Im Hogwarts-Express
Als Mrs Weasley sie am nächsten Morgen weckte, regnete es noch immer. Dicke Regentropfen trommelten an Ginnys Zimmerfenster und übertönten dabei fast das Klopfen an der Tür. Etwas bedrückt, weil die Ferien nun doch endgültig zu Ende waren, zogen sich die Mädchen ihre Alltagskleidung an und schleppten die Koffer hinunter in den Flur.
Sie waren allem Anschein nach die Ersten am bereits gedeckten Frühstückstisch und Ginny goss ihnen Kakao ein, als ein Prasseln im Kamin Zoes Aufmerksamkeit auf sich zog.
Die Vierzehnjährige erkannte das Gesicht des unsympathischen Mannes in der Glut sofort: Es war Cedrics Vater, Amos Diggory.
„Guten Morgen", sagte er knapp und sah sich in der Küche um, „ich muss dringend mit Arthur sprechen. Ist er anwesend?"
„Er ist noch nicht unten", erklärte Ginny und stand vom Tisch auf. „Ich sag Bescheid."
„Danke Mädchen", erwiderte Amos und wartete.
Es folgte eine peinliche Stille, die nur von Ginnys Gebrüll im Flur unterbrochen und von Mrs Weasley – irgendwo anders im Haus – weitergetragen wurde. Das Feuer knisterte leise und schließlich beschloss Mr Diggory etwas Small-Talk zu halten.
„Heute geht die Schule wieder los", meinte er freundlich.
Die Mädchen nickten nur stumm.
„Freut euch schon auf das bevorstehende Event", verkündete Mr Diggory, „es wird großartig werden!"
„Um welche Art von –", wollte Zoe fragen, wurde jedoch von der hektischen Hausherrin, die gerade in die Küche gewuselt kam, unterbrochen.
„Guten Morgen, Amos", sprach sie und begann die Geschirrschubladen zu durchwühlen, „Arthur wird jeden Moment unten sein – ah, da ist er ja. Hier hatte ich doch irgendwo 'ne Feder liegen!"
Rons Dad kam hereingeschneit, begrüßte sie knapp und beugte sich dann vor den Küchenkamin über das Feuer. Eine unbeständige Diskussion entflammte, dessen Anfang Zoe nicht mitbekam, weil Ron, Harry und die Zwillinge nun ebenfalls die Küche betraten.
Fred und George wirkten sehr verschlafen und wenig begeistert über den Trubel am Morgen. Sie taten sich Porridge und Obst in die Schüsseln und begannen mit dem Frühstück.
„... Muggelnachbarn haben Lärm und Schreie gehört und deshalb diese, wie heißen sie noch mal – Blitzisten gerufen. Arthur, du musst da unbedingt hin!", drängte sich Amos Diggorys Stimme wieder in den Vordergrund.
„Hier, bitte!", hauchte Mrs Weasley atemlos, die endlich ein Blatt Pergament, Tinte und eine zerzauste Feder gefunden hatte.
„– wir können wirklich von Glück reden, dass ich davon gehört hab", betonte Cedrics Vater. „Ich musste heute recht früh ins Büro, um ein paar Eulen wegzuschicken, und da hab ich all diese Leute von Missbrauch der Magie losfliegen sehen – wenn Rita Kimmkorn Wind davon kriegt, Arthur –"
„Was hat Mad-Eye denn nun genau gesehen?", wollte Mr Weasley wissen, um sich Notizen zu machen.
„Jemand habe sich in seinem Hof rumgetrieben, sagte er. Er sei auf sein Haus zu geschlichen, doch seine Mülleimer hätten sich auf ihn gestürzt", berichtete Amos und verdrehte sie Augen.
Mr Weasley hielt kurz inne, bevor er nachhakte: „Was haben die Mülleimer gemacht?"
„Einen Höllenlärm und den ganzen Müll durch die Gegend gepfeffert, soviel ich weiß", erklärte Cedrics Dad. „Als dann die Blitzisten auftauchten, ist offenbar immer noch einer umhergetorkelt –"
Mr Weasley rieb sich verzweifelt die Schläfen und fragte: „Und was ist mit dem Eindringling?"
