Harrys Entdeckung

Am nächsten Morgen war Zoe bereits vor dem Wecker erwacht. Das Dunkle Mal auf ihrem Unterarm hatte die ganze Nacht über gebrannt und ab und an klopfend pulsiert und so hatte Zoe keinen erholsamen Schlaf finden können. Vorsichtig schaltete sie ihn ab, lauschte nach ihren schlafenden Zimmergenossinnen und zog sich leise an. Dann schlich sie sich in den Waschraum, erledigte die Morgentoilette und wartete ungeduldig darauf, dass die Sperrstunde endlich endete. Als der große Zeiger auf die Zwölf sprang, trat Zoe aus dem noch leeren Gemeinschaftsraum und schlug den direkten Weg in die Eulerei ein. Sie nahm eine Abkürzung, übersprang die Trickstufe und war schließlich die Erste, die im Morgengrauen den Eulenturm aufsuchte. Die Stangen waren fast alle leer und die Vögel kamen erst nach und nach von der Jagd zurück. Hätte Zoe nicht so ungeduldig auf ihre Freunde gewartet, hätte sie das Schauspiel sicher interessiert beobachtet, doch nun schritt sie nur rastlos hin und her und spähte ab und zu die Treppe hinunter, in der Hoffnung einen der Gryffindors zu erblicken.

Es dauerte eine geschlagene Viertelstunde, bis Harry schließlich in Begleitung von Ron und Hermine in der Eulerei erschienen.

„Was ist passiert?", wollte Zoe sogleich wissen.

„Mr Crouch", sagte Harry sofort, „er ist gestern am Rande des Verbotenen Waldes aufgetaucht!"

„Wirklich?", fragte Zoe überrascht und sah die beiden anderen an.

Harry nickte und sagte: „Ja, er war ganz durch den Wind. Hat zusammenhangslose Sachen gesagt. Mit einem Baum geredet, den er für Percy hielt und davon, dass er einen großen Fehler gemacht hat ..."

„Er schien geistig verwirrt zu sein", erklärte Hermine, weil Harry nicht auf den Punkt kam.

„Genau", stimmte der Schwarzhaarige zu, „und er wollte unbedingt mit deinem Großvater sprechen. Deswegen bin ich hoch zum Schloss gelaufen, um ihn zu holen und-"

„Du hast ihn alleine gelassen?", fragte Zoe entsetzt.

„Nein, Viktor war doch beim ihm!"

„Viktor?"

„Harry", unterbrach Hermine die beiden, „du musst von ganz vorne anfangen: Gestern Abend, da wurden die Champions zum Quidditch-Feld gerufen, um sich die dritte Aufgabe anzusehen. Und danach wollte Viktor Harry unter vier Augen sprechen und dann sind sie auf Mr Crouch gestoßen, der offenbar aus dem Verbotenen Wald gestolpert kam."

Harry nickte ungeduldig und fuhr fort: „Ich bat Viktor darum, ein Auge auf Crouch zu halten, damit ich Dumbledore rufen konnte. Doch als wir zurückkamen, da lag Viktor am Boden und Crouch war weg."

Zoe sah den Gryffindor aus großen Augen an.

„Was ist mit Viktor passiert?", wollte sie wissen.

„Schockzauber vermutlich", antwortete Harry. „Er kann sich an nichts erinnern. Dumbledore hat Professor Moody sofort auf die Suche nach Crouch geschickt, doch er hat ihn nicht gefunden."

Einen Moment dachte Zoe über all die Informationen nach, dann fasste sie zusammen: „Das heißt, sie wurden angegriffen und der Angreifer hat Mr Crouch entführt?"

„Möglicherweise", sagte Harry.

„Oder – aber das halte ich für unwahrscheinlich, so wie Harry seinen Zustand beschrieben hat – Mr Crouch hat Viktor angegriffen", meinte Hermine nachdenklich.

„Wer war denn noch mit euch am Quidditch-Feld?", wollte Zoe wissen.

„Da waren nur die Champions und Mr Bagman ... Aber die sind alle vor unseren Augen hoch zum Schloss gegangen", meinte Harry sofort. „Ich bin nur kurz da geblieben, weil Krum mit mir reden wollte ..."

„Was hat Großvater gemeint, nachdem er das alles gesehen hat?", fragte Zoe.

