Von Freunden und Feinden

Es war zum Drachen melken.

Black erzählte Zoe eine Geschichte über vier Freunde in Hogwarts. Vier Charakteren, wie sie unterschiedlicher nicht hätten sein können. Er nannte sie Krone – den sportlichen, Moony – den Bücherwurm, Tatze – den Draufgänger und Wurmschwanz – das Nesthäkchen.

Es war eine fabelhafte Geschichte über Freundschaft während sieben gemeinsamer Schuljahre und sie klang so lustig und wahrhaftig, als wäre Sirius Black selbst dabei gewesen. Als hätte er mit eigenen Augen gesehen, wie sie Animagi wurden und er erzählte die Abenteuer der Vier so aufregend und spannend, dass Zoe alles um sich herum vergaß und gespannt seiner Erzählung lauschte.

Und dann kam die Wende.

Die vier Freunde waren zerspalten worden. In den dunklen Zeiten während Voldemorts Herrschaft. Zwietracht und Misstrauen wurde zwischen ihnen gesät und stellte ihre Freundschaft auf eine harte Probe. Doch sie hielt dem Stand ‑ bis zu einem Verrat, bei der einer der Vier umkam: Krone.

Und von da an war alles anders.

Tatze wusste von dem Verrat, er war Teil des Komplotts gewesen, weil sie Moony misstrauten. Nur er und Krone wussten, dass Wurmschwanz – der Ängstliche, den Verrat, bei dem Krone ums Leben kam, begangen hatte. Somit war Tatze der Letzte gewesen, der die Wahrheit kannte. Der Einzige, der wusste, wer der Verräter war. Und Tatze wurde zerfressen von Schuldgefühlen, von Trauer und von Zorn auf Wurmschwanz. Er spürte ihn schließlich auf, damit er Wurmschwanz zur Rechenschaft ziehen konnte, doch dieser lockte Tatze in eine Falle. Und so wurde jener Einzige, der die Wahrheit kannte zum Schuldigen gemacht, ohne dass es ihm möglich gewesen war seine Unschuld zu beweisen.

Als Black am Ende seiner Erzählung ankam, war es mucksmäuschenstill und es folgte ein bedrücktes Schweigen.

Zoe wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war, seit Beginn der Geschichte. Sie verstand auch nicht, warum Sirius Black ihr all das erzählte. Die Slytherin rutschte unbehaglich auf dem staubigen Bett umher und beobachtete den Flüchtigen, wie er gedankenverloren ihren Zauberstab in seiner Hand drehte.

Er schien das Mädchen für einen Moment vergessen zu haben und Zoe fragte sich, was sie nur tun sollte, um ihm zu entkommen.

„Das ist wirklich eine traurige Geschichte", sagte Zoe irgendwann leise und beobachtete die Regung von Sirius Black.

„Und jedes Wort ist wahr", wiederholte dieser mit Bitterkeit in der Stimme und ohne aufzusehen.
Dann schwieg er wieder für einige Sekunden, bevor er erneut sprach: „Sogar ihre Namen. Es waren die Spitznamen, die sie einander gaben, nachdem sie Animagi wurden."

Es war das Stichwort, dass Zoe nun wieder neugierig machte.

„Sie waren Animagi? Alle ... alle vier?"

Sirius nickte.

„Das glaub ich nicht! Wie kann das sein?", fragte Zoe ungläubig.

Sirius Black lachte bellend und Zoe zuckte erschrocken zusammen, doch dann stellte er eine Gegenfrage: „Sag mir, Zoe, wie bist du zum Animagus geworden? Wie kann das sein?"

Das Mädchen errötete und senkte den Blick.

„Es ... es ist mir heute zum erste Mal gelungen, Sir."

„Du bist Dreizehn", sagte Black trocken, „und hast dich dieser Herausforderung alleine gestellt.

Die vier Freunde konnten einander unterstützen und sie hatten viel Zeit und Energie darin investiert."

Einen Moment lang musterte sie den Flüchtigen misstrauisch. Woher hatte er gewusst, wie alt sie war, oder hatte er einfach nur geraten.

Die Slytherin betrachtete ihn ein paar Sekunden stumm, wie sich seine Augen wieder in der Vergangenheit verloren, als könne er die Dinge wieder sehen, die längst vorüber waren.

Eine unangenehme Stille breitete sich im Raum aus, eine Stille, die für Zoe absolut bedrohlich wirkte. Sie war hier, an diesem verlassenen Ort mit einem Massenmörder gefangen. Noch war sie am Leben, doch wie sollte sie sich aus dieser misslichen Lage wieder befreien?!

Im faden Licht der Hütte, erkannte Zoe, wie Black immer mehr in sich zusammensank, als wäre er ein Gefangener seiner Gedanken. Hatte er sie tatsächlich für einen Augenblick vergessen?

Vor einigen Minuten noch, war seine Körpersprache eine ganz andere. Als er diese Geschichte erzählt hatte, da war er lebhaft, beinahe euphorisch gewesen. Und nun saß er wie ein verrückter zusammengekauert auf dem Boden und zuckte ab und an mit dem Kopf.

Einen kurzen Moment lang, huschte Zoes Blick zur Tür, die hinter ihm lag. Die so nah war und doch unerreichbar. Sie würde keine Chance haben, bei dem Versuch wegzulaufen. Wenn sie wirklich mit ihrem Leben davon kommen wollte, dann musste sie den Kontakt mit dem Flüchtigen aufrechterhalten. Dies war vielleicht ihre einzige Chance.

„Welche ... Gestalten haben sie angenommen?", fragte Zoe zaghaft und sah, wie Sirius Black den Blick wieder hob.

„Krone wurde ein Hirsch", sagte er gemächlich, „Moony ein Wolf, Wurmschwanz eine Ratte und Tatze ein Hund."

Jetzt fiel auch der Knut bei Zoe.

„Sie – sind Tatze", flüsterte sie leise.

„Ja."

Darum hatte er ihr diese Geschichte erzählt.

Er wollte ihr seine Unschuld vorgaukeln, in der Hoffnung Zoe würde seine Lügen für die Wahrheit halten und fast, fast hätte sie ihm sogar geglaubt. Doch vielleicht war es besser ihn in diesem Glauben zu lassen. Vielleicht war dies ihre Chance zu entkommen.

„Dann", begann Zoe und versuchte die richtigen Worte zu finden, „dann sind sie reingelegt worden? Dann saßen sie all die Jahre unschuldig in Askaban?"

„Nur das kann der Grund sein, warum ich dort nicht verrückt geworden bin", sprach Black verbittert.

„Aber was ist mit Wurmschwanz passiert?"

„Er ist untergetaucht, was sonst", schnarrte der Flüchtige, „nichts anderes blieb ihn übrig. Und ich weiß sogar wo er ist. Ich habe ihn gefunden!"

In seinen Augen lag ein Ausdruck wahnsinnigen Eifers, der Zoe einschüchterte. Er hatte den Zauberstab neben sich auf den Boden gelegt und suchte in den Fetzen, die seine Kleidung darstellte, nach etwas, und einige Sekunden später, zog er ein mitgenommenes Stück Pergament aus einer der Taschen und hielt dieses ihr mit ausgestrecktem Arm hin.

Zoe zögerte.

„Nimm es!", forderte Black sie auf.

Nur widerstrebend rutschte die junge Hexe von dem Bett und näherte sich dem Flüchtigen. Sie streckte vorsichtig den Arm aus und griff nach dem Pergament, während sie darauf bedacht war, den Abstand von Black so groß wie möglich zu halten. Er ließ seine Hand sinken, als die Schülerin den Bogen ergriffen hatte und wieder auf dem Bett Platz nahm.

Zoe faltete das Pergament vorsichtig auseinander und stellte überrascht fest, dass es sich hierbei um eine Seite aus dem Tagespropheten handelte.

„Dreh es um!", meinte Black, der Zoe beobachtet hatte und diese gehorchte sofort.

Es war ein Ausschnitt der Tageszeitung aus den letzten Sommerferien. Zoe kannte den Artikel. Ronalds Familie hatte etwas Gold gewonnen und dies genutzt um Bill in Ägypten zu besuchen und dieser Bericht schilderte davon. Auf dem Foto war Ron mit seiner Familie abgebildet, wie sie vor den Pyramiden standen, aber es war nichts Auffälliges daran.

„Ich ... kann ihnen nicht folgen, Sir", sagte Zoe und ließ das Pergament wieder sinken.

„Sieh genauer hin!", kreischte Black, „Sie dir die Ratte auf der Schulter des Jüngsten an!"

Völlig perplex betrachtete Zoe ihr Gegenüber. Fudge hatte in den Drei Besen zur Bedienung gesagt, dass Black ihm beim letzten Besuch nicht verrückt vorgekommen war. Zoe war da jedoch anderer Ansicht.

Nach kurzem Zögern richtete sie den Blick wieder auf das Foto und betrachtete Ron, auf dessen Schulter die Familienratte saß. Damals war sie noch wohlgenährt gewesen und ihr Fell glänzte. Sie machte nicht den ungesunden, nervösen Eindruck, wie die Ratte, die sie noch vor wenigen Tagen in Ronalds Obhut gesehen hatte.

„Das ist Krätze", sagte sie schlicht.

Sirius Black erstarrte.

„Du ... du kennst sie?", fragte er hoffnungsvoll.

