Der Dementor

Zoe war die Erste, die am nächsten Morgen wach wurde. Sie streckte sich genüsslich und blieb noch ein wenig unter der warmen Decke liegen. Heute würden sie gemeinsam zum Bahnhof fahren und der Zug brachte sie wieder zurück nach Hogwarts. Und dann, war endlich wieder alles normal.

Zoe freute sich sehr darüber.

Hermine richtete sich verschlafen im Bett auf. Ihre lockigen Haare standen ihr wirr vom Kopf ab und sie gähnte herzhaft und streckte sich. Dann sah sie zu Zoe hinüber, die mit offenen Augen im Bett lag.

„Morgen", flüsterte Hermine leise.

„Guten Morgen", antwortete Zoe fröhlich und drehte sich zu ihr um.

„Sieh mal, er hat die ganze Nacht bei mir gelegen", sagte Hermine und streichelte Krummbein, der nun zu ihren Füßen lag.

Jetzt richtete sich auch Zoe auf.

„Er ist echt süß", meinte die Slytherin und gähnte nun ebenfalls.

Allmählich regte sich auch Ginny und just in dem Moment, als sich der jüngste Weasley-Spross im Bett aufgesetzt hatte, klopfte es an der Tür und Mrs Weasley schaute herein.

„Ah, sehr gut Kinder, ihr seid schon wach", meinte sie fröhlich. „Macht euch fertig. Es gibt gleich unten Frühstück!"

Und mit diesen Worten verschwand sie wieder und schloss die Tür hinter sich. Ginny ließ sich wieder stöhnend ins Bett fallen und zog die Decke über den Kopf.

Zoe hingegen kletterte aus dem Bett, klaubte ihren Umhang vom Boden auf und begann sich umzuziehen, während Hermine Ginny davon überzeugte zügig aufzustehen.

Als die fertig waren und hinunter in den Salon gingen, erfüllte bereits der Duft von gebratenen Eiern und Speck die Luft und erst dann bemerkte Zoe ihren Hunger.

Sie waren, bis auf Rons Eltern, die Ersten die am Tisch Platz nahmen und Mrs Weasley hielt sie gleich dazu an, sich zu ihr zu setzen. Mr Weasley war in seine Zeitung vertieft und hatte sein Gesicht hinter dem großen Papier versteckt.

„Tom kommt gleich mit dem Essen", erklärte Mrs Weasley und goss ihnen Tee ein. „Ich hoffe die Jungs kommen bald herunter. Gehst du bitte nach ihnen schauen, Arthur?"

Mr Weasley brummte nur leise und erhob sich zäh. Dann legte er die Zeitung auf den Tisch und schlug den Weg zu den Zimmern ein.

Hermines Blick glitt auf die Schlagzeile des Tagespropheten, las dann aber einen kleineren Artikel, weiter unten, während Zoe nur an ihrem Tee nippte.

„Einhundert Galleonen Strafe für die Anwendung eines Liebestranks?", sagte Hermine leise und mehr zu sich selbst.

Mrs Weasley folgte ihrem Blick und sagte: „Oh, sie haben wieder das Bußgeld erhöht? Nun kein Wunder, das ist ein fast sicheres Einkommen für das ‚Büro gegen den Missbrauch der Magie'."

„Es werden öfter Verstöße aufgedeckt?", fragte Hermine ein wenig überrascht.

„Natürlich. Liebestränke sind beliebte Ware auf dem Schwarzmarkt. Jedes Jahr wachsen neue liebeskranke Hexen und Zauberer heran, die darauf hoffen, dass der Liebestrank ihre Probleme löst ‑ natürlich tut er das nicht!"

Sie kicherte jedoch plötzlich, beugte sich zu den Mädchen herüber und ihre Stimme wurde etwas leiser, als sie weiter sprach: „Meine Freundinnen und ich hatten in unserem sechsten Schuljahr einmal versucht einen echten Armortensia zu brauen. Lynn war furchtbar liebeskrank gewesen, aber es hat natürlich nicht geklappt."

„Warum nicht?", wollte Zoe wissen und auch Ginny lauschte nun neugierig.

„Wir hatten Glück im Unglück", erzählte Mrs Weasley. „Es hätte furchtbar schief gehen können. Unser Trank hatte einfach keine Wirkung, und Ernie begann nur leicht zu schielen. Das legte sich aber auch wieder nach ein paar Tagen. Merlin sei Dank!"

„Haben sie euch erwischt?", wollte Ginny sofort wissen, doch Mrs Weasley schüttelte den Kopf.

„Nein, aber Lynn sah dann letzten Endes auch ein, dass es nicht der richtige Weg für sie war. Stellt euch vor, Ernie wäre etwas Schlimmes geschehen? Der Trank hätte auch zu verheerenden Sinnesverwirrungen führen können und dann wäre Lynn doch niemals wieder froh geworden."

„Sind Liebestränke deswegen verboten?", fragte Ginny neugierig.

„Vermutlich auch deswegen", antwortete Mrs Weasley und macht Platz, als Tom damit anfing das Frühstück aufzutischen. „Aber auch, weil es ein Eingriff in die Persönlichkeitsrechte ist, Ginny. Stell dir vor, man würde dir so einen Trank verabreichen und du würdest Dinge tun, die du niemals tun würdest, wenn du bei deinem Verstand wärst.

Wenn man jung ist, hören sich die Versprechen eines Liebestrankes durchaus verlockend an, aber sie bringen keinen Menschen dazu sich wirklich aufrichtig in dich zu verlieben!

Deswegen müsste man der Person den Trank regelmäßig verabreichen, damit die Wirkung erhalten bleibt. Man belügt sich außerdem nicht nur selbst sondern zwingt dem Menschen, in den man eigentlich verliebt ist seinen eigenen Willen auf und schädigt sogar seine Nachkommen unwiderruflich.

Ich denke das sind die wesentlichen Gründe, warum die wirklich wirksamen Liebestränke verboten sind."

„Inwiefern schadet der Liebestrank den Nachfahren?", fragte Hermine verwundert.

„Kinder aus einer solchen Verbindung sind der Liebe nicht fähig", erklärte Mrs Weasley. „Und wer möchte das schon seinen eigenen Kindern antun? Das sind alles sehr hohe Preise, die man zahlt und nur aus dem eigenem Egoismus ‑ und das ist keine Liebe!

Es lohnt sich also weder den Aufwand zu betreiben einen Liebestrank zu brauen, noch einen dieser zweifelhaften Phiolen zu kaufen, die man in dunklen Ecken angeboten bekommt, Mädchen!"

Sie griff nach dem Brötchenkorb und reichte ihn herum. Auch Mr Weasley hatte wieder am Tisch Platz genommen und seine Zeitung weg gepackt. Mittlerweile waren sie sogar vollständig geworden und begannen mit dem Frühstück.

Gleich im Anschluss schickte Mrs Weasley sie wieder nach oben, damit sie ihre Sachen herunter holten. Mit einem routinierten Blick überschaute sie ihre Schützlinge und warf einen abschätzenden Blick auf ihre Koffer, die sie neben der Tür gestapelt hatten.

Percys neue Schleiereule, Hermes, kreischte aufgeregt, als er sie neben Krummbeins Weidenkorb abstellte und der Kater fauchte zur Antwort.

„Schon gut, Krummbein", versuchte Hermine ihn zu beruhigen. „Wenn wir im Zug sind, darfst du raus."

„Bloß nicht", warf Ron sofort ein, „was soll dann aus dem armen Krätze werden?" Seine Hände glitten in Brusthöhe und die Beule hinter der Brusttasche ließ Zoe vermuten, dass Rons Ratte dahinter friedlich schlummerte.

