Der Vielsafttrank

Vor Dumbledores Büro kam Zoe erst keuchend zum Stehen und wäre deswegen fast in den Berg von Wildhüter hineingerannt, der vor dem Wasserspeier stand. Hagrid zog sich eine feuchte Wollkapuze vom Kopf und sah besorgt auf Zoe hinab.

„Scherbert Zitrone! Scherbert Zitrone!", presste die Slytherin zwischen ihrem Atem hindurch.

„Bring nüsch, Harry is' oben", sagte Hagrid beflissen und fuhr mit seiner behandschuhten Hand durch das Federkleid eines toten Hahns.

Zoe lehnte sich gegen die Wand neben den Wasserspeier und atmete durch. „Ich muss ihm sagen, dass Harry nich‑„

„Dumbledores glaubt nicht, dass es Harry war", unterbrach Hagrid sie. „Hab' Harry noch 'ne Minute vorher gesehen, kann es gar nich' gewesen sein ... Das hab' ich deinem Opa direkt gesagt, aber er glaubt nich', dass Harry es war."

Zoe atmete erleichtert aus und fand langsam wieder ihren Rhythmus. Sie ließ sich mit dem Rücken an der Wand hinab gleiten, umschloss ihre Knie mit den Armen und sah zu Hagrid hinauf.

„Musst du auch noch 'rein?", fragte sie schließlich um sich abzulenken.

Hagrid brummte zur Antwort und ließ seine Hand sinken.

„Hab' Harry nur zufällig getroffen ‑ sein Glück ‑ war eigentlich da für 'ne Genehmigung zu bekommen." Er deutete auf den toten Hahn in der Hand. „Is' schon der zweite. Wollt' gern nen Bannkreis um den Stall machen. Hält vielleicht die Kelpie ab ..."

Einen Moment lang starrte Zoe traurig auf den toten Hahn in Hagrids Hand und dachte nach, dann runzelte sie die Stirn.

„Warum sollte die Kelpie den Hahn töten und liegen lassen?"

„Hab' ich mich auch schon gefragt ... Hatte vielleicht keinen Hunger und war nur von seinem Krähen gestört ..."

Zoe wollte etwas erwidern, als der Wasserspeier geräuschvoll zur Seite hüpfte und Harry hervorkam. Die Slytherin sprang augenblicklich auf, doch Hagrid war schneller.

„Alles'n Ordnung, Harry?"

„Ja, alles okay. Du kannst hochgehen Hagrid, ich soll dich hochschicken."

„Ein Glück ... Wär ja nicht auszumalen ... Nun gut. Tschööö, ihr beiden!"

Der Wildhüter verschwand und der Wasserspeier schloss den Durchgang wieder mit seiner imposanten Erscheinung. Verwirrt sah Harry zu Zoe, die ihn interessiert gemustert hatte.

„Was ist denn nur passiert?", fragte sie direkt. „Ich hatte schon Angst, sie wollen dir das anhängen."

Harry fuhr sich erleichtert durchs Haar und zusammen schlugen sie den Weg nach unten ein.

„Keine Ahnung", sagte er. „Ich hab's auch nicht mitbekommen. Bin nur um die Ecke gebogen und da waren die beiden schon so ... und ein paar Sekunden später ist Peeves aufgetaucht und hat diesen Terz veranstaltet ..."

„Hast du irgendwas gesehen? Was Verdächtiges? Oder jemanden?"

„Nein, niemand ...", sprach Harry.

„Was hat mein Großvater gemeint, als du oben warst?", fragte sie ihn weiter aus.

Harry dachte kurz nach, dann sagte er: „Eigentlich nichts Besonderes ... Ich hatte geglaubt, er würde mich wegen der Sache ausfragen, aber er hat nur gefragt, ob ich etwas Komisches bemerkt hätte."

Er machte eine kurze Pause als ihm etwas einfiel, dann meinte er: „Ich hab' schon mit dem Gedanken gespielt, ihm von Malfoy zu erzählen ..."

In Zoes Ohren klingelte es. Unauffällig sah sie sich um.

„Gehst du noch zum Unterricht?", fragte sie Harry.

Dieser Überlegte kurz, dann schüttelte er den Kopf.

„Nein, du?"

„Ich hab' frei. Kräuterkunde ist ausgefallen", antwortete Zoe.

Dann packte sie Harry am Ärmel seines Umhangs und zog ihn mit sich.

„Komm mit, ich muss dir was erzählen!"

Sie suchten sich ein leeres Klassenzimmer und schlüpften hinein. Zoe vergewisserte sich noch einmal, dass es wirklich leer war, dann nahm sie auf einen der Stühle Platz.

„Kurz bevor das geschehen ist", sagte Zoe, als Harry sich auf einem Tisch nieder lies. „Da hat Draco die Klasse verlassen."

Harry starrte sie mit offenem Mund an.

„Wie lange?"; fragte er.

„Ein paar Minuten nur", meinte Zoe grübelnd, „ich dachte er wollte nur zur Toilette gehen."

„Wie weit wird er gekommen sein, in der Zeit?"

Zoe zuckte mit den Schultern und sagte: „Ein Stockwerk vielleicht?"

„Das sollten wir genau untersuchen!", er sprang auf und wollte sofort los, doch Zoe unterbrach ihn.

„Harry, warte!" Er wandte sich um. „Da ist noch etwas ..."

Verwundert kam er zurück und setzte sich wieder. Zoe fand zunächst keine Worte, doch als Harry sie fragend ansah fasste sie sich ein Herz.

„Also ... Ich ... Ich weiß, dass du die Schlange gestern von Justin abhalten wolltest ..."

„Du kannst es auch verstehen?", fragte Harry verblüfft und starrte Zoe an. „Aber Ron und Hermine sagten, das wäre äußerst außergewöhnlich!"