„Ja, das ist Rons Ratte. Er hat sie von einem seiner Brüder bekommen. Sie lebt schon lange bei den Weasleys."

„Lange, ja? Zwölf Jahre vielleicht? Erstaunliches Alter für eine Kanalratte, oder?"

Zoe stockte ungläubig und sah von dem Artikel zu Sirius Black und wieder zurück und just in dem Moment erinnerte sich die Dreizehnjährige daran, dass auch Hagrid der Meinung war, dass Krätze ungewöhnlich alt ist.

„Sie wollen doch nicht etwa sagen, dass diese Ratte ... Dass sie Wurmschwanz ist", fragte Zoe kritisch, zog jedoch die Brauen leicht zusammen.

„Sag mir Zoe, du scheinst ein schlaues Mädchen zu sein", er sah sie an, aus seinen grauen, wahnsinnigen Augen ohne ein einziges Mal zu blinzeln, „was blieb von Peter Pettigrew übrig, nachdem die halbe Straße weggesprengt worden war?"

„P-p-peter Pettigrew?", wiederholte sie perplex.

Ihr war ein bisschen mulmig zumute, doch Zoe wusste, worauf Black hinauswollte. Ron hatte es erst vor ein paar Tagen erwähnt, um Harry von Dummheiten abzuhalten.

„Ei-nen Finger, Sir."

Sirius Black lächelte unheilvoll.

„Und nun zähl' die Zehen der Ratte!"

Zoe gehorchte und tat, wie ihr geheißen wurde und plötzlich stockte sie, ließ den Zeitungsartikel sinken und sah Sirius Black darüber hinaus berechnend an.

„Neun, Sir", antwortete sie schließlich.

„Ja", sagte Black triumphierend, „er ist in Hogwarts ... er ist schon lange in Hogwarts!"

Seine Worte trieben ihr einen kalten Schauer über den Rücken und da fiel es Zoe wie Schuppen von den Augen, sie sprang vom Bett auf und ließ den Zeitungsartikel vor Blacks Füße gleiten.

„Das heißt ... Sie wollen nur Krätze – der Pettigrew ist?", fragte Zoe und versuchte diese abstrusen Informationen in ihrem Hirn irgendwie zu ordnen. „Sie sind gar nicht nach Harry Potter her?!"

Sirius Black sah sie überrascht an.

„Wieso, sollte ich hinter Harry her sein?"

„Alle glauben, Sie wollen Harry töten – aus ... aus Rache?"

„Aus Rache?", fragte er entsetzt.

„Ja ‑", versuchte Zoe zu erklären, „weil er Du-weißt-schon-wen besiegt hat: ihren Meister."

Sirius Black schüttelte verwirrt den Kopf und Zoe ließ sich wieder auf das Bett sinken, um etwas Abstand zwischen ihnen zu wahren.

„Ich war nie einer seiner Anhänger!" Er spie das Wort aus, als sei es eine tiefe Beleidigung für ihn gewesen. „Nie! Wurmschwanz war der Verräter, er hat ihm gedient! Nicht ich!"

Er griff nach dem Zeitungsartikel vor seinen Füßen, betrachtete das Bild und seine Kiefer mahlten geräuschvoll dabei. Dann faltete er das Pergament wieder zusammen, steckte es ein und sah Zoe an, während er sprach: „Solange er in Hogwarts ist, versteckt und unerkannt, solange ist auch Harry in Gefahr. Wurmschwanz wartet nur den rechten Augenblick ab, den Augenblick an dem er sicher sein kann, dass man ihm Schutz gewährt. Mir ist meine Freiheit egal, mir ist mein Leben egal! Aber ich muss diese Ratte in die Finger kriegen!" Black sah das junge Mädchen an und sah plötzlich in ihr eine Verbündete. „Wir müssen Harry schützen!"

Er hatte sich erhoben, um seinen Worten Ausdruck zu verleihen und diese hatte ihre Wirkung nicht verfehlt. Zoe saß regungslos auf dem Bett und dachte über das Gesagte nach. Es war eine haarsträubende Geschichte. Doch konnte sich jemand so viel Unsinn innerhalb einer so kurzen Zeit ausdenken? Und warum sollte Sirius Black dies tun? Er hätte sie längst töten, können. Er war nicht darauf angewiesen ihr Märchen zu erzählen.

Doch neben all den Fragen, drängte sich eine weitere in ihr Bewusstsein. Eine, die sein inbrünstiges Verhalten gerade ausgelöst hatte.

„Warum liegt Ihnen so viel an Harry Potter?", fragte Zoe und beobachtete Black dabei, wie er wieder ein kleines bisschen in sich zusammensank.

Er atmete schwer ein und nickte dann sich selbst zu, bevor er sprach. „Krone, der Mann der gestorben war, er war sein Vater und mein bester Freund! James Potter, hatte mich zum Paten gemacht, ich hätte mich an seiner Stelle um Harry kümmern sollen. Doch dank Peter ‑", er schüttelte verwirrt den Kopf, „dank Wurmschwanz, blieb auch dies mir verwehrt."

Zoe fasste sich hilflos an den Kopf und versuchte wieder in dem ganzen durcheinander, das Erfahrene zu sortieren.

„Das ist alles ... so viel", sagte sie hilflos.

„Glaubst du mir?", fragte Black und seiner krächzenden Stimme schwang etwas mit, dass Zoe als Hoffnung deutete.

„Ich – ich weiß nicht, Sir?", sagte Zoe wahrheitsgemäß und Sirius Black sog sie Luft zischend ein.
„In Ordnung", meinte er schließlich und warf einen Blick auf die brettervernagelten Fenster hinter denen es bereits Dunkel war. „Ob du mir glaubst oder nicht, spielt keine Rolle. Ich brauche dich nicht."

Zoes Herz krampfte sich ruckartig zusammen, als Black nach ihrem Zauberstab griff und auf sie zukam.

„Bitte!", flehte Zoe ängstlich und versuchte zurückzuweichen.

„Ich lasse dich gehen, doch zunächst ‑"

„Sie lassen mich gehen?", unterbrach Zoe den Sträfling ungläubig.

Sirius Black hielt kurz inne und sprach dann weiter: „Ja, ich lasse dich gehen, doch ich werde dir den Unbrechbaren Schwur abnehmen. Weißt du, was das ist?"

Zoes Herz machte einen Hüpfer vor Erleichterung. Er würde sie laufen lassen? Einfach so, und ohne das ihr etwas fehlte? Bis auf ...

„Ja, Sir, ich habe davon gelesen."

„Dann weißt du auch, was geschieht, wenn man diesen Schwur bricht?", fragte Black ernst.

„Man ... man stirbt dann", antwortete Zoe leise.

„Genau." Er hatte sich auf dem Bett niedergelassen und forderte Zoe auf sich neben sie zu setzten.

Zoe gehorchte nur widerwillig, doch vielleicht, war dies die einzige Chance ihre Freiheit zurückzuerhalten. Er nahm ihre linke Hand und legte sich diese auf die rechte Schulter und tat, dann das gleiche. Er sah ihr in die Augen. Es kostete Zoe alle Selbstbeherrschung diesem Blick stand zu halten und einen Moment lang schien es so, als habe er die Zeit vergessen.

Als habe er die Welt um sich herum vergessen, während er sich in den tiefen ihrer meerblauen Augen verlor, als sei dies ein vertrauter Anblick. Zoe konnte nicht länger diesem eindringlichen Blick erwidern. Ihr Herz pochte schnell und schmerzhaft vor Aufregung und sie hoffte nichts inständiger, als dass Sirius Black, sie heute heil und unversehrt laufen lassen würde. Selbst, wenn dies bedeutete, dass sie seinen Aufenthaltsort nicht verraten konnte.

Blacks Rechte umklammerte Zoes Zauberstab und malte ein kompliziertes Symbol in die Luft. Rote Funken stoben aus der Spitze des Zauberstabs und prasselten zwischen ihnen nieder.

„Schwörst du", begann Black, „niemanden von mir, oder von diesem Tag zu erzählen?"
„Ja", flüsterte Zoe heiser.

Black schwang den Zauberstab erneut und rote Funken prasselten abermals daraus hervor.

„Und schwörst du, das Geheimnis meines Versteckes zu wahren und niemanden herzuführen?"

„Ja."

Funken spritzen über ihre Köpfe aus dem Zauberstab. Sirius Black nickte zufrieden, ließ Zoe los und erhob sich dann. Er ging auf die Tür zu, öffnete diese und warf Zoes Zauberstab die Treppe hinunter. Dann wandte er sich um, betrat erneut das Schlafzimmer und sah das junge Mädchen mit einem munteren Lächeln an.

„Du kannst gehen!", sagte er.

Zoe erhob sich nur zögerlich und schritt misstrauisch auf die Tür zu, ohne ihr Glück wirklich fassen zu können. Doch als sie auf der Höhe des Rahmens war nickte Black ihr zu und Sekunden später war sie verschwunden.

Sirius Black sah ihr nach, solange es ging und in seinem Gesicht lag ein Ausdruck, der an Stolz erinnerte.


Der Rückweg zum Schloss und in ihren Schlafraum, war vollkommen abstrakt. Es war, als hätten Zoes Beine das Richtige getan, ohne dass die Dreizehnjährige darauf Einfluss gehabt hätte. Ihr Körper hatte routiniert funktioniert, während ihr Kopf seit dem Moment an, in dem sie die kalte, frische Nachtluft geschnuppert hatte, ein Eigenleben führte.