Bevor sie zu streiten anfangen konnten, streckte Mr Weasley von Draußen den Kopf in den Pup und sagte: „Sie sind da. Komm mit, Harry ‑"

Er griff nach Harrys Arm und zog ihn hinaus. Zoe und die anderen folgten den beiden. Vor der Tür standen zwei altertümlich anmuteten Wagen in einem englischgrün. An ihrem Steuer saßen zwei ältere Zauberer, die in samtene smaragdgrüne Gewänder gehüllt waren. Harry wurde von Mr Weasley auf die Rückbank gedrängt, dann deutete er Zoe, Hermine und Ron ebenfalls Platz zu nehmen. Das Schlusslicht bildete Percy, dann schlug Mr Weasley die Tür hinter ihnen zu und widmete sich den Koffern.

Zoe sah sich interessiert im Fahrzeug um und ihr wurde schnell bewusst, dass dies keine gewöhnlichen Muggelautos waren. Nicht nur, dass sie zu fünft noch immer genügend Platz auf der Rückbank hatten, das Armaturenbrett war auch noch voll mit etlicher bunter Knöpfe und Schalter.

Nachdem die Koffer eingeladen waren füllte sich der zweite Wagen mit Rons Geschwistern und seiner Mutter. Mr Weasley sprach noch kurz mit dem Fahrer, dann kam er zu ihnen zurück und nahm auf dem Beifahrersitz Platz. Dann ging es los.

Sie fuhren Slalom durch den stockenden Verkehr, wo vermutlich kein normales Auto durch gepasst hätte oder hüpften an den Schlangenanfang einer Kreuzung. Während die Freunde hauptsächlich schwiegen unterhielt sich Rons Vater angeregt mit dem Fahrer und schon zwanzig Minuten später kamen sie auf dem Parkplatz von King's Cross an.

Während sie ausstiegen, holten die Chauffeure Gepäckkarren und halfen anschließend beim Ausladen der Koffer. Mr Weasley hatte sich wieder an Harrys Seite geheftet und ging mit ihm voran zu der Barriere zwischen Gleis neun und zehn.

„Na denn", sprach Rons Dad, als sie fast am Durchgang waren. „Gehen wir jeweils zu zweit, weil wir so viele sind. Harry und ich gehen zuerst."

Unauffällig, so dass sie keine Aufmerksamkeit für Muggel erregten, lehnten sie sich lässig gegen die Barriere und einen Augenaufschlag später waren sie verschwunden. Danach folgten Percy und Ginny, anschließend schickte Mrs Weasley Zoe mit Hermine vor.

Die Slytherin war erneut fasziniert von dem Anblick, der sich ihr hinter der unscheinbaren Backsteinmauer bot. Der Hogwarts Express, die scharlachrote Lock, stand auf dem Gleis und strahlte funkelnd in der Sonne. Der Bahnsteig war überfüllt mit Hexen und Zauberern, kleinen und großen Schülern, die ihre Eulen, Katzen und Kröten im Arm hielten. Ratternd zogen einige ihre Koffer hinter sich her und das aufgeregte Geplapper der Leute ging einen kurzen Moment im gellenden Pfiff der Lock unter.

Hermine war neben ihr zusammengezuckt und Krummbein fauchte wütend. Dann erschienen auch die Zwillinge und Mrs Weasley hinter ihnen und sie folgten Mr Weasley den Waggons entlang, bis sie am Ende des Zugs angekommen waren und sich die Menschenmenge allmählich ein wenig lichtete.

Die Weasleys begannen eifrig die Gepäckwagen leerzuräumen und Zoe schnappte sich ihre Büchertasche und hielt dann Ausschau nach Rons Eltern, um sich von ihnen zu verabschieden.

„Ich hab für euch alle belegte Brote gemacht ...", sprach Mrs Weasley, als sie Zoe aus ihrer Umarmung ließ und drückte ihr einen Stapel Butterbrote in die Hand.

Zoe sah überrascht auf den Proviant.

„Vielen Dank, Mrs Weasley!", brachte sie schließlich heraus, doch Rons Mum tat den Dank mit einem liebevollen Lächeln ab.

„Nichts zu danken, Liebes! Hier, Ron ... nein, kein Corned Beef ... Fred? Wo ist Fred? Hier bist du ja, mein Lieber ..."

Zoe sah sich nach Mr Weasley um, damit sie sich auch von ihm verabschieden konnte, doch er stand zusammen mit Harry einige Meter abseits und war mit ihm in ein Gespräch vertieft. Sie wollte zu ihnen hinüber gehen, doch Zoe hatte nicht mit Mrs Weasleys gluckenhafter Aufmerksamkeit gerechnet.

„Ab in den Zug mit euch, es geht bald los. Zoe! Ab in den Zug!" Sie scheuchte sie wie eine Schafherde vor sich her und behielt allesamt im Auge, während sie einstiegen.

„Arthur!", rief sie schließlich und sah hinüber zu ihrem Mann, der sich noch immer mit Harry unterhielt. „Arthur, was macht ihr da? Er fährt gleich ab!"

Zoe folgte Hermine blind und machte sich gar keine Mühe, nach einem Abteil Ausschau zu halten.

„Alles besetzt", meinte Hermine düster. „Lasst uns in der anderen Richtung gehen, und dort nachschauen.

Zoe wandte sich zu Ginny um, die stehen geblieben war und nun mit Ron zusammen stieß.

„Was ist los?", fragte dieser genervt.

„Hier ist alles voll", antwortete Ginny gereizt und Ronald verdrehte nur die Augen.

Im Gänsemarsch gingen sie zurück und kamen schließlich just in dem Moment an der Tür an, als Harry gerade noch rechtzeitig in den Zug einstieg. Die Tür schloss sich augenblicklich hinter ihm.

„Ich muss mal mit euch allein reden", murmelte er leise und reihte sich vor Zoe ein.

„Geh. mal kurz weg, Ginny", sagte Ron unfreundlich.

„Oh, wie nett!" Die Rothaarige, warf ihr Haar in den Nacken und drängelte sich an Zoe und Hermine vorbei, jedoch nicht, ohne ihrem Bruder einen beleidigten Blick zuzuwerfen.

„Das war ziemlich taktlos", sagte Zoe zu Ron während sie diesem folgte.

Ronald ignorierte sie jedoch gekonnt und sagte stattdessen zu Harry: „Schieß los!"

„Nicht hier. Lass uns erst ein Abteil suchen!"

Der Zug setzte sich mit einem Ruck in Gang, während sie Abteil für Abteil abgingen, um nach einem freien zu suchen. Das allerletzte war jedoch das einzige gewesen, dass den Freunden genug Platz geboten hatte. Es war allerdings auch nicht leer, doch darin befand sich nur ein schäbig wirkender Mann, der auf seinem Sitz hing und anscheinend zu schlafen schien.

Harry schob die Schiebetür leise auf und die vier betrachteten den Fremden misstrauisch. Für einen Schüler war er zu alt gewesen, doch bis auf den Lockführer und die Hexe am Imbisswagen, gab es für gewöhnlich keine Erwachsenen im Zug.

Das hellbraune Haar des Fremden war jedoch schon von grauen Strähnen durchzogen und er trug einen mehrfach geflickten Zaubererumhang. Zudem sah er etwas kränklich und erschöpft aus.

Ron und Harry traten ein und hievten ihre Koffer ins Gepäckfach. Zoe jedoch zögerte erst, doch als Hermine es den Jungs gleich tat, trat auch die Slytherin ein und gab Harry ihre Büchertasche zum Verstauen.

Ron schloss die Abteiltür hinter ihnen und zischte leise: „Wer, glaubt ihr, ist das?"

„Professor R. J. Lupin", flüsterte Hermine ohne Zögern zurück.

„Woher weißt du das denn schon wieder?"

„Steht auf seinem Koffer." Hermine deutete auf die Gepäckablage und Zoe folgte ihrem Blick.