„Arthur, du kennst doch Mad-Eye", gab Mr Diggory entnervt zurück und atmete tief ein. „Jemand, der sich mitten in der Nacht in seinen Hof schleicht? Wahrscheinlich läuft irgendwo eine zu Tode erschreckte Katze herum, dekoriert mit Kartoffelschalen. Aber sobald Mad-Eye den Leuten von der Missbrauchsbekämpfung in die Hände fällt, ist er erledigt – denk mal an seine Vorstrafen – wir müssen ihm irgendeine Kleinigkeit anhängen, etwas aus deiner Abteilung – was kriegt man für explodierende Mülleimer?"
„Eine Verwarnung wär drin", sagte Mr Weasley nachdenklich und kritzelte noch immer auf sein Pergamentblatt. „Mad-Eye hat seinen Zauberstab nicht benutzt? Er selbst hat niemanden angegriffen?"
„Ich wette, er ist aus dem Bett gesprungen und hat angefangen, alles zu verhexen, was er vom Fenster aus erreichen konnte", seufzte Mr Diggory, „aber die werden Schwierigkeiten haben, das zu beweisen; Verletzte gibt es nämlich nicht."
„Gut", sagte Mr Weasley und faltete seinen Zettel zusammen, „ich muss los."
Er sprang auf und verließ forsch die Küche. Der Kopf von Mr Diggory wandte sich zu Mrs Weasley und sagte entschuldigend: „Tut mir Leid, Molly, dass ich euch heute so früh stören musste ... aber Arthur ist nun mal der Einzige, der Mad-Eye da raushauen kann, und Mad-Eye sollte heute eigentlich seine neue Stelle antreten. Warum er ausgerechnet letzte Nacht ..."
„Schon gut, Amos", sprach Mrs Weasley milde lächelnd. „Magst du nicht ein wenig Toast mit Butter, bevor du gehst?"
„O danke, da sag ich nicht nein."
Rons Mum nahm eine Scheibe Röstbrot vom Küchentisch, spießte ihn mit dem Schürhaken auf und hielt sie direkt ins Feuer. Harrys Augen weiteten sich erstaunt und Zoe musste über dessen Gesichtsausdruck kichern.
„Hast du noch nie ein Gespräch mittels Flohnetz geführt?", fragte sie verwundert.
Mit einem leisen Plop, verschwand das Gesicht von Amos Diggory und Harry sah seine Freundin mit fragendem Blick an.
„Das ist auch Flohnetzwerk?", hakte er verblüfft nach, „ich wusste nicht, dass man damit – so eine Art Ferngespräche führen kann."
„Nicht eine Art", korrigierte Hermine und nahm sich nun ebenfalls einen Buttertoast. „Es sind Ferngespräche."
Vom Flur aus drang Mr Weasleys hektisch Stimme zu ihnen herein, als er sich von seinen ältesten Söhnen verabschiedete. Dann kam er erneut und fragte: „Molly, macht es dir was aus, die Kinder nach King's Cross zu bringen?"
„Ist schon gut", sprach Mrs Weasley liebevoll. „Kümmere du dich um Mad-Eye, wir kommen schon klar."
Mr Weasley lächelte erleichtert, drückte seiner Frau einen hastigen Kuss auf die Wange, verabschiedete sich und wünschte ihnen ein erfolgreiches Schuljahr. Just in dem Moment, da Bill und Charlie die Küche betraten, war der Familienvater disappariert.
„Hat hier jemand was von Mad-Eye gesagt?", wollte Bill wissen und grinste. „Was hat er jetzt schon wieder ausgefressen?"
„Er behauptet, jemand habe versucht, letzte Nacht in sein Haus einzubrechen", antwortete seine Mutter entnervt und ließ zwei weitere Gedecke erscheinen.
„Mad-Eye Moody?", sprach George und musterte seinen Marmeladentoast ausgiebig, während er nachdachte. „Ist das nicht dieser durchgeknallte –"
„Dein Vater", unterbrach seine Mutter ihn mahnend und erhob sich vom Tisch, um dem hereinkommenden Percy ihren Platz zu überlassen, „hält sehr viel von Mad-Eye Moody."
Das schien die Zwillinge jedoch nur mäßig zu beeindrucken, denn als Mrs Weasley die Küche, mit einen knappen Abschiedswort verließ, flüsterte Fred leise: „Jaah, nun, Dad sammelt auch Stecker, oder? Seelenverwandtschaft ..."
