Nach dem Sieg
Zoe öffnete wieder die Augen, doch alles was sie sehen konnte waren grell blinkende Flecken, die vor ihren Augen tanzten.
„War das geplant?", fragte jemand rechts von ihnen.
Erst langsam gewöhnte sich Zoes wieder an die Dunkelheit.
„Was ist da nur los?", erkundigen sich Hermine mit zittriger Stimme.
„Ich kann nichts sehen, Hermine", sprach Zoe und blinzelte heftig, „der Pokal hat mich geblendet."
„Hoffentlich ist nichts schief gelaufen", meinte die Gryffindor ängstlich.
„Das gehört, sicher zum Turnier", sagte Ron mit ungewöhnlich hoher Stimme.
Bagmans Wortlosigkeit machte ihnen Angst. Um sie herum begannen die Schüler zu tuscheln. Allmählich verschwanden die Flecken vor Zoes Augen und sie sah auf das dunkle Spielfeld hinab.
„Nur ein kleines, magisches Problem", sprach Bagman plötzlich. „Wir kümmern uns darum."
Zoe tauschte einen besorgten Blick mit ihren Freunden. Dann hob sie das kaputte Omniglas auf, während Ron und Hermine den Irrgarten absuchten.
„Könnt ihr irgendwas erkennen?", fragte die Slytherin.
„Der Pokal ist einfach weg", antwortete ihre Freundin fassungslos. „Und Harry und Cedric ebenfalls."
„Wie bei einem Portschlüssel ...", sagte Seamus, der sich zu ihnen nach vorne gebeugt hatte.
Hermine nahm verärgert ihr Omniglas von den Augen und sah ihren Hausgenossen an.
„Das ist nicht möglich", sagte sie stirnrunzelnd. „Der Pokal ist ein sehr, altes magisches Artefakt. Ihn zu verhexen würde einiges an Potential erfordern ..."
„Du meinst, wie beim Feuerkelch?", fragte Zoe unheilvoll.
Ron und Hermine sahen beide zu Zoe herüber.
„Au-au-außerdem", sagte Hermine schrill, „müssen Portschlüssel genehmigt werden."
„Sieh mal zu den Juroren rüber", meinte Zoe, mit einem unguten Gefühl.
Hermine gehorchte sofort und setzte das Omniglas wieder an.
„Scheint so, als würden sie sich beratschlagen ...", berichtete sie. „Dein Großvater ..."
„Was ist mit ihm?", wollte Zoe wissen und sah nun ebenfalls rüber.
„Er ... er sieht etwas besorgt aus ..."
„Also ich glaube", meinte Ron und nestelte nervös an dem Ärmel seines Umhangs herum, „irgendwas ist schief gelaufen."
„Nur ein kleines Problem", wiederholte Hermine Bagmans Worte. „Es wird sich sicher gleich klären."
Einen Moment blieben die Freunde verunsichert auf ihren Plätzen sitzen und warteten auf weitere Infos. Die Stille im Stadion war mittlerweile durch aufgeregtes Geschnatter ersetzt worden. Hier und da standen Schüler auf, um besser sehen zu können oder um sich miteinander auszutauschen.
„Ist das Turnier nun zu Ende?", fragte einer der Gryffindors aus den unteren Reihen. „Sollen wir wieder zum Schloss zurückgehen?"
„Nicht jetzt!", antwortete sein Sitznachbar. „Bestimmt wird die Situation gleich aufgelöst."
Aus allen erdenklichen Ecken drangen Spekulationen und Gerüchte an ihre Ohren. Ein Erstklässler behauptete, die Gewinner seien vom Pokal verschluckt worden und dieser hatte sie zu Flaschengeister gemacht.
Hermine zischte missbilligend, doch die Sorge, die in ihrem Gesicht lag, wurde immer größer. Sie sah wieder zur Tribüne, an der die Jury und die restlichen Lehrer gesessen hatten.
Es kam völlig unerwartet.
Zoe schrie, vom Schmerz überrascht, auf und umklammerte den schmerzenden Unterarm.
„Was ist los?", fragte Hermine sofort und sah ihre Freundin besorgt an. „Alles in Ordnung mit dir?"
Auch Rons bleiches Gesicht sah sie mit großen, fragenden Augen an.
„Nichts", presste Zoe durch die Zähne.
So schnell, wie das Stechen in ihrem Unterarm gekommen war, so schnell war es auch wieder fort. Eine unheilvolle Vorahnung beschlich die Vierzehnjährige.
„Was ist denn mit Karkaroff los?", fragte Ginny überrascht.
