Das Malfoy-Malheur
Als Zoe am nächsten Morgen aufwachte, war sie glücklich. Mit dem leise Tuscheln der anderen Mädchen im Ohr, blieb sie noch ein paar Minuten in ihrem Himmelbett liegen und genoss die wohlige Wärme. Doch dann entschied sie sich ebenfalls aufzustehen und mit den Slytherins hinauf zum Frühstück zu gehen. Sie trotteten hinter Draco, Gregory und Vincent hinterher und spekulierten schon darüber, welches Fach sie als erstes haben würden.
Als sie die Große Halle betraten kamen sie ins Stocken. Draco war vor ihnen stehen geblieben und ließ sich theatralisch jaulend auf Gregory fallen, während Pansy schrill kicherte.
Es dauerte einige Sekunden, bis Zoe begriff, dass dieses lächerliche Schauspiel nur dazu diente Harry nachzuäffen, der gerade auf dem Weg zu seinem Haustisch war. Hermine flüsterte ihm etwas zu und schob Harry schließlich vor sich her.
„He, Potter! Potter! Die Dementoren kommen, Potter! Uuuuhuuuh!", feixte Pansy hinter Draco hervor.
„Oh, du warst bestimmt besonders mutig, Pansy?", zischte Zoe wütend.
Die rundgesichtige Slytherin wandte sich überrascht um, und grinste hämisch.
„Ich bin zumindest nicht ohnmächtig geworden", gab sie zurück und kicherte erneut, als Draco wieder einen Ohnmachtsanfall nachahmte.
Daphne hatte Zoe am Ärmel geschnappt und sagte leise: „Komm schon, das gibt nur wieder Ärger!"
Aber Zoe riss sich los und fauchte Draco wütend an: „Du bist und bleibst ein Blödmann!"
Doch anstatt Zoe kontra zu geben, verstummten die Slytherins auf einen Schlag. Überrascht sah Zoe noch, wie Daphne und Tracey sie stehen ließen und den Haustisch ansteuerte. Dann wandte Zoe sich wieder Draco zu.
„Gibt es hier ein Problem?"
Zoe erstarrte in ihrer Bewegung und schloss augenblicklich den Mund wieder. Draco grinste scheinheilig, als sich ihr Hauslehrer zwischen sie drängte.
„Nein, Sir", antwortete Draco gehorsam und funkelte Zoe provokant an.
„Dann setzten Sie sich", befahl Snape trocken. „Sie behindert den Durchgang!"
„Natürlich, Sir", sprach Draco scheinheilig, wandte sich um und steuerte mit seinem Gefolge den Slytherintisch an.
Zoe sah ihm mit knirschenden Zähnen nach und konnte sich nicht so recht dazu durchringen, ihren Hausgenossen zu folgen. Als hätte Snape ihre Gedanken gelesen, zog er einen Stapel Pergamente aus seiner Umhangstasche hervor und blätterte diese durch. Schließlich nahm er einen Bogen heraus und reichte ihn Zoe.
„Ihr Stundenplan", sagte er nüchtern, „setzten Sie sich nun zu Ihren Freunden und versuchen Sie zumindest, nicht schon am ersten Tag durch Streitereien aufzufallen."
„Ja, Sir", sagte Zoe schuldbewusst und riskierte einen Blick in Snapes Miene.
Diese war jedoch nicht annähernd so streng, wie seine Stimme und so lächelte Zoe munter.
„Vielen Dank!", fügte sie hinzu, nahm ihren Stundenplan entgegen und schlug entschlossen den Weg zum Gryffindortisch ein.
Hermine blickte überrascht drein, als Zoe neben ihr stand, rückte jedoch sofort auf, um ihrer Freundin Platz zu machen. Zoe lauschte den Gesprächen der Gryffindors, die sich offenbar über die Dementoren im Zug drehte.
„Lassen dir die Eingeweide gefrieren", sagte Fred und schauderte.
„Immerhin seid ihr nicht ohnmächtig geworden, oder?"', sagte Harry mit finsterer Miene.
George, der offensichtlich versuchte ihn aufzumuntern meinte ernst: „Vergiss es, Harry. Fred, weißt du noch, wie Dad mal nach Askaban musste? Und er meinte, das sei der schlimmste Ort, an dem er je gewesen sei, er kam ganz schwach und zittrig zurück ... Diese Dementoren saugen das Glück ab, wo sie auch sind."
„Wirklich?", fragte Zoe überrascht den Älteren.
Sie konnte sich noch zu gut an das Gefühl erinnerte, als das unheilvolle Wesen in ihr Abteil eingedrungen war.
George nickte ernst und fügte hinzu: „Die meisten Gefangenen dort werden verrückt."
„Und was Malfoy angeht", sagte Fred, „wollen mal sehen, wie gut gelaunt er nach unserem ersten Quidditch-Spiel noch aus der Wäsche guckt. Gryffindor gegen Slytherin, das erste Spiel der Saison, so war's doch?"
Professor McGonagall ging durch die Reihen und teilte den Gryffindors ihre Stundenpläne aus.
„Miss Dumbledore", sagte sie und musterte Zoe. „Sie erhalten Ihren Stundenplan, an ihrem Haustisch."
„Ich hab ihn schon, Professor", sagte Zoe und deutete auf das Pergament, dass neben ihrem Teller lag.
„Achso. Gut, dann hat das ja seine Richtigkeit", antwortete die Hauslehrerein von Gryffindor und teilte die weiteren Bögen aus.
Hermine nahm ihren glücklich entgegen und jauchzte gleich los.
„Ach gut, wir fangen heute mit ein paar neuen Fächern an."
Nun betrachtete auch Zoe ihren Stundenplan. Und tatsächlich würde sie heute direkt mit Arithmantik und Pflege magischer Geschöpfe anfangen.
„Dann sind wir an Hagrids ersten Tag dabei", sagte Zoe munter. „Bin gespannt wie das wird."
„Oh ja, ich auch", stimmte Hermine zu und legte ihren Stundenplan zur Seite.
Rons Blick flackerte auf ihr Pergament und er runzelte die Stirn, als er sagte: „Hermine, da haben sie dir einen verkorksten Stundenplan gegeben. Schau mal ‑ du hast ungefähr zehn Fächer am Tag.
Dazu hast du überhaupt nicht die Zeit."
Nun wurde auch Zoe aufmerksam und betrachtete den vollen Stundenplan ihrer Freundin.
„Das schaff ich schon. Ich hab alles mit Professor McGonagall abgesprochen.", meinte Hermine beruhigend.
Ron quittierte ihre Antwort mit einem Lachen.
„Aber hör mal", sagte er, „was ist mit heute Morgen? Neun Uhr Wahrsagen. Und darunter, auch neun Uhr, Muggelkunde. Und sieh mal an", er beugte sich vor, um den Plan noch besser lesen zu können. „‑ darunter Arithmantik, auch um neun. Ich weiß ja, dass du gut in der Schule bist, Hermine, aber niemand ist so gut. Wie willst du denn in drei Klassenzimmern auf einmal sein?"
„Stell dich nicht so bescheuert an", meinte Hermine ruppig. „Natürlich bin ich nicht in drei Klassenräumen auf einmal."
„Und wie ‑"
„Gib mir mal die Marmelade, Zoe", sagte Hermine.
Die Slytherin reichte ihrer Freundin das Glas mit dem Fruchtaufstrich, jedoch nicht ohne selbst darüber zu grübeln. Ron ließ sich dennoch nicht so leicht abspeisen.
„Aber ‑", begann er erneut, doch Hermine schnitt ihm das Wort ab.
„O Ron, was kümmert es dich, wenn mein Stundenplan ein bisschen voll ist?" fauchte ihn Hermine an. „Ich hab dir doch gesagt, dass ich alles mit Professor McGonagall geklärt habe. Und sie sagte auch, dass ich nicht die erste Schülerin bin, die so viele Fächer belegt hat!"
„Alles klar bei euch?", frage eine tiefe Stimme hinter ihnen.