Während sie ungesehen in ihrem Gemeinschaftsraum ankam, in dem das Feuer im Kamin nicht mehr war als glühende Kohlestücke, waren ihr tausend Dinge durch den Kopf geschossen. Das Unglaublichste davon war, dass sie noch lebte! Noch immer!

Sie war dem meistgesuchtesten Mann Englands begegnet, einem Massenmörder, einem Verrückten und sie hatte überlebt!

Vollkommen durcheinander ließ sich Zoe vor den Kamin fallen und warf ein paar Scheite Holz hinein. Sie zitterte am ganzen Körper, ihre Finger waren taub von der Kälte und ihr Herzschlag beruhigte sich nur sehr langsam. Ungläubig beobachtete sie, wie die aufkeimenden Flammen, das trockene Holz ableckten und lauschte, wie es leise zu knistern begann und allmählich eine behagliche Wärme abstrahlte.

Sirius Black war in Hogsmeade!

Er war direkt vor den Toren Hogwarts und er war keinesfalls so verrückt, wie man ihn beschrieben hatte. Sein Verstand funktionierte noch gut genug, um geplant zu Handeln und damit war die Gefahr, die von ihm ausging umso größer.

Doch was konnte Zoe nun tun?

Sie hatte einen Unbrechbaren Schwur leisten müssen. Sie konnte weder Harry warnen, noch ihrem Großvater von der Gefahr berichten. Noch dazu wusste die Dreizehnjährige nicht, in wie weit dieser Zauber wirkte, ohne sich selbst in Gefahr zu bringen.

Die knisternden Flammen verschwammen vor ihren Augen. Allmählich schien der Schock, der sie betäubt hatte von ihr abzufallen und sie begann wieder etwas zu fühlen. Die Todesangst war verflogen, doch der Schrecken saß ihr noch immer in den Knochen. Zoe ließ die Tränen ungeachtet über ihre Wangen rollen. Niemand war hier, weswegen sie sich hätte schämen müssen.

Eine lange Zeit hatte sie vor dem Kamin gesessen und weinend ins Feuer gestarrt. Die Flammen hatten ihren Körper ein wenig gewärmt, doch als sie aufstand, waren ihre Glieder noch immer steif und unbeweglich. Das Verlangen nach einem warmen und weichen Bett war nun stärker, als die Angst vor ihren Träumen und so hatte Zoe sich früh am Morgen ins Bett geschleppt.
Viel Schlaf hatte sie allerdings nicht gefunden.

Immer wieder war sie aufgewacht aus ihren unruhigen Träumen, in der ihr Sirius Black unaufhörlich beteuerte, dass er unschuldig war. Immer wieder hatte sie sich im Bett herumgewälzt, während seine Stimme in ihrem Ohr nachklang.

Schließlich hatte Zoe aufgegeben, sich das Radio auf ihrem Nachttisch angemacht und den Klängen der Musik gelauscht. Ihre Gedanken waren dabei jedoch immer wieder abgedriftet.
Mit einem Kopfschütteln versuchte die Slytherin vergeblich ihre Gedanken abzuschütteln, doch das war schier unmöglich. Zoe konnte sich einfach nicht erklären, wie jemand, der so gefährlich sein sollte, sie nicht einfach sofort beseitigt hatte.

Warum hatte Black sie nicht gleich umgebracht?

War es die Ähnlichkeit zu ihrer Mutter, die sie bewahrt hatte?

Hatte Black sie überhaupt im spärlichen Licht der Heulenden Hütte erkannt?

Oder war in seiner haarsträubenden Geschichte vielleicht doch ein Funken Wahrheit enthalten und er war unschuldig? Wie sonst hatte er so viele Jahre in Askaban verbringen können, ohne den Verstand zu verlieren?

Allerdings konnte seine abenteuerliche Geschichte eben auch ein Zeugnis dafür sein, dass er seinen Verstand verloren hatte.

Welcher Zauberer würde schon zwölf Jahre lang in der Gestalt einer Ratte leben wollen?

Mit einem Mal saß Zoe kerzengerade im Bett.

Krätze!

Krätze war die Lösung all dieser Fragen!

Black mochte verrückt sein und seine Geschichte erfunden, dann wäre auch Rons Ratte einfach nur eine Ratte. Doch sollte der Flüchtige die Wahrheit sagen, dann wäre ebendies durch Rons Ratte zu beweisen!

Doch wie sollte, Zoe an Krätze heran kommen, ohne dass sie Ron etwas erzählen musste?

Irritiert hielt Zoe die Luft an und horchte in sich hinein. Wenn sie bereit war, Krätze zu entführen, um die Wahrheit herauszufinden, dann musste sie auch einen Teil von Blacks Geschichte glauben.

Doch was war, wenn genau dies seine Absicht gewesen war: Ihr Vertrauen zu gewinnen.

Ihr Großvater hatte sie noch vor wenigen Tagen vor einer solchen Absicht gewarnt. Hatte eruiert, dass Sirius Black versuchen könnte sie für seine Pläne zu benutzen.

„Ich bin doch nicht dumm!", meckerte Zoe sich selbst an, warf die Bettdecke von sich und krabbelte aus dem Bett. „Wenn ich misstrauisch werde, dann bleib ich einfach fern!"

Und da sie aufgrund des Zaubers sowieso niemanden mit in die Heulende Hütte hätte nehmen können, würde sie auch niemanden gefährden, abgesehen von sich selbst. Und die Gelegenheit sie zu töten, hatte Black ja bereits ausgeschlagen.

Entschlossen und mit knurrendem Magen, kleidete Zoe sich an, während sie fest entschlossen dazu war, die Wahrheit zu ergründen, denn nur dann würde sie Antworten auf all die Fragen finden, die sie bereits die ganze Nacht wach gehalten hatten.

Da die Slytherin das Frühstück bereits verpasst hatte, schlug sie den direkten Weg zur Küche ein. Allerdings hatte Zoe beschlossen, dass sie dort nicht nur etwas Essbares für sich holen würde.

Im Kopf war sie bereits den Weg hinter Hagrids Hütte bis zur Peitschenden Weide gegangen, als Schritte in dem Korridor vor ihr, Zoes Aufmerksamkeit sich lenkten. Neugierig streckte sie den Kopf um die Ecke und war überrascht, als sie Harry erkannte.

Er war offensichtlich alleine unterwegs. Beide Hände in die Umhangstasche vergraben und der Blick zum Boden gerichtet. Es war nicht schwer zu erkennen, dass er niedergeschlagen war und diese Tatsache ließ Zoe augenblicklich ihre Mission vergessen.

„Harry?", rief sie ihm nach und folgte ihm.

Er wandte sich nur kurz zu ihr um und setzte dann seinen Weg fort. Doch Zoe hatte ihn schnell eingeholt.

„Wo sind Ron und Hermine?", fragte sie verwundert.

„Im Gemeinschaftsraum", antwortete er ohne ein Wort der Begrüßung.

Es war offensichtlich, dass seine Laune mies war.

„Habt ihr euch gestritten?", wollte Zoe wissen.

Harry antwortete jedoch nicht.

„Alles in Ordnung mit dir?"

„Nein!", knurrte Harry gereizt.

Überrascht blieb Zoe stehen und sah ihren Freund an, bevor sie fragte: „Aber was ist denn lo‑"

„Warum hat es mir keiner gesagt?", fragte er vorwurfsvoll. „Hagrid wusste es! Rons Dad wusste es! Dumbledore wusste es! Und sogar Fudge wusste es! Und mich lassen sie im Dunkeln ..."

„Was meinst du?"

„Na dass meine Eltern tot sind, weil ihr bester Freund sie verraten hat!"

„Naja", meinte Zoe etwas betreten, „was hätten sie denn sagen sollen? ‚Hey Harry – Du-weißt-schon-wer hat deine Eltern getötet, weil ihr bester Freund sie verraten hat' ...

So'was ... sagt man doch nicht!"

Harry sah zu Boden und schmollte weiter.

„Du hättest es mir sagen können, als du es erfahren hast! Wir sind doch Freunde ..."

Es gab einen kleinen Stich in Zoes Herzen.

„Es tut mir Leid", beteuerte sie schließlich niedergeschlagen. „Aber ich habe es damals von Pansy gehört. Woher hätte ich wissen sollen, dass sich Draco nicht aus Wut so eine Geschichte ausgedacht hat? Er lag doch wegen Seidenschnabels Attacke im Krankenflügel und wir hatten Hagrid verteidigt ..." Sie machte eine kurze Pause und fasste sich ein Herz. „Und ich dachte, es würde dich noch trauriger machen ... und wütend ..."

„Das bin ich jetzt auch!", fauchte Harry plötzlich, dessen ganzer Gram mit einem Mal aus ihm herauszubrechen schien. „Ich bin stinksauer! Weißt du Zoe, heute Morgen hab ich mir alte Fotos von meinen Eltern angesehen und da steht er neben ihnen und grinst in die Kamera!

Weißt du wie unfassbar wütend mich das macht?!"

Beinahe ‑ es lag Zoe bereits auf der Zunge – hätte sie ihrem Freund die vermeintliche Wahrheit erzählt, doch gerade noch im rechten Moment erinnerte sie sich an den Unbrechbaren Schwur und so antwortete sie nur kleinlaut: „Ja ..."