Ron und Hermine hoben zeitgleich ihre Omnigläser an die Augen, um zur Tribüne der Jury zu sehen, so dass Zoe den Moment ihrer Unaufmerksamkeit nutzen konnte. Sie schob den Stoff ihres Ärmels nur so weit nach oben, bis sich der Anfang des dunklen Mals offenbarte.
Die einst rote Kontur hatte sich nun pechschwarz gefärbt. Der Anblick schlug Zoe mit einem Mal auf den Magen. Sie wusste nicht, was es zu bedeuten hatte, sie hatte nur ein äußerst ungutes Gefühl.
„Sieht aus, als hätte er es sehr eilig", sagte Ron verdutzt.
Zoe zog ihren Umhang wieder hinunter zu ihrem Handgelenk. Ihr war übel und eine eiserne Faust schien nach ihrem Herzen zu greifen.
„Ich muss zu Großvater", sagte sie heiser.
Hermine ließ ihr Omniglas sinken und sah Zoe besorgt an.
„Wirklich alles in Ordnung?"
Die Slytherin war wie in Trance aufgestanden, doch Hermine hatte sie am Umhang gepackt.
„Warte", sagte sie, „wir kommen mit!"
Sie wandte sich zu Ron um, gab ihm ein Zeichen und einen Augenblick später verließen die drei die Tribüne.
„Was ist passiert?", wollte der Rothaarige wissen, als sie unten angekommen waren.
„Ich weiß es nicht", antwortete Zoe nur.
Ihr war flau im Magen und ihre Knie wurden weich. Irgendetwas Schlimmes war passiert, das spürte sie ganz deutlich. Sie hoffte nur innig, dass Harry und Cedric damit nichts zu tun hatten.
Als sie an der Tribüne der Jury ankamen, waren sie mehr als erschrocken.
Niemand saß auf seinen Plätzen. Die Lehrer standen bei Dumbledore, der sich offensichtlich mit dem Zaubereiminister stritt, während die Angehörigen der Champions ratlos dabei zuhörten. In ihren Gesichtern zeigte sich vorahnender Schrecken ab.
Zoe zögerte einen Moment, um zu überlegen, wie sie ihren Großvater am besten erreichen konnte. Hermine und Ron traten mit fragendem Blick an ihre Seite. Die Vierzehnjährige sah, wie Ronalds Mutter sie bemerkte und sofort kam Mrs Weasley zu ihnen geeilt. Sie war kreidebleich und sichtlich angespannt.
„Was tut ihr denn hier", fragte sie sogleich, „wartete doch oben auf den Tribünen, bis-"
„Was ist eigentlich hier los?", platzte es aus Ron hervor. „Wo ist Harry?"
„Sie finden es gerade heraus, Ron. Ihr könnt im Moment wirklich nichts tun."
Zoe ließ sie einfach stehen, als sie sah, dass ihr Großvater sich Madame Maxime, den Diggorys und Professor Snape zuwandte, während der Minister verärgert daneben stand. Entschlossen wollte Zoe die Tribüne erklimmen, doch im letzten Moment wurde sie von Rons Mutter zurückgehalten.
„Zoe, Liebes, wo willst du hin?", fragte sie ernst.
„Ich ... ich muss mit meinem Großvater sprechen."
„Das ist jetzt kein guter Zeitpunkt", sprach Mrs Weasley und legte der Slytherin einen Arm auf die Schulter. „Professor Dumbledore ist gerade mit wichtigen Klärungen beschäftigt. Du solltest noch ein wenig warten."
Zoes Herzschlag erhöhte sich unweigerlich. Sie wollte widersprechen, doch ihr fiel einfach kein gutes Argument dazu ein.
„Schätzchen, komm hier rüber", sprach Mrs Weasley und leitete sie mit ihrer mütterlichen Art aus dem Eingangsbereich heraus.
Besorgt sahen sie dabei zu, wie die Professoren Moody, McGonagall auf die Tribünen stiegen.
„Eine Spur von ihnen?", wehte die Stimme ihres Großvaters zu ihr herüber.
„Nichts, Albus", antwortete Professor McGonagall. „Wir haben das ganze Labyrinth durchsucht und nur Viktor Krum gefunden. Er hat einen Schockzauber abgekommen und zeigt eindeutige Anzeichen von Verwirrung."
„Zweifellos unterstand er einem Imperius-Zauber", sagte Moody. „Jedoch fraglich, wer ihn angewandt hat."
„Wo ist er jetzt?", fragte Dumbledore ernst.
„Filius bringt ihn hinauf in den Krankenflügel", antwortete McGonagall prompt.
„Sehr gut. Gibt es irgendwelche Neuigkeiten über den Verbleib von Harry und Cedric?"
„Nichts", sprach McGonagall besorgt, „sie sind zusammen mit dem Pokal wie vom Erdboden verschluckt."