Zoe nickte und sagte leise: „Ich hab es bis gestern gar nicht gewusst ... Aber wenn du in Schwierigkeiten kommst, also dann kann ich für dich aussagen."

Harry schien erleichtert. Nach einer Weile begann er wieder zu sprechen.

„Ich hab mir schon Sorgen gemacht ... Weil ... weil ich kaum etwas über meine Eltern weiß, und der Sprechende Hut mich eigentlich nach Slytherin stecken wollte ..."

„Wirklich", fragte Zoe überrascht, „aber warum bist du dann doch nach Gryffindor gekommen?"

„Weil ich nicht wollte.", erzählte Harry. „Ich wollte auf keinen Fall nach Slytherin!"

Sie schwiegen einige Sekunden.

„Und dann hab' ich schon fast selbst geglaubt, dass ich‑„

„Hast du die Schrift an der Wand hinterlassen?", fragte Zoe dazwischen.

„Nein! Natürlich nicht!", stritt er sofort ab. „Aber alle anderen glauben das nun. Ich hab heute Morgen nach Justin in der Bibliothek gesucht, und da hab ich gehört, was seine Freunde denken. Und sie hatten ihm geraten, dass er sich vor mir verstecken soll und jetzt ist er angegriffen worden! Wie sieht das denn aus?!"

Zoe seufzte deprimiert.

„Das Schlimme ist eigentlich, wenn sich nun alle auf dich fixieren, dann hat der wahre Übeltäter in der Zeit einen freien Rücken." Sie erhob sich gähnend und Harry tat es ihr gleich. „Komm, lass uns mal nachsehen, wie weit Draco gekommen wäre und ob wir was finden."

Gemeinsam waren sie zurück zum Klassenzimmer für Verwandlung gegangen und hatten alle Wege in unmittelbarer Nähe in Augenschein genommen, ohne etwas Verdächtiges zu bemerken und so gaben beide schließlich auf. Immerhin dauert es nur noch ein paar Tage, bis der Vielsafttrank fertig sein würde.

Zoe verabschiedete sich letztlich von Harry, der zum Essen in die Große Halle gehen wollte. Die Slytherin machte sich dann auf den Weg in ihren Gemeinschaftsraum, wo sie den fehlenden Schlaf der letzten Nacht nachholen wollte. Und zu ihrer Erleichterung verfiel Zoe schnell in einen traumlosen und erholsamen Schlaf.


Das der letzte Angriff nicht nur einem Menschen, sondern auch einen Geist traf brachte die Stimmung im Schluss in helle Aufruhr. Weder Lehrer noch Schüler konnten sich vorstellen, wer oder was tatsächlich jemanden attackierte, der bereits schon tot gewesen war. Offensichtlich hatte es in der Vergangenheit aber auch keinen vergleichbaren Fall in der Geschichte gegeben, denn auch trotz Nachfrage konnte selbst der Geist von Professor Binns sich nicht an ein solches Phänomen erinnern. Die Angst vor dem Unbekannten mit einer solch unerklärlichen Macht wuchs beständig und die Liste mit den Schülern, die über Weihnachten in Hogwarts bleiben wollten schrumpfte in sich zusammen.

Zoe hatte anfangs bedenken, dass auch Draco es sich anders überlegen könnte, doch – und das verstärkte die These der vier Freunde nur noch – traf nicht ein. Draco sowie auch Vincent und Gregory blieben auf der Liste stehen und zusammen mit Zoe waren es nur noch weniger als ein Dutzend Slytherins, die über die Ferien hier bleiben wollten.

Durch das vergangene Ereignis fühlten sich zudem viele Schüler in der Vermutung bestätigt, dass Harry Potter der Erbe sei und gingen ihm dementsprechend aus dem Weg. Lediglich die Weasley Zwillinge machten sich einen Scherz daraus bei jeder Gelegenheit dieses Gerücht ins Lächerliche zu ziehen. So schritten sie jeden Morgen vor Harry in die Große Halle und verkündeten laut, dass man Platz machen solle für den Erben Slytherins. Zoe war Dracos finstere Miene bei diesem Schauspiel nicht entgangen. Auch wurden seine Sticheleien über Harry, die er gerne in Zoes Anwesenheit laut verkündete immer fieser.

Ob er sich darüber ärgerte, dass ein anderer den Ruhm für seine Taten einheimste?

Zoe versuchte ihn besser im Auge zu behalten, wobei dies fast unmöglich war, weil er ihr feindselige Blicke zuwarf, sobald sie auch nur in die Nähe kam. Umso ungeduldiger erwartete sie die Ferien und den Tag, an dem sie ihre Pläne umsetzen konnten.

Und dann waren endlich Ferien.

Zoe half Tracey und Daphne ihre Habseligkeiten zu packen und begleitete die Mädchen in die Eingangshalle, um sich von ihnen zu verabschieden. Anschließend schlenderte sie zum Frühstück und fand Hermine ganz alleine über ein Buch gebeugt am Ende des Gryffindortischs sitzen und so gesellte sie sich zu ihr.

Nach einer kurzen Begrüßung nahm Zoe ihr gegenüber Platz, schnappte sich einen Toast und sagte verschwörerisch: „Wir müssen uns langsam mal darauf vorbereiten, wie wir vorgehen."

Hermine klappte ihr Buch zu und nahm einen Schluck Orangensaft.

„Ich habe mir schon einige Gedanken gemacht", sagte sie. „Am besten wäre es natürlich, wenn wir Crabby und Goyle ausschalten könnten. Das wäre auch die Gelegenheit, um uns ein Stück von ihnen zu besorgen."

Naserümpfend meinte Zoe: „Das klingt eklig ... Wie willst du das anstellen?"

„Irgendwie müssen wir ihnen Schlafmittel verabreichen ... Ich hab vor zwei Wochen, eine Phiole aus meinem Zaubertranktest entnommen."