Zoe wandte sich um. Hagrid stand hinter ihnen, in seinen langen Maulwurfsfellmantel gekleidet und mit einem strahlenden Lächeln im Gesicht.
„Ihr sitzt in meiner allerersten Stunde! Gleich nach dem Mittagessen!", sagte er glücklich. „Bin seit fünf auf den Beinen, um alles vorzubereiten ... hoffe, es gefällt euch ... ich und Lehrer ... nicht zu fassen ..."
Gedankenverloren, wandte er sich um und schritt zum Lehrertisch hinüber. In seiner Hand baumelte ein toter Iltis und Zoe runzelte verwundert die Stirn.
„Was er wohl vorbereitet hat?", sagte Ron leicht angespannt.
„Ich hoffe, es hat nichts mit dem Iltis zu tun", antwortete Zoe bedenklich.
Nach dem Frühstück trennten sich ihre Wege. Harry und Ron schlugen den Weg zum Nordturm ein, wo sie gleich Wahrsagen haben würden und Hermine schickte Zoe vor, weil sie noch einmal zurück in ihren Gemeinschaftsraum musste. So schloss sich Zoe Daphne und Tracey an, die ebenfalls mit ihr Arithmantik haben würden. Als die drei das Klassenzimmer gefunden hatten, stand Hermine bereits davor, denn offensichtlich hatte sie eine von Hogwarts vielen Abkürzungen genutzt.
Gespannt warteten sie gemeinsam noch einige Minuten vor dem Klassenzimmer, bis ihre Lehrerin schließlich zu ihnen stieß und die Tür öffnete. Als sie alle Platz genommen hatten und ihre Bücher vor sich auf den Tischen lagen trat die Professorin hinter ihrem Pult hervor und schnippte mit ihrem Zauberstab. An der Tafel erschien ihr Name in kreideweißen Buchstaben.
Professor Septima Vektor war eine hochgewachsene, schlanke Frau mit silbergrauem Haar. Sie schien noch einige Jahre älter zu sein, als es Professor McGonagall war, doch in ihrem Gesicht lag weniger strenge. Sie bedachte die Schüler zunächst mit einem freundlichen Lächeln, bevor sie diese begrüßte.
„Willkommen in meinem Unterricht", sagte sie schließlich. „Ich bin Professor Vektor und ich freue mich sehr darüber, dass sie sich für die Wahrsagung durch Zahlen entschieden haben.
Wie sie sicher bereits Wissen, handelt es sich bei dieser Technik um eine Jahrtausend alte Kunst, die im antiken Griechenland die erste Anwendung fand."
Sie machte eine kurze Pause, lehnte sich gegen ihren Lehrerpult und sprach dann weiter: „Ich möchte sie jedoch nicht weiter mit geschichtlichen Rückblicken langweilen, sondern ihnen direkt in dieser ersten Stunde den richtigen Eindruck dieser ausgeklügelten Technik vermitteln.
Doch zunächst möchte ich ihnen noch eine Frage stellen. Was tun wir in der Arithmomantie?"
Hermines Hand schoss als erste in die Höhe und Professor Vektor fragte: „Ja, Miss?"
„Granger", antwortete Hermine. „In der Arithmomantie errechnen wir mithilfe der arithnomantischen Zahlenmystik die Eigenarten und Bedeutungen bestimmter Begriffe und lernen deren Interpretation und Deutung."
Professor Vektor sah überrascht aus und nickte zufrieden. Mit einem Blick auf das Abzeichen auf Hermines Brust fügte sie hinzu: „Sehr gut, zehn Punkte für Gryffindor.
Fangen wir also mit der Essenz der Arithnomantie an: Der Namensdeutung. Auf Seite Elf in ihrem Lehrbuch finden Sie die passende Zahlentabelle.
Aus jedem Namen, lassen sich jeweils eine Persönlichkeitszahl, eine Charakterzahl und die Gefühlszahl errechnen.
Ich werde es ihnen anhand eines Beispiels erläutern und danach werden sie jeweils ihre eigene Zahlenmystik errechnen. Die jeweiligen Bedeutungen finden sie im Anschluss auf Seite fünfzehn."
Gespannt sahen sie Professor Vektor dabei zu, wie sie einen Namen auf der Tafel erschienen ließ. Mittels ihrer Zahlentabelle ordnete sie im Anschluss jeden Buchstaben seine Zahl zu und begann mit der Rechnung. Zunächst wurden alle Vokale addiert und anschließend alle Konsonanten.
„Kommen wir zur ‚Goldenen Regel'", sagte Professor Vektor und deutete auf die beiden Summen an der Tafel. „Diese besagt, dass jede Zahl, die größer ist als neun reduziert werden muss. Doch wie erreichen wir dies?"
Wieder schnellte Hermines Hand in die Höhe.
„Miss Granger."
„Wir bilden die Quersumme", antwortete Hermine strahlend.
„Korrekt!" Professor Vektor wandte sich wieder der Tafel zu und schnippte mit dem Zauberstab. „Und dies tun wir so lange, bis wir auf eine Zahl kleiner gleich neun kommen. Und in unserem Fall ist das sieben, sechs und eins."
Das Kratzen der Federkiele auf Pergament erfüllte einen Moment das Klassenzimmer und ihre Lehrerin wartete geduldig, bis alle abgeschrieben hatten.
„Nun, können wir die Probe anwenden, um zu überprüfen ob unsere Rechnung korrekt ist", sagte Professor Vektor und wandte sich wieder der Tafel zu.
Hermine hob blitzschnell den Arm und schnipste aufdringlich mit den Fingern. Lisa Turpin, in der ersten Reihe drehte sich zu ihnen um, rollte die Augen und wandte sich wieder um.
„Ja, Miss Granger?"
„Die Summe der letzten beiden Zahlen muss gleich der ersten Zahl sein!", antwortete Hermine prompt.
Zoe lachte leise und schüttelte ungläubig den Kopf über Hermines Wissen.
„Vollkommen richtig, Miss, nehmen sie weitere fünf Punkte für ihr Haus!", sagte die Professorin überrascht. „Und wie sie selbst sehen: Sechs plus eins ist gleich sieben, damit wäre unsere Rechnung korrekt und wir können nun die Bedeutungen nachschlagen.
Nun möchte ich, dass sie das jeweils mit ihrem Namen machen. Vergessen sie nicht, um ein genaues Ergebnis zu erzielen muss der vollständige Name genutzt werden!"
„Das ist ja phantastisch!", sagte Hermine strahlend und begann mit ihrer Aufgabe. „Viel besser, als das Wischi-waschi in Wahrsagen!"
„Ich hatte nur nicht gedacht, dass man sooo viel rechnen muss", murrte Daphne, die das Fach nur belegt hatte, weil ihre Freundin es wollte.
„Aber das hier geht doch noch", meinte Tracey aufmunternd. „Du kannst doch die Tabellen verwenden."
„Das wird aber nur der Anfang sein!", wandte Zoe ein.
„Konzentriert euch bitte!", tadelte Professor Vektor. „Am Ende des Unterrichts möchte ich von jedem ein Ergebnis sehen!"
Zoe begann ihren Namen auf das Pergament zu kritzeln und folgte schließlich der Vorgehensweise, die sie sich zuvor notiert hatten. Schließlich hatte sie eine Persönlichkeitszahl von eins, eine Charakterzahl von drei und eine Gefühlszahl von sieben heraus.
Hermine brauchte mit ihrem Zweitnamen etwas länger.
„Da stimmt doch was nicht", meinte Daphne und tippte Zoes Pergament an. „Drei und sieben ergibt zehn und nicht eins."
Irritiert sah Zoe auf ihr Pergament. Es dauerte einige Sekunden, bis sie Daphnes Fehler bemerkte.
„Zehn muss man aber wieder reduzieren. Eins plus null sind eins ‑ passt also."
Verwirrt sah ihre Freundin auf das Pergament. Schließlich nickte sie.
„Ich hab eins, vier und fünf heraus!", sagte Hermine strahlend. Habt ihr die Bedeutung schon nachgeschlagen?"