„Moody war zu seiner Zeit ein großer Zauberer", bremste Bill seinen jüngeren Bruder ernst aus. Dann sah er Zoe an und ergänzte: „Er ist doch ein alter Freund von Dumbledore?"
Die Slytherin zuckte mit den Schultern und sagte: „Ich hab' den Namen heute zum ersten mal gehört."
„Außerdem", begann Fred, jedoch mit einer schlichtenden Geste in Zoes Richtung, „auch Dumbledore ist ja nicht gerade das, was man normal nennen würde – Sicher, er ist ein Genie und alles ..."
„Wer ist denn nun Mad-Eye?", wollte Harry wissen.
Charlie antwortete ihm: „Früher hat er fürs Ministerium gearbeitet, heute ist er im Ruhestand. Ich hab ihn mal getroffen, als Dad mich zur Arbeit mitnahm. Er war ein Auror – einer der besten."
Harry hatte bereits den Mund für eine Frage geöffnet, doch Charlie kam ihm zuvor: „Ein Jäger schwarzer Magier. Zu seiner Zeit hat er praktisch die Hälfte der Zellen in Askaban gefüllt. Hat sich dabei allerdings eine Menge Feinde gemacht ... vor allem die Familien von Leuten, die er gefangen hat ... und wie ich höre, hat ihn auf seine alten Tage noch der Verfolgungswahn gepackt. Traut keinem mehr über den Weg. Sieht an jeder Ecke schwarze Magier."
„Der Arme", sagte Zoe mitfühlend.
„Das muss ein tolles Leben sein – als Auror", sinnierte Ron und schaufelte sich den Mund voll.
„Vor allem gefährlich", gab Hermine sofort zu bedenken.
„Mach dir keine Sorgen, um Ronald", meinte Bill lachend und klopfte seinem Bruder auf die Schulter. „Dafür ist er viel zu schlecht in der Schule. Um Auror zu werden, musst du schon gute UTZ's haben!"
Der Jüngere verpasste Bill einen genervten Blick, doch bevor es zu einem Streit kam, warf Charlie ein: „Was meinst du, Bill, sollen wir sie heute nach King's Cross begleiten?"
„Klar", gab dieser lapidar zurück, „kommst du mit, Perc?"
Percy richtete sich mit entrüsteten Blick von seinem Stuhl auf, bevor er antwortete: „Mr Crouch erwartet, dass ich heute für die Arbeit im Ministerium erscheine. Nachdem, was in den letzten Tagen alles vorgefallen ist, wird es dort eine Menge zu tun geben! Vermutlich wird mein Schreibtisch voll sein mit Memos. Mr Crouch braucht zu dieser Zeit unbedingt meine Unterstützung! Ich kann es einfach nicht verantworten, noch länger freizunehmen. Mr Crouch verlässt sich inzwischen ganz und gar auf mich."
George sah ihn ernst an und sagte dann laut in die Runde: „Ja, und weißt du was, Percy? Ich denke, bald wird er sogar deinen Namen kennen."
Sein Bruder blähte missbilligend die Nasenflügel und wandte sich demonstrativ von den Zwillingen ab und versuchte das entstandene Gelächter, zu ignorieren.
Zoe unterdrückte ein japsen und lenkte mit einer Frage ab. „Wie kommen wir denn zum Bahnhof?", wollte sie wissen.
„Mum ist unten im Dorf und organisiert über das Postamt Muggeltaxis", sagte Charlie und sah aus dem Fenster. „Eigentlich müsste sie bald zurück sein. Am besten holt ihr gleich nach dem Essen die Koffer herunter."
„Warum hat Dad nicht wieder Wagen im Ministerium bestellt?", fragte Ron.
„Er hat's versucht", erklärte der älteste Weasleysohn achselzuckend, „aber er hat keine bekommen."
„Das Ministerium kann derzeit niemanden – absolut niemanden entbehren!", betonte Percy kopfschüttelnd, als wären sie alle nur zu dämlich es zu verstehen.
Dann trug er sein Geschirr zur Spüle und verließ die Küche.