„Es war ein Portschlüssel", keifte Moody sofort.
„Das ist ja lächerlich!" Nun hatte sich auch Mr Fudge eingemischt. „Dafür bräuchte es eine offizielle Genehmigung! Niemals hätte ein Ministeriumsangestellter es zugelassen, dass ein solch wertvolles magisches Artefakt zu einem Portschlüssel umgewandelt wird!"
„Wie erklären sie sich dann das Verschwinden der beiden?", fragte Moody bellend.
„Das gilt es noch herauszufinden!", fauchte der Zaubereiminister zurück.
„Kommt Kinder", sprach Mrs Weasley und schob die Drei außer Hörweite der anderen, „dieses Gespräch ist nicht für unsere Ohren bestimmt."
„Was war eben eigentlich mit Karkaroff los?", wollte Ron wissen.
„Der ist geflohen!", sagte eine Stimme hinter ihnen.
Sie wandten sich zu ihr um. Bill und Fleur kamen näher. Die Französin sah deutlich mitgenommen aus und um ihre Schultern trug sie Bills Lederjacke.
„Geflohen?", fragte Ron ungläubig. „Vor was?"
„Das ist eine gute Frage", sprach Bill. „Ich muss es auf jeden Fall Dumbledore mitteilen. Wenn ihr mich kurz entschuldigt."
Er ließ sie stehen und steuerte die Tribüne an. Verdutztes Schweigen legte sich über sie, als sie dem ältesten Weasley mit Blicken folgten. Schließlich war es Fleur Delacour, die die Stille durchbrach.
„Dumblidore hat uns aufgetragen nach Karkaroff zu se'en", erklärte sie und zog sich Bills Jacke enger um die Schultern. „Wir 'aben noch gese'n, wie er aus der Schiff lief und dann 'ogwarts Tore passierte. Bill 'at noch versucht i'n aufzu'alten, aber Karkaroff ist direkt 'inter den Toren disappariert. Er ist äußerst mutig Ihr So'n!"
Fleurs Augen glänzten bei ihrem letzten Satz voller Bewunderung und sie sah Rons Bruder hinterher.
„Das ist er wirklich", sagte Mrs Weasley mit Stolz in der Stimme.
„Wovor ist Karkaroff geflohen?", fragte Ron abermals und sah von Hermine zu Zoe.
„Geflohen", wiederholte seine Mutter missbilligend, „geflohen, er ist sicher nicht ... geflohen ..."
Es dauerte einige Minuten, bevor Bill zurückkam und dessen ernste Miene machte Zoe noch mehr Angst.
„Was hat er gesagt?", fragte Ron sofort und Bill antwortete schlicht: „Er hat es zur Kenntnis genommen."
„Wo ist Harry?", wollte der Rothaarige wissen.
Sein Bruder sah ihn ernst an, bevor er meinte: „So wie es aussieht, weiß niemand, wo die beiden gerade sind."
Mrs Weasley atmete bei seinen Worten tief ein, doch es vertrieb die Sorgenfalten auf ihrer Stirn nicht.
„Es scheint irgendeinen ... Defekt zu geben", versuchte Bill zu erklären und sah von ihnen wieder herüber zu der Lehrergruppe. „Sie versuchen, es gerade herauszufinden."
„Oh, Mann", stöhnte Ron. „Es war die letzte Prüfung, er hatte es fast hinter sich."
Hermine biss sich auf die Unterlippe und sprang von einem Fuß auf den anderen.
Abermals spürte Zoe, dass das Mal auf ihrem Unterarm brannte, doch sie versuchte, sich nichts anmerken zu lassen.
„Kommt Kinder", sagte Mrs Weasley nach einer Weile, „wir werden uns ein ruhiges Plätzchen auf den Tribünen suchen und – nein! Zoe! Komm zurück!"
Die Slytherin hatte sich zwischen Mrs Weasley und Bill hindurchgeduckt und rannte nun auf die Lehrerschaft zu. Sie durfte sich nicht von Rons Mum abwimmeln lassen. Sie musste ihrem Großvater von dem Dunklen Mal erzählen. Es war vielleicht wichtig!
„Großvater!", rief Zoe laut, als näher kam.
„Severus", sagte er sofort, sah von Zoe auf den Tränkemeister und dieser war seinem Blick gefolgt.
„Großvater, ich muss-", begann Zoe, die noch immer den Unterarm umklammert hielt.
„Geh mit Severus!", sagte er beinahe flehend.
„Wo ist mein Sohn, Fudge!", rief Amos Diggorys ungeduldige Stimme durch das Chaos hindurch.
„Dumbledore", jammerte Fudge dazwischen, „wir müssen etwas unternehmen ..."
„Aber-", versuchte die Vierzehnjährige zu widersprechen.