„Das glaub ich nicht!", tobte Harry weiter. „Und jetzt sagt mir jeder nur ich ‚solle ruhig bleiben' und ‚die Dementoren machen das schon'!

Es passiert gar nichts! Black ist schon seit Monaten auf der Flucht und sie finden ihn einfach nicht. Und dass, obwohl er scheinbar in unmittelbarer Nähe ist!"

Zoe antwortete nicht.

„Am liebsten ... am liebsten würde ich ihn mit meinen eigenen Händen erwürgen!"

„Harry!" Die Slytherin sah ihren Freund entsetzt an. So wütend hatte sie ihn noch nie erlebt.

„NEIN! Ihr habt keine Ahnung, wie ich mich fühle! Weder Hermine noch Ron und du auch nicht!"

„Es tut mir leid, Harry, aber ..."

„Nichts aber! Ich ... ich ..." Er stapfte ziellos durch den Korridor und suchte nach einem Ventil für seine Wut, doch er fand keins. „Lasst mich einfach in Ruhe!", schrie er schließlich.

Dann wandte er sich um, lief die Treppe hinauf in den nächsten Stock und ließ Zoe einfach stehen.

Die Slytherin sah ihm traurig nach und fühlte sich augenblicklich schlecht. Schlecht, weil sie Harry belogen hatte und weil sie ihm sogar jetzt nicht die Wahrheit sagen konnte. Sofern es denn die Wahrheit war. Doch machte es für Harry denn einen Unterschied, welcher Freund seine Eltern verraten hatte?

Allerdings war Harry näher an Krätze dran, als sie selbst und mit ihm an seiner Seite wäre es ihr ein Leichtes gewesen Krätze zu Black zu bringen um zu erfahren, ob er ihr eine Mär aufgetischt hatte oder nicht.

Doch Zoe konnte niemanden davon erzählen. Weil sie diesen dämlichen Schwur hatte leisten müssen. Verzweifelt und mit furchtbar schlechten Gewissen seufzte die Dreizehnjährige und setzte ihren Weg zur Küche fort, um sich anschließend wieder aus dem Schloss zu stehlen.

Als Zoe vorsichtig die Heulende Hütte betrat, rief sie laut nach dem Flüchtigen, um ihre Anwesenheit anzukündigen. Kurz darauf stand Black im Flur der ersten Etage und sah dem Mädchen fassungslos dabei zu, wie sie die Treppe hinauf kam.

Sie war zurückgekommen!

In Sirius Blacks Gesicht lag ein Ausdruck ungläubiger Freude, während er Zoe betrachtete, die den Inhalt ihres Beutels auf dem Bett ausbreitete. Es war Kürbiskuchen, Butterbier und andere Leckerbissen und Black stürzte sich so gierig auf sie, wie ein ausgehungerter Hund und begann zu essen.

„Du, bist ganz, wie deine Mutter!", sagte er schließlich, als er es geschafft hatte den Mund zu leeren.

Zoe presste die Lippen fest aufeinander. Ihr Innerstes fühlte sich plötzlich an wie hartes, kaltes Eis, als sie sich daran erinnerte, was sie im Drei Besen gehört hatte.

„Tatsächlich?", fragte sie ausdruckslos.

Sirius Black spülte den Rest des Kürbiskuchens mit einem Schluck Butterbier hinunter und sagte dann mit einen Lächeln auf den Lippen: „Ja ... mutig wie Gwendolyn ‑ sie war eine fantastische Frau. Du siehst ihr verblüffend ähnlich, weißt du das?"

Sirius machte eine kurze Pause und genoss die Leckereien, die Zoe ihm mitgebracht hatte. Als er ihren grübelnden Blick bemerkte fügte er erklärend hinzu: „Wir waren im selben Jahrgang. Gwen in Slytherin, ich in Gryffindor."

„Dann kennen Sie auch Professor Snape?", fragte Zoe und Sirius' Miene verfinsterte sich plötzlich und seine Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen.

„Professor!?!"

„Er ... er unterrichtet das Fach Zaubertränke, an Hogwarts!", erklärte die Slytherin irritiert über Blacks Reaktion.

Dieser fing so plötzlich lauthals an zu lachen, dass Zoe zusammenzuckte. Für einen kurzen Augenblick machte er tatsächlich wieder den Eindruck eines Wahnsinnigen. Und dieser kurze Moment genügte, um die Dreizehnjährige einzuschüchtern.

„Beim verfluchten Hause der Blacks! Snape ‑ Lehrer an Hogwarts!?"

„Er ist ein sehr guter Lehrer!", betonte Zoe trotzig. „Und unser Hauslehrer."

Black fing sich wieder, als er die ernste Miene des Mädchens vor sich sah. Gerade hatte er den Mund erneut geöffnet, als ihm die Worte in der Kehle stecken blieben. Von unten ertönte ein knarzendes Geräusch. Atemlos und gespannt lauschten beide den tapsigen Sprüngen, die immer näher kamen. Viel zu schnell, als das einer der beiden hätte reagieren können.

Schließlich öffnete sich die Tür einen Spalt breit und Hermines roter Kater erschien miauend in der Tür. Sowohl Zoe als auch Sirius Black atmeten erleichtert aus, als sie Krummbein erblickten.

„Da bist du ja wieder!", begrüßte der Geflohene den Kater.

Krummbein lief schnurstracks auf ihn zu, ließ sich sichtlich zufrieden von Black streicheln und rollte sich schließlich in dessen Schoß zusammen. Zoe beobachtete das Szenario verblüfft.

„Sie ... Sie kennen Krummbein?", fragte sie verwundert.

Krummbein. So heißt er also", antwortete Black und fuhr dem schnurrenden Kater durchs Fell.

„Hab ihn auf dem Schlossgelände getroffen, als ich was Essbares gesucht habe. Er hat gleich gewusst, dass ich kein richtiger Hund bin. Schlaues Kerlchen.

Ist er dein Kniesel?"

„Kniesel?", fragte Zoe sichtlich verwirrt. „Krummbein gehört einer Freundin, aber er ist doch kein Kniesel."

„Mindestens ein Mischling", sagte Black, „so viel Intelligenz hat kein Kater. Er hat gleich die Verbindung zwischen mir und Wurmschwanz erkannt. Hat sogar für mich versucht an ihn heranzukommen, doch der Junge gibt gut Acht auf ihn, nicht wahr, Krummbein?"

Zoe fiel beinahe die Kinnlade herunter.

„Er hat versucht Krätze für Sie zu fangen", hakte sie nach.

Black sah mit einem schiefen Lächeln wieder auf und ein wenig Zuversicht lag in seinem Gesicht. Dann nickte er schlicht.

„Unglaublich", meinte Zoe und betrachtete die beiden erstaunt, „und wir haben uns die ganzen Wochen gefragt, warum ..."

„Ihr?"

„Ja", antwortete Zoe lapidar. „Hermine, Ron, Harry und ich."

„Dann bist du mit ihnen befreundet?", fragte Black nachdenklich.

„Seit dem ersten Schuljahr!", antwortete Zoe stolz.

Sirius Black schwieg nachdenklich und eine Weile saßen sie da, ohne zu sprechen. Allein Krummbeins tiefes Schnurren erfüllte den Raum. Und als Black wieder redete, war seine Stimme ruhig und er sah das junge Mädchen vor sich abschätzend an: „Zoe, würdest du mir helfen an diese Ratte zu kommen? Mir helfen, die Wahrheit ans Licht zu bringen und letzten Endes mir dabei helfen, Harry zu schützen?"

Die Slytherin sah ihn mit mitleidigem Blick an und fühlte sich etwas unwohl dabei.

„Aber wie?", fragte sie schließlich. „Ron würde mir doch nie glauben, wenn ich ihm das alles hier erzähle."

„Ich werde mir etwas überlegen", sagte Black eifrig. „Die Frage ist, ob du bereit bist, mir dabei zu helfen."

Für Zoe gab es nicht viel zu überlegen, wenngleich sie auch nicht wusste, wie sie es anstellen sollte. Dennoch war sie sofort dazu bereit und das, obwohl sie tief im Innern noch Zweifel plagten. Zögernd nickte sie und Sirius Black schenkte ihr somit sein erstes ehrliches Lächeln, seit vielen Jahren.

In den nächsten Tagen, besuchte Zoe Sirius Black regelmäßig und versorgte ihn weiterhin mit Lebensmitteln. Sie hatte über seine seltsame Geschichte lange nachgedacht und wusste noch immer nicht so recht, was sie davon halten sollte. Ihr Gefühl sagte ihr, dass der Flüchtige die Wahrheit sagte, doch eine Stimme in ihrem Kopf, die verblüffende Ähnlichkeit mit Professor Snapes Stimme hatte, mahnte sie ständig zur Vorsicht.

Was war, wenn Black ihr Vertrauen ausnutzen wollte, um an Harry heranzukommen?
Doch eigentlich hatten sie nie viele Worte über Harry verloren und vielmehr über Rons Ratte gesprochen. Und da Zoe durch den Schwur, den sie geleistet hatte, sowieso keinem ihrer Freunde davon erzählen konnte, war es auch nicht möglich sie hierher und damit in Gefahr zu bringen.

„Warum bist du nicht Zuhause in den Weihnachtsferien?", fragte Black irgendwann im Plauderton und riss Zoe somit aus ihren Gedanken.