Zoe schüttelte den Kopf, blätterten einige Seiten weiter und begann zu lesen:
Die Eins symbolisiert den Individualisten. Sie sind unabhängig und konzentrieren sich entschlossen auf ihr Ziel. Setzten sie sich etwas in den Kopf, dann verfolgen sie es hartnäckig.
Einer sind häufig Erfinder und Anführer.
Es fällt ihnen jedoch schwer mit anderen zusammen zu arbeiten, weil sie nicht gerne Befehle entgegen nehmen. Sie können mitunter auch sehr egozentrisch, egoistisch und dominant sein.
Darum sind Einser oft auch Einzelgänger.
Die Drei versinnbildlicht die Vollkommenheit und die Ganzheit, denn die Drei war für die Pytogoräer die erste vollkomme Zahl. Sie hat einen Anfang, eine Mitte und ein Ende und ist damit so vollkommen wie es für Dreiheiten, wie Vergangenheit-Gegenwart-Zukunft oder Geist-Körper-Seele, üblich ist.
Dreier sind talentiert und voller Energie. Oft mit einem künstlerischem Wesen, humorvoll und gesellig. Sie sind häufig unbeschwert und glücklich, werden sehr erfolgreich und wohlhabend. Jedoch ist ein Dreier auch schnell mal beleidigt, unkonzentriert oder auch mal oberflächlich.
Die Sieben, sie ist die magische Zahl und steht für Scharfsichtigkeit, Verständig und Klugheit. Siebener haben Spaß an harter Arbeit und nehme Herausforderungen gerne an.
Meist sind sie sehr gelehrig und ernst, interessieren sich für Mystik und können auch durchaus pessimistisch, sarkastisch und unsicher sein.
„Und, was meinst du?", fragte Hermine euphorisch.
Zoe brummte als Antwort: „Weiß nicht so recht ..."
„Bei mir passt es ganz gut", sagte Hermine und schnappte sich Zoes Pergamentbogen. „Bei dir doch auch, teilweise."
Es läutete. Professor Vektor bat sie darum, ihre Rechnungen zur Kontrolle abzugeben.
„In der nächsten Stunde besprechen wir die Bedeutungen und die Herangehensweise für die Übertragung auf die Personen. Ich hoffe es hat euch Spaß gemacht."
„Und wie", jauchzte Hermine, „jetzt bin ich noch auf Pflege magischer Geschöpfe gespannt. Treffen wir uns später, nach dem Mittagessen, Zoe?"
Die Slytherin nickte und Hermine machte sich eilig auf den Weg zum Klassenzimmer von Professor McGonagall, wo sie Verwandlung haben würde. Daphne und Tracey sahen ihr fasziniert nach.
„Sie ist ja schon so ein kleiner Streber?", meinte Tracey amüsiert.
„Schien fast so, als hätte sie ihr Schulbuch auswendig gelernt", kicherte Daphne.
Die Mädchen schlenderten zum Klassenzimmer für Zauberkunst, wo sie auf die restlichen Slytherins stießen und von Professor Flitwick willkommen geheißen wurden der seinen Unterricht wie gehabt fortsetzte.
Das Mittagessen verbrachte Zoe ebenfalls am Slytherintisch, wo sie sich dieses Mal zu Theodor gesellte, um ein wenig mit ihm zu plaudern. Doch noch bevor der Nachtisch serviert worden war, tauchte Hermine an ihrem Tisch auf und überredete Zoe bereits hinunter zu Hagrids Hütte zu gehen, wo sie nach der Pause zum ersten Mal Pflege magischer Geschöpfe haben würden. Nachdem sie durch das Portal hinaus ins Freie getreten waren, begann sie zu frösteln und so zog sie sich den Schulumhang enger um die Schultern. Der Blick der Slytherin glitt unweigerlich zum Eingang des Schlossgeländes. Dort, an den Toren von Hogwarts standen zwei Dementoren wache. Ihre Gesichter lagen im Schatten ihrer Kapuzen und dennoch musste Zoe schaudern, als sie sich vorstellte, dass diese Wesen sie beobachteten.
Hermine folgte dem Blick ihrer Freundin und rieb sich die Oberarme, während die Schritte der beiden Mädchen schneller wurden, damit sie das Portal möglichst schnell hinter sich ließen.
„Wie hat den Jungs Wahrsagen gefallen?", fragte Zoe, um sich von Askabans Wächtern abzulenken.
„Ach weißt du", meinte Hermine und verzog das Gesicht, „ich weiß nicht so recht, was ich von Professor Trelawney halten soll. Diese ganze Wahrsagerei kommt mir irgendwie wie ein riesiges Ratespiel vor. Man kann es gar nicht mir Arithmantik vergleichen."
Zoe schüttelte verwirrt den Kopf und sagte: „Du warst doch gar nicht in der Stunde gewesen?!"
„Sie sagte zum Beispiel zu Lavender, dass irgendwas an einem bestimmten Tag stattfindet, wofür sich Lavender schon lange fürchten würde", plapperte Hermine weiter, ohne auf Zoes Einwand einzugehen. „Und dass Harry einen Todfeind hätte – Harry Potter – das ist ja jetzt nicht gerade eine ungewöhnliche Erkenntnis, nach den Ereignissen in den letzten Jahren."
„Nein", stimmte Zoe nachdenklich hinzu.
„Dann hat sie in Harrys Tasse auch noch so einen Grimm gesehen, und nun –"
„Den Grimm?", wiederholte Zoe erschrocken und blieb stehen.
Hermine rollte genervt mit den Augen, packte Zoe am Arm und zog ihre Freundin weiter.
„Jetzt reagier nicht auch noch so. Ron war ebenfalls so aus dem Häuschen."
„Aber der Grimm ist ein ziemlich unheilvolles Ohmen, Hermine", meinte Zoe verängstig. „Und vielleicht hat es etwas mit ... mit Sirius Black zu tun."
„Ach papperlapapp", schimpfte Hermine, „wenn auch nur ein Wort stimmt, vom dem, was sie heute gesagt hat, fresse ich einen Besen. Sogar Professor McGonagall nimmt sie nicht ernst. Sie sagte, es wäre Professor Trelawneys Art die Schüler zu begrüßen."
„Sie würden wohl kaum hier unterrichten"; antwortete Zoe schnippisch, „wenn Sie ihr Fach nicht verstehen würde."
Hermine schnaubte leise. Es war äußerst ungewöhnlich für Hermine, dass sie schlecht über einen Lehrer sprach. Wenn Zoe es sich genauer überlegte, hatte sie ihre Freundin noch nie schlecht über einen Lehrer sprechen hören – nicht mal über Gilderoy Lockhart ...
„Ach nein?", erwiderte die Gryffindor ironisch. „Weil Lockhart sein Fach auch so gut beherrscht hat?"
„Das ist was ganz anderes", meinte Zoe.
„Warum?"
„Na, weil durch die häufigen Wechsel in den letzten Jahren es sicher schwer ist, jemanden zu finden, der das Fach überhaupt unterrichten will."
Hermine schnaubte.
„Warum hast du das Wahrsagen überhaupt belegt?", fragte Zoe ihre Freundin schließlich.
„Ich hatte es mir irgendwie ... weiß nicht ... seriöser vorgestellt. Das war alles irgendwie so – an den Haaren herbei gezerrt."
An Hagrids Hütte angekommen, trockneten sich die Mädchen die feuchten Schuhe an der Matte vor der Tür und klopften dann an. Die Regenwolken der letzten Tage hatten sich zwar verzogen, doch noch immer war die Landschaft nicht vollkommen getrocknet. Hagrid riss schwungvoll die Tür auf und strahlte über das ganze Gesicht, als er sie sah. Euphorisch begrüßte er sie und sagte: „Ganz schön früh an seid ihr."
„Wir sind's nur", meinte Zoe und trat zur Seite, weil Hagrid es offenbar kaum erwarten konnte.
Er hob seine Hand über die Brauen und sah hinauf zum Schloss, bevor er nach Fang pfiff.
„Da oben kommen die andern auch schon", meinte er heiter. „Hab was Tolles für euch vorbereitet. Bin schon ganz gespannt auf eure Gesichter."
