass sie nun nach ihrem Oberteil greift und es sich über den Kopf zieht, mindert mein Kopfzerbrechen nicht unbedingt. Ich kann nichts dagegen tun, mein Blick wandert von ihrem Gesicht nach unten, betrachtet ihren schönen, sportlichen Körper. Auch ich will weitaus mehr, als sie nur anzusehen oder zu küssen.

>Violet, ich-< Sie überwindet den geringen Abstand zwischen uns, legte ihre Hände auf meine Brust und küsst mich, aber nur kurz. Es ist das erste Mal, dass ich ihre Haut so intensiv auf meiner spüren kann.

>Wenn es für dich in Ordnung ist, möchte ich gern noch ein bisschen weiter machen und dich auch auf diese Weise kennen lernen. Aber noch nicht alles<, sagt sie leise und das reicht mir für den Moment. Ich weiß jetzt, was sie möchte und wo ihre Grenze ist, damit kann ich arbeiten.

-----

>Es gibt keinen Grund, verunsichert zu sein.< Sie sitzt hoch rot neben mir, in meinem Bett, knetet ihre Hände. Sie hat sich ein Shirt von mir geholt und es übergezogen, trotzdem habe ich das Gefühl, dass sie am liebsten weglaufen würde. Es ist überhaupt nichts Peinliches passiert, aber etwas scheint sie zu beunruhigen.

>Aber ich-< Sie unterbricht sich, holt tief Luft, sagt aber nichts mehr.

>Entspann dich, Violet<, bitte ich sie sanft, nehme mir eine ihrer Hände, auch wenn sie mir diese erst nicht überlassen will.

>War es denn.... Okay?<, will sie wissen und ich kann nicht anders, als leise zu lachen.

>Violet, sieht mich an.< Sie zögert ein paar Sekunden, darum drücke ich sanft ihre Hand. Tatsächlich sieht sie mich an und ihr steht praktisch ins Gesicht geschrieben, wie peinlich ihr die Situation ist. >Es hätte nicht besser sein können<, versichere ich ihr, sehe sie dabei ernst an, denn das ist kein Scherz. Es war wunderschön.

Sie hat die Grenze gezogen und die haben wir eingehalten. Es gab keinen Sex, dennoch sind wir uns sehr viel nähergekommen und mehr kann ich mir nicht wünschen.

>Aber ich bin-<, wieder unterbricht sie sich, sieht an sich herunter und ich will auf keinen Fall, dass sie sich ausgerechnet deswegen einen Kopf macht. Frauen denken einfach zu viel nach, wenn es um ihr Aussehen geht, finde ich. Ohne zu zögern, ziehe ich sie an mich, bis sie nachgibt und sich von mir in den Arm nehmen lässt. Ihr Rücken an meiner Brust, ihr Kopf auf meinem Arm, so mag ich es am liebsten.

>Mach das nicht, Violet. Vergleich dich nicht mit anderen. Ich mag dich, ich will dich bei mir haben und niemanden sonst<, erkläre ich ihr leise, küsse ihre Schulter. >Es gibt Millionen von Frauen und Millionen von Idealen, wie der Körper einer Frau aussehen soll, aber das ist nicht wichtig. Ich will dich genau so haben, wie du bist, solange du dich selbst in deinem Körper wohlfühlst.< Sie lächelt, kuschelt sich enger in meine Arme und ich halte sie ganz fest.

>Danke<, sagt sie so leise, dass ich sie beinahe nicht verstehe und dafür bekommt sie noch einen Kuss auf ihre Schulter.

>Nichts zu danken, Violet. Das ist nur meine Meinung.< Für mich ist das alles ganz einfach, aber in manchen Dingen ist sie wohl doch eher noch ein Teenager. Schönheitsideale und Zweifel an sich selbst sind in dem Alter normal, darum werde ich ihr dabei helfen, so gut ich kann.

>Wie viel Uhr haben wir eigentlich?<, will sie wissen, bleibt aber genau so liegen. Sie will nicht gehen und ich will sie auch nicht gehen lassen, aber es wird vermutlich langsam Zeit.

>Gleich neun<, antworte ich knapp, nach einem kurzen Blick auf mein Handy und sie seufzt langgezogen.

>Ich will einfach genau hier liegen bleiben, für den Rest meiner Tage<, murmelt sie träge, dreht sich aber auf den Bauch, löst sich somit von mir. >Warum ist diese Welt so kompliziert?<, will sie wissen, legt ihren Kopf wieder auf meinen Arm. >Es könnte doch so schön einfach sein.<

>Wir können die Welt nur nehmen, wie sie ist und das Beste daraus machen. Zumindest was das Thema Beziehungen zwischen Schülerinnen und Lehrern angeht.< Sie lächelt und nickt knapp, dann setzt sie sich auf.

>Sollen geheime Bezeigungen nicht eigentlich nur total spannend sein und voller Nervenkitzel? Bei uns ist das irgendwie anders als in den Filmen.<

>Also Nervenkitzel haben wir genug, meinst du nicht?< Immerhin wissen wir noch nicht, wie Anton mit dem Wissen um unsere Beziehung umgeht und wir könnten auch so jederzeit Auffliegen.

Sie rollte die Augen und grinst breit, steht aber auf und entfernt sich weiter von mir. Zu gern würde ich ihr folgen und sie nach Hause bringen, aber das geht nicht. Sobald sie mein Haus verlässt, verschieben sich die Grenzen unserer Beziehung sehr weit weg von unserer aktuellen Gefühlslage.

>Da ist was dran. Ich weiß nur jetzt schon, dass morgen ein sehr schwerer Tag wird. Ich weiß einfach nicht, wie ich Michael loswerden soll, ohne ihn mir auf Lebenszeit zum Feind zu machen. Irgendwie glaube ich nämlich nicht, dass er sich gestern von Tristan hat abschrecken lassen. Es wird vermutlich nur noch schlimmer, vor allem, wenn er sich mit Luca zusammen tut.< Nachdenklich sehe ich ihr zu, wie sie mein Shirt auszieht und in ihre Jeans steigt, versuche mich aber mehr auf ihre Worte zu konzentrieren. Ich will sie wieder hier neben mir, in meinem Bett haben.

>Wenn er es übertreibt, kann ich mit dem Direktor sprechen. Das sollten wir vermeiden und ich denke auch, dass du das nicht willst, aber ich kann ihn von dir fernhalten, wenn es schlimm wird<, versichere ich ihr und sie wirkt dankbar dafür.

>Das weiß ich, danke. Vorerst sollte ich es aber erst mal anders versuchen<, entscheidet sie, kommt noch einmal zu mir und schenkt mir noch einen Abschiedskuss. >Bis morgen.<

>Kommt gar nicht in Frage. Ich bringe dich noch zur Tür<, stelle ich klar, stehe auf und sie lacht, nimmt meine Hand. Doch anstatt sie nach unten zu begleiten, ziehe ich sie an meine Brust. Ich will sie nicht gehen lassen. Es ist einfach immer so schön, wenn sie bei mir ist. 

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top