Diese stockte kurz. Sie saßen zusammen auf dem Boden vor dem Bett. Zwischen ihnen lag das Essen, dass Zoe aus der Küche hatte mitgehen lassen. Einen Moment starrte sie über die Vielzahl der Dinge, dann nahm sie sich einen Schokoladenmuffin und puhlte sich die Schokoladendrops aus dem Zuckerguss.

„Hogwarts ist mein Zuhause", sagte sie knapp und begann die Schokolade zu lutschen.

„Bist du in Hogwarts aufgewachsen?", fragte Black interessiert und als Zoe den Kopf schüttelte, hakte er nach. „Wo dann?"

„Albanien", antwortete die Slytherin.

Sie betrachtete interessiert den Muffin in ihren Händen und biss schließlich hinein, sich dem aufdringlichen Blick von Black bewusst.

„Wie kommt Dumbledores Enkelin nach Albanien?", fragte Black gespielt munter.

Zoe antwortete nicht sofort, weil sie den Mund voll hatte. Doch dann erzählte sie: „Meine Zieheltern haben dort gewohnt. Aber sie sind vor drei Jahren gestorben."

Eine unangenehme Stille folgte. Auch Black hatte zu Essen aufgehört und starre das junge Mädchen nun an. Für den Bruchteil einer Sekunde, hatte er gezuckt, als wolle er auf sie zukommen. Doch aus den Augenwinkeln bemerkte die Slytherin, dass er diesen Impuls rechtzeitig unterdrückt hatte. Zoe war diese Aufmerksamkeit mehr als unangenehm und sie hoffte inständig, er würde doch endlich ein anderes Thema anstimmen.

„Das tut mir sehr leid", sagte Black schließlich leise und mit einer seltsamen Stimme.

Irritiert sah Zoe auf und begegnete seinem traurigen Blick und zweifelte keine Sekunde daran, dass er es genau so gemeint hatte. Schließlich zwang sie sich zu einem Lächeln, nickte und sprach weiter: „Ich wohne jetzt bei meinem Großvater. Und sein Zuhause ist Hogwarts."

Dann widmete sie sich wieder ihrem Muffin. Eine Zeitlang war es ruhig und schließlich nahm Black den Faden wieder auf.

„Ich habe die meisten Ferien auch lieber im Schloss verbracht, bei meinen Freunden. Hab' mich nie sonderlich mit meiner traditionsbewussten Familie verstanden."

Zoe sah ihr Gegenüber abschätzend an und meinte zu wissen, was dieser andeutete. Black war ein alter Name und einige ihrer Hausgenossen brüsteten sich gerne damit, entfernte Verwandte der noblen, reinblütigen Familie zu sein.

„Mit sechzehn bin ich dann von zu Hause abgehauen", sagte er munter, wühlte in Zoes Mitbringsel herum, und entschied sich schließlich für eine Pastete. „Damals haben mich die Potters bei sich wohnen lassen."

„Harrys Großeltern?", fragte Zoe und Sirius schmunzelte, als er daran zurück dachte.

„Genau. Euphemia und Fleamond waren so hilfsbereite und liebe Menschen. Sie behandelten mich, wie ihren eigenen Sohn. Bei Merlin, das war ein verrückter Sommer! So viel Unfug im Kopf ..."

„Was ist mit ihnen passiert?", fragte Zoe zögerlich. „Mit seinen Großeltern."

Blacks Miene wurde traurig, als er sagte: „Kurz nach Harrys Geburt sind sie an Drachenpocken erkrankt und gestorben. Das war ein schwerer Schlag für James gewesen, hat ihn ganz schön runter gezogen ... Zu dem Zeitpunkt hätte keiner von uns gedacht, dass sie selbst nur noch ein Jahr leben würden ..."

Er starrte geradewegs durch Zoe hindurch, direkt in die Vergangenheit, dass es der Dreizehnjährigen unangenehm wurde. Als ihm dies bewusst wurde, schüttelte er die Erinnerungen mit einem Kopfschütteln ab und entschuldigte sich bei Zoe. Dann fragte er mit zusammengezogenen Brauen: „Wo lebt Harry nun?"

„Bei seinem Onkel und seiner Tante", erklärte Zoe erleichtert darüber, dass Thema wechseln zu können. „Sie sind Muggel. Bis zu seiner Einladung hat er nichts über Hogwarts gewusst. Nichts über die Zaubererwelt. Und ... und dass er wie ein Held gefeiert wird."

Sirius sah wenig überrascht drein und bat schließlich darum, ein wenig mehr über Harry zu erfahren und Zoe tat ihm den Gefallen. Erzählte von ihren ersten beiden gemeinsamen Schuljahren und den Abenteuern, die sie gemeinsam durchstanden hatten.

„Klingt so, als würde er ganz nach James kommen", sprach Black amüsiert.

„Und er ist total vernarrt in Quidditch. Er kam als erster Erstklässler seit einem Jahrhundert in die Quidditchmannschaft, nachdem Professor McGonagall ihn hatte fliegen sehen. Er schein ein Naturtalent zu sein."

„Mit welcher ‑"

„Sucher", unterbrach Zoe ihn sofort, „und er hat bisher immer den Schnatz gefangen ... Naja ... bis zum letzten Mal ..."

„Weil er vom Besen stürzte", sagte Black mehr zu sich selbst, als zu Zoe.

„Woher wissen Sie das?", wollte die Slytherin überrascht wissen.

Sirius Black lehnte sich mit dem Rücken zum Bett, verschränkte die Arme vor der Brust und grinste schief.

„Ich war dort gewesen, um ihn spielen zu sehen. In meiner Hundegestalt."

Zoe riss die Augen auf und sah ihn ungläubig an, dass Black einen Moment glaubte, etwas Falsches gesagt zu haben.

„Dann sind Sie der Grimm!", schloss Zoe.

„Der Grimm?"

„Ja! Harry hat Sie auf der Tribüne gesehen, kurz vor seinem Absturz. Und er dachte, er hätte einen Grimm gesehen. Denn in den Sommerferien, da hat er –"

„Mich schon einmal gesehen", unterbrach Black sie und nickte mit dem Kopf. „Das ist korrekt."

Erleichtert atmete Zoe aus, zumindest die Sache mit dem Grimm, war damit aus der Welt.

„Das hat ihm ganz schönes Kopfzerbrechen beschert", meinte sie. „Neben der Tatsache, dass sein Besen zerstört wurde ... Aber immerhin. Dann ist Harry also gar nicht in Gefahr, egal was Professor Trelawney ‑"

„Doch, dass ist er!", widersprach Black energisch. „Solange Wurmschwanz in seiner Nähe ist, ist Harry in Gefahr. Jeden Tag, jede Stunde. Wir müssen ihn kriegen!"

Zoe sah den ausgemergelten Mann an, dessen verfilzte Haare sein Gesicht säumten und das Feuer in seinen Augen löschte jeden Zweifel in Zoe. Seine Erzählungen konnten unmöglich alle gelogen sein. So sehr konnte sich niemand verstellen.

„Ich werde versuchen, an ihn heran zu kommen", sprach sie nach einer Weile. „Und dann wird die Wahrheit endlich ans Licht kommen!"

In Blacks Augen blitzte für den Moment ein Funke Hoffnung auf, vermischt mit offensichtlicher Dankbarkeit.

„Das wäre mir eine große Hilfe!"

„Ich wäre froh", sprach Zoe verdrießlich und erhob sich vom Boden, „ich könnte etwas tun. Etwas, dass Ihnen wirklich helfen würde."

Sirius Black lächelte und es glich schon lange nicht mehr einem Zähnefletschen.

„Nach so vielen Jahren in Einsamkeit, ist mir deine Anwesenheit schon eine große Hilfe", sagte er freundlich. „Die ganzen Wochen über, in der ich auf der Flucht bin, habe ich mit keiner Menschenseele gesprochen. Ich glaube der letzte, mit dem ich ein Wort geredet habe, war der Zaubereiminister, als ich ihn bat mir seinen Tagespropheten zu überlassen.

Was für ein Tag ist heute, Zoe?"

„Der neunzehnte Dezember, Sir."

„Kurz vor Weihnachten ...", stellte Black nüchtern fest.

„Ja", Zoe zog ihre Taschenuhr aus dem Umhang und stellte fest, dass sie schon bald mit den Gryffindors in der Bibliothek verabredet war, um weiter für Hagrid zu recherchieren. „Und es wird Zeit, dass ich gehe. Kann ich noch irgendwas für Sie tun, Sir?", fragte sie, erhob sich vom Boden und betrachtete die restlichen Lebensmittel, um abzuschätzen, wie lange sie wohl noch reichen würden.

„Ja", antwortete Black, hob Krummbein von seinem Schoß und stand ebenfalls auf, „lass den Quatsch mit ‚Sir' bleiben, okay?"

Die Slytherin sah ihn irritiert an.

„Ok ... Mr ‑"

„Sirius!", korrigierte der Flüchtige sie.

„Sirius", wiederholte Zoe zögerlich, „dann ... bis demnächst ..."

„Bis dann, Zoe", antwortete er, „und vielen Dank!"

Die Dreizehnjährige wandte sich um und lächelte freundlich. Dann war sie durch die Tür verschwunden und hopste die Treppe herunter.