Nun wurden die Mädchen auch neugierig.
„Was denn?", fragte Hermine.
„Gib uns doch einen Tipp, Hagrid!", flehte Zoe.
Doch der hünenhafte Wildhüter blieb eisern. Er strich seinen schwarzen, Maulwurfsfellmantel glatt und sagte mit gerötetem Gesicht: „Werdet's gleich sehen. Geh'n los, sobald die and'ren hier sin'."
Das Warten schien sich ewig hinzuziehen. Während Hermine, Hagrid und Zoe die schwarzen Punkte in der Ferne beobachteten, die nach und nach die Formen ihrer Mitschüler annahmen plauderten sie noch ein wenig und Hermine erzählte Hagrid alles über Krummbein.
Schließlich hatte die Horde Gryffindors sie zuerst erreicht, gefolgt vom Zoes Hausgenossen. Hagrid nickte zufrieden, als sie alle beisammen waren und meinte dann: „Kommt, bewegt euch! Hab 'ne kleine Überraschung für euch! Wird 'ne tolle Stunde! Sind alle da? Schön, dann folgt mir!"
Der Wildhüter ging voran und schlug ziemlich zielstrebig den Weg zum Wald ein, führte sie jedoch nicht hinein. Sie folgten ihm am Waldrand entlang und schlängelten sich schließlich einen schmalen Pfad zwischen hohen Nadelbäumen hindurch und kamen schließlich an einen leeren Paddock. Zoe fielen gleich die pferdeähnlichen Hufspuren auf, die in den matschigen Boden getreten waren, doch dazwischen war noch eine andere Sorte. Etwas, das ein wenig an einen Dreizack erinnerte, jedoch so groß wie Hagrids Schuhe war. Gespannt blieb Zoe direkt neben dem Wildhüter stehen.
„Stellt euch dort drüben am Zaun auf!", sagte dieser. „Sehr schön ‑ passt auf, dass alle etwas sehen können ‑ und jetzt schlagt erst mal eure Bücher auf ‑"
„Wie denn?", schnarrte Draco sofort.
Hagrid sah den Slytherin verdattert an und fragte: „Was denn?"
„Wie sollen wir unsere Bücher öffnen?", meckerte Draco unfreundlich.
Er zog sein Buch aus der Tasche heraus und Zoe erkannte, dass er es mit einem Seil gebändigt hatte. Auch die anderen Schüler zogen nach und nach, zaghaft das Monsterbuch der Monster hervor. Einige hatten es, wie Draco, mit einem Seil oder Gürtel gefesselt, andere es in eine so enge Tasche gestopft, dass es sich nicht mehr wehren konnte.
Hagrid kam verlegen ins Straucheln, als er die genervten Gesichter seiner Schüler sah.
„Hat denn ... hat denn kein Einziger sein Buch öffnen können?", fragte er betroffen.
Zoe, die Mitleid mit dem Wildhüter hatte und auch nicht auf die Chance verzichten wollte, Draco über den Mund zu fahren, zog betont lässig das Buch aus ihrer Tasche, sah den Blonden mit einer Mischung aus Überheblichkeit und Arroganz an und sagte: „So, vielleicht!"
Sie strich mit den Fingern über den Buchrücken und das Monsterbuch gurrte zufrieden schnappte auf und blieb ruhig in Zoes Händen liegen.
Draco betrachtete sie zähneknirschend und Hagrid schien nun wieder einen Anfang gefunden zu haben.
„Genau!", sagte er und schnappte Hermine ihr Buch aus der Hand, löste das Zauberband und führte den Trick noch einmal durch, damit sie alle es sehen konnten: „Ihr müsst sie streicheln. Seht mal ‑"
„Oh, wie dumm wir doch alle waren!", höhnte Malfoy, um seine eigene Scham zu überspielen. „Wir hätten sie streicheln sollen! Da hätten wir doch von allein draufkommen können!"
„Gut, dass du es immerhin bemerkt hast!", antwortete Zoe gehässig.
„Na!", tadelte Hagrid. „Ihr wollt doch nich' schon in meiner ersten Stunde streiten. Ich ‑ ich dachte, sie sind ganz lustige Dinger." Er gab Hermine das Buch zurück.
„Oh ‑ total lustig!", sagte Malfoy. „Unglaublich witzig, uns Bücher zu geben, die uns die Hände abreißen wollen!"
„Halt den Mund, Malfoy", knurrte Harry leise, als er Hagrids niedergeschlagenen Blick bemerkte.
„Na denn", sprach der Wildhüter und fuhr sich mit seiner großen Pranke durch den Bart, während er überlegte.
Die Diskussion schien ihn aus dem Konzept gebracht zu haben und einen Moment standen sie alle nur da und sahen Hagrid erwartungsvoll an. Schließlich fuhr er fort „Also ‑ ihr habt jetzt eure Bücher – und ‑ jetzt braucht ihr die magischen Tiere. ja. Also geh ich sie mal holen. Wartet mal ..."
Ohne sich noch einmal umzusehen, machte er sich auf den Weg in den Wald und verschwand kurz darauf hinter einem Busch. Hagrid war kaum außer Sichtweite, da begann auch schon das Getuschel.
Draco allerdings machte sich nicht einmal die Mühe, seine Stimme zu senken: „Mein Gott, diese Schule geht noch vor die Hunde. „Dieser Hornochse gibt auch noch Unterricht, mein Vater kriegt 'nen Anfall, wenn ich ihm das erzähle."
„Dann melde dich doch in Durmstrang an, Draco, damit tust du uns allen hier einen gefallen!", gab Zoe sofort zurück.
„Weiß gar nicht, warum du dich hier schon wieder so aufspielen musst!", meinte Draco.
„Weil du nervst!", antwortete Zoe.
„Du nervst viel mehr!"
„Halt den Mund, Malfoy", wiederholte Harry und sah den Slytherin böse an.
„Pass auf, Potter, hinter dir steht ein Dementor!", sagte Draco höhnisch.
Pansy lachte schrill, doch es ging schnell in Lavender Browns Kreischen unten.
„Uuuuuuh!", rief sie laut und zeigte auf das andere Ende des Paddocks.
Sowohl die Slytherins, als auch die Gryffindors folgten ihrem Blick und Zoe war durchaus erstaunt über das, was sie am Ende der Koppel zu sehen bekam.
Hagrid führte neben sich ein dutzend fabelhafter Kreaturen her, die ihm nervös folgte. Zoe erkannte sofort, dass es sich bei den Wesen um Hippogreife handelte, wenngleich sie auch noch nie in ihrem Leben einen wirklichen Hippogreif gesehen hatte. Die Wesen reichten mit der Schulter, bis an Hagrids und wirkten ebenso imposant, wie es der Wildhüter tat, wenn man ihm das erste Mal begegnete. Ihre Vorderleiber ähnelten dem eines riesigen Adlers, während der Körper, die Hinterbeine, sowie der Schweif, dem eines Pferdes ähnelten.
Die Krallen an ihren Vorderbeinen wirkten ebenso scharf, wie ihre steingrauen Schnäbel und auf den ersten Blick, sahen die leuchtend orangenen Greifvogelaugen etwas unheimlich aus.
Hagrid führte sie neben sich her, als würde er mit einem Rudel kleiner Hunde spazieren gehen. Die Ketten in seinen rieseigen Pranken, hielt er locker in der Hand und zog lediglich daran, wenn einer der Hippogreife stehen geblieben war, um auf dem Boden zu scharren. Sie trugen breite, ledernen Kragen, an denen sie angeleint waren und Hagrid bugsierte sie Kreaturen gekonnt vor sie an den Zaun.
Im Gleichschritt wichen die Schüler zurück, während Hagrid die Hippogreife vor ihnen am Zaun anband und auch Zoe versuchte aus der Reichweite dieses riesigen Schnabels heraus zu bleiben.
„Hippogreife", donnerte Hagrid glückselig und winkte Ihnen zu. „Herrlich, nicht wahr?"