Der kleine, verbeulte Koffer sah mindestens genauso alt und zerschlissen aus, wie der Umhang, den Professor Lupin trug. Er war mit einer Kordel zusammengehalten und neben dem Griff stand in abgenutzten Lettern sein Name.

„Welches Fach der wohl gibt?", fragte Ron stirnrunzelnd und brachte Zoe gleich zum Kichern.

„Das ist doch klar", flüsterte Hermine, „es gibt nur eine freie Stelle, oder? Verteidigung gegen die dunklen Künste. Hast du ihn schon kennengelernt, Zoe?"

Die Blonde ließ sich auf den Sitz fallen und schüttelte den Kopf, bevor sie antwortete: „Nein, ich hab' irgendwie auch gar nicht mehr darüber nachgedacht."

Ron seufzte theatralisch, nahm den gegenüberliegenden Platz und sprach leise: „Ich hoffe, er schafft es. Sieht eher aus, als ob ein guter Zauber ihn erledigen würde, oder? Jedenfalls ...", er wandte sich zu Harry um, „was wolltest du uns sagen?"

Dieser warf zunächst einen unsicheren Blick zu Lupin hinüber, doch der schien tief und fest zu schlafen dann sagte Harry etwas verlegen: „Also ... als ich gestern Abend dein Rattentonikum suchen war, Ron, da hab' ich deine Eltern belauscht – nicht absichtlich natürlich", fügte er hinzu, als er Rons starren Blick sah. „Sie haben gestritten, weil deine Mum nicht wollte, dass ich es erfahre, dein Dad aber schon."

„Dass du was nicht erfährst?", fragte Ron angespannt.

„Dass Black hinter mir hier ist", sagte Harry.

Einen Moment war es vollkommen still in dem Abteil. Nur das leise ansteigende Rattern des Zuges war zu hören. Ungläubig sahen sie einander an und Zoe war die erste, die ihre Stimme wieder fand.

„Sirius Black ist hinter dir her?", fragte sie, um sicher zu gehen.

Harry nickte und fuhr fort: „Deswegen hat Fudge mich bestimmt auch empfangen in der Nacht als ich von Zuhause abgehauen war ... Und sie haben mich nicht bestraft – wahrscheinlich, waren sie froh, dass ich lebend wieder aufgetaucht bin ..." Er machte eine kurze Pause, bevor er weiterfuhr. „Und eben am Bahnsteig – da wollte dein Dad, dass ich ihm verspreche Black nicht zu jagen."

Ein wenig fassungslos sahen sie Harry an. Hermine hatte die Hände vor den Mund gepresst und sah ziemlich geschockt aus, doch dann schaffte sie es den Mund zu öffnen und sagte: „Sirius Black ist tatsächlich ausgebrochen, um dich zu jagen? Oh, Harry ... du musst wirklich ganz, ganz vorsichtig sein. Such bloß keinen Ärger, Harry ..."

„Ich suche keinen Ärger", sagte Harry gereizt. „Meist findet der Ärger mich."

„Harry müsste doch eine schöne Dumpfbacke sein, wenn er nach einem Verrückten sucht, der ihn umbringen will", sprach Ron vorsichtig.

„Ich frage mich nur, wie er es überhaupt geschafft hat aus Askaban zu auszubrechen", meinte Zoe nachdenklich.

„Keiner weiß, wie er aus Askaban entkommen konnte", betonte Ron aufgebracht. „Keiner hat es je geschafft. Und er war auch noch ein Hochsicherheitsgefangener."

„Aber sie werden ihn doch fassen, nicht wahr?", fragte Hermine nachdrücklich. „Ich meine, die Muggel suchen ihn doch auch alle ..."

„Was ist das für ein Geräusch?" Rons Blick war starr nach vorne gerichtet, als er lauschte und dann hörte Zoe es auch.

Es war ein kaum zu hören. Ein leises, blechernes Pfeifen und es kam aus der Richtung der Gepäckablage.

„Es kommt aus deinem Koffer, Harry", sprach Ron. Er erhob sich und zog Harrys Koffer hinunter und legte ihn sich auf den Schoß. Gemeinsam mit seinem Freund wühlten sie in Harrys Umhängen herum, während die Mädchen sie gespannt beobachteten. Dann hob Ron triumphierend ein kleines, silbernes Objekt in die Höhe. Es drehte sich unerlässlich, surrte und piepte und Zoe erkannte sofort was es war: ein Taschenspickoskop. Ein Gegenstand, der Alarm schlug, wenn in der näheren Umgebung etwas nicht mit rechten Dingen zuging.

Zoes Augen huschten zu Lupin und dann wieder zurück zu Ron.

„Ist das ein Spickoskop?" Hermine war neugierig aufgestanden, um das kleine Gerät näher zu betrachten.

„Ja ... allerdings ein ziemlich billiges", erklärte Ron. „Seit ich es Errol ans Bein gebunden hab, um es Harry zu schicken, spinnt es ein wenig."

„Hast du damals irgendwas Komisches gemacht?", fragte Hermine und betrachtete es genauer.

„Nein! Nun ja ... ich hätte eigentlich nicht Errol nehmen sollen, du weißt doch, dass er nicht fit ist für lange Flüge ... aber wie sollte ich Harry das Geschenk denn sonst schicken?"

„Vielleicht ist es kaputt gegangen?", meinte Zoe. „Sie sind bestimmt sehr empfindlich."

Harry, der nervös wurde, als das Spickoskop dauerhaft anfing zu pfeifen fuhr Ron an: „Steck es zurück in den Koffer, oder er wacht noch auf." Der Gryffindor nickte mit dem Kopf zu Professor Lupin hinüber.

Ron gehorchte und schlug schließlich vor: „Wir könnten es in Hogsmeade nachsehen lassen. „Sie verkaufen solche Sachen bei Derwisch und Banges, magische Werkzeuge und so Zeugs, das weiß ich von Fred und George." Er schloss den Koffer und hievte ihn wieder auf die Ablage über ihren Köpfen.

„Weißt du viel über Hogsmeade?", fragte Hermine interessiert. „Ich hab gelesen, es ist der einzige Ort in England, wo kein einziger Muggel lebt."

Ron runzelte die Stirn und sagte gleichgültig: „Ja, ich glaub schon, aber das ist nicht der Grund, weshalb ich dort hinmöchte. Ich will einfach mal in den Honigtopf!"

„Der ist genial!", sagte Zoe schwärmerisch und mit einem Lächeln auf den Lippen. „Ich war in den Ferien da. Das Geschäft ist wahnsinnig groß!"

„Was ist das?", fragte Hermine und Ron antwortete, von Zoes Schwärmerei angesteckt: „Der Süßigkeitenladen ‑ wo sie alles haben – Pfefferkekse ‑ die lassen dir den Mund rauchen ‑ und große pralle Schokokugeln, gefüllt mit Erdbeermousse und Schlagsahne und ganz tolle Zuckerfederhalter, die kannst du in der Schule lutschen und siehst dabei aus, als würdest du nur überlegen, was du schreiben sollst ‑"

Doch Zoe unterbrach ihn: „Und Zischende Wissbies, Zuckerwattefliegen, die einem direkt in den Mund fliegen –"

„Lecker", meinte Ron mit einem träumerischen Ausdruck auf dem Gesicht.

„Und Lakritz-Zauberstäben, und –"

„Aber Hogsmeade ist doch auch sonst ganz interessant, oder?", fragte Hermine etwas energischer nach. „In Historische Stätten der Zauberei heißt es, das Wirtshaus sei das Hauptquartier des berüchtigten Koboldaufstands von 1612 gewesen und die Heulende Hütte soll das am übelsten spukende Gebäude im ganzen Land sein ‑"

Ron jedoch ignorierte sie einfach und sprach weiter: „‑ und dicke Brausekugeln, du hebst vom Boden ab, wenn du sie lutschst."