Sirius Black war ihr in den Flur gefolgt und sah ihr nach, bis sie im Tunnel hinter der hölzernen Klappe verschwunden war. Eine düstere Wolke breitete sich sofort wieder über seinem Gemüt aus. So vieles hatte er in den vergangenen Jahren verloren und nichts auf der Welt konnte ihm diese Zeit zurückgeben. Melancholisch zog er den Zeitungsartikel aus der Tasche und betrachtete die Ratte auf der Schulter des Jungen. Er musste einfach alles daran setzten, Peter zu erwischen. Dies war seine einzige Chance.


Am folgenden Nachmittag konnte sich die Slytherin kaum auf die Recherchen für Hagrid konzentrieren. Geistesabwesend blätterte sie in den Büchern umher und betrachtete mehr die Bilder statt den Text Drumherum. Sobald sie aufblickte und Hermine in die Augen sah, bekam sie ein schlechtes Gewissen, weil sie ein Geheimnis vor ihrer besten Freundin bewahrte. Auch die Tatsache, dass Hermine ihr den Zeitumkehrer verheimlicht hatte, oder sie durch den Unbrechbaren Fluch dazu gezwungen war, war kaum tröstlich.

Wenn Ron ihr ein weiteres Buch brachte, wurde Zoe direkt an Krätze erinnert. Leider hatte der Gryffindor die Ratte in seinem Schlafsaal gelassen, damit er vor Hermines Kater in Sicherheit war. Wenn Zoe genauer darüber nachdachte, da fiel ihr sogar auf, dass Ron dies bereits schon seit längerer Zeit so handhabte. Diese neue Angewohnheit würde es ihr noch schwieriger machen, an die Ratte heran zu kommen. Gequält seufzte die Slytherin und schlug das Buch zu.
„Immer noch nichts gefunden?", fragte Harry, der ihren deprimierten Blick falsch deutete.

„Nein", antwortete Zoe schließlich etwas verdattert und nahm Harry das neue Buch aus der Hand.

Er stapelte die durchgesehenen Exemplare auf den Arm und verschwand anschließend hinter einem der Regale, um sie zu ihrem Platz zurückzubringen, Zoes Blick im Rücken.

Sogar Harry erinnerte sie an ihr Dilemma. Sie konnte ihm weder sagen, dass er sich nicht zu sorgen brauchte, weil Black gar nicht hinter ihm her war, noch erzählen, dass der Flüchtige behauptete nicht der Verräter zu sein, der für Tod seiner Eltern verantwortlich war. Dass er schwor, ihr bester Freund zu sein und sich um Harrys Wohl und Unversehrtheit sorgte.

Das alles lag der Dreizehnjährigen auf dem Herzen und auf dem Gemüt gleichermaßen.

Zermürbt rieb sie sich die Schläfen.

„Ist dir nicht gut, Zoe?", fragte Hermine sofort und warf ihr einen besorgten Blick zu.

„Ja ... ich hab ein wenig Kopfschmerzen", flunkerte die Slytherin.

„Dann geh und leg dich ein wenig aufs Ohr", meinte Hermine freundlich, „wir kommen hier auch alleine klar."

Zoe ließ sich in den Stuhl fallen und schaute unentschlossen drein. Hermine verstand sofort.

„Wirklich!", betonte sie. „Mach dich vom Acker!"

Die Slytherin nutzte die Gelegenheit und verabschiedete sich auch von Ron und Harry. Doch noch während sie den Weg in die Kerker einschlug ertappte sie sich dabei, wie sie einen erneuten Besuch in der Heulenden Hütte plante.

Es kam Zoe entgegen, dass in der Ferienzeit die Korridore des Schlosses fast ausgestorben waren. So war es fast unmöglich, dass jemand ihre häufigen Besuche in der Küche bemerken würde und sie musste ihre Abwesenheit nicht ständig vor ihren Slytherinfreunden rechtfertigen.

Harry, Ron und Hermine jedenfalls waren mit ihren Sorgen um Hagrid genügend abgelenkt, um Zoes Ausflüge zu bemerkten.

Dazu kam, dass Zoe die Technik, in Hagrids Fußstapfen laufen, um hinunter auf Ländereien zu kommen, perfektioniert hatte. Zwar hatte sich die Slytherin überlegt in der Bibliothek nach einem Zauber zu suchen, der ihre Spuren verwischen würde, doch bisher hatte ihr die Gelegenheit dazu gefehlt.

Sowieso konnte die junge Hexe sich nicht erklären, wohin all ihre Zeit verschwand. Jeder Tag ihrer Ferien verflog so rasend schnell, dass Zoe sich eines Abends bewusst wurde, dass es nur noch wenige Tage bis Weihnachten war. Beinahe panisch war sie in ihren Schlafsaal gerannt, zog ihren Koffer unter dem Bett hervor, um sich die Geschenke zu betrachten, von denen sie noch keines eingepackt hatte. Und da fiel ihr auch auf, dass für Ron noch ein Geschenk fehlte, welches sie noch besorgen musste. Den ganzen Herbst über hatte sie auf einen glorreichen Einfall gehofft. Doch nun, da sie nur noch wenig Zeit hatte beschloss sie gleich morgen Früh ein paar Süßigkeiten aus dem Honigtopf für ihn zu ordern. Auch der Rest des Abends verflog, während sie das Buch für Hermine, ein Quidditchquartettes für Harry und ein paar Wollsocken für ihren Großvater verpackte, um anschließend Weihnachtskarten für Daphne und Tracey zu basteln.

Zur selben Zeit lag Sirius Black hellwach auf dem alten, staubigen Himmelbett der Heulenden Hütte und lauschte in die Dunkelheit, während er hoffte einen vertrauten Klang zu vernehmen.

Das Poltern von Krummbeins Pfoten oder Zoes Schritte vielleicht.

Es kam ihm bereits wie eine Ewigkeit vor, dass das Mädchen ihn zuletzt besucht hatte, obwohl dies in Wirklichkeit erst ein paar Stunden her war. Zwar hatte er in dieser Zeit ‑ Dank Zoe ‑ weder Hunger noch Durst erleiden müssen, doch die Einsamkeit drückte ihm wieder schwerer aufs Gemüt.

Er hatte während seiner Gefangenschaft in Askaban viel zu viel Zeit damit verbringen können über alles nachzugrübeln. Über die verlorenen Jahre und der kurze glückliche Zeit davor. Und nach etlichen, endlosen Runden der sich wiederholenden Gedanken, hatte er sich vorgenommen das Vergangene ruhen zu lassen. Verloren, war verloren ...

Doch als Zoe ihm begegnet war, wurde seine Welt plötzlich auf den Kopf gestellt und belebte die verblassten Erinnerungen in den Tiefen seines Innern wieder. Es war fast so, als hätte er all die Gedanken, die ihn nun wieder plagten die gesamten Jahre über nur verdrängt.

Jeder Funke dieser guten Erinnerungen war aus ihm verschwunden gewesen, jeder Gedanke an Hoffnungen und die Menschen, die ihm geblieben waren. Sie waren verdrängt worden, von seiner Resignation, von seinem Hass, von seinen Gedanken an Rache. Und das immer kleiner werdende Feuer in seinem Innern, versuchte schließlich bloß noch ihn am Leben zu erhalten.

In diesem Kampf, in dem es irgendwann nur noch um das nackte Überleben ging, hatte er sie alle vergessen: James, Regulus, Gwendolyn ...

Er hatte alles gehabt vor langer Zeit, um glücklich zu sein: Freundschaft, Familie, Liebe. Doch er hatte alles davon verloren.

Nackt und hilflos stand er plötzlich in dieser Welt, doch er hatte überleben wollen. Sein Instinkt hatte ihn überleben lassen wollen. Wie und warum ihn die Gefangenschaft und die Bedrohlichkeit der Dementoren ihm nicht den letzten Lebenswillen geraubt hatten, verstand er damals nicht.

Doch nun hatte er es begriffen.

In den vielen einsamen Nächten, in denen er ausgeharrt hatte, alleine, hier in der Heulenden Hütte, da waren die Erinnerungen nach und nach zu ihm zurückgekommen. Wie kleine Puzzleteile, die er fand: Unter der Tischdecke, hinter dem Stuhlbein und in einer Schachtel. Und er begann diese Teile zusammenzufügen und allmählich konnte er das gesamte Bild erkennen.

Sein Herz begann bei dem Gedanken ein wenig schneller zu schlagen und obwohl er in der Dunkelheit auf den Baldachin starrte, konnte er dieses Bild nun ganz deutlich vor seinem inneren Auge sehen. Dennoch wagte er es nicht, sich die Zukunft auszumalen. Noch nicht.


„Du hast erzählt, dass Harrys Besen zerstört worden ist", sagte Sirius nur wenige Stunden später.

Gemeinsam saßen sie einander im Schneidersitz auf dem Boden gegenüber. Zwischen ihnen lagen Zoes Mitbringsel, die nicht weniger üppig waren, wie am ersten Tag ihrer Rückkehr.

„Was ist damit passiert?", wollte er wissen.

„Er ist in die Peitschende Weide geweht worden", erklärte Zoe, „und die hat ihn kurz und klein geschlagen. Das hat Harry ganz schön traurig gemacht."

„Dann braucht er dringend einen neuen Besen", stellte Sirius nüchtern fest.

„Oh ja. Im Moment fliegt er mit einem Schulbesen. Aber die sind wohl alle steinalt und deswegen ist er damit total unzufrieden."

Grübelnd kaute Black auf einem Stück Kürbiskuchen herum. Dann fixierte er die Slytherin.