„Er ließ Karkaroff rufen, wegen Krum, und der hat wieder getobt. Meinte, das Turnier würde zu seinen Missgunsten manipuliert werden und solche Sachen. Dann hat er Hagrid und mich ins Schloss geschickt", erklärte Harry knapp.

Sie schwiegen einen Moment nachdenklich und nur das Flattern der ankommenden Eulen war zu hören.

„Ich hab Sirius einen Brief geschrieben", sagte Harry und deutete auf den Umschlag in seinen Händen.

Just in dem Moment kam eine Schleiereule hereingeflogen, die der Gryffindor sofort verpflichtete. Nachdem er ihr den Brief ans Bein gebunden hatte, flog sie hinaus in die nebelverhangenen Ländereien Hogwarts'.

„Lass uns das Ganze noch mal durchgehen, Harry", meinte Hermine und wandte sich vom Fenster ab. „Was genau hat Mr Crouch gesagt?"

„Ich hab's dir doch schon erzählt, es war viel wirres Zeugs darunter", seufzte Harry. „Er wollte Dumbledore vor etwas warnen. Jedenfalls hat er von Bertha Jorkins gesprochen und schien sie für tot zu halten. Immer wieder hat er gesagt, es sei seine Schuld gewesen ... und seinen Sohn hat er auch erwähnt."

„Ja, das war allerdings wirklich seine Schuld", giftete Hermine.

„Er hielt Bertha Jorkins für tot?", hakte Zoe nun nach.

„Ja", sagte Harry, „aber er war vollkommen durcheinander. Mir kam's immer wieder so vor, als glaube er, seine Frau und sein Sohn seien noch am Leben, und dauernd hat er mit einem eingebildeten Percy geredet und ihm irgendwelche Anweisungen für die Arbeit erteilt."

„Und ... was hat er noch mal über Du-weißt-schon-wen gesagt?", erinnerte Ron seinen Freund und Zoe wurde hellhörig.

Nun schien Harry allmählich zu resignieren, aber er sagte: „Hab ich doch schon gesagt. Er sei stärker geworden."

Bedrücktes Schweigen legte sich über sie.

„Mr Crouch hat über ... Du-weißt-schon-wen gesprochen?", fragte Zoe und schauderte unwillkürlich.

Noch immer fühlte sie das Dunkle Mal auf ihrem Arm pulsieren. Harry nickte einfach nur.

Schließlich sagte Ron mit einer ungewöhnlich hellen Stimme: „Aber du sagst doch selbst, dass er völlig durcheinander war, und die halbe Zeit hat er wahrscheinlich nur rumgesponnen ..."

„Er klang am klarsten, als er von Voldemort gesprochen hat", meinte Harry und Zoe zuckte beim Klang des Namens zusammen und bedachte ihren Freund mit einem Muss-das-denn-sein-Blick. „Sonst ist es ihm recht schwer gefallen, seine Gedanken auf die Reihe zu bringen, aber bei Voldemort schien er zu wissen, wovon er redete und was er wollte. Er sagte immer wieder, er wolle Dumbledore sehen."

Harry kehrte nun auch dem Fenster den Rücken und trat ein am Boden liegendes Gewölle weg.

„Wenn Snape mich nur nicht aufgehalten hätte", fluchte er leise vor sich hin.

„Was hat Professor Snape denn jetzt schon wieder damit zu tun?", fragte Zoe genervt und verschränkte die Arme vor der Brust.

„Er hat mich aufgehalten!", rief Harry entrüstet auf. „Als ich vor Dumbledores Büro stand, und das Passwort nicht wusste, da kam er von oben heraus und hat mich einfach nicht durchgelassen! Sonst wären wir vielleicht noch rechtzeitig gekommen. ‚Der Direktor ist beschäftigt, Potter ... was soll dieser Unsinn, Potter?'", äffte er seinen Zaubertranklehrer nach. „Warum konnte er nicht einfach verduften?"

„Vielleicht wollte er gar nicht, dass du dorthin zurückgehst!", warf Ron sofort ein und Zoe stöhnte genervt auf. „Vielleicht – wart mal kurz – wie schnell, glaubst du, hätte er in den Wald kommen können? Denkst du, er hätte es vor dir und Dumbledore geschafft?"

„Nur dann, wenn er sich in eine Fledermaus verwandeln konnte", antwortete Harry verbittert.