Mit gerunzelter Stirn betrachtete Zoe die Kreaturen. Hagrid hatte nicht ganz Unrecht. Das glänzende Gefieder, das etwas hinter der Schulter in kurzes Fell überging, wirkte wirklich prachtvoll und er hatte Hippogreife in unterschiedlichen Farben mitgebracht. Von kastanienbraun, fuchsrot, nachtschwarz und bronzefarben. Doch vor allem der schiefergraue Hippogreif hatte ein äußerst anmutiges Aussehen. Trotz allem luden die imposanten Körper und die hektischen Kopfbewegungen dieser Wesen Zoe nicht zum Näherkommen ein und genau das schlug Hagrid im nächsten Moment vor.
„So, wollt ihr nicht ein wenig näher kommen?"
Daphne und Tracey schüttelten synchron den Kopf und auch die anderen zögerten. Schließlich waren es Ron, Harry und Hermine, die vorsichtig ein paar Schritte auf den Zaun zugingen. Einige Gryffindors folgten ihnen schließlich, doch Zoe entschied sich dafür, dass sie von ihrem Platz aus genug sehen konnte.
Draco, Gregory und Vincents tuschelten leise hinter Zoe und schließlich trat sie doch ein wenig näher an ihre Mitschüler heran, um zu verstehen was Hagrid sagte.
„Nun, als Erstes müsst ihr wissen, dass Hippogreife stolz sind", sagte der Wildhüter. „Sind leicht beleidigt, diese Hippogreife.
Beleidigt nie keinen, denn das könnte eure letzte Tat gewesen sein." Er machte eine kurze Pause, doch offenbar fand keiner der Schüler diese Aussage witzig. Also fuhr Hagrid fort: „Ihr müsst immer abwarten, bis der Hippogreif den ersten Schritt macht. Das ist höflich, versteht ihr? Ihr geht auf ihn zu und verbeugt euch und wartet. Wenn er sich auch verbeugt, dürft ihr ihn berühren. Wenn er's nicht tut, dann macht euch schleunigst davon, denn diese Krallen tun weh.
Also, wer will als Erster?"
Stille folgte, nur unterbrochen von den unruhigen Bewegungen der Hippogreife, die an ihren Ketten zogen. Hagrid sah hilfesuchend in die Runde und die Schüler wichen, Augenkontakt meidend, im Gleichschritt zurück.
„Keiner?", fragte Hagrid traurig.
Schließlich meldete sich Harry, trat vor und sagte: „Ich mach's."
„Mutiger Junge, Harry!", polterte Hagrid. „Gut, schauen wir mal, wie du mit Seidenschnabel zurechtkommst."
Zoe hielt vor Spannung den Atem an, als Hagrid den schiefergrauen Hippogreif von seinen Artgenossen fort zerrte und dem Wesen schließlich den Lederkragen abnahm.
Da standen sie nun einander gegenüber. Der mächtige Hippogreif mit seinem adlerähnlichen Kopf und Harry Potter, sichtlich verunsichert.
„Ruhig jetzt, Harry", sagte Hagrid leise, dann wandte er sich Harry zu. „Du blickst ihm in die Augen, und versuch jetzt, nicht zu blinzeln ... Hippogreife trauen dir nicht, wenn du zu viel blinzelst ..."
Einige Sekunden war es totenstill an der Koppel. Der Hippogreif mit dem Namen Seidenschnabel legte in Vogelmanier seinen Kopf schräg und beäugte sein gegenüber kritisch aus seinen orangefarbenen Augen. Der Pferdeschweif schlug nervös, doch Hagrid schien die Körpersprache des Wesens anders zu deuten, denn er meinte ruhig: „Sehr gut, Harry. Sehr gut, Harry ... und jetzt verbeug dich ... "
Das Unwohlsein des Gryffindors konnte man ihm förmlich ansehen. Etwas steif und widerwillig verneigte er sich tief und erhob sich wieder. Die Schüler starrten gebannt auf die Szene, doch der Hippogreif rührte sich nicht und plötzlich schlug Hagrids ruhiger Ton um.
„Ah", sprach der Wildhüter nervös. „Na gut, zieh dich zurück, Harry, und ganz vorsichtig ‑"
Zoes Augen huschten nervös von Harry, zu dem gewaltigen Schädel Seidenschnabels hin und her, doch Hagrid hatte kaum den Satz beendet, da knickten die Greifenbeine ein und der Hippogreif verneigte sich vor Harry. Hagrid war vor Begeisterung nun vollkommen aus dem Häuschen.
„Gut gemacht, Harry! Schön, du kannst ihn anfassen! Tätschle seinen Schnabel, nur zu!"
Fasziniert sah Zoe dabei zu, wie ihr Freund, noch immer vorsichtig, sich dem Tierwesen näherte und zaghaft seinen scharfen Schnabel berührte. Offensichtlich genoss Seidenschnabel diese Aufmerksamkeit, denn er schloss für einige Sekunden die Augen und es wirkte entspannt.
Und plötzlich begann Lavender ein paar Reihen neben ihr zu klatschen und auch die anderen Schüler stimmten begeistert mit ein, bis Hagrid sie wieder zur Ruhe bat.
„Jetzt weiter, Harry", sagte dieser, „ich schätze, er lässt dich reiten! Steig auf, gleich hinter den Flügelansatz und pass auf, dass du keine Federn rausziehst, das mag er gar nicht ..."
„Wow!", zischte Daphne, als Harry auf den Rücken des Hippogreifen kletterte.
Hagrid warf einen stolzen Blick über die Schulter. Dann nickte er zufrieden, klatschte Seidenschnabel aufmunternd auf die Kruppe und rief: „Dann mal los!"
Harry riss vor Überraschung die Augen auf, als das Geschöpf seine rund drei Meter langen Flügel entfaltete. Dann fiel er dem Tier auf den Hals und klammerte sich fest. Der Hippogreif hob mit einer Anmut vom Boden ab, die Zoe dem großen Tier gar nicht zugetraut hätte, erhob sich einige Meter in die Lüfte und flog eine Runde über die Koppel.
„Wahnsinn!", rief Blaise, als sich das Wesen wieder der Gruppe näherte, „das will ich auch!"
Zoe bezweifelte, dass es ein angenehmer ritt war und Harrys Gesichtsausdruck, als sie wieder gelandet waren bestätigte ihre Vermutung.
Diese Vorstellung hatte allerdings die Ängste einiger Schüler aufgelöst und während Harry unter Hagrids Lob wieder auf den Boden glitt, kletterte die Klasse aufgeregt durch den Zaun hindurch auf die Koppel.
„Gut, wer will als Nächster?", fragte Hagrid und löste die Ketten der anderen Hippogreife.
Zoe zögerte zunächst, doch Hermine hatte sie schließlich am Umhang gepackt und zog sie hinter sich her, ohne das die Slytherin sich hätte wehren können.
Vor dem kastanienbraunen Tier blieben sie schließlich stehen und Harry stieß zu ihnen.
„Du warst wunderbar, Harry!", rief Hermine gleich. „Ich hatte ja schon ein bisschen Angst, aber dann –"
„Voll cool, Mann!", meinte Ron anerkennend.
„Du kannst uns gleich ein paar Tipps geben!", sagte Hermine und sah den Hippogreif an.
„Ich werde aber nicht auf dem reiten!", betonte Zoe sofort.
Ron grinste schief. Ihre Freunde wussten, wie miserabel Zoes Flugkünste mit dem Besen waren.
„Das ist ganz anders, als auf einem Rennbesen!", versuchte Harry zu erklären.
„Leichter?", fragte Ron neugierig.
„Naja ... eigentlich nicht", gab Harry zu.
„Na siehst du!", schnarrte Zoe. „Ohne mich!"
„Es ist halt anders", sagte Harry. „die Bewegung ist wie ... wie ..."
„Beim Ponyreiten bestimmt!", sagte Hermine und positionierte sich mutig vor dem Hippogreif.
„Ich war noch nie Ponyreiten ...", meinte Harry stirnrunzelnd. „Sieh ihm nicht so in die Augen, Hermine!"