„Bitte, Zoe!"
„Komm!", sprach Snape hinter ihr in einem überraschend ruhigen Ton.
Zoe folgte ihm nur widerwillig bis vor die Tribünen, wo sie wieder auf Mrs Weasley und die anderen trafen. Verzweifelt warf Zoe den Kopf über die Schulter und sagte: „Ich muss ihm von meinem Arm erzählen! Es tut weh und es ist so deutlich, wie nie!"
„Der Schulleiter ist darüber bereits informiert", meinte Snape schlicht.
Zoe schnappte nach Luft, doch es fielen ihre keine weiteren Worte ein und Rons Mutter kam schon mit tadelndem Blick auf sie zu. Zoe ging sofort hinter ihrem Lehrer in Deckung, um nicht von der aufgeregten Frau auf die Tribünen gezogen zu werden. Das Letzte, was die Vierzehnjährige nun wollte, war noch weiter von ihrem Großvater entfernt zu sein.
„Beruhige dich doch, Kind!", verlangte Mrs Weasley nun sichtlich gehetzt.
„ICH KANN MICH NICHT BERUHIGEN!", schrie Zoe in einem Anflug von Panik zurück. „WO IST HARRY? WO IST CEDRIC?"
Snape wirbelte herum und Zoe zuckte zusammen, als er sie mit festem Griff an der Schulter packte und sie zwang, ihn anzusehen.
„Es gibt keinen Grund zur Panik!", sagte er leise und sehr bestimmt.
Zoes Herz hämmerte gegen ihren Brustkorb, ihre Knie wollten nachgeben und sie konnte an nichts anderes mehr denken, als an diesen brennenden Schmerz auf ihrem Unterarm.
„Wir wissen nicht, wo sie sind. Wir wissen nicht, was oder ob ihnen überhaupt etwas geschehen ist. Doch das alles wird sich noch aufklären", sagte Snape ernst. „Und bis dahin, gibt es keinen Grund zur Panik. Verstanden?"
Zoe schluckte und nickte schließlich. Sie warf Hermine einen sorgenvollen Blick zu und versuchte sich Snapes Worte in den Geist zu rufen. Er hatte Recht. Sie wussten gar nicht, ob etwas geschehen war. Sie sollte zumindest die Ruhe bewahren und abwarten. Vielleicht war alles nur ein Missverständnis. Vielleicht würden Harry und Cedric jeden Moment lachend vom Schloss herunterkommen und ihnen die Situation erklären.
Zoe nickte abermals und ihr Professor ließ sie los, doch dieses unheilvolle Gefühl, dass ihr noch im Nacken saß, wurde die Slytherin trotzdem nicht los.
Während Mrs Weasley Snape mit einem überraschten Ausdruck musterte, fiel sein Name in der Lehrerschaft und er ging, nach einem Zeichen zu Zoe, dass sie hier zu warten hatte, zurück zu ihnen.
„Was hat er gesagt?", platzte es sogleich aus Ron heraus, nachdem er außer Hörweite war.
Doch Zoe ignorierte es einfach.
Stumm sah sie hinüber zu der Ansammlung von Lehrern und Richtern. Wie sie ratlos beisammen standen, sich das ein oder andere Mal unterhielten. Und es schien eine Ewigkeit zu vergehen. Bill hatte sich irgendwann von ihnen verabschiedet, um Fleur zur Kutsche zu begleiten, da sie noch immer von heftigen Schwindelgefühlen heimgesucht wurde.
Mrs Weasley hatte sich damit abgefunden, mit den drei Teenagern vor der Tribüne zu warten und sie hatte es tatsächlich geschafft Ron und Hermine in ein belangloses Gespräch zu verwickeln.
Das Getuschel, das von den Schülern herangetragen wurde, wurde immer lauter. Niemand bemühte sich noch darum, die Stimme zu senken und so war die Sommerluft mit einem eintönigen Gemurmel gefüllt. Für Zoe klang es, wie die Hintergrundmusik eines Stummfilms, während die Vierzehnjährige beinahe ohne zu blinzeln zu den Lehrern hinüberstarrte und versuchte, irgendetwas aus ihren Gesichtern zu lesen.
Dann plötzlich verebbten alle Gespräche und es wurde vollkommen still, sodass Zoe für einen Moment glaubte, man hätte sie mit einem Taubheitsfluch über sie gelegt, der jegliche Geräusche um sie herum abschirmte. Doch die Welt war nicht verstummt. Sie war nur für einen kleinen Augenblick lang vor Schrecken erstarrt.
„Da sind sie!", schrie jemand aus dem Publikum.
„Es sind Harry und Cedric!", rief ein anderer.