Ron lachte trocken und brummte: „Das würd ich ihm glatt zutrauen."

„Wir müssen zu Professor Moody", schlug Hermine vor, „und ihn fragen, ob er Mr Crouch gefunden hat."

„Professor Moody wäre nun nicht mein vertrauter Ansprechpartner", widersprach Zoe, die dem Ex-Auror noch immer misstraute.

„Aber er hat sich auf die Suche nach Mr Crouch gemacht", erklärte Hermine, „vielleicht ist ihm noch etwas Verdächtiges aufgefallen."

„Wenn er die Karte des Rumtreibers mithatte, war es sicher einfach nach ihm zu suchen", meinte Harry.

„Oder Crouch war schon außerhalb des Geländes", spekulierte Ron, „weil sie ja nur bis zur Grenze-"

„Schhh!", zischte Hermine und sie hielten alle den Atem an.

Stimmen wehten zu ihnen herüber, als sich jemand der Eulerei näherte und die Treppe hinaufkam. Doch Zoe konnte sie nicht direkt zuordnen.

„– das ist Erpressung, sag ich dir, das kann uns 'ne Menge Ärger einbringen-"

„– wir haben es lange genug auf die nette Tour versucht, wird allmählich Zeit, dass wir die harte Gangart einschlagen, tut er ja auch. Es wäre ihm sicher unangenehm, wenn man im Zaubereiministerium erfährt, was er getan hat-"

„Ich sag dir, wenn du das schreibst, ist es Erpressung!"

„Jaah, und ausgerechnet du wirst dich beklagen, wenn 'ne hübsche Summe dabei rausspringt?"

Die Tür der Eulerei schlug auf und noch im Rahmen blieben Fred und George ertappt stehen, als sie die Vier erblickten.

„Was macht ihr denn hier?", fragten Ron und Fred gleichzeitig.

„Post verschicken", antworteten Harry und George wie auf Kommando.

„Wie, so früh?", sagten Hermine und Fred.

Zoe musste lachen und so fiel auch die Anspannung von den anderen.

„Schön", meinte Fred, grinste und bedeckte mit der Hand die Adresse auf dem versiegelten Umschlag, „wir fragen euch nicht, was ihr hier zu suchen habt, wenn ihr uns nicht fragt, was wir hier treiben."

Als keiner von ihnen reagierte, fügte er mit einer Verbeugung zur Tür hinzu: „Lasst euch von uns nicht aufhalten."

Doch Ron ließ sich nicht so schnell abwimmeln.

„Wen wollt ihr erpressen?", fragte er.

Die Zwillinge tauschten einen ernsten Blick, dann kehrte ein Grinsen auf Freds Gesicht zurück, bevor er antwortete: „Mach dich nicht lächerlich, ich hab nur Witze gemacht."

„Klang aber gar nicht danach", beharrte Ron.

„Ich hab's dir doch schon mal gesagt, Ron", sprach Fred nun mit brüderlich rauem Tonfall, „steck deine Nase nicht da rein, wenn du sie hübsch findest, so wie sie ist. Weiß zwar nicht, warum das so sein sollte, aber ..."

„Es ist auch meine Angelegenheit, wenn ihr jemanden erpresst", sagte Ron. „George hat Recht, ihr könntet ernsthaft Ärger kriegen."

Georges nahm seinen Zwilling den Brief aus den Händen, Band ihn an das Bein einer Schuleule und sagte dann zu Ron: „Ich hab dir doch gesagt, dass ich einen Witz gemacht hab! Du klingst allmählich wie unser lieber älterer Bruder, muss ich sagen. Mach so weiter, und sie ernennen dich noch zum Schulsprecher."

Das schien Ronald für eine persönliche Beleidigung zu halten.

„Was für ein Blödsinn!", sagte er entrüstet.

Ohne abzuwarten trug George die Eule zum Fenster und entließ sie in den Nebeldunst.

„Na dann hör auf, den Leuten vorzuschreiben, was sie tun sollen", sagte er ernst. „Bis später."

Und mit den Worten verschwanden die Zwillinge wieder und ließen Zoe, Hermine, Harry und Ron mit verdutzten Mienen zurück.

„Ihr glaubt doch nicht, dass sie etwas von alldem mitbekommen haben?", fragte Hermine besorgt, als sie außer Hörweite waren. „Von Crouch und so weiter?"