Die Slytherin machte große Augen und sagte anerkennend: „Das war sehr vorausschauend"

Hermine lächelte zufrieden und bedankte sich.

„Wir bräuchten nur noch etwas, dem sie nicht widerstehen können. Etwas Süßes vielleicht", meinte sie grübelnd.

„Das kann ich besorgen", bot Zoe an, „aus der Küche. Und vielleicht für jeden von euch Gläser für den Trunk."

„Genau!", bestätigte Hermine. „Und ich brauch auch noch ein Stück von jemanden ..."

„Millicent vielleicht?"

Hermine sah nicht sonderlich erfreut aus. Nachdem sie und Millicent während des Duellierunterrichts miteinander gerauft hatten waren sie spinnefeind miteinander.

„Na gut", sagte sie schließlich, „kannst du das besorgen? Ihr seid doch im selben Schlafsaal."

„Kein Problem."

„Sehr gut. Was brauchen wir noch?"

Zoe, die gerade dabei zusah, wie Draco und sein Gefolge hineinspaziert kamen und zum Slytherintisch gingen kam nicht umhin es zu bemerken.

„Größere Umhänge für Ron und Harry. Die sehen äußerst dämlich aus, wenn sie ihre eigene an behalten."

„Du hast recht", sprach Hermine verblüfft und sah über die Schulter um Zoes Blick zu folgen. „Wo bekommen wie die denn nur her?"

„Aus der Wäsche", sagte Zoe sofort. „Darum kümmer ich mich."

„Perfekt!" Der freudestrahlende Ausdruck auf Hermines Gesicht machte ihren Eifer deutlich.

„Wir müssen nur noch eine Gelegenheit abwarten und ‑"

„Gelegenheit für was?", fragte Ginny.

Rons kleine Schwester war hinter Hermine aufgetaucht und brachte die Braunhaarige aus dem Konzept.

„Ähm ... also ... willst du dich nicht zu uns setzen? Also wir planen ..." Sie verstummte und wurde im Gesicht so rot wie Ginnys Haare.

Zoe reagierte ohne stottern: „Sag es ihr doch Hermine, sie wird's schon nicht verraten."

Hermine klappte die Kinnlade herunter und Zoe sprach weiter, ohne sie zu Wort kommen zu lassen: „Wir wollen Harry und Ron bei der nächsten Schneeballschlacht richtig einseifen!"

„Oh ja, also ... vielleicht kannst du uns dabei helfen Ginny ...", sagte Hermine und fuhr sich nervös durchs Haar.

„Fred und George haben mir einen Zauber gezeigt, der die Schneebälle nachfliegen lässt", sprach Ginny und nahm sich einen Tee. „Ich kann ihn euch zeigen."

„Das wäre super", sagte Hermine, klatschte übertrieben überschwänglich in die Hände und sagte zu Zoe. „Dann müssen wir nur noch die passende Gelegenheit abwarten."

Während sie aßen plauderte die drei noch über ihren Unterricht und was alles noch auf Ginny zukommen würde. Die Erstklässlerin und ihre Brüder waren über Weihnachten in Hogwarts geblieben, weil ihre Eltern nach Ägypten gereist waren um den Ältesten, Bill, zu besuchen, der dort als Fluchbrecher bei Gringotts arbeitete. Ein wenig enttäuscht erzählte Ginny auch, dass sie gerne mitgereist wäre, weil sie ihren Bruder sehr vermisste. Zoe wusste, dass dies wohl nicht möglich gewesen war, weil die Weasleys mit ihren sieben Kindern kein Vermögen zur Verfügung hatten. Arthur Weasley hatte zwar einen Job im Zauberreimisisterium, doch offenbar wurde diese Stelle eher spärlich bezahlt.

Als die Weasley das nächste Thema anstimmte, stellte Zoe fest, dass Ginny in ihrer Anwesenheit noch nie so viel geredet und sie zu Hermine offensichtlich einen guten Draht hatte. Und natürlich, das sie dasselbe freundliche und offenherzige Wesen wie der Rest ihrer Familie besaß.

Am frühen Nachmittag besorgte Zoe, die sich unter Herzklopfen in den Jungenschlafraum geschlichen hatte jeweils einen Umhang von Crabbe und Goyle und versteckte diese unter ihrem Bett, bis sich eine Gelegenheit ergeben würde sie ins Klos der Maulenden Myrte zu bringen. Da Zoe mit Millicent alleine im Schlafsaal waren, traf auch schon bald eine Gelegenheit ein ihr Bett nach einem Haar von ihr zu durchsuchen. Zoe verstaute dieses schließlich in einem gefalteten Stück Pergament, um es Hermine beim nächsten Mal zu geben.


Am Weihnachtsmorgen stand Zoe quicklebendig und fröhlich auf und streckte sich genüsslich. Da sie alleine im Schlafsaal war, machte sie sich gleich über ihre Geschenke her die sich am Fußende stapelten. Nach dem sie die großen Schachteln geöffnet und deren Inhalt in ihren Schränken verteilt hatte widmete sie sich den Briefen. Den ersten den sie in die Hand nahm war von ihrem Großonkel Aberforth, der sie abermals einlud ihn Hogsmeade zu besuchen. Traurig legte sie den Brief zur Seite und wurde schmerzlich daran erinnert, dass sie von ihren Eltern nie wieder einen Weihnachtsgruß oder gar ein Geschenk zu erwarten hatte.

Ihre Gute Laune war mit einem Schlag verpufft und auch die Aussicht auf das Frühstück mit ihrem Großvater konnte das klaffende Loch, das die Erinnerung gerissen hatte nicht stopfen.

Im gemächlichen Tempo machte sie sich fertig, verließ den Schlafsaal und lief geradewegs in Dracos Arme, der allem Anschein nach nur auf Zoe gewartet hatte.