„Könntest du ihm nicht einen neuen besorgen?", fragte er plötzlich mit glühenden Augen.

„Ei-ei-einen neuen?", fragte Zoe entsetzt und fragte sich, ob Black nicht mehr wusste, wie teuer ein neuer Besen war.

„Ja, einen neuen Besen! Nein, den neuesten Besen! Als Weihnachtsgeschenk!", sprach Sirius aufgeregt. „Immerhin habe ich Dreizehn Jahre nachzuholen und er braucht jetzt einen."

Zoe sah den Flüchtigen an, als warte sie darauf, dass er gleich zur Besinnung kommen würde. Als er nicht einlenkte, hakte sie nach: „Aber wie soll das gehen? Ich meine, woher soll ich das Geld nehmen? Der neuste Besen wird etliche Galleonen kosten ..."

Sirius lachte kurz auf.

„Darum mach dir keine Sorgen. Geld hab ich noch genug", antwortete er und grinste verschmitzt, „hatte ja keine Gelegenheit es auszugeben. Das kannst du nehmen."

„Aber wie soll ich da dran kommen?", fragte Zoe irritiert.

„Ich werde dir eine Vollmacht schreiben, für Verlies Nummer Siebenhundertelf. Es ist ein Hochsicherheitsverließ in Gringotts, und die Kobolde dort unterliegen einem Schweigeabkommen. Sie dürfen und können keine Informationen weiter geben.

Ich mache dir dieses Schreiben fertig und du musst sie nur noch einer Eule in den Schnabel drücken. Würdest du das tun?"

„O-kay", sagte Zoe zögerlich.

Black seufzte erleichtert und betrachtete das Mädchen verbunden.

„Zoe ... Ich bin dir so überaus Dankbar, für all das, was du für mich tust", sagte Sirius schließlich mit einem ernsten Gesichtsausruck. „Und deswegen möchte ich, dass du dir auch etwas kaufst, von dem Geld aus dem Verließ. Erfüll dir einen Herzenswunsch ‑ egal, was es kostet!"

Die Slytherin sah ihn entsetzt an.

Schließlich antwortete sie erschlagen: „Aber ... nein, das kann ich nicht annehmen!"

„Doch, das kannst du!", meinte Sirius energisch. „Du bringst mir Lebensmittel, du schleichst dich aus dem Schloss und riskierst eine saftige Strafe und nicht zuletzt leistest du mir ein wenig Gesellschaft. Ich möchte dir etwas zurückgeben!"

Verwirrt schüttelte Zoe den Kopf.

„Das ist nett, aber ‑"

„Bitte", unterbrach Sirius, „es muss doch etwas geben, das du dir schon lange wünschst."

Zoe sah auf den Boden, ohne dass ihr Blick etwas bestimmtes fixierte, weil sie zu sehr mit den Bildern in ihrem Kopf beschäftig war.

„Nichts, das man mit Geld erkaufen könnte", sagte sie schließlich leise. „Trotzdem danke."

Eine dröhnende Stille folgte. Sirius Black war die Traurigkeit in der Stimme der Dreizehnjährigen nicht entgangen. Gerne hätte er etwas Tröstendes gesagt, oder vielleicht sogar getan, doch sie kannten einander erst wenige Tage und er wollte sie nicht mit einer impulsiven Handlung überrumpeln.

Er sah hinüber zu dem brettervernagelten Fenster, durch dessen Ritze ein wenig Tageslicht fiel und erinnerte sich an den imposanten Anblick von Schloss Hogwarts. Den Ort, wo er die meisten glücklichen Tage seines Lebens verbracht hatte. Damals, als er noch jung gewesen war, voller Übermut, Tatendrang und nicht enden wollender Naivität. Damals, als er seine Freunde kennen gelernt hatte ‑ und Gwendolyn ‑ da hatte er gedacht, dass seine Zukunft ebenso unbeschwert verlaufen würde, wie sie begonnen hatte. Als er nichts von den schmerzlichen Verlusten, dem Krieg und den dunklen Jahre in Askaban geahnt hatte. Alle erdenklichen Möglichkeiten hatten ihm zu Füßen gelegen als ältester Sohn einer anerkannten Reinblutfamilie. Ob er die falschen Entscheidungen getroffen hatte?

Ein bitteres Lächeln stahl sich auf sein Gesicht und als Zoe wieder aufsah, erkannte er dies aus den Augenwinkeln. Sie sah ihn fragend an, mit den Augen, die der ihrer Mutter so sehr glichen.

„Gwen und ich hatten eine schöne Zeit in Hogwarts", begann er plötzlich loszuplaudern.

„Sie ‑ waren nicht nur Freunde", sagte Zoe nüchtern.

Sirius zog überrascht die Brauen zusammen und sah sie an.

„Das weist du also schon?", stellte er munter fest. „Tatsächlich, hab ich sie erst zum Ende unseres sechsten Schuljahres dazu bekommen, mit mir auszugehen. Meine Freundschaft zu James war wohl etwas hinderlich." Er grinste verschmitzt.

„Warum?"

„Nun ja", erklärte er, „James und Schn- ... Snape, waren seit dem ersten Schuljahr an Erzfeinde."

„Professor Snape?", fragte Zoe verblüfft.

„Genau, und ich muss zugeben, dass auch ich mich nie wirklich mit ihm anfreunden konnte."

„Er war der beste Freund meiner Mutter!"

„Ihr engster Vertrauter", brachte Sirius zwischen den Zähnen hervor. „Das stimmt."

Er griff nach einer Flasche Butterbier, ließ den Kronkorken davonspringen und trank die Flasche in einem Zug halb leer. Zoe sah ihn abschätzend dabei an. Seine Abneigung war einfach nicht zu übersehen.

Als er sich mit dem Handrücken den Schaum vom Mund gewischt hatte, fragte sie schließlich: „Wie habt ihr euch kennen gelernt?"

Das Lächeln war augenblicklich wieder auf seinem Gesicht erschienen.

„Oh, ich hab Nachhilfe in Arithmantik gebraucht. Wäre fast sitzen geblieben ... Ich hatte das Fach schon immer gehasst und nur meiner Eltern wegen belegt.

Dabei hatten wir genügend Zeit uns kennen zu lernen", lachte er laut. „Und Gwen hat mich tatsächlich durchgebracht ‑ dass hätte ich nie gedacht!"

Zoe ließ sich von seinem Lachen einen unbeschwerten Moment lang anstecken. Bis zu jenem Augenblick, da sie sich wieder an das Gespräch zwischen dem Minister und der Wirtin des Drei Besen erinnerte. Doch noch bevor sie weiter darüber nachdenken konnte, fiel Zoe eine Frage ein, die ihr schon seit einigen Wochen auf dem Gemüt brannte. Und dieses Mal sprudelte sie aus der Slytherin heraus, noch bevor sie kalte Füße bekommen konnte.

„Kanntest du auch meinen Vater?"

Das Lächeln auf Sirius Lippen erstarb so jäh, dass Zoe den Atem anhielt. Mit einem Mal erfüllte ihr eigenes Herzklopfen die Heulende Hütte, während sie eine Ewigkeit auf Sirius' Antwort wartete.

Doch diese Ewigkeit, war tatsächlich kaum mehr als eine Sekunde gewesen. Sirius nickte knapp, wich ihrem Blick aus und sah wieder zum Fenster. Einige Atemzüge lang sprach keiner von ihnen. Zoe, weil sie gespannt auf eine Antwort wartete, während sie sich zugleich fragte, ob sie diese wirklich hören wollte und Sirius, weil ihm tatsächlich die Worte fehlten.

Schließlich meinte er mit gerunzelter Stirn: „Solltest du nicht langsam zurückkehren, bevor dich deine Freunde vermissen? Du bist sicher schon weit über einer Stunde hier."

Perplex sah die Slytherin ihn an, doch dann stimmte sie schließlich zu.

Sirius merkwürdige Reaktion ließ Zoe noch lange Grübeln. Allerdings konnte sich die Dreizehnjährige nicht mehr dazu durchringen noch einmal näher nachzuhaken. Durch ihre Verabredungen mit den Gryffindors hatte Zoe es erst nach zwei weiteren Tagen geschafft, Sirius einen erneuten besuchen abzustatten und dieser schien, im Gegensatz zu Zoe, ihr letztes Gespräch und dessen Inhalt bereits wieder vergessen zu haben. Gemeinsam schrieben sie die Bestellung für Qualität für Quidditch sowie eine Vollmacht für sein Verließ, damit Zoe Harrys Besenbestellung in Auftrag geben konnte. Zu guter Letzt unterschrieb er die Schreiben und sprach einen Zauber darüber, um dessen Originalität zu bestätigen. Dann betrachtete er beides nachdenklich.

„Okay. Wir haben die Lieferadresse: Zu Händen an Harry Potter. Wir haben die Verließnummer angegeben und die Vollmacht für Gringotts. Damit sollte alles geklärt sein."

Zoe sah Sirius über die Schulter und überlegte kurz, stimmte zu und überreichte dem Flüchtigen zwei Pergamentumschläge und das Siegelwachs.

„Ich denke schon", fügte sie hinzu.

„Sehr gut." Sirius steckte die Schreiben in die, von Zoe adressierten Umschläge und verschloss sie sorgfältig. „Wann wirst du sie wegschicken?"

„Ich gehe direkt hoch zur Eulerei", sagte sie sofort.