Zoe hielt den Atem an, als sich die Schar der Lehrer umwandte. Jeder Muskel an ihrem Körper schien sich in dem Moment zu verspannen, als sie ängstlich die Luft anhielt. Die Ansammlung um Dumbledore folgte ihm, als er auf die Stelle des Rasens zueilte, an denen Gestalten erschienen waren. Dort, nur wenige Meter von dem Irrgarten entfernt, lagen zwei Personen mit dem Trimagischen Pokal auf den Boden.
Einen Moment lang, einen schrecklichen Moment lang, hatte Zoe geglaubt sie seien tot. Hermine klammerte sich erschrocken an ihren Arm. Mrs Weasley packte Ron an der Schulter, doch dann, endlich, regte sich etwas.
Ihr Großvater, sowie die anderen Lehrer, hatten sie bereits erreicht. Sie drängten sich um sie, während der völlig perplexe Zaubereiminister fassungslos zurückgeblieben war.
Ängstlich versuchte Zoe zu erkennen, was mit beiden los war, doch die vielen Personen verdeckten ihr die Sicht. Abrupt riss sich Zoe von Hermine los und lief, Mrs Weasleys Rufe ignorierend, näher an die Menschentraube heran, die sich um die Champions gebildet hatte, bis sie Harrys heiseres Flüstern hörte: „Er ist zurück. Er ist zurück. Voldemort."
„Was sagst du da? Was ist geschehen?" Es war die Stimme ihres Großvaters und die Tonlage ließ Zoes Haare zu Berge stehen.
Cornelius Fudge überholte Slytherin nun und drängte sich zwischen Professor Snape und McGonagall hindurch.
„Mein Gott – Diggory!", sagte er. „Dumbledore – er ist tot!"
Es waren Worte, die Zoe zwar hörte, jedoch nicht realisierte. Sie trat näher heran, bis sie schließlich die ganze Szene erkennen konnte. Harry lag immer noch am Boden. Mit der einen Hand umklammerte er den Pokal, mit der anderen hielt er Cedric am Arm fest. Der Hufflepuff lag auf dem Rücken. Mit offenen Augen starrte er in den Nachthimmel. Ein Ausdruck von Verblüffung war noch immer auf seinem Gesicht zu sehen.
„Er ist tot! Er ist tot!", kreischte jemand in unmittelbarer Nähe.
„Cedric Diggory! Tot!"
Doch Zoe hörte es nicht. Sie sah auch nicht, wie der Minister verzweifelt versuchte Harrys Griff, um Cedrics leblosen Arm zu lösen. Sie stand einfach nur da und starrte Cedric an. Wartete angespannt darauf, dass er endlich blinzeln würde, doch er blieb einfach reglos liegen.
„Zoe?"
Jemand berührte sie am Arm, aber Zoe regierte nicht. Sie wollte den Moment nicht verpassen, in dem Cedric blinzeln würde. Mit steifen Schritten ging sie noch näher heran, um ihn nicht aus den Augen zu verlieren, denn immer mehr Menschen drängten zu ihnen auf Rasen.
Sie hatten Harry auf die Beine gezogen, während sie Cedric einfach im klammen Gras liegen ließen. Das Licht der Sterne spiegelte sich in seinen glasigen Augen.
„Cedric?", flüstere Zoe leise und drückte sich zwischen den Leuten hindurch.
Der Hufflepuff rührte sich noch immer nicht.
„Was ist passiert?"
Ein ungutes Gefühl kroch langsam ihr Rückgrat hinab, doch sie schüttelte den Gedanken mit einem Kopfschütteln ab.
„Was fehlt ihm?"
„Diggory ist tot!"
Tot?
Es war das erste Mal, dass dieses Wort wirklich in ihren Geist kroch. Die Slytherin sah von der besorgten Miene Fudges zu dem blassen Gesicht Cedrics. Er konnte nicht tot sein!
Es waren extra Vorkehrungen für das Turnier getroffen worden! Cedric – konnte – nicht – tot – sein!
Das wollte sie nicht akzeptieren!
„CEDRIC!", rief Zoe nun so laut, dass sich einige zu ihr umdrehten.
Eine grausame Gewissheit erfüllte sie von innen heraus. Heftig schüttelte Zoe den Kopf, um den ersten Anflug von Tränen zu vertreiben. In ihrem Hals schien sich ein dicker Kloß zu bilden und ihr Brustkorb fühlte sich wie zugeschnürt an.
„NEIN!", schluchzte Zoe schmerzerfüllt.
Mit aller Kraft, die sie aufbringen konnte klammerte sie sich an das Nächstbeste fest, dass sie zu greifen bekam.
Es war der Umhang ihres Großvaters.
„TU' DOCH WAS!", flehte die Slytherin unter Tränen. „BITTEEEEE!"