Hermine atmete zischend aus und wandte sich dann Harry zu.

„Wär es nicht schön, mal ein wenig aus der Schule rauszukommen und Hogsmeade zu erkunden?"

Sicher", brummte Harry und seine Miene verdunkelte sich. „Ihr müsst mir dann erzählen, wie es war."

„Was soll das heißen?", fragte Ron, der nun wieder aufmerksam wurde.

„Ich kann nicht mit. Die Dursleys haben die Zustimmungserklärung für mich nicht unterschrieben und Fudge wollte auch nicht."

Ron starrte seinen Freund völlig entsetzt an.

„Was für eine Zustimmungserklärung?", fragte Zoe.

„Unserem Hogwartsbrief lag eine Zustimmungserklärung bei, welche die Vormünder zu unterschreiben haben", erklärte Hermine. „Hast du deinen Brief nicht bekommen?"

Zoe überlegte und schüttelte kurz den Kopf.

„Nein, ich hab' nur die Bücherliste so bekommen."

„Mo-ment mal", unterbrach Ron die beiden Mädchen. „Heißt das jetzt – also, du darfst nicht mitkommen? Aber kommt nicht in Frage, McGonagall oder sonst jemand wird es schon erlauben ‑"

Harry lachte hämisch.

„Oder wir fragen Fred und George", sagte Ron hoffnungsvoll, „die kennen alle Geheimgänge aus dem Schloss heraus."

„Ron!", schimpfte Hermine. „Ich glaube nicht, dass Harry sich aus der Schule schleichen sollte, wenn Black auf freiem Fuß ist."

„Ja, das wird McGonagall sicher auch sagen, wenn ich sie um Erlaubnis frage", meinte Harry traurig.

„Professor McGonagall, würde so etwas auch bestimmt nicht unterschreiben", sagte Zoe. „Das wäre gegen die Regeln."

„Aber wenn wir ihn begleiten, Hermine", erklärte Ron, „wird Black es nicht wagen."

Jetzt war es an Zoe zu lachen, doch Hermine fuhr ihren gemeinsam Freund nur wütend an: „Ach Ron, red' keinen Stuss! Black hat mitten auf einer belebten Straße ein Dutzend Leute um gebracht, glaubst du wirklich, er wird sich davon abhalten lassen, Harry anzugreifen, nur weil wir dabei sind?"

„Bestimmt nicht!", pflichtete Zoe ihr bei und sah Hermine dabei zu, wie sie an dem Verschluss von Krummbeins Weidekorb herum nestelte.

„Lass bloß dieses Tier nicht raus!", sagte Ron warnend, doch sein Einwand kam zu spät.

Der Kater sprang mit einer Eleganz, die nur eine Katze besaß, aus seinem Korb heraus und streckte sich genüsslich. Er sah sich mit seinen gelben Augen kurz im Abteil um und hüpfte dann ohne Vorwarnung auf Rons Knie.

Ron wurde stocksteif, seine Hände glitten zur Brusttasche, in der Zoe seine Ratte vermutete und er fauchte: „Hau ab!"

„Ron, nicht!", zischte Hermine wütend.

Die Nasenflügel des Rothaarigen bebten, er wollte etwas erwidern, doch just in dem Moment, da sich Professor Lupin in der Ecke regte, erstarrten sie alle. Gebannt sahen sie ihm dabei zu, wie er sich ein wenig umdrehte und dann einfach weiter schlief.

Als die Anspannung wieder von ihnen abgefallen war, stand Zoe auf, pflückte Krummbein von Rons schoss und nahm wieder Platz, um den Kater zu kraulen, der Ronald noch immer mit seinen Katzenaugen fixiert hatte. Damit hatte Zoe die Situation zwischen ihren jedoch Freunden entschärft und sie konnten die restliche Zugfahrt genießen.

Die Landschaft am Fenster rauschte mittlerweile schnell an ihnen vorbei und die Wolken zogen sich zusammen, je weiter sie nach Norden fuhren. Mittelwelle liefen auch einige Schüler auf dem Gang entlang, um ihre Freunde zu besuchen und ihnen von den Ferien zu erzählen. Um kurz nach eins kam auch die Hexe mit dem Imbisswagen vorbei und öffnete die Tür.

„Wollt ihr was?", fragte sie und schaute in die Runde.

Harry war augenblicklich aufgesprungen, bestellte für sie alle eine Portion Kesselkuchen und Ron warf einen unsicheren Blick zu Professor Lupin hinüber und fragte dann leise: „Meint ihr, wir sollten ihn aufwecken? Sieht aus, als könnte er was zu essen vertragen."

Zoe und Hermine tauschten verlegene Blicke. Schließlich fasste sich Hermine ein Herz, und näherte sich dem Fremden vorsichtig.

„Ähm ‑ Professor?", sagte sie. „Verzeihung ‑ Professor?"

Dieser reagierte jedoch nicht.

„Schon gut, Mädchen", meinte die Hexe munter, als sie Harry bedient hatte. „wenn er aufwacht und Hunger hat, ich bin vorne beim Zugführer."

Sie schloss die Tür hinter sich und Harry gab Zoe das erste Kuchenstück.

„Vielen Dank!", meinte Zoe munter und biss sofort in den saftigen Kesselkuchen.

„Nix zu danken", gab Harry breit grinsend zurück und verteilte auch die restlichen Stücke.

„Ich hoffe doch, dass er schläft?", sprach Ron leise, als sie wieder alle beisammen saßen. „Ich meine ‑ er ist nicht tot, oder?"

„Nein, nein, er atmet", flüsterte Hermine zurück, nicht jedoch, um ohne einen weiteren Blick auf ihren Professor zu werfen.

„Dann hat er aber einen ganz schön tiefen Schlaf", meinte Zoe. „Oder aber, er ist richtig fertig ..."

Am späten Nachmittag begann es zu regnen. Ein dunstiger Nebelschleier hing in der Luft und ließ die Landschaft in der Ferne langsam verschwinden. Sie waren ein wenig müde geworden und hingen nur noch auf ihren Sitzen herum, ohne groß eine Unterhaltung zu führen, als sie auf dem Gang draußen Schritte hörten.

Dann erschien vor ihrem Abteil Draco Malfoy, flankiert von Vincent Crabbe und Gregory Goyle, und riss die Tür auf.

Zoe hatte keine seiner Gemeinheiten im letzten Schuljahr vergessen und auch, wenn sie demselben Haus angehörten, kannte die Slytherin keinen Menschen, den sie weniger gemocht hätte wie Draco. Der Ausdruck seiner blauen Augen, die überheblich aus seinem spitzen, blassen Gesicht auf sie herabsahen, hätte nicht arroganter sein können. Während der seiner Freunde etwas dümmlich und hohl wirkte. Auch Vincent und Gregory waren Slytherins, doch da sie Dracos beste Freunde waren hatte Zoe es auch nie ansatzweise versucht, sich mit ihnen anzufreunden. Da beide ohnehin lieber Dracos Befehle ausführten, anstatt selbst zu denken hatte sich dafür auch noch nie eine Situation erbeben.

„Schaut, schaut, wen haben wir denn da", sprach Malfoy in seinem üblichen unverschämten Ton und sah auf Harry hinab, den er bereits seit seinem ersten Schuljahr als seinen Erzfeind auserkoren hatte. „Potty und das Wiesel."

Vincent und Gregory kicherten, doch für Zoe wirkte es ein wenig wie Grunzen.

„Hab gehört, dein Vater ist diesen Sommer endlich zu etwas Gold gekommen, Weasley", sagte Malfoy. „Ist deine Mutter an dem Schock gestorben?"

