13. Kapitel - Violet
Violet Elaine Craig
Es geht mir etwas besser. Mich auszuweinen hat mir gut getan und in seinen Armen habe ich mich geborgen gefühlt, beschütz und gut aufgehoben. Er hat mir Kraft gegeben und dadurch kann ich das alles jetzt ein bisschen optimistischer sehen.
Noch ist nichts geklärt, es ist immer noch derselbe Stand, aber nachdem ich es jemandem erzählt habe, fühle ich mich leichter. Es ist mehr als komisch, dass ich ausgerechnet mit meinem neuen Referendar geredet habe, den ich gar nicht kenne und es war auch nicht sonderlich viel, aber es hat trotzdem gutgetan. Und ich denke auch nicht, dass das ein Fehler war. Wie er gesagt hat, ist er kein Vertrauenslehrer, aber dennoch vertraue ich ihm. Er hat einfach eine autoritäre und vertrauenserweckende Ausstrahlung finde ich. Und er scheint mich irgendwie zu verstehen. Zumindest habe ich das Gefühl und für den Moment reicht mir das.
>Elly?< Fragend sehe ich zu Tristan auf, welcher mir gegenüber in unserem üblichen Café sitzt. >Alles in Ordnung? Du bist so still.< Tristan war nicht in der Nachhilfe, dafür aber beim Fußballtraining. Von da habe ich ihn abgeholt und wir sind hier her gekommen, damit er mir meine heiße Schokolade ausgeben kann. Nur habe ich fast die ganze Zeit geschwiegen, was wirklich ungewöhnlich ist. Er hat mich auch eine Weile in Ruhe gelassen, damit ich meinen Gedanken nachhängen kann, aber nur zu schweigen bringt mich nicht weiter und ich sollte es nutzen, nicht allein zu sein. Das bin ich heute Abend noch lange genug.
>Ich denke nur nach.< Er nippt an seinem Cappuccino, beobachtet mich nachdenklich. Es ist außergewöhnlich, dass er keinen Espresso trinkt, aber ich denke, das war nur eine Taktik, um mich auf andere Gedanken zu bringen. Etwas von dem gewohnten Trott abweichen, ohne mich ganz aus dem Konzept zu bringen. Ich muss zugeben, dass es funktioniert. Über diese Sache mit seinem Cappuccino habe ich jetzt schon mindestens fünf Mal nachgedacht und wir sitzen hier noch keine Viertelstunde.
>Soll ich noch Mal mit ihm reden?< Automatisch schüttle ich denk Kopf, denn das will ich auf keinen Fall. Offenbar war Luca schon auf ihn wütend, jetzt ist es nur schlimmer. Er war wegen seiner Hand nicht beim Training, was sehr gut ist. Ich weiß nicht, was passiert, wenn die beiden sich allein begegnen. Und ich möchte auf keinen Fall, dass Tristan sich meinetwegen mit seinem besten Freund anlegt oder was auch immer sie jetzt sind. Er hat schon eine Prügelei wegen mir mitgemacht, das reicht.
>Das führt doch zu nichts. Er hat seinen Standpunkt klar gemacht und wenn er wirklich so von mir denkt, will ich auch nicht, dass er mir mit dem Kind hilft.< Er mustert mich stirnrunzelnd, scheint nachzudenken. Luca ist ein guter Kerl. Er ist liebevoll, kann gut zuhören und war auch immer ehrlich zu mir, soweit ich weiß. Aber ich vertraue ihm nicht mehr. Er muss sehr lange darüber nachgedacht haben, ob zwischen Tristan und mir etwas läuft. Das hat er sich nicht über Nacht in den Kopf gesetzt. Aber anstatt darüber zu reden, hat er mich von sich gestoßen und eine Prügelei mit seinem besten Freund angefangen. So jemanden will ich nicht in meiner Nähe haben und schon gar nicht in der Nähe von meinem Kind. Selbst, wenn er sich entschuldigt und das alles irgendwie gut begründen kann, vertraue ich ihm nicht mehr blind. Er ist jetzt kein vollkommen anderer Mensch, aber er hat uns eine Seite von sich gezeigt, die ich nicht einfach so akzeptieren oder sogar ignorieren kann.