Dumbledore wandte sich erschrocken zu Zoe um und ließ den noch immer verwirrten Harry los.
Doch keines seiner Worte nahm Zoe wahr. Sie konnte nur den unfassbaren Schmerz fühlen, der ihr bereits verwundetes Herz zerriss. Konnte nur die eigene Trauer wahrnehmen und alles andere um sie herum, löste sich in einem Wirrwarr von Stimmen auf. Seine Hand legte sich mitfühlend auf ihre Schulter, er sprach beruhigende Worte zu seiner Enkelin, doch drang er nicht durch ihren Weinanfall zu ihr durch.
„Potter muss in den Krankenflügel!", sprach Fudge von irgendwoher. „Er ist krank, er ist verletzt – Dumbledore, Diggorys Eltern, sie sind hier, sie sind auf der Tribüne ..."
Zoe wollte sich weinend neben Cedric auf die Knie fallen, doch irgendjemand hielt sie auf den Beinen. Durch den Schleier aus Tränen sah Zoe, wie Harry an ihr vorbeitorkelte. Fort von der Menschenmenge. Fort von Cedric. Professor McGonagall sagte irgendetwas zu ihr, doch Zoe verstand es nicht. Immer wieder sah sie auf das eingefrorene Gesicht des Hufflepuff, bis die Tränen wieder jegliches Sehen unmöglich machten.
„Dumbledore, dort läuft Amos Diggory", erklang Fudges aufgeregte Stimme, „... er kommt hier rüber ... meinen Sie nicht, Sie sollten es ihm sagen ... bevor er ihn sieht?"
„Harry, bleib hier-"
„Minerva", hörte sie ihren Großvater sagen, „bringen Sie Zoe bitte zu Hagrids Hütte, wo ein großer schwarzer Hund im Kürbisbeet wartet und kommen Sie unverzüglich wieder zurück!"
Zoe schluchzte hilflos und umklammerte noch immer den Umhang ihres Großvaters. Es dauerte einige Sekunden, bis Dumbledore sie überzeugen konnte, mit ihrer Verwandlungslehrerin zu gehen. Immer wieder war er durch Zwischenrufe unterbrochen worden.
Amos Diggorys verzweifeltes Aufheulen ging ihnen alle durch Mark um Bein. Es erschütterte Zoe so sehr, dass sie für einen Moment jegliche Kraft verließ. Professor McGonagall nutze den Augenblick, löste ihren Klammergriff, schlang Zoe mütterlicher einen Arm um ihre Schulter, führte von dem Spielfeld herunter und die Dunkelheit der Nacht legte sich um sie, wie ein schwarzes Leichentuch.
Der Tumult hinter ihnen brach erst richtig los, nachdem sie das Quidditch-Feld verlassen hatten. Doch Zoe bekam von all dem nichts mit. Auch nahm sie die beruhigenden Worte ihrer Lehrerin nicht wahr. Nahm, zwischen all ihren Schluchzern nicht einmal mehr wahr, welchen Weg sie gingen. Erst als Professor McGonagall plötzlich stehen blieb, ihren Zauberstab zog und damit die Hütte vor ihnen erleuchtete, sah Zoe auf.
Für einen kurzen Moment waren ihre Tränen versiegt. Für den kurzen Augenblick da sie nach Luft schnappen musste und den auf sich zu springenden Hund erkannte. Doch als sie haltlos auf die Knie sank, liefen ihr abermals die Tränen übers Gesicht. Der schwarze Hund blieb irritiert vor ihr stehen, dann leckte er ihr tröstend die Wangen. Verzweifelt warf Zoe die Arme um das große Tier und schluchzte in das weiche Fell.
Es mag für die stellvertretende Schulleiterin ein ungewöhnlicher Anblick gewesen sein, doch im rechten Moment erinnerte sie sich an Albus' Anweisungen. Nach einem prüfenden Blick und einem Wort des Abschieds, ließ sie Zoe mit dem großen Ungetüm zurück; ohne dies in Frage zu stellen, denn nach all den Jahren, in denen sie Dumbledore bereits kannte und sogar freundschaftliche Bande mit ihm geknüpft hatte, wusste die Professorin, dass es Dinge gab, die nur der Schulleiter verstand.
Der Lichtschein ihres Zauberstabes entfernte sich stetig und erst, als Zoe und der Hund wieder gänzlich in Dunkelheit gehüllt waren, wagte es Sirius seine menschliche Gestalt anzunehmen.
Er hielt das schluchzende Mädchen sofort in den Armen und strich ihr beruhigend mit einer Hand über den Kopf.
„Was ist geschehen?", fragte er und versuchte dabei ruhig zu klingen.