Der Rothaarige war so flink aufgesprungen, dass er Krummbeins Korb zu Boden riss und Harry tat es ihm nach. Zoe packte den Kater ein wenig fester, der zusammengezuckt war und noch bevor Ron hätte etwas Dummes tun können, wurden sie gerettet: Professor Lupin schnarchte kurz auf und drehte den Kopf zur Seite.

Dracos kalte Augen fixierten den Fremden dann wich er zurück auf den Gang.

„Wer ist das denn?", fragte er, ohne Lupin aus den Augen zu lassen.

„Ein neuer Lehrer", antwortete Harry prompt und fügte provokant hinzu: „Was wolltest du gerade sagen, Malfoy?"

Draco knirschte mit den Zähnen. Im Gegensatz zu Vincent und Gregory war er kein Dummkopf und Zoe wusste sofort, dass er vor den Augen eines Lehrers keinen Streit anfangen würde.

„Los, kommt", brummte er zu seinen Freunden, dann wandte er sich um und sie verschwanden gemeinsam.

Zoe streckte sich nach dem Griff der Abteiltür und schob sie hinter ihren Hausgenossen wieder zu und nun nahmen auch Ron und Harry wieder Platz. Ronalds Gesicht war vor Wut rot angelaufen.

„Dieses Jahr lass ich mir von Malfoy nichts mehr bieten", knurrte er aufgebracht, „und das meine ich ernst. Wenn er noch einen Witz über meine Familie macht, pack ich ihn am Kopf und ‑"

Ron schwang die Hände in die Luft und führte ihnen vor, was er mit Draco gerne tun würde. Hermine sah ihn nur missbilligend an und zischte: „Ron, sei vorsichtig ‑"

Die Slytherin sah zu Lupin hinüber, auf den Hermine gedeutet hatte, doch dieser schlief noch immer weiter. Er ließ sich auch nicht von den heftigen Regentropfen wecken die bald schon gegen die Scheiben des Zugs klatschten. Der Himmel draußen hatte mittlerweile ein monotones Grau angenommen und die Lichter in den Gängen und unter den Gepäckfächern gingen plötzlich an. Als sich der graue Himmel allmählich schwarz färbte, meinte Ron, dass sie bald da sein müssten und dann hielt der Zug langsam an – als hätte er Ronalds Befehl gehorcht.

Der Rothaarige stand auf und stöhnte: „Endlich! Ich verhungere noch. Was ich jetzt brauche, ist das Festessen ..."

Zoe, die auf Hermines Uhr sah, als diese ihren Arm hob fragte: „Ist es nicht noch ein bisschen früh?"

Ihre Freundin nickte bestätigend.

„Eigentlich können wir noch nicht da sein", sagte sie.

„Und warum halten wir dann?", fragte Ron.

Grübelnd sahen sich die Freunde an und lauschten dem leisen Quietschen der Bremsen, während der Zug immer langsamer wurde. Zoe versuchte aus dem Fenster zu sehen, doch es war bereits zu dunkel draußen und durch das Licht in ihrem Abteil konnte sie nur ihre eigenen Spiegelbilder erkennen.

Das Rattern und Quietschen klang ab und wurde ersetzt vom harten Trommelschlag der Regentropfen, an ihrem Fenster. Harry, der Zoe gegenübersaß stand auf, zog die Abteiltür auf und sah hinaus. Dem Lärm nach zu urteilen, war Harry nicht der einzige.

„Kannst du was sehen?", fragte Zoe sofort.

„Nichts ungewöhnliches", gab Harry zurück.

Mit einem plötzlichen Ruck kam der Zug zum Stehen. Es folgte ein unheilvolles Poltern durch den ganzen Zug. Offensichtlich waren in einigen Abteilen die Koffer aus den Gepäckablagen gefallen.

Und dann ging das Licht aus, und Zoe hielt erschrocken den Atem an. Krummbein war von ihrem Schoß gesprungen und verkroch sich in der Dunkelheit. Obwohl sie mit hunderten von Schülern im Zug saß, bekam Zoe Angst. Ihr Herz klopfte heftig und sie tastete in der Finsternis nach Hermine.

„Was ist da los?", fragte Ron von rechts.

„Autsch!", jammerte Hermine. „Ron, das war mein Fuß!"

„Entschuldigung, Zoe!", Harry, der offensichtlich zurück auf seinen Sitz wollte war gegen sie gestoßen.

„Glaubst du, wir haben eine Panne?", fragte sie ängstlich.

„Keine Ahnung ..."

Es folgte ein seltsam quietschendes Geräusch, dass Zoe zunächst nicht zuordnen konnte, dann sah sie, dass es Ron gewesen sein musste, der das beschlagene Fenster frei wischte, um hinauszuschauen.

„Da draußen bewegt sich was", sagte Ron, „ich glaube, es steigen Leute ein ..."

„Was für Leute?", fragte Zoe panisch.

Sie klammerte sich an Hermine und ihre Freundin versuchte sie mit zittriger Stimme zu beruhigen: „Bestimmt alles ok. Die sehen bestimmt nach dem Rechten."

Plötzlich ging die Abteiltür auf, Harry ächze schmerzvoll und jemand fragte: „Verzeihung, wisst ihr, was da los ist?"

Zoe sprang erschrocken von ihrem Sitz auf und stieß mit der Person zusammen und diese fiel auf die Knie.

„Autsch, tut mir Leid ‑"

„Neville?", fragte Zoe erleichtert, als sie den Gryffindor erkannte und versuchte ihm aufzuhelfen.

„Ja. Bist du das, Zoe?"

„Hallo, Neville", sagte Harry.

Gemeinsam zogen sie ihn am Umhang auf die Beine.

„Harry? Bist du das? Was ist eigentlich los?"

„Keine Ahnung ‑ setz dich ‑"

Krummbein fauchte zornig, da Neville anscheinend auf ihn getreten war, dann ließ er sich hinter Zoe auf ihren Platz fallen und so blieb der Slytherin nichts anderes übrig, als sich zwischen Neville und Hermine zu quetschen.

Ihre Freundin stöhnte genervt.

„Ich geh jetzt nach vorn und frag den Zugführer, was hier vor sich geht", sagte Hermine entschlossen und sprang auf.

Zoe rutschte auf ihren Platz und als Hermine sich an den Beinen vorbei zur Tür gekämpft hatte, erklang ein dumpfes Geräusch gefolgt von zwei spitzen Schreien.

„Wer ist das?"

„Wer ist das?"

„Ginny?"

„Hermine?"

„Was tust du hier?"

„Ich suche Ron."

„Komm rein und setz dich hin."

„Nicht hier!", sagte Harry rasch.

„Autsch!", schrie Neville.

„Ruhe!", sprach plötzlich eine fremde Stimme.

Zoe zuckte zusammen und quietschte erschrocken auf, als ihr klar wurde, dass ihr neuer Lehrer endlich aufgewacht war.

„Professor – Lupin?", fragte Zoe verunsichert.

Auf dem Fensterplatz neben ihr regte sich etwas. Es knisterte leise und dann flackerte ein Licht auf und erhellte ihr Abteil. Mit einer berechnenden Wachsamkeit sah Professor Lupin in die Runde und hob dabei eine Hand voll Flammen in die Höhe.

„Bleibt, wo ihr seid", sagte er schließlich mit einer belegten Stimme.

Dann stand er vorsichtig auf, die Hände vor sich gestreckt um den Weg voran zu erhellen, doch bevor er die Tür auch nur erreicht hatte, glitt diese einfach auf. Eine vermummte Gestalt erschien dahinter, in einen langen dunklen Umhang gehüllt. Unter den Schatten der Kapuze konnte man kein Gesicht erkennen und das einzige, das man von dem Lebewesen sehen konnte, war so etwas wie seine Hand, womit es die Tür aufgeschoben hatte. Diese war jedoch schleimig und schorfig, als sei die Gestalt unter dem Umhang kein Lebewesen, sondern ein Toter und sein Körper bereits am verwesen. Zoe wich auf ihrem Sitz zurück und drückte die Hände vor den Mund. Gerne hatte sie Schreien wollten, doch jeder Laut schien in ihrer Kehle stecken zu bleiben.

