48. Kapitel - Ash
Ash Lesharo
>Hi Ash, was gibt's?< Ich habe lange überlegt, ob ich René anrufen soll oder nicht, aber im Grunde habe ich keine große Wahl. Anton ist die ganze Woche über im Ausland, demnach kann ich die Sache mit Violet und ihm nicht klären. Wenn ich ihn frage, was sein Ziel war und was er sich bei seinen Vorschlägen gedacht hat, will ich sein Gesicht sehen. Am Telefon kann er mir schließlich alles erzählen.
Er ist zwar nach wie vor mein bester Freund, aber bei dieser einen Sache bin ich lieber etwas vorsichtiger. Es steht einfach zu viel auf dem Spiel.
>Hast du Lust eine Runde boxen zu gehen?< Er lacht auf, was durchaus ansteckend ist und ich hoffe wirklich, dass er Zeit hat. Zwar akzeptiert er, dass Violet und ich zusammen sein wollen, aber es gefällt ihm nicht. Nur ist er eben der Einzige, mit dem ich reden kann. Bei Anton bin ich mir nicht sicher, meine Eltern würden mir nicht zuhören und strikt verlangen, dass ich es beende. Womöglich wäre das anders, wenn sie Violet kennen würden, aber so früh will ich sie den beiden noch nicht vorstellen. Nicht, weil ich davon ausgehe, dass es nicht lange hält, sondern um das Argument meiner Eltern zu entkräften, dass es nur eine Phase ist. Dass Violet lediglich noch in der Pubertät ist und ein Faible für Lehrer hat. Zwar habe ich mit meinen Eltern nie darüber gesprochen, aber ich kann mit absoluter Sicherheit sagen, dass das die erste Reaktion meiner Mutter wäre, darum werde ich auf jeden Fall noch warten, bevor ich ihnen davon erzähle.
Früher war ich nicht so. Als ich mit Jennifer zusammengekommen bin, war das irgendwie ganz normal. Mit Anton habe ich damals viel Zeit verbracht und es ging schon ab und an um unsere Beziehungen, aber ich hatte nie einen so starken Drang mich mitzuteilen und um Rat zu fragen. Mit Violet ist so vieles anders. Wir haben noch nicht viel Zeit miteinander verbracht, wir kennen uns eigentlich nur in der Schule und wenn Emil in der Nähe ist. Man könnte sagen, wir haben noch keine Erfahrungen gesammelt, wie wir beide sind, wenn wir ungestört sein können.
Das ist sehr schön, ich freue mich wirklich, sie noch besser Kennen lernen zu dürfen, aber all die Umstände darum herum machen eben auch vieles komplizierter und ich brauche einfach jemandem, mit dem ich reden kann.
>Tut mir leid, heute nicht. Ich komme grade aus dem Fitnessstudio und bin einfach nur erledigt. Aber wenn du eigentlich nur quatschen willst, würde ich dich zum Essen einladen. Ich bin grade auf dem Weg diesem neuen Laden in deiner Straße.< Nach seinem ersten Satz hatte ich schon die Hoffnung verloren, aber bei einem Essen können wir mindestens so gut reden, wie beim Boxen. Genaugenommen sogar viel besser, aber beim Sport fällt es mir immer leichter.
>Meinst du den Griechen gegenüber von diesem kleinen Blumenladen?< Er schweigt ein paar Sekunden, ich dagegen bin schon dabei, mir meine Schuhe anzuziehen.
>Ja, genau der. Dann sehen wir uns gleich dort?<, will er wissen und ich schnappe mir meinen Schlüsselbund, verlasse das Haus.
>Ja, bis gleich.< Ich bin einfach nur froh, dass wir uns treffen können, beeile mich möglichst schnell zum dem Griechen zu kommen. Es gibt ein paar Dinge, die ich loswerden will und bei denen ich auf jeden Fall seinen Rat brauche.
Selbstverständlich unterstütze ich Violet in ihrer Entscheidung, aber ich bin auch vorsichtig. Sie hat sich vor zwei Wochen erst von ihrem Freund getrennt, ist schwanger und das mit uns ist auch noch ganz frisch. Ich will einfach nicht, dass sie das mit dem Baby überstürzt und es irgendwann bereut. Nur weiß ich nicht, wie ich ihr das sagen oder wie ich mich verhalten soll.
Wenn sie sich ganz sicher ist, helfe ich ihr bei allem, ohne etwas zu sagen oder zu zögern. Aber ich kann ihre Gedanken nicht lesen und ich weiß auch nicht, ob ich das Recht habe, sie auszufragen.
Wir sind zwar zusammen, aber ich habe gemeint, was ich gesagt habe. Das ist erst Mal nur Formsache. Wir kennen uns nicht sonderlich gut und auch nicht lange genug, dass ich sie einfach so behandeln kann, wie Jennifer damals. Wir haben uns sechs Monate lang getroffen, bevor wir es fest gemacht haben und wir kannten uns davor schon lange. Violet und ich sind einfach noch nicht soweit, glaube ich. Nur hat sie keine sechs Monate oder länger, um mit der Entscheidung zu warten.
>Was für ein Timing<, holt René mich aus meinen Gedanken, hebt die Hand zum Gruß. Er ist auch gerade am Griechen angekommen und geht als erstes rein.