„Frohe Weihnachten", schnarrte er höhnisch, „sieh mal, ich habe sogar ein Geschenk für dich!"

Zoe war so perplex gewesen, dass sie zunächst gar nicht bemerkt hatte, dass Draco sie aufs Korn genommen hatte. Das dämliche Grunzen von Vincent und Gregory, die in den Lehnsesseln saßen machten sie erst darauf aufmerksam.

„Frohe Weihnachten ...", antwortete sie nichts destotrotz und sah sich das Stück Pergament, dass Draco ihr in die Hand gedrückt hatte näher an. Es war eine Seite aus dem Tagespropheten, wie Zoe langsam begriff und die größte Schlagzeile auf dem Stück hieß „Untersuchung im Zaubereiministerium". Sie begann zu lesen:


Arthur Weasley, Chef des Amts für den Missbrauch von Muggelartefakten, wurde heute wegen der Verzauberung eines Muggelwagens zu einer Geldbuße von fünfzig Galleonen verurteilt.

Mr Lucius Malfoy, ein Beirat der Hogwarts-Schule für Hexerei und Zauberei, wo der verzauberte Wagen vor einigen Monaten einen Unfall verursachte, forderte Mr Weasley zum Rücktritt auf.

„Weasley hat das Ministerium in Misskredit gebracht", sagte Mr Malfoy einem unserer Reporter. „Er ist offensichtlich ungeeignet, für uns Gesetze zu entwickeln, und sein lächerliches Muggelschutzgesetz sollte sofort gestrichen werden."

Mr Weasley war in dieser Sache nicht zu sprechen. Allerdings wies seine Frau die Reporter an zu verschwinden, oder sie würde den Familienghul auf sie hetzen.


„Ich hoffe du hast Weasley Geld geschenkt", höhnte Draco, „die nächsten fünfzig Weihnachten werden er und seine Geschwister wohl keine Geschenke mehr bekommen."

Wütend knüllte Zoe den Artikel zusammen und warf ihn mit aller Kraft auf Draco, der nur hämisch lachte.

„Du bist so ein Idiot!", fauchte sie und zog nur zusätzlich das Gelächter von Vincent und Gregory auf sich. Wütend wandte sie sich von ihren Mitschülern ab und verließ den Gemeinschaftsraum mit rasendem Puls.

Was Ronald für einen Ärger bekommen würde? Sicher, er und Harry hatten zu Beginn des Schuljahres sicher keinesfalls mit solchen Konsequenzen gerechnet, als sie sich das Auto von seinem Vater geschnappt hatten. Noch wie dumm und überlegt ihre Handlung war.

Zoe seufzte leider. Ihr tat die Familie Weasley so leid, wo sie diese doch als so nette und offene Menschen kennen gelernt hatte und sie hoffte inständig, dass sich eine gute Lösung für sie fand.

Als sie die Treppe hinter dem Wasserspeier überwand, saßen ihr die trüben Gedanken noch immer im Nacken.

„Guten Morgen und frohe Weihnachten", sagte Dumbledore freundlich und umarmte seine Enkelin. „Wie hast du geschlafen?"

„Eigentlich ganz gut", antwortete Zoe erwiderte seine Geste.

Dumbledore sah sie kritisch an: „Du siehst aber niedergeschlagen aus."

Zoe seufzte leise und ließ sich in einen der Sessel vor den gedeckten Frühstückstisch fallen. Dann sagte sie: „Ich hab' mich über Draco geärgert. Er nervt schon die ganze Woche ..."

Ihr Großvater lächelte milde und gesellte sich zu ihr.

„Vielleicht möchte Mr Malfoy einfach ein bisschen mehr Aufmerksamkeit?"

Zoes Miene wurde noch finsterer und Dumbledore reichte ihr versöhnlich einen Korb frischer Brötchen.

„Wie haben dir deine Geschenke gefallen?"

Und mit diesen Worten hatte er genau den richtigen Nerv getroffen um Zoe abzulenken. Sie bedankte sich bei ihrem Großvater für sein Geschenk und erzählte ihm im Anschluss, was sie alles von ihren Freunden bekommen hatte und wie neugierig sie auf deren Reaktion sei, wenn sie ihre auspacken würden.

„Und Aberforth", sagte sie zum Schluss, „hat wieder gefragt, ob ich ihn nicht besuchen wollte ... Darf ich?"

Dumbledore versuchte sich das Missfallen nicht anmerken zu lassen, doch er antwortete schließlich: „Ich werde mit ihm sprechen. Was hälst du von den nächsten Sommerferien?"

Zoe strahlte überglücklich und vergaß für diese kurze Zeit, die sie miteinander verbrachten zumindest fast all ihre Sorgen. Plötzlich hielt sie mitten im Gespräch inne, als ihr einfiel, was sie ihrem Großvater schon viel länger hatte sagen wollen.

„Ich hab' was vergessen", sagte sie mit großen Augen und sah durch die halbmondförmige Brille hindurch auf diese gletcherblauen Augen. „Ich hatte es dir schon früher erzählen wollen ..."

„Was denn?", fragte Dumbledore und lehnte sich gemütlich in den hohen Lehnstuhl zurück.

„Beim Duellierunterricht ... Als die Schlange Justin angreifen wollte, da hat Harry sie nicht angestachelt. Er hat ihr befohlen ihn in Ruhe zu lassen."

Sie hielt inne, um die Reaktion in ihrem Gegenüber lesen zu lassen, doch sie konnte nichts deutet. Keine Überraschung, keine Sorge, keine Angst.

„Ich hab' Harrys Worte verstanden", sagte Zoe schließlich und stellte ihre Tasse wieder ab. „Wieso?"