„Cedric ... i-i-ist ... i-i-ist", wimmerte Zoe, „tot ..."
„Cedric? War das einer der Champions?"
Zoe vergrub den Kopf an seinem Hals und er spürte, wie ihre Tränen auf seine Haut tropften.
„Wie ist das geschehen?", fragte Sirius sanft.
„Sie sind verschwunden", krächzte Zoe zwischen ihren Schluchzern hindurch. „Harry und er ... sie hätten beide gew-w-wonnen ..."
Sirius verkrampfte sich ein wenig, doch dann tätschelte er vorsichtig Zoes Rücken und fragte: „H-harry ist verschwunden?"
Zoe nickte und brachte ein paar Sekunden keinen Ton mehr heraus. Halt suchend schnappte sie nach Luft und Sirius versuchte sie weiterhin zu trösten. Die Slytherin ließ ihn los und fasste sich verzweifelt an die Brust, die so sehr schmerzte.
„Atme durch, Zoe, atme durch!", sagte Sirius sanft und wischte ihr mit einer schmutzigen Hand die Tränen von den Wangen.
Doch sie wollten einfach nicht aufhören zu fließen. Schniefend sah Zoe zu ihm auf und sagte heiser: „Sie sind ... sie sind zurückgekommen ... und da war Cedric ..."
Ihre Stimme versagte.
Sirius ließ ihr die Zeit, die sie brauchte, und hakte dann nach.
„Harry ist zurück? Er ist in Sicherheit?"
Zoe nickte nur und Sirius atmete erleichtert aus. Und da kroch es der Slytherin eiskalt das Rückgrat hinauf und ihr Herzschlag setzte für einen Takt aus, als sie sich an Harrys Worte erinnerte. Das Entsetzen spiegelte sich auf dem Gesicht der Vierzehnjährigen wider und Sirius sah sie verunsichert an.
Verzweifelt öffnete Zoe den Mund, doch sie war nicht fähig zu wiederholen, was er gesagt hatte. Das Herz in ihrer Brust begann zu rasen, allein bei dem Gedanken daran.
„Zoe?!", sprach Sirius energisch und rüttelte an ihr, als er den stieren Blick des Mädchens bemerkte.
Es brachte die Slytherin zurück in die Gegenwart und ihre Augen fixierten die ihres Gegenübers und abermals verschleierten Tränen ihr die Sicht.
„Er ist zurückgekommen ...", sagte sie heiser.
„Was?"
„Er ist zurückgekommen ...", wiederholte sie und begann am ganzen Körper zu zittern. „Harry hat's gesagt ..."
„Voldemort?", hakte Sirius sofort nach und Zoe zuckte heftig zusammen. „Hat er ihn gesehen?"
Zoe begann erneut zu weinen und abermals dauerte es einige Minuten, bis sie sich wieder gefangen hat.
„Weiß nicht", sagte sie nur, „es ging alles so schnell ... mein Arm tat so weh und ..."
„Dein Arm?"
Die Vierzehnjährige nickte.
„Wieso?"
Nur widerwillig zog sich die Slytherin den Stoff ihrer Robe von dem linken Unterarm. Sirius sah geschockt auf das leuchtende Mal herunter. Einige Sekunden, fand er keine Worte, doch dann fragte er fassungslos: „Woher hast du das?"
„Qui-qui-quirrell ..."
„Der besessene Lehrer aus eurem ersten Schuljahr?", wollte Sirius wissen.
Zoe nickte schniefend und schluchzte leise.
Sirius zog vorsichtig den Stoff wieder herunter und nahm das Mädchen erneut tröstend in die Arme.
„Schon gut", sagte er leise. „Es wird alles wieder gut ..."
Sanft wiegte er Zoe hin und her und unterdrückte die Verbitterung, die versuchte in ihm aufzusteigen; verdrängte die Gedanken an Gwendolyn, die ebenso verletzlich in seinen Armen gelegen hatte. Sein Griff um ihre Tochter wurde nur noch fester und irgendwann, war Zoes Schluchzen versiegt. Auch von den Tribünen drang schon lange kein Laut mehr zu ihnen herüber und ungeduldig sah er zu den hellen Lichtern im Schloss herauf. Wann würde Dumbledore sich an seine Anwesenheit erinnern? Wann würde er endlich erfahren, wie es Harry ging und was mit ihm geschehen war? Angesichts des aufgelösten Mädchens in seinen Armen, befürchtete er das Schlimmste. Doch Sirius hoffte trotzdem darauf, dass er sich irrte und dass sein Patensohn unversehrt geblieben war.
Nach einer Weile löste sich Zoe aus der Umarmung, wischte sich abermals Tränen aus dem Gesicht und fragte fast vorwurfsvoll: „Was tust du hier?"