Mit seinem rasselnden Atem sog das Wesen förmlich die Luft aus ihrem Abteil. Eine eisige Kälte breitete sich in dem kleinen Raum aus. Fuhr in Zoes Glieder, lief ihrem Nacken herab und griff nach ihrem Herzen. Sie hörte die Stimme ihres Großvaters, der ihr vom Tod ihrer Eltern berichtete, dachte an das bleiche, rotäugige Gesicht von Lord Voldemort auf Quirrells Hinterkopf und an die nicht enden wollende Dunkelheit in der Kammer des Schreckens.

Das Atmen fiel Zoe plötzlich so schwer. Sie spürte, wie Hermine sich an ihrem Arm klammerte, hörte wie Ron aufjaulte und sah das Harry von seinem Sitz glitt.

Dann endlich, schien Professor Lupin etwas zu unternehmen. Er zog seinen Zauberstab, stieg über den am Boden liegenden Harry hinüber und sprach laut und deutlich: „Keiner von uns hier versteckt Sirius Black unter seinem Umhang. Geht!"

Doch das Wesen rührte sich nicht.

Expecto patronum!" Lupins Zauberstab schnipste und ein gleißend, helles Licht erleuchtete das Abteil.

Zoe musste ihre Augen abwenden, weil es sie so stark blendete und verpasste somit den Augenblick, als das Wesen aus ihrem Abteil getrieben wurde. Ihr Lehrer war ihm gefolgt, hatte jedoch die Abteilungstür hinter sich geschlossen.

Zunächst sprach keiner von ihnen, weil sie alle dem Poltern im Flur lauschten und verängstigt blieben sie auf ihren Plätzen in der Dunkelheit sitzen ohne sich zu rühren.

Zoes Herz pochte laut. Sie zitterte stark und die Stelle, an der sich Hermine noch immer an ihr festgeklammert hatte schmerzte immer mehr.

„Du tust mir weh, Hermine?", flüsterte Zoe leise und war damit die erste, die die Stille brach.

„Entschuldigung", murmelte diese. „War das ... ein Dementor?"

Flackernd ging das Licht im Abteil wieder an und mit einem Ruck fuhr der Zug langsam los.

„Harry?!"

Ron saß auf dem Abteilboden und rüttelte an seinen Freund, der am Boden lag, doch dieser reagierte kaum.

„Ist er ...", Neville wagte es nicht den Satz zu Ende zu sprechen.

„Harry! Harry! Alles in Ordnung?", rief Ron mit einer unnatürlich hellen Stimme.

Die Abteiltür ging erneut auf und Professor Lupin trat ein und endlich ließ Hermine Zoe los, rutschte zu Harry auf den Boden und gab diesem eine saftige Ohrfeige.

Der Gryffindor zuckte zusammen und öffnete mit schmerzverzerrtem Gesicht die Augen.

„W-was?", fragte er und blickte verwirrt in die Runde.

Mit zittrigen Händen rückte er sich die Brille zurecht. Er sah blass aus und Schweiß stand ihm auf der Stirn.

„Geht's wieder?", fragte Ron und betrachtete seinen Freund angespannt.

Noch immer verstört sagte Harry: „Ja", während seine Augen das Abteil absuchten. „Was ist passiert? Wo ist dieses ‑ dieses Wesen? Wer hat geschrien?"

Ron sah nervös zu ihnen herüber und antwortete: „Kein Mensch hat geschrien."

Harrys Blick glitt überrascht durch die Runde und blieb schließlich an Neville und Ginny hängen, die am Fenster saßen.

„Aber ich hab Schreie gehört", meinte Harry hartnäckig.

Professor Lupin kramte in seiner Tasche und knisterte mit Silberpapier herum. Es dauerte einige Sekunden, bis Zoe begriff, dass es sich dabei um eine Tafel Schokolade handelte. Schließlich reicht er Harry ein besonders großes Stück und sagte: „Hier. Iss. Dann geht's dir besser."

„Was war das für ein Wesen?", fragte Harry Lupin und starrte ihn verwirrt an.

„Ein Dementor", antwortete Lupin sachlich und wandte sich den anderen zu. „Einer der Dementoren von Askaban."

Als er die Schokolade verteilt hatte, steckte er das leere Papier wieder in seine Tasche. Verwundert hielt Zoe den Riegel in der Hand und betrachtete ihn argwöhnisch, während Ron sein Stück, ohne zu überlegen in den Mund geschoben hatte.

Lupin war wieder an der Abteiltür gewesen, warf jedoch einen Blick zurück zu Harry und sprach: „Iss", meinte er noch einmal. „Das hilft. Entschuldigt mich, ich muss mit dem Zugführer sprechen ‑" Und mit diesen Worten verschwand er aus den Abteil und überließ die Freunde sich selbst.

Mit zittrigen Fingern betrachtete Zoe die Schokolade in ihrer Hand. Sie fühlte sich schwach und wackelig, als sei sie stundenlang einen Marathon gelaufen und nun war der erste Augenblick, an dem sie sich setzen konnte. Schließlich biss sie ein Stück von der Schokolade ab und fühlte sich augenblicklich besser. Es war, als würde sich eine innere Wärme in ihr ausbreiten, vom Bauch bis in die Zehenspitzen und die fürchterliche Kälte, die noch an ihr haftete vertreiben.

„Die sind ganz schön furchteinflößend", sagte Zoe leise zu Hermine, als sie sich etwas gefasst hatte.

Ihre beste Freundin nickte nur knapp. Auch Hermine war blass und schien noch immer verängstigt zu sein. Die Gryffindor aß ihr Stück Schokolade, ohne die Augen von Harry zu lassen. Schließlich fragte sie: „Bist du sicher, dass du in Ordnung bist, Harry?"

„Ich begreif es nicht ... was ist passiert?", erklärte dieser und ließ sich erschöpft in seinen Sitz fallen.

„Nun ‑ dieses Wesen ‑ dieser Dementor ‑ stand da und hat sich umgesehen ‑ wenigstens nehm ich an, dass er es tat, ich konnte sein Gesicht nicht sehen ‑ und du, du ‑", v ersuchte Hermine zu erklären.

„Ich dachte, du hättest so eine Art Anfall", sagte Ron und sah Harry besorgt an. „Du bist irgendwie steif geworden und von deinem Sitz gefallen und hast angefangen zu zucken."

Auch Ron war blass und wirkte verstört. Die Begegnung mit dem Dementor, schien sie alle fertig gemacht zu haben.

„Und Professor Lupin ist über dich gestiegen, hat sich vor dem Dementor aufgestellt und den Zauberstab gezückt", erklärte Hermine. „Und dann hat er gesagt: ‚Keiner von uns hier versteckt Sirius Black unter seinem Umhang. Geht.' Aber der Dementor hat sich nicht gerührt. Dann hat Lupin etwas gemurmelt und etwas Silbernes ist aus seinem Zauberstab auf den Dementor gerichtet geschossen und der hat sich umgedreht und ist auf so merkwürdige Art davon geglitten."

„Es war schrecklich", sagte Neville mit noch höherer Stimme als sonst. „Hast du gemerkt, wie kalt es wurde, als er reinkam?"

„Das habt ihr auch gefühlt?", fragte Zoe rasch. „Ich hab' gedacht ... das wäre irgendwie ... in mir."

Ron schüttelte beklommen den Kopf.

„Ich hab mich auch so komisch gefühlt", meinte er. „Als ob ich nie mehr froh sein würde ..."