Bevor dieser Grieche hier eingezogen ist, war es eine Pizzeria. Früher war ich mit Anton oft hier, weil er italienisches Essen wirklich liebt. Allerdings haben sie umgebaut, zwei Wände eingerissen und so mehr Platz für Gäste geschaffen. Alles wirkt jetzt offener, einladender und es riecht schon herrlich nach gutem Essen.
>Wir hatten beide ungefähr denselben Weg.< Er hebt die Schultern, steuert einen kleinen Tisch aus dunklem Holz an, welcher etwas abseits steht. Offenbar ahnt er schon, dass ich nicht einfach nur über belanglose Dinge reden will.
>Lass uns erst etwas zu Essen bestellen, mein Magen knurrt schon seit einer Stunde. Dann können wir in Ruhe reden<, schlägt er vor und ich schließe meinen Mund wieder.
Ich will einfach nicht mehr warten. Mir gehen schon seit Stunden Unmengen von Fragen durch den Kopf, auf die ich endlich eine Antwort haben will. Allerdings kann ich durchaus auch noch ein paar Minuten warten, er läuft mir nicht weg, genauso wenig wie meine Fragen, darum schweige ich vorerst und wir setzten uns.
>Kann ich euch schon etwas zu trinken bringen?<, will ein junger Kellner wissen, reicht uns beiden je eine Karte.
>Eine große Cola und ein Wasser<, bestellt René für uns und ich muss schmunzeln. Der Kellner nickt und geht davon.
>Du kennst mich zu gut.< Er hebt nur die Schultern, ist ganz auf die Speisekarte konzentriert.
>Das klingt alles lecker<, meint er und ich überlege, ob ich überhaupt Hunger habe. Es war zumindest nicht geplant, so früh Abend zu essen, aber eine Kleinigkeit werde ich mir vermutlich schon bestellen. Er hat nämlich Recht damit, dass viele dieser Speisen sehr lecker klingen.
>So, da haben wir eure Getränke. Habt ihr schon gewählt?< René blättert noch herum, hebt aber einen Finger, damit der Kellner nicht gleich wieder geht.
>Eine Sekunde noch, bestell du zuerst, Ash.<
>Dann nehme ich den griechischen Salat ohne Oliven.< Der Kellner nickt knapp, dann sehen wir beide erwartungsvoll zu René.
>Einmal das Zaziki und ein Bifteki mit mehr Bratkartoffeln und dafür ohne Reis.< Der Kellner nickt wieder, wir reichen ihm die Karten und nun richtet er seine Aufmerksamkeit endlich auf mich. >Schieß los. Du platzt ja gleich<, zieht er mich auf, nippt an seiner Cola, lässt mich dabei aber nicht aus den Augen.
>Ich brauche deine Hilfe bei Violet. Deinen Rat, um genau zu sein. Ich weiß, du willst nicht-<
>Hey,< unterbricht er mich schmunzelnd, stellt sein Glas wieder ab. >Komm erst Mal runter. Ich habe zwar grundsätzlich etwas gegen solche Beziehungen, aber ich habe auch gesagt, dass du für mich wie ein Bruder bist und Violet ist die beste Freundin von meinem kleinen Bruder. Ihr seid nicht irgendwelche Leute, die ich nicht kenne. Solange du mir nicht alles erzählst, sondern mich nur um Rat fragen willst, helfe ich euch sehr gern. Wenn ich kann.< Das nimmt mir gleich etwas von der Last und tatsächlich kann ich meine Schultern etwas entspannen. Bis eben hatte ich gar nicht gemerkt, wie angespannt ich war.
>Danke.< Er habt nur kurz die Schultern, betrachtet mich abwartend und ich fange einfach mit dem Thema an, das ich am wenigsten aufschieben kann. >Du weißt, dass sie schwanger ist.< Er nickt knapp, schweigt aber. >Ich habe ihr geraten, dass sie sich auf ihr Leben konzentrieren und es nur bekommen soll, wenn sie sich sicher ist. Du kennst meine Einstellung zu diesem Thema. Dann haben wir Samstagnacht noch Mal geredet und sind jetzt zusammen, aber eigentlich nur, um dem ganzen einen Namen zu geben.<
>Ja, ich weiß was du meinst<, versichert er mir und ich bin wirklich froh, dass ich das nicht auch noch erklären muss.
>Sie hat sich entschieden es abzutreiben. Morgen hat sie einen Termin deswegen und ich soll sie hinbringen. Ich habe ihr versichert, dass ich sie unterstützen werde und dabei bleibe ich. Nur habe ich Angst, dass es zu früh ist. Sie hat noch Zeit, sich endgültig zu entscheiden und wenn sie es abtreibt, gibt es auch kein Zurück mehr. In ihrem Leben hat sich in den letzten zwei Wochen so viel verändert. Ich glaube, das geht alles ein bisschen zu schnell.< Er nickt langsam, der Kellner stellt ihm das Zaziki hin und er leckt sich die Lippen.
>Du hast Angst, dass sie die Entscheidung bereut, weil sie vielleicht überstürzt ist, möchtest ihr aber auch nicht reinreden<, schließt er, sobald der Kellner außer Hörweite ist und ich nicke knapp. >Dann gibt es nur eine Sache, die du tun kannst<, verkündet er, schiebt sich ein großes Stück Baguette mit Zaziki in den Mund und ich rolle die Augen, weil er mich absichtlich zappeln lassen will.
>Du bist so erwachsen.< Er grinst, soweit das mit dem vollen Mund geht und ich warte, versuche zu erraten, was er mir gleich sagen wird.
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