„Danke, Zoe!"

Die Dreizehnjährige lächelte gutmütig.

„Nichts zu danken. Harry wird vermutlich ausrasten, wenn er den Besen auspackt."

„Das würde ich zu gerne sehen", meinte Sirius schmunzelnd. „Schade, dass ich nicht dabei sein kann."

„Ich werde dir alles, haarklein berichten", versprach Zoe, „aber ich beeile mich besser, damit die Briefe auch noch rechtzeitig ankommen."

Die Slytherin verstaute die Umschläge sicher in ihrer Tasche und strich ihre Roben glatt, dann verabschiedete sie sich mit einem Lächeln von dem am meist gesuchtesten Mann Englands.

Als sich Zoe jedoch auf ihrem Trampelpfad von der Peitschenden Weide zu Hagrids Hütte durchkämpfte, wurden ihre Pläne allerdings zunächst durkreuzt. Der Wildhüter hielt sich gerade in seinem Garten auf, wo er den Hühnerstall am Ausmisten war. Seidenschnabel, lag etwas abseits, angepflockt und beobachtete den Hünen bei seiner Arbeit. als Zoe Hagrid bemerkte, hatte sie sich augenblicklich tief in das laublose Dickicht gedrückt. Der Schnee unter ihr knirschte verräterisch und sie zog sich vorsichtig die Kapuze über ihr leuchtend goldenes Haar.

Der Hippogreif registrierte die Bewegung im Dickicht und stieß einen spitzen Schrei aus. Seine orangenen Augen hatten Zoe fixiert und die Slytherin hielt den Atem an, als sich der Wildhüter zu ihr umdrehte.

„Da ist nix, Schnäbelchen", hörte Zoe seine kratzige Stimme sagen, „nix, wovor du Angst haben müsstest."

Seidenschnabel registrierte Hagrid nicht sonderlich, hatte sich aufgerappelt und machte einen Satz nach Vorne und riss dabei fast den Holzpflock aus dem Boden.

„Sachte, Schnäbelchen!" Hagrid ließ den Schubkarren stehen und eilte zu dem aufgeregten Hippogreifen hinüber, um diesen zu beruhigen. „Was siehste, denn, hm?"

Er folgte dem Blick der Adleraugen und Zoe duckte sich noch ein wenig tiefer in den Schnee, während sie inständig hoffte, dass sie unentdeckt blieb.

Ihre Finger begannen auf dem gefrorenen Boden, schon zu schmerzen und die Kälte kroch ihr in den Nacken. Schließlich kam Hagrid zu dem Entschluss, dass Seidenschnabel ein Tier entdeckt haben musste und ließ ihn, nachdem er sich beruhigt hatte wieder alleine zurück, damit er selbst seiner Arbeit nachgehen konnte.

Doch es dauerte noch einige Zeit, bis Hagrid diese erledigt hatte.

Zoe traute sich währenddessen nicht, sich auch nur einen Millimeter zu bewegen. Gequält biss sie die Zähne zusammen, während das Gefühl aus ihren Gliedmaßen wich und bald fühlte sie auch nicht mehr, ob ihre Kleider tatsächlich nass, oder nur kalt waren.

Nach einer gefühlten Ewigkeit erst, wurde der Wildhüter fertig, brachte Seidenschnabel in seine Hütte und verschwand anschließend mit einer großen Axt im Verbotenen Wald.

Als die Slytherin sich erhob, war sie bereits vollkommen steif und jeder Schritt schmerzte unglaublich. Ihre Zehen spürte sie schon lange nicht mehr und ihre Finger waren ebenfalls taub. Vorsichtig krabbelte sie aus dem Unterholz und schlich sich an Hagrids Hütte vorbei. Und erst als das Schlossportal in Sichtweite kam, entspannte sie sich wieder ein wenig und begann sich den Schnee und das Laub vom Umhang zu klopfen. Sobald sie die Briefe für Sirius fort geschickt hatte, würde sie schnurstracks in ihren Gemeinschaftsraum gehen, um sich umzuziehen.

Die Vorstellung am gemütlichen Kamin zu sitzen, mit einer Tasse warmen Kakao, war himmlisch, dass die Slytherin noch einen Zahn zulegte, um endlich die Eulerei zu erreichen.

Sie hatte gerade die letzte Abzweigung genommen, welche sie zu ihrem Ziel bringen würde, als ihr eine Person, nur wenige Meter vor ihr auffiel.

Wie vom Blitz getroffen, blieb Zoe stehen. Total überrumpelt riss sie sich die Kapuze vom Kopf und versuchte sich das zerzauste Haar zu glätten, als der Junge vor ihr sie bemerkte und sich zu ihr umdrehte.

„Hallo, Zoe." Es war Cedric Diggory.

„Ooh ... ooh ... hallo", sagte Zoe verdattert, während sie spürte, dass ihr ohnehin schon rotes Gesicht, noch dunkler wurde.

Cedric lächelte nur galant, dann war es still.

Verlegen strich sich Zoe den Umhang glatt.

„Du musst auch zur Eulerei?", fragte Cedric nach einer Weile rhetorisch.

„Ich ... ähm ... ja", antwortete Zoe und versuchte das Zittern ihres Körpers in den Griff zu bekommen. „Ja ... ich muss noch Briefe versenden."

„Ich auch", antwortete der Hufflepuff munter und deutete an, dass sie weiter gehen sollten. „Noch die letzten Besorgungen für Weihnachten. Bin wohl etwas spät an."

Zoe zwang sich zu einem Lächeln, das vielmehr wirkte, als hätte sie Gesichtskrämpfe, doch zu ihrem Glück sah sie sich nicht selbst.

Stumm gingen sie eine Weile nebeneinander her und die Slytherin hoffte dabei nur, dass er ihr heftiges Herzklopfen nicht hören konnte.

„Hast du deine Geschenke schon alle?", fragte er schließlich, um die Stille zu durchbrechen.
„Schon lange", nuschelte Zoe leise.

„Hm, ich hab es dieses Jahr irgendwie verpennt. Da muss sich meine Eule wirklich beeilen."

Schließlich kamen sie an der letzten schmalen Treppe des Westturmes an, der sie hinauf in den kreisrunden Raum der Eulerei bringen würde. Sowohl Zoe als auch Cedric blieben vor der ersten Stufe zeitgleich stehen, um jeweils den anderen vorzulassen.

Verlegen sah Zoe zu dem Hufflepuff auf, während sie merkte, dass ihr wieder das Blut in den Kopf schoss.

„Nach dir!", sagte er fröhlich und Zoes Herz machte einen extra Hüpfer.

„Danke", flüstere sie leise.

Froh, das Gesicht von ihm abwenden zu können und in der Hoffnung, Cedric würde ihre geröteten Wangen nicht bemerken, ging die Dreizehnjährige voraus. Der Wind, der durch die großzügigen Flugöffnungen pfiff war eiskalt und es trieb ihr die Tränen in die Augen. Auch Cedric zog seinen Zaubererumhang enger um den Körper.

„Hui, ist ja fast wie auf dem Besen." Er suchte die Sitzstangen anscheinend nach seinem Vogel ab und rief schließlich hinauf: „Komm her, Tyr!"

Über ihren Köpfen gab es ein kurzes Gerangel, dann flog ein stattlicher Bartkauz auf die Schulter des Hufflepuffs und klapperte mit dem Schnabel. Routiniert gab er ihm einen Eulenkeks und forderte den Vogel auf sich auf die Brüstung zu setzten.

„Der ist aber hübsch", stellte Zoe fest, während sie Cedric dabei beobachtete, wie er einen Brief an ihr Bein band.

„Dad hat ihn mir zur Einschulung geschenkt", sagte er munter. „Hast du keine eigene Eule?"
Zoe schüttelte verneinend den Kopf.

„Ich nehme eine Schuleule."

Kaum hatte sie den Satz beendet kam eine kleine Schleiereule zu ihr hinuntergeflogen, setzte sich neben Tyr auf die Brüstung und streckte Zoe bereitwillig ihr Bein entgegen.

Cedric grinste amüsiert.

„Das ist ja mal eine ganz Fleißige", sagte er.

Die Slytherin lachte leise über seinen Spaß und riskierte einen flüchtigen Blick in sein schönes Gesicht. Dann zog sie ihre Umschläge aus der Tasche und begann die Nachrichten zu befestigen.

„Du schreibst an Qualität für Quidditch?", fragte Cedric interessiert.

„Jaaaah", antwortete Zoe mit einem Blick auf den Umschlag in ihrer Hand, „ich brauche noch ein Buch für ... Harry ... zu Weihnachten!"

„Dann hast du ja doch noch nicht alles", meinte ihr Gegenüber schmunzelnd.

Zoe blinzelte ertappt und spürte, wie ihre Ohren zu glühen begannen.

„Also ... alles bis auf das", antwortete sie schließlich ohne ihn anzusehen.

Sie ließen die Eulen zeitgleich starten und sahen ihnen noch nach, bis sie nur noch kleine Punkte am Horizont waren. Dann machten sie sich gemeinsam wieder auf den Rückweg.

Bis sich ihre Wege trennten hielten sie noch ein wenig Smalltalk und als Zoe anschließend alleine durch die zugigen Korridore zu den Kerkern hinabging, waren ihre Schritte leicht und federnd. Zumindest in dieser Nacht würden sie sicher keine Albträume heimsuchen.

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