Als sie nach dem Essen begannen ihre restlichen Sachen herunter in den Flur zu tragen, war Mrs Weasley bereits zurück. Sie scheuchte sie nacheinander erneut in die Zimmer, damit sie kontrollieren konnten, ob sie etwas vergessen hatten. Danach verteilte sie die Reiseverpflegung, die aus, in Wachspapier eingewickelte, Broten und ein paar Haferkeksen bestand.
Als die Taxis schließlich da waren, beluden sie diese flink mit ihren Taschen und Koffern, hatten dabei jedoch Mühe, all ihre Gepäckstücke in den Muggelautos zu verstauen. Währenddessen flog Pigwidgeon aufgedreht in seinem Käfig umher, piepte schrill und verursachte einen höllischen Lärm, sodass die Taxifahrer schon beunruhigte Blicke untereinander austauschten. Als dann auch noch einer der Koffer eines Zwillings aufsprang, ging eine Handvoll ihrer selbstkreierten Feuerwerkskörper hoch und fegten zischend und knallend über den Hof. Damit war das Chaos perfekt. Krummbein versuchte sich panisch aus Hermines Griff zu winden, und schlug dabei einem der Taxifahrer seine Krallen ins Bein, dass diesem die Tränen in die Augen schossen.
Zoe kam nicht umhin festzustellen, dass die Muggel alles andere als glücklich über ihre Fahrgäste waren. Etwas ungehalten wurden sie mitsamt der restlichen Taschen auf die Rückbank gepfercht und hatten somit eine recht unkomfortable Reise. Dazu kam, dass Krummbein noch immer so verängstigt war, dass er sich einfach nicht beruhigen ließ und jeden kratzte, der ihm zu nahe kam. Zoe war heilfroh, als sie endlich den Bahnhof erreicht und sie außerhalb des Autos wieder ihre Gliedmaßenstrecken konnte. Sie rieb sich die verkratzten Handrücken und sah sich auf dem Parkplatz um, während die anderen noch aus den Wagen gekrochen.
Die seltsam anmutende Gruppe zog sofort die Aufmerksamkeit auf sich. Während Mrs Weasley, mit Hermines Unterstützung, die Taxifahrer bezahlte, luden sie die Koffer auf die Gepäckkarren, die Bill und Charlie bereits holen waren. Dabei wurden sie von den vorbeigehenden Muggeln neugierig beäugt.
Dann begann es abermals zu regnen und noch bevor sie die Absperrung zwischen Gleis neun und zehn erreicht hatte, waren sie allesamt pitschnass. Harry, Ron und Hermine gingen mit ihren Haustieren voran, weil diese den größten Lärm verursachten und nachdem sich die Lage etwas beruhigt hatte, schickte Mrs Weasley den Rest nacheinander hinterher.
Als Zoe hindurchtrat, fiel ihr Blick zuerst auf den Hogwarts-Express mit seiner leuchtend roten Dampflok. Der Nebel den der Triebwagen ausstieß, verteilte sich auf dem Bahnsteig und Zoe folgte Pigwidgeons wildem Kreischen, um ihre Freunde zwischen all den Leuten wiederzufinden.
„Ach du liebe Güte", ertönte Mrs Weasleys Stimme hinter ihr. „Kommt mal alle zusammen Kinder, hierher!"
Sie gab die letzten Anweisungen durch, bevor sie ihr Gepäck wegbringen durften. Ron und Harry machten ein leeres Abteil in der Mitte des Zuges ausfindig und verstauten Hermines und Zoes Koffer in der Gepäckablage. Dann eilten sie wieder hinaus, um sich von Rons Familie zu verabschieden.
Mrs Weasley drückte sie nacheinander mütterlich und wünschte ihnen alles Gute, während Bill und Charlie nur lässig daneben standen und ihnen die Hände schüttelte.
„Vielleicht seht ihr mich schneller wieder, als ihr denkt", sprach Charlie grinsend und umarmte Ginny zum Abschied.
Fred wurde sogleich hellhörig.
„Warum?", hakte er direkt nach.
Charlie lachte und antwortete: „Ihr werdet ja sehen. Aber sagt bloß Percy nicht, dass ich was erwähnt hab ... es ist ja ‚eine geheime Information, bis das Ministerium beschließt, sie freizugeben'."