„Ich wollte in der Nähe sein, falls etwas passiert", erklärte Sirius ernst. „Vor ein paar Wochen schon, da habe ich Kontakt mit deinem Großvater aufgenommen. Und schließlich hat er zugestimmt, dass ich während des Turniers in der Nähe sein darf.
Ich habe nur die Stimme des Kommentators gehört, der irgendwann etwas von einem technischen Problem sagte – und dann kam nichts mehr ..."
„Harry und – Cedric ... sie haben es bis zum Ende des Labyrinths geschafft", versuchte Zoe erneut zu erklären und dabei die Fasson zu wahren.
Doch immer wieder drang dieses Bild in ihren Geist. Das Bild von Cedrics leichenblassem Gesicht und den glasigen Augen, in denen sich der Nachthimmel spiegelte. Da war kein Leben mehr in diesen Augen gewesen. Keine Seele.
Zoe schauderte und schniefte, doch sie sprach weiter: „Als sie den Pokal erreichten ... da waren sie plötzlich weg ... und dann ist Karkaroff abgehauen und die Jury wurde unruhig ..."
„Karkaroff", wiederholte Black, „ich habe jemand zu dem Schiff laufen sehen. Kurz darauf ist er hoch zum Schloss gerannt."
„Er ist einfach abgehauen ..."
Sirius fuhr sich nachdenklich über die Stirn.
„Sie sind dann einfach so, irgendwann wieder aufgetaucht?", wollte er wissen.
„Ja", wimmerte Zoe.
Sirius ergriff ihre Hände und drückte sie mitfühlend. Für einen kurzen Moment sah Zoe zu ihm auf, dann sagte sie mit erstickter Stimme: „... und Cedric ... war tot."
Ein heller Lichtstrahl hinter dem Mädchen erregte Sirius' Aufmerksamkeit. Zoe hielt hörbar den Atem an.
„Was ist los?", fragte sie leiser.
„Da kommt jemand!", antwortete Sirius, ohne den Blick von dem Licht abzuwenden, welches sich vom Schloss aus näherte.
Angespannt richtete er sich auf und Zoe blickte ängstlich über die Schulter. Doch es war viel zu dunkel, um zu erkennen, wer sich ihnen da näherte.
„Ich muss mich verwandeln", meinte Sirius besorgt und ließ Zoe nun los.
Die Vierzehnjährige nickte beklommen und dies war dem Black nicht entgangen.
„Ich bin bei dir", sagte er sofort ernst und sah sie eindringlich an. „Es gibt nichts zu befürchten." Zoe nickte zaghaft. „Halte deinen Zauberstab bereit!"
Während die Slytherin in der Tasche nach ihrem Zauberstab suchte, verwandelte Sirius zurück in den zottigen schwarzen Hund, der er gewesen war, als Professor McGonagall sie zu Hagrids Kürbisbeet geführt hatte. Schon nach wenigen Minuten war der Lichtschein so nahe, dass Zoe in dahinter eine schlanke Gestalt mit einem Spitzhut erkennen konnte.
„Miss Dumbledore? Sind Sie noch da?"
Erleichtert ließ Zoe ihren Zauberstab los, als sie die Stimme ihrer Verwandlungslehrerin erkannte.
„Ich bin hier", antwortete die Slytherin sofort und kämpfte sich unter Anstrengung auf die Beine.
Als die stellvertretende Schulleiterin sie erreicht hatte und mit dem Schein ihres Zauberstabs auf den Boden leuchtete, sah sie Zoe mitfühlend an. Doch der Vierzehnjährigen entgingen die Sorgenfalten auf dem Gesicht ihrer Professorin nicht.
„Wo ist Harry?", fragte Zoe sofort. „Wie geht's ihm?"
„Es geht ihm den Umständen entsprechend gut", antwortete Professor McGonagall knapp und legte ihr, mit einem Blick auf den Hund an Zoes Seite, einen Arm um die Schulter. „Ihr Großvater wünscht, dass ich sie in sein Büro bringe – sie beide!" Fügte sie eilig hinzu, als sie Zoes Protest erkannte.
Sie drängte das Mädchen vorwärts und Zoe gab dem Druck einfach nach. Sie fühlte sich viel zu schwach, um sich noch gegen irgendetwas zu wehren.
„Was ist geschehen?", wollte sie wissen, nachdem sie sich versichert hatte, dass Sirius ihnen folgte.
„Der Pokal war ein Portschlüssel", antwortete Professor McGonagall knapp.
„Wieso?"
„Ihr Großvater wird sie sicher in Kürze aufklären", entgegnete die Professorin. „Es gibt einige dringliche Dinge zu tun, um die er nun bemüht ist. Doch dann wird er zweifellos zu Ihnen kommen."
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