Zoe starrte auf Rons Füße. Genauso war es gewesen und als sie sich daran erinnerte, lief es ihr erneut eiskalt den Rücken herunter. Ginny, die zusammengekauert in der Ecke des Abteils saß schluchzte leise. Hermine stand sofort auf und ging zu ihr, um die Zweitklässlerin zu trösten.

Harry sah wieder in die Runde. Noch immer hielt er verdattert seine Schokolade in den Händen.

„Aber", sagte er und sah zuerst Zoe und dann Ron an. „ist denn keiner von euch ‑ vom Sitz gefallen?"

„Nein", sagte Ron sofort und fügte beunruhigt hinzu. „Aber Ginny hat wie verrückt gezittert ..."

Professor Lupin trat wieder herein und schließlich wurde es wieder still im Abteil. Er schloss die Tür hinter sich und sah Harry mit dem Anflug eines Lächelns an, denn dieser saß noch immer wie eine wächserne Figur auf seinem Sitz und hielt seine Schokolade vor sich in der Hand.

„Ich hab die Schokolade nicht vergiftet, glaub mir ...", sagte Lupin und nahm nun ebenfalls wieder Platz.

An Harrys überraschtem Gesichtsausdruck, als er in die Schokolade biss, konnte Zoe erkennen, dass sie wohl die gleiche Wirkung auf ihn hatte, wie auf sie.

„In zehn Minuten sind wir in Hogwarts", sagte Professor Lupin. Wie geht's dir, Harry?"

„Gut", nuschelte er verlegen.

Schließlich sprachen sie nicht mehr viel, bis sie am Bahnhof ankamen. Neville und Ginny waren zurück in ihr Abteil gekehrt, um ihre Koffer zu holen. Und als der Zug zum Stehen kam, drängten sie sich mit den anderen Schülern nach Draußen in das Durcheinander.

Sie kämpften sich durch die Schülermassen, die laut schnatterten und ergatterten schließlich eine der Kutschen. Zoe war die erste die in die modrig duftende Kabine hinein geklettert war und die anderen folgten ihr nach einigem Zögern. Erschöpft ließen sie sich in die abgewetzten und gepolsterten Sitze fallen. Als sich die Tür hinter ihnen geschlossen hatte fuhr das Gespann auch schon los.

Harry lehnte den Kopf gegen die Seitenwand der Kutsche und Zoe sah ihn besorgt an.

„Bist du auch noch fertig?", fragte sie.

Harry warf Ron und Hermine einen Blick zu und sah dann wortlos aus dem Fenster. Zoe tat es ihm nach. Seit der Begegnung mit dem Dementor fühlte sie sich schlapp und kraftlos, doch so schlimm wie Harry hatte es keinen von ihnen erwischt und das schien ihm unangenehm zu sein.

Als die Lichter von Schlosses in der Dunkelheit aufleuchtete dauerte es nur noch wenige Minuten, bis die Kutsche das reichlich verzierte Tor passierte, dass rechts und links von jeweils einem geflügeltem Eber flankiert wurde und neben ihnen standen weitere Dementoren. Zoe konnte das Unbehagen ihrer Freunde schon spüren, noch bevor sie die Wesen gesehen hatte und eine unangenehme Kälte flutete in die Kutsche hinein. Zoe war sich nicht sicher, ob es nur ein Gefühl war oder ob es tatsächlich Kalt wurde, und als sie das Tor passiert hatten, war die Slytherin unglaublich dankbar. Die Kutschen beschleunigten ein wenig, als sie den Berg hinauf rollten und schließlich fuhr sie knatternd auf den gepflasterten Hof und kam dann zum Stehen.

„Jetzt bin ich echt froh!", seufzte Zoe, als sie das Schloss erreicht hatten und öffnete die Kutschentür.

Vorsichtig kletterte sie hinaus und wartete auf ihre Freunde, um mit ihnen gemeinsam hinein zu gehen. Sie erklommen gerade die Treppenstufen, als sie eine verhasste Stimme hörte.

Selige Wochen waren es gewesen, in denen Zoe Draco Malfoy tatsächlich vergessen hatte.

„Du bist in Ohnmacht gefallen, Potter? Sagt Longbottom die Wahrheit? Du bist tatsächlich ohnmächtig geworden?" Er lachte laut und kämpfte sich an Hermine vorbei, um Harry einzuholen.

„Hau ab, Malfoy", zischte Ron wütend, doch Draco ließ sich von Ronald kaum beeindrucken.

„Bist du auch ohnmächtig geworden, Weasley?", fragte Draco möglichst laut, sodass es auch alle Umstehenden mitbekommen konnten. „Hat der schreckliche alte Dementor dir auch Angst eingejagt, Weasley?"

Ron wollte etwas erwidern, doch er kam nicht mehr dazu.

„Gibt es hier ein Problem?", fragte eine sanfte Stimme.

Zoe wandte sich um und erkannte Professor Lupin, der gerade aus seiner Kutsche ausgestiegen war. Draco musterte den neuen Lehrer kritisch. Von seinem zerbeulten Koffer bis auf die Flicken auf seinem Umhang. Dann grinste er überheblich und antwortete mit leichtem Spott in der Stimme: „O nein – ähm – Professor." Er tauschte einen vielsagenden Blick mit Vincent und Gregory und schließlich stolzierten sie gemeinsam davon.

„Los weiter!", sagte Zoe und drängelte ihre Freunde die Treppe hoch.

Die Slytherin wollte nur noch endlich im Schloss ankommen und die ganze Aufregung des Tages vergessen. Bestimmt konnte niemand sich vorstellen, wie sehr sie sich bereits auf ihr Himmelbett in den Tiefen der Kerker freute.

Zusammen durchquerten sie das riesige Portal und betraten die Eingangshalle, die von Fackeln beleuchtet wurde. Die marmornen Treppen rechts und links, die in die oberen Stockwerke führten blieben leer, denn die Schüler gingen allesamt zielstrebig auf die große Halle zu.

Zoe war so unsäglich erleichtert, als sie angekommen waren. Gerade wollte sie sich bei Hermine einhaken, als diese zurückgerufen wurde.

„Potter! Granger! Ich will Sie beide sprechen!"

Überrascht wandte Zoe den Kopf um und erkannte Professor McGonagall, die ihre beiden Freunde gerufen hatte. Ihr Haar war, wie immer, hinter ihrem Kopf zu einem festen Dutt gebunden und ihre strenge Miene überblickte die Schülermenge und ruhte schließlich auf Harry.

„Habt ihr was ausgefressen?", fragte Zoe Harry, der ebenso überrascht aussah, wie sein Freund Ron.

Professor McGonagall schien diese Sorge aufgefallen zu sein, denn sie fügte hinzu: „Kein Grund, so besorgt auszusehen. Ich will nur, dass ihr auf ein Wort in mein Büro kommt", sagte sie. „Sie gehen weiter, Weasley. Dumbledore."

„Worüber wollen sie reden?", fragte Ron verunsichert, als Zoe zu ihm aufgeschlossen hatte.

Doch die Slytherin konnte es sich selbst nicht erklären.

Sie traten ein und Zoes Blick fiel zunächst auf den Haustisch der Slytherins, wo sie Daphne und Tracey in einem Meer aus schwarzen Spitzhüten erkannte. Ihre strahlenden Gesichter waren von den tausenden Kerzen erleuchtet, die über ihren Köpfen schwebten und beide durchsuchten die Schülerschar – offenbar nach Zoe.

„Ich gehe hinüber zu den Slytherins, Ron", sagte Zoe und zupfte den Rothaarigen am Ärmel. „Ich hab' noch gar nicht ‚hallo' sagen können."

„In Ordnung", gab dieser zurück und steuerte seinen eigenen Haustisch an.

Von den meisten Slytherins wurde Zoe freundlich begrüßt. Draco und sein Gefolge saßen zwar in unmittelbarer Nähe, doch es gelang Zoe diesen einfach zu ignorieren.