„Ja, ich wünschte, ich könnte dieses Jahr noch mal in Hogwarts sein", meinte Bill und betrachtet den Hogwarts-Express sehnsüchtig.
„Warum?", fragte George ungeduldig.
„Ihr werdet jedenfalls ein spannendes Jahr erleben", prophezeite sein Bruder augenzwinkernd. „Vielleicht nehm ich mir sogar mal frei, um es mir selbst kurz anzuschauen ..."
„Was denn?", wollte nun auch Ron wissen.
Doch der gellende Pfiff der Lock unterbrach ihre Unterhaltung und Mrs Weasley drängte sie zurück zu den Waggons. Gehorsam stieg Zoe als Erste ein und hinter ihren Freunden schloss sich schon die Tür. Hermine öffnete ein Fenster, lehnte sich hinaus und rief: „Danke, dass wir bei Ihnen wohnen durften."
„Es war mir ein Vergnügen, meine Lieben", antwortete Mrs Weasley mit ihrer warmen Art, dann fügte sie hinzu: „Ich würde euch ja gerne zu Weihnachten einladen, aber ... nun, ich denke, ihr wollt sicher alle in Hogwarts bleiben, wo doch so viel los sein wird ..."
Ungeduldig quetschte sich Ron neben Hermine und rief durch das Fenster: „Mum! Nun sagt uns schon, worum es geht!"
„Das werdet ihr wohl heute Abend erfahren", entgegnete seine Mutter nur lächelnd. „Es wird sicher ganz spannend – ihr wisst ja nicht, wie froh ich bin, dass sie die Regeln geändert haben –"
„Welche Regeln?", rief Harry über ihre Köpfe hinweg.
Doch Mrs Weasley lächelte nur weiter und der Zug setzte sich mit einem Ruck in Gang. In letzter Sekunde kämpften sich auch die Zwillinge nach vorne und Zoe trat vorsichtshalber einen Schritt zurück.
„Sag uns, was in Hogwarts passieren soll!", schrie Fred aus dem Fenster. „Welche Regeln haben sie denn geändert?"
Doch sie bekamen keine Antwort mehr. Schließlich bog der Zug um die Kurve und im nächsten Moment war die Weasleyfamilie aus ihrer Sicht verschwunden.
„Gehen wir in unser Abteil?", fragte Zoe, die nur allzu gern ihr durchnässtes Sweatshirt loswerden wollte.
Harry, Ron und Hermine schlossen sich ihr an und nachdem sie in ihr Zugabteil traten, wurde sie von Pigwidgeons aufgedrehtem Kreischen begrüßt.
„Als hätte er uns 'ne Ewigkeit nicht gesehen", sagte Ron grummelnd.
Er öffnete seinen Koffer, zog einen braunen, rüschenverzierten Umhang hervor und warf ihn über den Eulenkäfig. Dann ließ er sich auf den Sitz neben Harry fallen und schaute missmutig in die Runde.
„Bagman wollte uns verraten, was in Hogwarts passiert", meckerte er. „Bei der Weltmeisterschaft, weißt du noch? Aber meine Mutter, meine eigene Mutter will es mir nicht sagen. Du musst doch irgendwas mitbekommen haben, Zoe! Jetzt mal ehrlich!"
„Hab ich nicht", sagte Zoe genervt und warf ihr nasses Sweatshirt auf den freien Sitz.
„Aber du hast fast die ganzen Ferien in Hogwarts verbracht. Dein Großvater muss doch irgendwas erwähnt haben."
„Nein, nichts!", fauchte Zoe genervt, weil ihr Freund ihr keinen Glauben schenken wollte.
Ronald seufzte geschlagen und lehnte sich im Sitz zurück. Dann meinte er: „Ich frag mich, was –"
Doch Hermine unterbrach ihn mit einem harschem „Schhh!".
Angespannt lauschten sie der Stimme, die durch die offene Abteiltür zu ihnen herangetragen wurde und Zoe erkannte sie sofort als die von Draco Malfoy: „... Vater hat tatsächlich überlegt, ob er mich nach Durmstrang schicken soll und nicht nach Hogwarts. Er kennt nämlich den Schulleiter dort. Tja, ihr wisst ja, was er über Dumbledore denkt – der Kerl ist ein unglaublicher Liebhaber von Schlammblütern – und Durmstrang nimmt solches Gesindel gar nicht erst auf. Aber Mutter wollte nicht, dass ich so weit weg in die Schule gehe. Vater sagt, in Durmstrang haben sie eine viel vernünftigere Einstellung zu den dunklen Künsten als in Hogwarts. Durmstrang-Schüler lernen sie sogar und uns bringen sie nur diesen Verteidigungskram bei ..."