Dumbledore überlegte einige Sekunden, bevor er antwortete: „Parsel ist eine höchst seltene und unerforschte Fähigkeit", sagte Dumbledore schließlich. „Es ist nützlich, lediglich schlecht, behaftet durch die Ängste derer, die sie nicht verstehen."

Zoe sah ihn zweifelnd an.

„Wofür kann es denn nützlich sein, mit Schlangen zu sprechen?"

„Jede Gabe hat einen Nutzen. Es kommt darauf an, wie man sie einsetzt. Du kannst es dir jetzt vielleicht noch nicht vorstellen, aber vielleicht kommt der Tag, an dem du dich an meine Worte erinnern wirst."

„Ich weiß nicht ....", gab Zoe zu und spielte mit dem Tischtuch.

„Es ist aber nicht diese Fähigkeit, vor der du Angst hast", stellte der Schulleiter schließlich fest.

Sie sah wieder auf.

„Nein", sagte Zoe schließlich und machte eine kurze Pause. „Die anderen denken alle, Harry könnte der Erbe sein, nur weil er Parsel spricht. Ich glaube das nicht!"

„Und ich ebenso wenig", bestätigte Dumbledore.

„Aber ich hab gedacht, was ist wenn ich wieder etwas tue, was ich gar nicht will. Ohne es zu merken ..."

Er sah sie traurig an.

„Es wird eine Zeit lang dauern, bis du wieder Vertrauen in dich und deine Fähigkeiten gefasst hast, aber eines kann ich dir mit Gewissheit sagen: Was auch immer diese Angriffe durchgeführt hat, war kein Schüler. Und ebenso wenig kannst du es gewesen sein."

Zoe sah ihn erleichtert gleichzeitig auch entsetzt an.

„Ein Lehrer?", fragte sie ungläubig.

„Unwahrscheinlich."

„Was dann?"

„Mit solchen Gedanken, solltest du dich nicht belasten, Zoe. Ich versichere dir, es wurden Vorkehrungen getroffen um euch Schüler zu schützen. Außerdem ist nun Weihnachten, genieß deine freie Zeit. Sie wird mit den Jahren immer weniger."

Und mit diesen Worten war das Thema für ihn beendet.

Zoe verbrachte noch den gesamten Vormittag bei ihrem Großvater und hopste am Nachmittag wesentlich fröhlicher hinab in die Küche, wo sie etwas Süßes für ihre Pläne besorgen wollte.

Dafür musste sie in den unterirdischen Teil des Schlosses gehen. Als Zoe in dem großen, hellen und freundlichen Raum ankam, der das Vorzimmer zur Küche war, steuerte sie schnurstracks das Gemälde einer Obstschale an.

Routiniert kitzelte sie die Birne darin, bis diese lachte und sich eine Türklinke materialisierte.

Als Zoe die Küche betrat, war sie weder überrascht über die unzähligen umher wuselnden Hauselfen, noch über die Vorbereitungen zum Festsaal, welche die Wesen auf identischen Haustischen vorbereiteten. Schon einige Male war Zoe hier gewesen, um nach etwas Süßem zu bitten – doch damals war sie hier noch nicht zur Schule gegangen.

Eine kleine, zerzauste Hauselfe eilte sofort herbei und erfüllte den Wunsch der Slytherin. Zoe verstaute die beiden kleinen Schokokuchen in einer Pappschachte, verbarg sie in ihrem Umhang versteckten die Trinkgläser in ihrem Ärmel und machte sich auf den Weg zum Klo der Maulenden Myrte, wo sie die Gläser in der Kabine mit dem Kessel abstellte.

Anschließend schlenderte sie hinauf zum Gryffindorgemeinschaftsraum, um ihre Freunde zu besuchen und mit ihnen die Zeit bis zum Abendessen zu verbringen.

Die Gryffindors hatten beschlossen ihren Plan nach der Feier umzusetzen, sofern sich eine Gelegenheit ergeben würde. Zoe hatte Harry und Ron die Kuchen gegeben, die Hermine zuvor mit ihrem Schlafmittel präpariert hatte und während sie die Köpfe zusammengesteckt hatten, verging die Zeit wie im Fluge und ehe sie sich versahen, war es schon Spät genug, um hinunter in die Große Halle zu gehen.

Sie alle freuten sich auf die Weihnachtsfeier. Wie jedes Jahr war die Große Halle festlich geschmückt. Misteln und Stechpalmenzweige hingen an den Wänden und von der verzauberten Decke rieselte dichte Schneeflocken weich und trocken auf sie herab.

Weil sie dieses Jahr so wenige da waren, saßen sie zusammen an einem großen Tisch. Zoe genoss diesen Abend sehr und hatte seit langem wieder einmal das Gefühl, zuhause zu sein.

Hagrid bekam mit jedem weiteren Humpen Eierpunsch rotere Wangen und dröhnte bei folgendem Weihnachtslied, dass ihr Großvater anstimmte, lauter mit. Professor Snape hingegen nutzte die erst beste Gelegenheit sich zu verabschieden und war noch vor dem Nachtisch verschwunden.

Zoe hatte sich gerade Nachschlag geholt, als Hermine Ron und Harry aus der Großen Halle lockte, um ihnen weitere Anweisungen zu geben.

Ihr Herz machte einen nervösen Hüpf er und sie sah sich unauffällig um, ob jemand von der Abwesenheit ihrer Freunde Notiz nahm. Doch das tat zum Glück niemand. Zoe blieb zurück und behielt Vincent und Gregory im Auge, die ihre vierte Portion Pudding hereinschauffelten, obwohl Draco bereits den Tisch verließ. Ungeduldig wartete sie, bis auch die beiden bulligen Slytherins aufgegessen hatten und vom Tisch aufstanden. Zoe beobachtete sie unauffällig bis sie durch die Tür gegangen waren und verabschiedete sich einige Sekunden später von den anderen und folgte ihnen mit bedachten Schritten.