Während der Auswahl, der neuen Schüler, die dieses Jahr Professor Flitwick durchführte tauschten sich die Freunde über ihre Ferienerlebnisse aus und hatten nicht sonderlich viel Interesse am Sprechenden Hut. Als die Zeremonie fast vorüber war, kamen Hermine und Harry zurück in die große Halle und setzten sich an den Gryffindortisch. Tracey sah ihnen mit gerunzelter Stirn nach und beugte sich dann zu Zoe hinüber.

„Stimmt es, dass Harry im Zug ohnmächtig wurde?", fragte sie neugierig.

Zoe sog die Luft ein und wollte antworten, sie wusste nur nicht so recht was.

„Der Dementor war in eurem Abteil drinnen, oder?", fragte Daphne sofort und schauderte. „Ich weiß nicht, wie ich reagiert hätte. Ich war so froh, dass sie an unserem vorbei zogen."

„Sie sind ganz schön unheimlich", fügte Zoe hinzu. „Es war ganz komisch, als wäre alles Glück auf einmal ausgelöscht worden ..."

Ihre beiden Freundinnen nickten eifrig. In der großen Halle wurde es plötzlich ruhig und als Zoe nach vorne zum Lehrertisch schaute, erkannte sie, dass sich ihr Großvater erhoben hatte.

Mit einem freundlichen Lächeln sah er in die Runde. Auf den ersten Blick wirkte er alt und doch war er von einer magischen Aura umgeben, die eine ungemeine Kraft ausstrahlte.

„Willkommen!", sagte er und auch die letzten Gespräche in der Halle verstummten. „Willkommen zu einem neuen Jahr in Hogwarts! Ich habe euch allen einige Dinge mitzuteilen, und da etwas sehr Ernstes darunter ist, halte ich es für das Beste, wenn ich gleich damit herausrücke, denn nach unserem herrlichen Festmahl werdet ihr sicher ein wenig bedröppelt sein ..."

Dumbledore räusperte sich und fuhr fort: „Wie ihr mitbekommen habt, ist der Hogwarts-Express durchsucht worden, und ihr wisst inzwischen, dass unsere Schule gegenwärtig einige der Dementoren von Askaban beherbergt, die im Auftrag des Zaubereiministeriums hier sind." Zoe sah sich am Tisch um, weil sie sich fragte, ob sie die einzige war, der den Widerwillen im Gesicht ihres Großvaters gesehen hatte. Doch die anderen hörten weiter gebannt zu.

„Sie sind an allen Eingängen zum Gelände Postiert und ich muss euch klar sagen, dass niemand ohne Erlaubnis die Schule verlassen darf, während sie hier sind.

Dementoren dürfen nicht mit Tricks oder Verkleidungen zum Narren gehalten werden ‑ nicht einmal mit Tarnumhängen. Es liegt nicht in der Natur eines Dementors, Bitten oder Ausreden zu verstehen.

Ich mahne daher jeden Einzelnen von euch: Gebt ihnen keinen Grund, euch Leid zuzufügen. Ich erwarte von unseren Vertrauensschülern und von unserem neuen Schulsprecherpaar, dass sie dafür sorgen, dass kein Schüler und keine Schülerin den Dementoren in die Quere kommen."

Monika und Dyonis, die nur ein paar Plätze vor Zoe saßen nickten ernst und warfen einen prüfenden Blick in die Runde der Slytherins, als könnten sie bereits die Tunichtgute abscannen.

Nach einer kurzen, jedoch eindringlichen Pause sprach Dumbledore weiter: „Und nun zu etwas Angenehmerem. Ich freue mich, dieses Jahr zwei neue Lehrer in unseren Reihen begrüßen zu können.

Zunächst Professor Lupin, der sich freundlicherweise bereit erklärt hat, die Stelle des Lehrers für Verteidigung gegen die dunklen Künste zu übernehmen."

Vereinzelt klatschten die Schüler neben einigen Lehrern Beifall. Professor Lupin lächelte bescheiden und nickte nur knapp. In der Reihe der Professoren wirkte Lupin noch viel schäbiger, als Zoe ihn aus dem Zug in Erinnerung hatte. Seine Kleidung war abgetragen und er wirkte blass und kränklich und Zoe kam nicht umhin sich zu fragen, ob er wirklich eine gute Besetzung für das Fach sein würde.

Als der maue Applaus für Lupin erstarb fuhr Dumbledore fort: „Zu unserer zweiten Neuernennung. Nun, es tut mir Leid, euch sagen zu müssen, dass Professor Kesselbrand, unser Lehrer für die Pflege magischer Geschöpfe, Ende letzten Jahres in den Ruhestand getreten ist, um sich noch ein wenig seiner verbliebenen Gliedmaßen erfreuen zu können. Jedoch bin ich froh sagen zu können, dass sein Platz von keinem anderen als Rubeus Hagrid eingenommen wird, der sich bereit erklärt hat, diese Lehrtätigkeit zusätzlich zu seinen Pflichten als Wildhüter zu übernehmen."

Nun stimmte auch Zoe in den Applaus ein und sah dabei zu, wie Hagrid puterrot anlief. Seine schwarzen Käferaugen glänzten vor Stolz und er grinste von einem Ohr zum anderen. Zoe drehte sich auf der Bank um und sah hinüber zu dem Gryffindortisch, wo sich Harry, Ron und Hermine verdutzt ansahen und schließlich auf den Tisch trommelten. Bei den Slytherins war die Freude eher verhalten.

„Na das kann ja lustig werden ...", meinte Blaise mit einem finsteren Blick, den Zoe gekonnt ignorierte.

„Das erklärt natürlich", schnarrte Malfoy laut, „warum wir uns dieses dämliche Buch haben anschaffen müssen. Nur ein Dummkopf setzt ein beißendes Buch auf die Buschliste!"

Zoe warf Draco einen verhassten Blick.

„Heißt das etwa, du weißt nicht, wie man es öffnet?", fragte Zoe laut und versuchte möglichst viel Häme in diesen einen Satz zu legen.

Draco funkelte sie über den Tisch hinweg an, runzelte kaum merklich die Stirn und drehte sich dann zu Vincent und Gregory hinüber, um ihnen etwas zuzuflüstern. Die drei lachten hohl und Zoe sah wieder nach vorne.

„Da muss ich Draco aber Recht geben", meinte Tracey leise. „Dieses Buch war wirklich eine dumme Idee ..."

Der Schulleiter bat um Ruhe und die Gespräche ebbten allmählich ab.

„Nun, ich denke, das ist alles, was zu erwähnen wäre", sagte Dumbledore schließlich. „Beginnen wir mit dem Festmahl!"

Wie aus dem Nichts füllten sich die goldenen Teller und Platten vor ihnen mit köstlichen Speisen. Mit einem Mal schwoll ein dröhnendes Summen in der Halle an, als sich Albus Dumbledore wieder an den Lehrertisch setzte. Zoes Blick glitt hinüber zu ihrem Hauslehrer, der gerade Professor Lupin kritisch beäugte und wandte sich dann dem Festessen zu.

Zoe lauschte Traceys und Daphnes Ferienerlebnissen und beneidete ihre Freundinnen insgeheim für ihr intaktes Familienleben.

Was hätte Zoe nicht alles dafür gegeben, um mit einem der beiden zu tauschen. Dann hätte sie sich sicher nicht die Ferien über so sehr gelangweilt. Die Slytherin schüttelte die trüben Gedanken ab und bot ihren Freundinnen Nachtisch an. Es nutzte ja nichts, weiter Trübsal zu blasen. Immerhin hatte nun das neue Schuljahr begonnen und das hieß auch, dass nun wieder alles normal sein würde.

Endlich war alles wieder ganz normal!

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