Hermine schürzte die Lippen, stand auf und schlich auf Zehenspitzen zur Tür und zog sie schließlich zu. Die Stimme war nun nicht mehr zu hören. Wütend drehte sie sich zu Zoe um und sagte: „Also denkt er, Durmstrang hätte besser zu ihm gepasst?! Ich wünschte, er wäre tatsächlich dorthin gegangen, dann müssten wir uns nicht mit ihm rumschlagen."
„Das wünschten wir alle", bestätigte Zoe und rieb sich die kalten Oberarme.
„Durmstrang ist auch eine Zaubererschule?", fragte Harry neugierig.
„Ja", sagte Hermine und rümpfe die Nase, „und sie hat einen fürchterlichen Ruf. Dem Handbuch der europäischen Magierausbildung zufolge legen sie dort großen Wert auf die dunklen Künste."
„Ich glaub, ich hab schon davon gehört", sprach Ron und überlegte einige Sekunden. „Wo ist sie? In welchem Land?"
„Irgendwo im Nord-Osten", antwortete Zoe, die sich an die Gespräche ihrer Eltern erinnerte. „Ich weiß noch, dass meine Mutter gesagt hat, dass Durmstrang viel näher zu unserer Heimat war, als Hogwarts. Also, als ich noch in Albanien gelebt habe. Aber eigentlich war klar, dass ich zu Großvater nach Hogwarts gehe ..."
„Doch wo genau ist diese Schule?", wollte Ron wissen.
„Tja, das weiß keiner, ist doch klar", meinte Hermine kopfschüttelnd.
Harry sah sie verdutzt an.
„Hmm – wieso?", fragte er.
„Es gibt seit jeher viel Rivalität zwischen den Zaubererschulen", erklärte Hermine.
„Wie bei den Häuser in Hogwarts!", warf Zoe verbittert dazwischen.
Hermine seufzte nur, dann fuhr sie fort: „Durmstrang und Beauxbatons ziehen es vor, sich zu verbergen, damit niemand ihre Geheimnisse stehlen kann", sagte Hermine, als sei dies das Natürlichste von der Welt.
Ron sah seine Freundin skeptisch an und meinte dann: „Hör auf! Durmstrang muss ungefähr so groß sein wie Hogwarts, und wie willst du denn so ein irre großes Schloss verstecken?"
Hermine tauschte einen ungläubigen Blick mit Zoe. Dann sagte sie: „Aber Hogwarts ist auch versteckt! Jeder weiß es ... nun ja, jeder, der die Geschichte von Hogwarts gelesen hat."
„Also nur du", murrte Ron und Zoe musste über seinen Gesichtsausdruck lachen. „Dann erklär mir mal – wie versteckt man ein Schloss wie Hogwarts?"
„Ach Ron, zweifelst du das wirklich an?", fragte Zoe amüsiert. „Bei der Weltmeisterschaft hat das Ministerium ein ganzes Stadion versteckt."
Der Rothaarige runzelte nachdenklich die Stirn. Dann sah er wieder Hermine an.
„Aber wie?!"
„Es ist verhext", erklärte diese. „Wenn die Muggel es anschauen, dann sehen sie nur eine vermoderte alte Ruine mit einem Schild über dem Eingang, auf dem steht: ACHTUNG, KEIN ZUTRITT, EINSTURZGEFAHR."
„Und Durmstrang sieht dann für Außenstehende auch aus wie eine Ruine?", fragte Ron ungläubig.
„Vielleicht", sagte Hermine achselzuckend, „oder es hat Muggelabwehr-Zauber an den Mauern, wie das Weltmeisterschaftsstadion. Und damit fremde Zauberer es nicht finden, haben sie es sicher unortbar gemacht –"
„Wie bitte?"
„Es gibt vermutlich tausend Möglichkeiten", sinnierte Zoe. „Nun, man kann ein Gebäude so verzaubern, dass es auf einer Karte nicht zu orten ist, oder?"