>Du willst es bekommen?< Tief atme ich durch, streiche über den Henkel meiner weißen Tasse. Es wäre schön, wenn ich diese Frage jetzt schon beantworten könnte, aber das kann ich nicht. Noch nicht.
>Ich weiß es nicht. Ehrlichgesagt habe ich mich schon ein bisschen informiert und wie es aussieht habe ich noch ein paar Wochen Zeit, bis ich mich entscheiden muss. Genaugenommen bin ich in der fünften Schwangerschaftswoche und bis zur vierzehnten darf ich es abtreiben. Also rein rechtlich, weil ich ja nicht genau weiß, seit wann ich schwanger bin. So lange will ich eigentlich nicht warten, aber heute entscheide ich das ganz bestimmt noch nicht. Ich kann mir nur nicht vorstellen es abzutreiben.< Er wirkt nachdenklich, nickt aber langsam.
>Das kann ich verstehen. Wenn du es bekommst, werde ich auf jeden Fall für dich da sein<, erklärt er ernst, dann reibt er sich verlegen das Kinn. >Und wenn nicht natürlich auch<, versichert er mir und ich erwidere sein Lächeln. Ich bin ihm Dankbar dafür, dass er hier ist. Mit ihm konnte ich schon immer über alles reden.
>Danke, wirklich.< Er hebt nur die Schultern, als wäre das alles selbstverständlich, doch das ist es nicht. Wäre es das, würde ich gerade mit Luca reden und eine Lösung finden, mit der wir beide und vielleicht sogar das Kind glücklich werden könnten.
>Kann man es eigentlich schon sehen?< Fragend hebe ich eine Braue, seine Augen funkeln aufgeregt. >Na du hast doch bestimmt ein Ultraschallbild gesehen, oder?< Die Erinnerung daran lässt mich schlucken. Meine Frauenärztin hat mir gesagt, dass ich schwanger bin und ich hatte es auch schon vermutet, aber dann hat sie es mir gezeigt. Erst da habe ich wirklich begriffen, was das bedeutet. Dass tatsächlich ein kleines Leben in mir heranwächst.
>Ja, aber es ist wirklich winzig.< Er wirkt unzufrieden, lehnt sich in seinem Stuhl zurück.
>Jetzt bin ich neugierig, aber du hast kein Bild mitgenommen, stimmts?< Er weiß, dass ich das nicht tun würde. Wenn meine Eltern es gefunden hätten, wäre alles vorbei gewesen. Einen Mutterpass habe ich zum Glück nicht bekommen, dafür ist es zu früh. Auch wenn ich ihn auf jeden Fall entsorgt hätte. Beides ist ersetzbar, obwohl es wehgetan hat, die Bilder wegzuwerfen. Ich erinnere mich noch genau daran, als wäre es erst zwei Minuten her, aber es war die einzig, richtige Entscheidung. >Dann komme ich nächstes Mal mit, falls du es behältst. Also, wenn das in Ordnung ist.< Es ist schön, dass er Interesse zeigt. Vielleicht versucht er mich auch nur aufzumuntern, aber er wirkt ehrlich und ich traue ihm auch zu, dass er das wirklich wissen will. Diese ganze Zeugungsgeschichte hat ihn schon immer fasziniert. Bei seiner Katze hat er auch einmal Ultraschallbilder machen lassen und mir dann genau erklärt, was genau man darauf erkennen kann.
>Natürlich, aber können wir über etwas anderes reden? Ich will auch Mal wieder über etwas normaleres nachdenken.< Er nickt sofort, hebt seinem Rucksack vom Boden, öffnet ihn.
>Wir können ganz entspannt unsere Spanischaufgaben durchgehen<, schlägt er vor und ich rolle die Augen. Das ist tatsächlich ein super Weg, um mich abzulenken, auch wenn uns das nicht weiterbringt. Wir haben die Hausaufgaben gemeinsam erledigt und abgegeben, also auch beide jede Menge Fehler gemacht. Wenn wir zusammen lernen, wird das nie etwas.
>Lass uns lieber Mathe machen. Ich glaube, langsam steige ich dahinter.< Tatsächlich packt er sein Heft wieder weg und ich hole dafür meinen Block heraus.
>Wessen Schrift ist das denn? Du schreibst nie so ordentlich<, will er sofort wissen, nimmt den Block an sich und ich hole noch mein Mäppchen hervor.