Auf einem Schlag wurde Hermine starr wie ein Brett, doch in dem Moment verneigte sich der Hippogreif und Ron klatschte anerkennend in die Hände.
Auch die anderen Schüler hatten sich in Grüppchen um die Hippogreife geschart um unter Hagrids prüfenden Blicken den Umgang mit den magischen Geschöpfen zu üben. Gerade, als Hermine freudestrahlend den Kastanienbraunen streichelte, fiel Zoes Blick auf das, was hinter ihr lag.
Draco, Vincent und Goyle hatten sich Seidenschnabel vorgenommen und Draco hatte wieder sein selbstgefälliges Lachen auf dem Gesicht. Zoe sah, wie er einen gehässigen Blick zu ihnen hinüberwarf, und dann so laut, dass sie es gut hören konnten, zu sagen: „Das ist doch kinderleicht! Hab ich doch gleich gewusst, wenn Potter es schafft ... ich wette, du bist überhaupt nicht gefährlich, oder?" Er wandte sich wieder dem Tier zu und tätschelte dessen befiederten Hals. „Oder doch, du großes hässliches Scheusal?"
Seidenschnabels wütendes Krächzen ging in Dracos markerschütterndem Schmerzensschrei unter, als er diesen attackierte. Panisch rief Zoe nach dem Wildhüter, während Draco zu Boden ging und sich laut wimmernd hin und her wand und dabei eine Menge Blut verteilte.
Hagrid war sofort zur Stelle, stülpte dem Hippogreifen einen Lederkragen über.
„Ich sterbe!", schrie Malfoy laut. „Ich sterbe, seht her! Es hat mich umgebracht!"
Lavender kreischte hysterisch und Zoe wurde von einigen Schülern zur Seite gedrängt, die eine bessere Sicht auf das Geschehen haben wollten.
Hagrid versuchte unterdessen, den verletzen Slytherin zu beruhigen.
„Du stirbst nicht!", sagte er sachte, jedoch mit bleichem Gesicht.
Er hob Draco mit einer Leichtigkeit vom Boden auf und steuerte das Koppeltor an.
„Helft mir mal, ich muss ihn hier rausbringen ‑", meinte Hagrid mit sorgenvollem Gesicht.
Hermine öffnete ihm das Gatter und ließ ihn hindurch. Dann schloss sie es sorgfältig wieder und während Hagrid im Laufschritt das Schloss ansteuerte.
Die Klasse folgte ihm ratlos.
„Er ist am Arm verletzt. Das wird bestimmt wieder", meinte Hermine verunsichert.
„Sie sollten ihn sofort rauswerfen!", fuhr Pansy Hermine lautstark an und wischte sich Tränen aus dem Gesicht.
„Malfoy war doch selber schuld", meckerte Dean Thomas zurück. „Ich hab's doch selbst gesehen."
Aber Pansy war nicht die einzige Slytherin, die sich über Hagrid ärgerte. Übel über den Wildhüter schimpfend, bildeten sie die Vorhut und ließen Zoe einfach stehen. Und einmal mehr fühlte sie sich als Außenseiterin, ein wenig betrübt, sah sie Tracey und Daphne hinterher. Doch Hermine, die Zoes bekümmerte Miene gesehen hatte, hakte sich sofort bei ihr unter und zog sie abermals mit sich.
„Wie furchtbar", heulte Lavender, „er hätte uns diese Viecher nicht zeigen dürfen!"
„Das wäre alles nicht passiert", protestierte Harry, wenn Malfoy sich an die Regeln gehalten hätte."
„Trotzdem", pflichtete Parvati ihrer Freundin bei, „die Dinger", sie ruckte mit dem Kopf in Richtung Koppel, wo die Hippogreife nun friedlich vor sich hin dösend am Gatter standen, „sind doch viel zu gefährlich für uns!"
„Ach, es war doch nur Malfoy", sagte Dean schulterzuckend. „Es hätte niemand besser treffen können."
Während die Gryffindors weiter diskutierten, ließen sich die vier Freunde zurückfallen und als sie allmählich außer Hörweite der anderen waren sagte Zoe leise: „Das wird bestimmt noch Ärger geben." Zu gut erinnerte sich die Slytherin noch an Mr Malfoys unangenehme Art erinnerte. „Nachdem, was letztes Jahr geschehen ist, wird das ein gefundenes Fressen für Dracos Dad sein."
Harry, Ron und Hermine tauschten unheilvolle Blicke miteinander.
„Ausgerechnet in Hagrids erster Stunde", sagte Hermine traurig. „Armer Hagrid."
Den Rest des Weges tappten sie stumm nebeneinander her und in der menschenleeren Eingangshallte trennten sich zunächst ihre Wege. Während die Gryffindors in ihren Gemeinschaftsraum zurückkehrten, war Zoe so gar nicht danach zumute hinab in die Kerker zu gehen. Allerdings war es auch noch zu früh gewesen, um in die große Halle zum Mittagessen einzukehren.
Unschlüssig schlenderte sie in Richtung Bibliothek, während sie ihren Gedanken nachhing. Wie schwer war Draco wohl verletzt war und was würde nun mit Hagrid geschehen, wenn Mr Malfoy ärger machte? Erst letztes Jahr, war Hagrid in Askaban gelandet, weil man vermutet hatte, dass er das Monster aus der Kammer des Schreckens gelassen hatte und ausgerechnet Dracos Vater, war damals die treibende Kraft gewesen. Zwar war dieser nun nicht mehr im Schulrat, doch wer wusste schon, zu was dieser Mann noch alles fähig war.
Noch während sie grübelte, drang ein weiteres Geräusch an ihre Ohren. Es waren hektische Schritte, die von den kahlen Wänden der Korridore zurückgeworfen wurden begleiteten von angespanntem und aufgeregtem Getuschel. Zoe konnte keine genauen Wortfetzen entnehmen, doch da das regelmäßige Klacken der Absatzschuhe, mit jedem Schritt lauter wurde, beschleunigte auch die Slytherin ihre Schritte. Schließlich huschte sie flink in einen Seitengang, ging neben einer Skulpturen in die Hocke und wartete.
Als das Geräusch näher kam, erkannte Zoe auch die Stimme von Professor McGonagall, die ebenfalls besorgt klang. Als das Klappern Zoe fast erreicht hatten hielt sie für einige Sekunden den Atem an und keine der drei Personen, die an ihrem Korridor vorbeihuschten bemerkte die Schülerin. Es war, als hätten Zoes Gedanken ihn heraufbeschworen: Mr Malfoy, offensichtlich in der Begleitung seiner Frau und der Stellvertretenden Schulleiterin.
Ihre Stimmen hallten wütend in dem Gang wider, bis sie sich schließlich hinter der nächsten Abzweigung irgendwo verloren.
Eine dunkle Vorahnung legte sich über Zoe und sie hoffte nur inständig, dass Hagrid sich nicht in irgendetwas reinredete. Eine ganze Weile, blieb die Slytherin noch neben der Skulptur sitzen und zerbrach sich einfach nur den Kopf. Irgendwann erklang die Schulglocke und die Klassen strömten hinaus in die Korridore und steuerten die große Halle an. Schließlich wurde Zoe von einem Vertrauensschüler aufgefordert aufzustehen und weiter zu gehen. Sie folgte der Anweisung ohne Widerworte, zumal mittlerweile ihr Magen knurrte.
Als sie ihren Haustisch erreichte, waren die Plätze schon fast alle belegt. Theodore sah ihren ratlosen Blick, also rief er Zoe zu sich und rückte ihr freundlich auf.
„Danke, Theo", meinte Zoe und schnappte sich einen Teller.
„Ganz schön aufregend, der erste Schultag, nicht?", meinte er munter und reichte Zoe ein Glas und den Krug mit Kürbissaft.
Zoe brummte nur missmutig und versuchte dann einen Themenwechsel: „Wie hat dir Arithmantik gefallen?"
Theodore verzog das Gesicht. „Hm, ich glaube nicht, dass es mein Lieblingsfach wird."
„Ich fand es toll! Warum hast du es dann belegt?"