Als sie zur Treppe abbog konnte sie gerade noch sehen, wie Vincent und Gregory, mit verschmierten Mündern in die Knie gingen und mit verdrehten Augen liegen blieben.

„Jetzt kommt erst der schwierige Teil!", sagte Harry und sprang hinter einer Rüstung hervor. „Los, pack mit an, Ron."

Während Zoe Schmiere stand zogen die beiden Jungs die Slytherins in den Besenschrank an der gegenüberliegenden Wand und rupften ihnen Haare aus. Als sie sich gemeinsam auf den Weg in den zweiten Stock machten, war Zoe übermaßen erleichtert. Teil eins des heiklen Plans hatten sie bereits mit mehr Glück als Verstand überwunden. Als sie im Klo ankamen und die Maulende Myrte nicht anwesend war schien es, als sei das Glück an diesem Abend tatsächlich auf ihrer Seite. Hermine, die bereits in der Kabine war und den Trank umrührte öffnete ihnen mit glänzendem und angespanntem Gesicht.

„Habt ihr sie?", fragte Hermine außer Atem.

Anstatt zu antworten hob Harry die Haare nach oben.

Während Hermine den Jungs die größeren Umhänge gab warf Zoe einen interessierten Blick in den Kessel. Der sirupartige Trank darin blubberte leise vor sich hin und sah wenig appetitlich aus. Fast so, als wäre es dünnflüssiger, brauner Schlamm. Sie war heilfroh, dass sie selbst nichts von dieser Substanz trinken musste.

Anschließend lehnte sich die Gryffindor wieder über Höchst potente Zaubertränke und nickte sich unruhig zu und murmelte: „Ich bin mir sicher, dass ich alles richtig gemacht habe. Sieht genauso aus, wie es das Buch vorschreibt ... wenn wir ihn getrunken haben, bleibt uns exakt eine Stunde, bis wir uns wieder in uns selbst verwandeln."

„Und was nun?", flüsterte Ron.

„Wir teilen ihn auf drei Gläser auf und fügen die Haare hinzu."

Zoe reichte Hermine die drei Trinkgläser nach und nach und diese füllte sie mit einem großen Schöpflöffel mit Zaubertrank. Dann zog sie mit zittriger Hand das Blatt Pergament aus ihrer Umhangtasche, dass Zoe ihr gegeben hatte. Nachdem Millicents Haar die Flüssigkeit berührt hatte zischte es laut und Schaum stieg im Glas auf. Als er sich aufgelöst hatte, behielt der Trank eine unschöne gelbstichige Farbe.

Angewiderte starrte Ron auf Hermines Glas und meinte: „Uääh ‑ Essenz von Millicent Bulstrode. Wette, es schmeckt widerlich."

„Tut jetzt eure rein", sagte Hermine missmutig.

Zoe beobachtete die Jungs dabei, wie auch ihre Gläser zischten, als sie die Haare hineintaten. Harrys Gregory-Trunk bekam einen khakifarbenen Ton, der an Trollhaut erinnerte, Rons Vincent-Trunk ein trübes Braun.

Die Gesichter der Gryffindors sahen wenig erfreut aus.

„Tut, was ihr tun müsst", meinte Zoe aufmunternd. „Bei drei! Eins – zwei –"

„Wartet", sagte Harry. „Wir trinken sie besser nicht alle drei hier drin ... Sobald wir uns in Crabbe und Goyle verwandeln, passen wir nicht mehr hier rein. Und Millicent Bulstrode ist auch nicht gerade eine Elfe."

„Kluger Junge", sagte Ron, öffnete die Tür und trat hinaus. „Jeder nimmt eine Kabine."

Zoe blieb im Gang zwischen den Kabinen stehen und sah den drei dabei zu, wie sie sich aufteilten und wartete neugierig. Einen Moment geschah nichts, dann fasste sich Harry offensichtlich als erster ein Herz.

„Fertig?", rief er.

„Fertig", antworteten die anderen beiden.

„Eins – zwei – drei ‑"

Gespannt lauschte Zoe doch außer den würgenden Verwünschungen von Ron blieb es zunächst still. Als Harry keuchend in seiner Kabine zu Boden ging, wurde sie allerdings nervös.

„Alles in Ordnung?", fragte sie besorgt.

Zoe ließ sich auf alle Viere fallen um besser sehen zu können. Harrys schlanke Finger wuchsen und wurden zu großen, klumpigen Gliedern. Sie konnte einen kleinen Entsetzensschrei nicht unterdrücken, als die Haut an seinen Händen Blasen warf und sich dehnte um noch mehr wachsen zu können. Aus Rons Kabine kam ein Geräusch von zerrissenen Textilien, er fluchte leise. Als Harry sich erschöpft auf den Boden fallen ließ, sah unter dem Türschlitzes Gregory Gesicht auf Zoe, die ihn zunächst nur sprachlos angaffte.

„Wahnsinn ...", flüsterte sie leise, „du siehst wirklich aus wie er ... bis auf die Brille ..."

Offensichtlich verwirrt fuhr sich Harry durch das kurze, stoppelige Haar. Dann nahm er die Brille ab und seine braunen Augen fixierten Zoe erst jetzt.

„Seid ihr okay?"

Zoe kicherte beim Klang von Gregorys rauer Stimme. Es war wirklich kaum zu glauben, dass hinter diesem Körper ein ganz anderer Mensch steckte.

Vincents Stimme grunzte aus der Kabine, in der Ron steckte.

Als Harry sich erhob, die Schuhe abstreifte und die Tür aufsperrte sprang Zoe auf die Füße und folge ihm, immer noch vollkommen verblüfft, vor den zerbrochenen Spiegel bei den Waschbecken. Sie sah ihm über die Schulter, während er sich selbst musterte, den Kopf drehte und sein Spiegelbild aus den dumpfen, tief liegenden Augen betrachtete.