„Ähm – wenn du meinst", sprach Harry unsicher.
„Aber ich glaube, wie Zoe schon sagt, muss Durmstrang irgendwo im hohen Norden sein", meinte Hermine nachdenklich. „Wo es ganz kalt ist – bei denen gehören nämlich Pelzmützen zur Schuluniform."
„Aah, denkt doch mal an die Möglichkeiten", sagte Ronald und sah an die Abteildecke. „Es wäre so einfach gewesen, Malfoy von einem Gletscher zu stoßen und die Sache wie einen Unfall aussehen zu lassen ... jammerschade, dass seine Mutter ihn mag ..."
Während sie anschließend weiter darüber grübelten, welches Ereignis in Hogwarts stattfinden würde fuhr der Hogwarts-Express in die Dunkelheit hinein. Die Regenwolken verdichteten sich und dicke Tropfen klatschten gegen die Fensterscheiben. Bereits am Mittag wurden die Lampen im Zug angeschaltet und als die Dame mit dem Servierwagen an ihrem Abteil vorbeikam, kaufte Harry ihnen alle ein Stück Kesselkuchen.
Im Laufe der nachmittags kamen einige Gryffindors vorbei, um ihre Freunden zu begrüßen, und auch Tracey und Daphne steckten kurz den Kopf herein und forderten Zoe dazu auf ihr Abendessen am Slytherintisch einzunehmen. Diese versprach es ihren Freundinnen, die gerade Platz für Seamus Finnigen machte, der sich ins Abteil drängte und zwischen Neville Longbottom und Dean Thomas auf den letzten freien Sitz niederließ. Das Gespräch der Jungs drehte sich schnell nur noch um Quidditch und so verkroch sich Hermine hinter einem Lehrbuch und Zoe sah aus dem Fenster und betrachtete die dunklen Konturen der Landschaft an der sie vorbei reisten.
Wie hatte es ihr Großvater nur all die Wochen geschafft, dieses großartige Ereignis nie zu erwähnen? Hatte Zoe vielleicht nicht richtig zugehört, und deswegen keine Hinweise erhalten?
Noch einmal ging sie im Kopf ihre Ferienzeit durch. Doch sie konnte sich an nichts Außergewöhnliches erinnern.
Zoe wurde erst abermals aus den Gedanken gerissen, als Ron auf den Sitz krabbelte, um seinen Koffer zu durchwühlen. Schließlich präsentierte er seinen Freunden stolze die kleine Nachbildung von Viktor Krum. Neville, der offensichtlich die Weltmeisterschaft nicht besuchen durfte, betrachtete sie neidisch.
„Wahnsinn", konnte er nur hervorbringen und sah dabei zu, wie Ron die Miniatur anschubste.
„Wir haben ihn ganz aus der Nähe gesehen", erzählte der Rothaarige stolz. „Wir waren in der Ehrenloge."
„Zum ersten und letzten Mal in deinem Leben, Weasley."
Zoe sah zur Tür, doch es wäre gar nicht notwendig gewesen. Sie hätte Dracos überhebliche Stimme unter tausenden wiedererkannt. Mit einem überlegenen Lächeln stand er in der Tür, flankiert von Gregory und Vincent.
„Ich erinnere mich nicht, dich eingeladen zu haben, Malfoy", sprach Harry kalt, doch Draco ignorierte ihn einfach.
Sein Augenmerk fiel auf den abgedeckten Eulenkäfig und er sagte: „Hör mal, Weasley ... was ist das denn?"
Ron folgte seinen Blick und versuchte hastig den rüschenbesetzten Umhang zu verstecken, doch der Slytherin war schneller gewesen. Er schnappte sich den mitgenommenen Stoffumhang und hob ihn auf Schulterhöhe und erst jetzt erkannte Zoe, dass es offensichtlich ein Festumhang war – Rons immer dunklerer Gesichtsfarbe nach zu deuten, sein Festumhang.
„Seht euch das an!", schnarrte Draco und zeigte den Umhang seinen beiden Freunden. „Weasley, du hast doch nicht etwa die Absicht, den wirklich zu tragen? Immerhin – um 1890 herum war es sicher der letzte Schrei ..."