Der Braunhaarige lachte nur schräg: „Was meinst du, was mein Vater gesagt hätte, wenn ich sage, ich hätte lieber Muggelkunde? Das hätte nur 'ne ordentliche Tracht Prügel geben."
Zoes Lächeln verschwand und Theodore zuckten nur mit den Schultern und nahm sich einen Nachschlag.
„Guck nicht so. Hab ich halt Arithmantik genommen. Ich komm schon klar ..."
„Und wenn nicht, dann frägst du mich!", sagte Zoe sofort. „Wenn ich kann, helfe ich dir gerne!"
Theodore lächelte verlegen und nuschelte ein kaum hörbares „Dankeschön".
Die beiden Fünftklässlerinnen, die ihnen gegenüber saßen, beendeten ihr Mahl, standen auf und verschwanden vom Tisch. Hinter ihnen erschienen Millicent und Pansy, die sofort die freien Plätze für sich beanspruchten. Pansy seufzte theatralisch und lehnte das Essen, das Millicent ihr anbot ab.
„Ich habe keinen Appetit!", sagte sie schnippisch.
„Komm schon Pansy", meinte ihre Freundin, „Iss wenigstens einen Pudding!"
„Nein! Ich kann nicht!", wehrte sie ab und zog ein Gesicht, wie drei Tage Regenwetter und erinnerte Zoe damit nur noch mehr an einen Mopps. „Was, wenn er nicht mehr richtig gesund wird?"
„Das wird schon werden?", meinte Millicent tröstend.
„Mir ist immer noch schlecht von dem ganzen Blut!"
Theodore hob den Kopf, sah von seinen Nachtisch auf und schaute die beiden Mädchen abschätzend an.
„Ihr wart im Krankenflügel?", fragte er.
„Natürlich waren wir dort!", sagte Pansy spitz. „Aber als Dracos Eltern eintrafen, haben sie uns fort geschickt."
„Was hat Draco?", wollte Theodore wissen.
„Sein Arm ist total aufgerissen", antwortete die Slytherin hysterisch und hob sich die Hand vor dem Mund, als wäre ihr speiübel. „Vielleicht hat dieses Biest sogar die Sehnen zertrennt. Dann wird Draco nie wieder richtig gesund werden!"
„Pansy", versuchte Millicent einzuwenden, „Madam Pomfrey wird ihn sicher wieder hinbekommen."
„Und wenn nicht?! Ich hoffe nur, dass sie diesen unfähigen Wildhüter rausschmeißen!"
„Hagrid hat uns klar gesagt, wie wir uns verhalten sollen!", warf Zoe ein. „Nur hat Draco gemeint, er wüsste es wieder einmal besser."
„Trotzdem hätte er uns nicht alleine mit diesen Viechern arbeiten lassen dürfen!", fauchte Pansy wütend zurück. „Die sind ja unberechenbar!"
Zoe schnaubte abfällig in ihren Kürbissaft hinein. Es war vergeblich mit Pansy zu diskutieren, die sowieso viel zu uneinsichtig war.
„Was haben sie mit Hagrid gemacht?", wollte Theodore wissen, als sich die drei Mädchen ein wenig beruhigt hatten.
„Sie haben ihn runter in seine Hütte geschickt. Dumbledore will ihn später verhören, aber er wollte sich erst um die Malfoys kümmern", antwortete Millicent.
„Ich hoffe so sehr, dass sie ihn rausschmeißen!", zischte Pansy.
‚Ja, das hoffe ich bei dir auch immer', dachte sich Zoe und stand von ihrem Tisch auf. „Ich bin weg, Theo, danke!"
Zoe schlängelte sich zwischen den Tischen durch, bis zu den Gryffindors. Doch leider, hatten ihre Freunde das Essen schon beendet.
„Sie sind hoch in den Gemeinschaftsraum", sagte Ginny auf Zoes suchenden Blick hin.
„Okay, danke, Ginny!" Die Slytherin verabschiedete sich winkend, schulterte ihre Schultasche und machte sich entschlossen auf den Weg zu Hagrid.
Nach all dem, was geschehen war, war dieser bestimmt sehr niedergeschlagen und würde sich über ein bisschen Gesellschaft sicher freuen.
Noch während Zoe einem der Trampelpfade hinab auf die Ländereien folgte, konnte sie sehen, wie der Wildhüter in der Ferne mit Fang zu seiner Hütte zurückkehrte. Sicherlich hatte er die Hippogreife noch versorgt, die seit dem Unterricht heute Morgen, auf der Koppel standen.
Als sie die Hütte jedoch erreichte, waren die Fenster dunkel und es war still im Innern.
Energisch klopfte Zoe an die Tür und rief: „Hagrid!?"
Fang bellte laut, doch sonst regte sich nichts.
Abermals trommelte Zoe mit der Faust gegen Hagrids Tür und rief: „Ich hab' dich vom Schloss aus gesehen, Hagrid! Ich weiß, dass du da bist!"
Es vergingen einige Sekunden, bis ein Stuhl scharrte und die Tür geöffnet wurde.
„Sollst nich' alleine auf dem Schlossgelände 'rum laufen", maulte der Wildhüter sofort.
„Dann lass mich nicht hier draußen stehen!", gab sofort Zoe zurück und schlüpfte unter seinem Arm hindurch in die kleine Hütte.
Der Saurüde begrüßte sie stürmisch und anstatt diesen zu rügen, trat Hagrid zu einem großen alten Küchenbüffet, zog einen zinnernen Humpen daraus hervor und füllte diesen mit einer klaren Flüssigkeit, aus einer Flasche, die auf dem Schrank gestanden hatte. Den ersten Becher leerte er in einem Zug und goss ihn sich gleich wieder voll. Ein beißender Geruch stieg Zoe in die Nase und diese zog angewidert die Brauen zusammen.
Nachdem Fang sich beruhigt hatte nahm die Slytherin am Tisch Platz und beäugte den Wildhüter kritisch. Dieser warf seinen Maulwurfsfellmantel mit Schwung aufs Bett, nahm einen weiteren Schluck aus dem zinnernen Humpen und füllte diesen wieder auf.
„Was haben die Malfoys gesagt?", fragte Zoe.
Hagrids schwarze Käferaugen wurden wässrig.
„Denk' 's war meine erste und letzte Stunde ...", meinte Hagrid bedrückt. „Lucius Malfoy war außer sich. Hat gleich mit allem gedroht was er kennt: Schulbeirat, Ministerium ..."
„Was ist mit Draco? Ist er schwer verletzt?"
„Poppy sagt' er wird wieder. Hat eine am Arm abgekriegt, aber er heult und stöhnt die ganze Zeit vor sich hin. Hat die Malfoys natürlich noch saurer gemacht ..."
„Aber immerhin", versuchte Zoe ihn aufzumuntern. „er wird wieder gesund werden, dafür werden sie dich doch nicht rauswerfen!"
„Abwarten!", sagte Hagrid, zog sich einen Stuhl hervor und setzte sich zu Zoe an den Tisch. „Dumbledore is' noch oben und klärt das. Wollte später noch zu mir 'runter kommen ..." Er trank einen kräftigen Schluck und sah dann in den Humpen hinein. „Aber der Unterricht ist sicher gestrichen. Dafür kann Lucius Malfoy zu viel Druck machen ... Ich werd's Dumbledore gleich anbieten. Bevor er noch Ärger bekommt ..."
„Warte doch erst mal ab. Jeder macht schließlich mal einen Fehler. Außerdem ist Draco mit schuld! Er hat nicht auf das gehört, was du zu uns gesagt hast, Hagrid! Er hat Seidenschnabel als ‚hässliches Scheusal' bezeichnet!"
Dicke Tränen tropften aus Hagrids Augen auf den blank polierten Tisch. Fang fiepte leise, trottete zu seinem Herrchen und legte seinen Kopf in dessen Schoß. Schniefend löste Hagrid eine seiner großen Pranken von dem Zinnhumpen, um den Saurüden zu kraulen.