Ron gesellte sich mit unsicheren Schritten zu ihnen. Er sah zwar mitgenommen und etwas blass aus, aber ansonsten war er ein Abbild seines Originals. Wuchtig wie Gregory und mit einem Haarschnitt, der Aussah, als trüge er eine Schüssel auf dem Kopf.

Ron fasste sich an die Platte Nase, die nicht wie seine eigene aussah, und sagte: „Das ist unglaublich. Unglaublich."

„Wie fühlt sich das an?", wollte Zoe wissen und wandte sich ihm zu.

Er schauderte und sagte: „Nicht besonders schön ..."

„Wir sollten uns beeilen", sprach Harry dazwischen und lockerte das Band seiner Armbanduhr, das in seinen Arm schnitt. „Unsere Zeit läuft.

Ron sah Harry mit dem gleichen dümmlichen Gesichtsausdruck an, der oft auf Vincents Gesicht haftete und musste herzlich lachen.

„Du ahnst nicht, wie seltsam es aussieht, Goyle denken zu sehen", sagte er, ging zu Hermines Kabine und klopfte. „Komm schon, wir müssen gehen ‑"

„Ich – ich glaube, ich geh doch nicht mit. Ihr könnt doch ohne mich gehen", Hermines Stimme war schrill.

Schriller als es für Millicent üblich war.

„Hermine, wir wissen, dass Millicent Bulstrode hässlich ist, es weiß doch keiner, dass du es bist –"

„Nein – im Ernst – ich geh lieber nicht mit – beeilt euch, ihr beiden, ihr vertrödelt die Zeit –"

Die Jungs sahen einander nervös an, doch Zoe war schon an Vincents Seite getreten und versuchte die Tür zu öffnen.

„Was ist denn los?", fragte sie ängstlich.

„Hermine, alles in Ordnung mit dir?", rief Harry.

„Ja – mir geht's gut – los, geht schon –"

Fünf Minuten waren bereits vergangen und Gregory sah nervös auf Harrys Uhr.

„Ich bleib' hier", sagte Zoe sofort, als sie seinen unschlüssigen Blick sah.

„Aber ohne dich finden wir nie den Gemeinschaftsraum", protestierte Ron in Vincents Körper.

„Ach was, das ist ganz einfach", meinte Zoe. „Ihr geht den Kerker hinunter, als würdet ihr zum Tränkeunterricht gehen. Den Korridor vorher biegt ihr rechts ab und folgt ihn, bis er sich wieder gabelt. Dann links und irgendwann kommt ihr an eine steinernere Wand, wo es nicht weiterzugehen scheint. Das ist der Eingang."

Ein seltsames Geräusch kam aus Hermines Kabine und die drei sahen einander hilflos an.

Gregory trat von einem Fuß auf den anderen und sagte schließlich: „Wir treffen uns wieder hier, hörst du?"

Sie gingen hinüber zur Tür, lugten vorsichtig hinaus und waren dann verschwunden.

„Hermine, du kannst rauskommen, sie sind –", mit einem Mal wurde Zoe ganz heiß.

Sie hatte vergessen den Jungs das Passwort zu sagen.

Ohne auf Hermines Wimmern zu hören rannte Zoe zur Tür und auf den Gang hinaus. Doch es war zu spät. Die beiden waren schon nicht mehr in Sichtweite. Einen Moment lang überlegte sie ihnen nachzugehen doch als Hermine leise schluchzte verwarf Zoe den Gedanken. Sie würden schon jemanden treffen, mit dem sie hineingehen konnten.

Die Slytherin kehrte zurück ins Klo und schloss die Tür leise, als sie aus Hermines Kabine plötzlich eine zweite Stimme hörte.

„Aaaarmes Ding, hm? So war das wohl nicht geplant, oder? Wenn du magst kannst du hier bei mir wohnen bleiben."

„Myrte?", Zoe trat an die verschlossene Kabine und der Geist der Schülerin streckte ihren perlweisen Kopf durch die Tür hervor.

„Ohje", seufzte er, „das sieht gar nicht gut aut. Gar nicht gut ..."

Langsam bekam Zoe Panik. Was war nur geschehen?

Ungeduldig klopfte sie wieder an Hermines Kabine, in der diese nun leise weinte.

„Hermine! Was ist denn nur los."

„Schrecklich ... es ist so schrecklich", klagte Myrte als sie ihren Kopf wieder in die Kabine gezogen hatte.

„Hermine", flehte Zoe, „antworte doch wenigstens!"

Fieberhaft überlegte sie wobei das Schluchzen und Schniefen ihrer Freundin dies erschwerte. Doch mit einem Mal, ging ihr ein Licht auf. Sie zog ihren Zauberstab aus der Umhangtasche, richtete ihn auf den Türknauf und sprach laut und deutlich „Alohomora!".

Der Kabinenschnapper klickte und Zoe konnte die Tür aufdrücken und erschrak zunächst einmal. Auf dem WC-Deckel saß ein Wesen, das nur im Entferntesten an einen Menschen erinnerte und keineswegs wie Millicent Bulstrode aussah. Vielmehr wirkte es, wie eine riesige, zweibeinige Katze in Hogwartsuniform.

Zoe schluckte und versuchte nicht allzu verängstigt zu wirken, als Hermine sie aus ihren gelben, Katzenaugen ansah. Ihr komplettes Gesicht war mit schwarzem Fell überzogen und ihre kleinen, spitzen Ohren ragten aus ihrem buschigem Haar heraus.

„Es war ein Katzenhaar!", jammerte Hermine und bedeckte ihr Gesicht mit den haarigen Händen.