>Die von Herrn Lesharo. Ich war die ganze Zeit über in Gedanken, darum hat er mir am Ende die wichtigen Sachen noch mal aufgeschrieben.< Skeptisch sieht er noch einmal zu mir, aber ich habe nichts zu verbergen.
>Er ist einer von den Guten, denke ich<, erklärt er, gibt mir den Block zurück und ich lese mir noch einmal durch, was er mir alles aufgeschrieben hat.
>Auf jeden Fall kennt er gute Eselsbrücken und Merksätze.< Tristan nickt, trinkt seinen Cappuccino aus, dann machen wir uns daran, das Thema von Grund auf noch einmal durchzugehen.
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>Der Nachhilfeunterricht gestern war wirklich wunderbar, ich habe sehr viel von Ihnen gelernt<, höre ich Penny schwärmen, da habe ich die Klasse noch gar nicht betreten und rolle deswegen die Augen. Allein ihre Stimme zu hören, zieht meine Laune gleich etwas nach unten, obwohl sie bis eben ganz gut war.
Heute ist Freitag, eigentlich freue ich mich immer auf die letzten Stunden vor dem Wochenende, aber ohne Luca weiß ich gar nicht, was ich zwei Tage lang machen soll. Ich kann Tristan nicht schon wieder in Beschlag nehmen, er will mit Sicherheit auch Mal andere Freunde treffen oder vielleicht sogar Zeit mit Tina verbringen. Ich weiß ehrlichgesagt gar nicht, was der aktuelle Stand zwischen den beiden ist.
>Das freut mich<, erwidert Herr Lesharo neutral, als ich die Klasse betrete, sein Blick huscht zu mir.
>Guten Morgen<, wünsche ich ihm ganz normal, er nick knapp, unsere Blicke begegnen sich kurz, dann lenkt Penny schon wieder seine Aufmerksamkeit auf sich. Ich dagegen gehe einfach zu meinem Platz, richte mich ein, denn in wenigen Minuten startet der Unterricht.
Kaum habe ich mein Buch auf den Tisch gelegt, klingelt es auch schon und Penny lässt von Herr Lesharo ab, geht brav an ihren Platz.
>Guten Morgen<, wünscht er nun allen Anwesenden, geht zur Tür, um sie zu Schließen. >Bevor wir anfangen, möchte ich euch bitten für den Sportunterricht am Dienstag Schwimmsachen mitzubringen. Wir werden ins Freibad gehen. Da die dritte Stunde ohnehin ausfallen würde, haben wir genug Zeit dafür.< Natürlich sind gleich alle begeistert und reden durcheinander, dabei sind die Meisten von ihnen sowieso ständig im Freibad. >Die Mädchen möchte ich bitten, sich auch dort an die Kleiderordnung zu halten und einen Badeanzug zu tragen. Wer keinen besitzt, hat noch genug Zeit sich einen zu kaufen.< Dagegen habe ich gar nichts. Wenn wir mit der Schule dort hinfahren, müssen wir sowieso schwimmen und verschiedene Sachen üben, bei denen ein Badeanzug einfach besser geeignet ist. Auch wenn Penny das offenbar nicht so sieht.
>Ich trage nie Badeanzüge<, wendet sie ein, doch Herr Lesharo macht sich gar nicht die Mühe darauf einzugehen.
>Gibt es jemanden, der nicht schwimmen kann?< Niemand meldet sich und ich denke auch nicht, dass es heutzutage noch Leute in unserem Alter gibt, die das nicht können. >Gut, dann fangen wir mit dem heutigen Thema an.< Er will ein Buch zur Hand nehmen, doch ein klingelndes Handy lässt ihn innehalten. Er zieht es aus seiner Jeans, sieht kurz auf das Display. >Schlagt die Seite acht auf und fangt schon Mal mit dem Lesen an<, richtet er sich noch kurz an uns, dann hebt er ab, verlässt den Raum.
Es überrascht mich, dass er uns einfach allein lässt, aber es kann durchaus ein wichtiges Gespräch sein. Vielleicht seine Freundin oder jemand anderes aus seiner Familie, der ein Problem hat. Abgesehen davon brauchen wir ihn nicht, um eine Seite zu lesen und wahrscheinlich ist er auch gar nicht lange weg.
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