Die Slytherins grölten vor Lachen.
„Friss Mist, Malfoy!", fauchte Ron und riss Draco den Umhang aus den Händen.
„Aha ... du willst dich also bewerben, Weasley? Willst den Namen deiner Familie mit ein wenig Ruhm bekleckern? Geld ist auch im Spiel, du weißt ja ... könntest dir ein paar anständige Umhänge leisten, wenn du gewinnen würdest ...", stichelte Draco weiter.
Ron starrte ihn jedoch nur wütend an.
„Wovon redest du eigentlich?", fragte er schließlich.
Dracos sah einen Moment verdutzt aus. Sein Blick fiel von Ron auf Zoe und wieder auf Ron. Dann verzerrte ein schiefes Lächeln sein Gesicht.
„Machst du mit?", sagte Draco misstrauisch, sah Harry an und fügte hinzu: „Du, Potter, auf jeden Fall, schätze ich. Du lässt doch keine Gelegenheit aus, um den Angeber zu markieren, oder?"
„Entweder du erklärst, wovon du redest, oder du verschwindest, Malfoy", meinte Hermine gereizt und setzte zum ersten Mal ihr Buch ab.
Dracos Lächeln wurde zu einem hämischen Grinsen.
„Erzähl mir bloß nicht, dass du keine Ahnung hast, Weasley?", höhnte Draco genüsslich. „Du hast einen Vater und einen Bruder im Ministerium und du weißt es nicht mal? Eure kleine Freundin, Zoe, sitzt direkt an der Quelle und ihr wisst von nichts? Hör mal, mein Vater hat es mir schon vor einer Ewigkeit erzählt ... hat es von Cornelius Fudge erfahren. So ist es eben, Vater hat immer mit den Topleuten im Ministerium zu tun ... vielleicht ist deiner ein zu kleines Licht und darf es überhaupt nicht wissen, Weasley ... tja ... wenn er in der Nähe ist, reden sie wahrscheinlich nicht über wichtige Dinge ..."
Die drei Slytherins jaulten auf vor Lachen und schließlich sprang Ron auf und schmiss die Schiebetür so schwungvoll zu, dass sie einen Sprung bekam. Lachend trollten sich Draco mit seinem Gefolge. Als sie fort waren, legte Hermine ihr Buch zur Seite, tadelte Ron und reparierte die Scheibe mit einem simplen ‚Reparo'.
„Das Aas", knurrte Ronald, „tut so, als ob er alles wüsste und wir nicht ... ‚Vater hat immer mit den Topleuten im Ministerium zu tun' ... Mein Dad hätte sich jederzeit befördern lassen können ... ihm gefällt eben die Arbeit, die er jetzt macht ..."
„Natürlich, das wissen wir", versuchte Hermine ihren Freund zu beruhigen.
„Du weißt doch, wie Draco ist", bestätigte Zoe und entspannte sich allmählich wieder.
Hermine nickte bekräftigend und ermahnte: „Lass dich doch nicht von ihm ärgern, Ron –"
„Er! Und mich ärgern!", wiederholte Ron wütend und zerdrückte einen übrig gebliebenen Kesselkuchen. „Schwachsinn!"
Seine miserable Laune konnten sie ihm während der restlichen Fahrt auch nicht mehr nehmen. Schließlich begann der Hogwarts-Express zu bremsen, als sie endlich in den Bahnhof einliefen. Ein Donnergrollen begleitete das Geschnatter der Schüler beim Ausstieg.
Zoe sah Hagrid, der alle überragte und der die Erstklässler einsammelte.
„Bei dem Wetter würde ich mich nicht d'rum reißen über den See zu fahren!", sagte Zoe an Hermine gewandt und reckte den Hals, um nach Daphne und Tracey Ausschau zu halten.
Als sie ihre Slytherinfreunde erblickte, verabschiedete sie sich von den Gryffindors und drängte sich durch die Schülermenge. Sie erreichte die Mädchen erst an den Kutschen und als sie gerade hineinklettern wollte erschien Theodore an ihrer Seite und half ihr beim Einsteigen.
Dann nahm er selbst auch Platz, gefolgt von Blaise und mit einem leichten Ruck rollte die Kutsche an und fuhr sie hinauf zum Schloss.
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