Vorsichtig trat Zoe einen Schritt näher, ignorierte Myrte die über ihren Köpfen schwebte und tätschelte Hermine vorsichtig den Kopf.

„Mach dir keine Sorgen", sagte sie beruhigend, „in einer Stunde siehst du wieder ganz normal aus."

„Und was ist wenn nicht?", fauchte sie regelrecht. „Der Vielsafttrank darf nicht mit Tierhaaren verwendet werden! Es steht extra ein Hinweis im Buch ..."

„Lass uns erst mal abwarten, es wird schon alles gut gehen", meinte die Slytherin. „Ich schau mal nach, ob da ein Notfallplan drin steht.

Zoe betrat die Kabine, in der sie den Trank gebraut hatten und zog sich den schweren Wälzer auf die Beine und las das Kapitel über den Vielsafttrank noch einmal gründlich durch. Doch darin stand nichts Brauchbares. Also suchte sie nach einem Gegenmittel fand jedoch nichts außer einem Querverweis zu einem anderen Buch.

„Und?", fiepte Hermine hoffnungsvoll.

Laut klatschend klappte Zoe Höchst potente Zaubertränke zu und trottete wieder zu Hermine, die sich Mittelwelle ein wenig beruhigt hatte.

„Nichts", antwortete sie und sah auf ihre Taschenuhr, „aber in einer halben Stunde wissen wir schon mehr. Dann bekommst du sicher deine alte Gestalt wieder und wir haben uns umsonst Sorgen gemacht."

Zoe konnte Hermines Lächeln nicht sehen, weil dem Katzengesicht die Mimik fehlte. Ihr Schwanz hingegen zuckte nervös hin und her.

„Und wenn nicht?", fragte die Gryffindor schließlich ängstlich.

„Dann gehen wir halt in den Krankenflügel. Madam Pomfrey bekommt das doch wieder hin. Wir sagen ihr einfach, jemand hätte dich verhext."

„Das glaubt sie doch niemals!"

„Oder wir erzählen ihr, dass dich jemand reingelegt hat."

Es schien Hermine etwas milde zu stimmen. Ungeduldig sahen die beiden Mädchen immer wieder auf die Uhr und zählten die Minuten, die viel langsamer als sonst zu vergehen schienen. Sie waren so konzentriert darauf, dass sie alles andere vergessen hatten. Sogar Myrte, die noch immer umher schwebte.

Dann ging die Klotür auf und die beiden Freundinnen huschten, wie von einer Tarantel gestochen, zurück in ihre Kabinen und lauschten angespannt. Einige Sekunden lang hielt Zoe den atmen an, während sie den Schritten lauschten. Es klopfte heftig.

„Hermine, komm raus, wir haben dir 'ne Menge zu erzählen ‑"

„Haut ab!", quiekte Hermine.

Erleichtert schloss Zoe ihre Tür auf und trat wieder hinaus. Harry und Ron standen vor Hermines Kabine in ihrer richtigen Gestalt und in viel zu weiten Umhängen.

„Was ist los mit dir?", fragte Ron durch die Tür. „Du musst doch inzwischen wieder du selbst sein, wie wir –"

„Oh nein", sagte Zoe betroffen als sie die beiden Jungs ansah.

Irritiert tauschten die beiden stumme Blicke miteinander. Doch bevor Zoe ein Wort der Erklärung fand, kam die Maulende Myrte glücklich durch Hermines Kabinentür geglitten.

„Ooooooh, wartet, bis ihr sie seht", sagte sie. „Es ist schrecklich –"

„Es ist nicht schrecklich!", fauchte Zoe. „Es wird alles wieder in Ordnung kommen und jetzt hau ab!"

„Was ist los?", fragte Ron wieder und wandte sich der Kabinentür zu: „Hast immer noch Millicents Nase oder so was?"

„Also", fing Zoe an betreten an zu erklären, „es ist so, dass ich anscheinend ein falsches Haar aus dem Bett gefischt habe. Es war wohl nicht von Millicent ... Es war wohl –"

„Es war ein K-Katzenhaar!", heulte Hermine, sperrte ihre Kabine auf und sah sie an. „M-Millicent Bulstrode muss eine Katze haben! Und der Trank darf nicht für Verwandlungen in Tiere gebraucht werden!"

„Ja ... hat sie ...", nuschelte Zoe.

„Uh ‑ oh", sagte Ron als er Hermine sah, wich zurück und stieß gegen das Wachbecken.

„Da werden sie dich ganz fürchterlich triezen", sagte Myrte beglückt.

„Nicht so lange du da bist!", meinte Zoe böse zu dem Geist. „Und jetzt verschwinde!"

Myrte schnitt eine Grimasse, wandte sich beleidigt um und verschwand scheinbar durch die Wand. Wobei der perlweiß schimmernde Pferdeschwanz noch immer ihre Anwesenheit verriet.

Harry versuchte währenddessen Hermine zu trösten: „Wir bringen dich hoch in den Krankenflügel, Madam Pomfrey stellt nie zu viele Fragen ..."

Es brauchte noch ein wenig Überredungskünste, bis sie Hermine dazu gebracht hatten ihnen endlich zu Madam Pomfrey zu folgen. Auf dem Weg dorthin erzählten Harry und Ron von ihrer Aushorchaktion über Malfoy und dem fadem Ergebnis. Obwohl sie alle so sicher gewesen waren hatte sich herausgestellt, dass Draco nicht der Erbe war und auch nicht wusste, wer es sein könnte. Lediglich einen neuen Hinweis hatten sie erhalten: Als die Kammer vor fünfzig Jahren schon einmal geöffnet wurde, war eine Schülerin gestorben und der verantwortliche aus der Schule verbannt worden. Damit standen sie wieder am Anfang, aber immerhin hatten sie nun eine Richtung in die sie gehen konnten.

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top