„Großartiger Mann, dein Großvater", sagte Hagrid ohne zuzuhören. „Hat mir wieder ne Chance gegeben und ich hab sie verbockt."
Er fing so plötzlich an wie ein Hund zu heulen, dass Zoe im ersten Moment vor Schreck zusammenzuckte. Erst im nächsten Augenblick, hatte die Dreizehnjährige bemerkt, dass Hagrid in Tränen ausgebrochen war und nun laut schluchzend über seinem Humpen hing.
Mitfühlend rutschte Zoe von ihrem Stuhl herunter und begann Hagrids Arm zu tätscheln. Dabei fühlte sie sich ziemlich nutzlos, weil sie nicht wusste, was sie hätte tröstliches sagen können. Es dauerte einige Minuten, bis der Wildhüter sich wieder gefangen hatte. Er schniefte laut und wischte sich mit dem Handrücken über das Gesicht und murmelte leise eine Entschuldigung.
Der Saurüde stupste Hagrid mit seiner kalten Nase an und Zoe versuchte munter zu klingen, als sie sagte: „Siehst du, Fang will auch nicht, dass du traurig bist."
Hagrid verzog das Gesicht zu einem Lächeln, als er den Rüden betrachtete und abermals tätschelte.
„Tiere sin' einfach die besseren Menschen", sagte er traurig. „Ihnen ist es egal, wer du bist, oder was du hast. Für sie ist nur wichtig, wie du zu ihnen bist ...
Seidenschnabel würd' keiner Fliege was tun ... eigentlich ... Hätt' euch doch nie in Gefahr gebracht ..."
Zoe, die unweigerlich an ihre unangenehme Begegnung mit der Riesenspinne Aragog erinnert wurde, die Zoe und ihre Freunde gerne als Futter für seine Nachkommen gesehen hätte, verkniff sich einen derartigen Kommentar und sagte stattdessen: „Und das weiß Großvater doch! Du wirst sicher nicht rausgeschmissen, Hagrid!"
Aber der Wildhüter schüttelte nur ungläubig den Kopf. Leerte seinen Becher und goss sich gleich darauf nach. Mit einem missbilligenden Blick auf die nun leere Schnapsflasche trat Zoe zum Ofen herüber und stellte den Wasserkessel auf den Herd, um sich einen Tee zuzubereiten.
Während Zoe einen Kräutertee trank wurde Hagrids Zustand stetig schlechter. Er hatte begonnen der Slytherin all seine Fehltritte in den letzten Jahren aufzuzählen, um sie davon zu überzeugen, dass Dumbledore ihn rausschmeißen würde. Allmählich gingen auch Zoe die Argumente aus und sie war sich nicht ganz sicher, ob sie Hagrid überhaupt noch helfen konnte.
Als es allmählich Dunkel draußen wurde, hoffte Zoe sehr darauf, dass ihr Großvater gleich da sein würde, so wie Hagrid es erzählt hatte, denn irgendwie schaffte es die Dreizehnjährige so nicht, sich loszueisen.
Gerade hatte der Wildhüter lallend eine weitere Geschichte begonnen, als es endlich klopfte.
Ein wenig erleichtert, sprang Zoe vom Stuhl, um die Tür zu öffnen, doch diese ging nach Hagrids Aufforderung von selbst auf. Herein, kam jedoch nicht der Schulleiter, sondern Harry, Ron und Hermine und dass ihre drei Freunde entsetzt über Hagrids Anblick waren, konnte Zoe sofort aus ihren Gesichtern herauslesen.
Resigniert, sah der Wildhüter auf, schniefte wieder und meinte dann: „Vermute mal, 's is 'n Rekord. Ham wohl noch kein' Lehrer gehabt, der nur 'nen Tag lang dabei war."
„Du bist doch nicht entlassen!", fragte Hermine entrüstet und rümpfte die Nase, als ihr der beißende Alkoholgeruch in die Nase stieg.
„Noch nich", meinte Hagrid und nahm einen gewaltigen Schluck aus seinem Humpen. „Aber 's iss nur 'ne Frage der Sseit, nach der Ssache mit Maf-foy ..."
Die drei Freunde tauschten untereinander Blicke und Zoe zuckte nur mit den Schultern.
„So ist er schon die ganze Zeit", sagte sie leise, während sich ihre Freunde zu Hagrid an den Tisch setzten. „Ich weiß schon gar nicht mehr, was ich sagen soll ..."
„Wie geht's ihm denn?", fragte Ron, „war doch nichts Ernstes, oder?"
„Ma'm Pomfrey hat ihn so gut sie konnte zusamm'geflickt", sagte Hagrid dumpf, „aber er ssagt, er leide immer noch Todesqualen ... alles in Bandagen ... stöhnt die ganze Zeit ..."
Harry zog eine Fratze und sagte: „Er tut doch nur so! Madam Pomfrey kann alles heilen. Letztes Jahr hat sie die Hälfte meiner Knochen nachwachsen lassen. Dass Malfoy die Sache jetzt ausnutzt, war ja klar."
„Der Schulbeirat is unnerichtet worden, natürlich", erzählte Hagrid traurig. „Die meinen, ich wär zu groß eingestiegen. Hätte die Hippogreife für später aufheben sollen ... lieber mit Flubberwürmern oder so was anfangen sollen ... dachte nur, es wär 'ne gute erste Stunde für euch ... alles mein Fehler ..."
„Es ist alles Malfoys Fehler, Hagrid", widersprach Hermine ernst.
„Wir sind Zeugen", meinte Harry prompt. „Du hast gesagt, Hippogreife werden böse, wenn man sie beleidigt. Es ist Malfoys Problem, wenn er nicht hören wollte. Wir sagen Dumbledore, was wirklich passiert ist."
„Ja, mach dir keine Sorgen, Hagrid, wir holen dich da raus", stimmte auch Ron ein.
Abermals begann Hagrid zu weinen. Er griff nach Harry und Ron, als wären sie Puppen und drückte sie an sich, dass es knackte.
„Ich glaube, du hast genug getrunken", sagte Hermine streng. Sie nahm den Humpen vom Tisch, ging nach draußen und schüttete ihn aus.
„Aaarh, vielleicht hat sie Recht", gab Hagrid zu und ließ die Jungs los.
Ron stöhnte schmerzlich auf und auch Harry rieb sich die Schultern mit schmerzverzerrtem Gesicht. Als Hagrid aufstand, schmiss er fast den Tisch dabei um. Mit wankenden Schritten ging er nach draußen und während Zoe, die Tassen und Flaschen wieder auf ihren Boden stellte, die umgestürzt waren ertönte ein lautes, platschendes Geräusch.
Harry zuckte erschrocken zusammen und fragte verunsichert: „Was hat er getan?"
„Den Kopf ins Wasserfass getaucht", meinte Hermine, die wieder mit dem Humpen hereingekommen war und diesen zur Seite stellte.
Kurz darauf trat auch Hagrid wieder ein. Sein Bart und sein Haar trieften vor Nässe und Fang ging im augenblicklich aus dem Weg, als sein Herrschen sich wie ein nasser Hund schüttelte.
Etwas ungehalten wischte sich Zoe die Tropfen aus dem Gesicht.
„Jetzt geht's besser", meinte Hagrid erleichtert. „Hört mal, das war gut, dass ihr mich besucht habt, ich bin wirklich ‑" Der Wildhüter sah Harry wie ein Raubtier an und seine Augen formten sich zu Schlitze.
„Was glaubst du eigentlich, was du hier zu suchen hast?" Seine Stimme war plötzlich so laut und brachial, dass sie alle zusammenzuckten. „Du stromerst hier nicht rum, wenn es dunkel ist, Harry! Und ihr beiden! Ihr lasst ihn auch noch gehen!"
Er packte Harry am Arm und schleifte ihn zur Tür hinaus, drehte sich noch einmal um und sah Zoe, Ron und Hermine an und fügte wütend hinzu: „Kommt schon! Ich bring euch alle hoch zur Schule, und lasst euch ja nicht mehr bei mir Blicken, wenn es dunkel ist. Das bin ich nicht wert!"
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