„Nein", meinte Harry. „Wenn es etwas so Ernstes wäre, dann würden sie es jemandem sagen. Zumindest Dumbledore."

Ron tauschte einen besorgten Blick mit ihnen und Hermine hakte nach: „Was ist los mit dir?"

„Na ja ...", druckste er herum, „ich bin mir da nicht so sicher. Sie ... sie sind in letzter Zeit ganz scharf darauf, Geld zu machen, das ist mir aufgefallen, als ich öfter mit ihnen rumgehangen bin, – als – ihr wisst schon-"

„Als wir nicht miteinander redeten", beendete Harry den Satz für ihn. „Sicher, aber Erpressung ..."

„Das ist kriminell", meinte Zoe. „Damit würden sie nicht weit kommen und ich denke, dass sie das auch wissen."

„Sie haben sich diese Sache mit dem Zauberscherzladen aber in den Kopf gesetzt", erklärte Ronald weiter. „Ich dachte zuerst, sie wollten damit nur Mum ärgern, aber sie meinen es ernst, sie wollen einen Laden aufmachen. Sie haben nur noch ein Jahr in Hogwarts, ständig reden sie davon, es sei an der Zeit, über die Zukunft nachzudenken, und dass Dad ihnen nicht helfen könne und dass sie Gold brauchten, um überhaupt anfangen zu können."

Hermine sah besorgt von Ron zu Zoe und meinte dann: „Schon, aber ... sie würden nichts Ungesetzliches tun, oder doch?"

„Oder doch?", wollte Ron von ihr mit zweifelnder Miene wissen.

„Natürlich nicht!", beschwor Zoe.

Ron verzog den Mund und seufzte, bevor er meinte: „Keine Ahnung ... jedenfalls haben sie keine großen Probleme damit, Regeln zu verletzen."

„Ja, aber hier geht's um das Gesetz", betonte Hermine. „Und nicht um eine alberne Vorschrift in der Hausordnung ... bei Erpressung kommen sie mit Nachsitzen nicht davon! Ron ... vielleicht solltest du es Percy sagen ..."

„Bist du verrückt?", sprach Ron und sah sie entsetzt an. „Percy? Er würde wahrscheinlich einen auf Crouch machen und sie einbuchten lassen!" Er warf einen besorgten Blick aus dem Fenster, dann meinte er: „Kommt, lasst uns was frühstücken."

„Glaubt ihr, es ist noch zu früh, um zu Professor Moody zu gehen?", wollte Hermine ungeduldig wissen, als sie die Treppe hinabliefen.

„Ja", antwortete Harry sofort. „Wenn wir ihn im Morgengrauen wecken, wird er wahrscheinlich glauben, wir wollten ihn angreifen, und dann sprengt er uns glattweg durch die Tür. Warten wir lieber bis zur großen Pause."

Als sie durch die Korridore liefen und Zoe über all das nachdachte, worüber sie zuvor gesprochen hatten, fiel ihr ein, dass Harry gar nichts über seine nächste Prüfung erzählt hatte.

„Was ist die letzte Aufgabe?", wollte Zoe wissen, als sie die Marmortreppe zur Eingangshalle hinab gingen.

„Wir müssen den Trimagischen Pokal in einem Irrgarten mit Hindernissen finden", antwortete Harry.

„Was für Hindernisse?", wollte die Slytherin wissen.

„Es könnte alles sein", grübelte Hermine. „Am besten setzten wir uns schnellstmöglich in die Bibliothek und suchen nach nützlichen Zaubern. Wir könnten eine Liste machen und sie abarbeiten"

Zoe, Harry und Ron warfen sich hinter Hermines Rücken amüsierte Blicke zu und folgten ihrer Freundin in die Große Halle, während diese eifrig weiter Pläne schmiedete.

Kräuterkunde war der richtige Start für diesen Unterrichtstag. Er verschaffte Zoe die notwendige Ablenkung nach all den neuen Input, den sie heute von ihren Freunden bekommen hatte. Sie halfen Madame Sprout dabei, eine Reihe Stecklinge von Orakelpflanzen zu setzten, die Professor Trelawney für ihren Unterricht benötigte. Dazu mussten sie diese erst separieren, ausputzen, einsetzten, düngen und schließlich gießen.

Es war eine lockere Stunde, in der auch etwas Zeit zum Plaudern blieb und in der sich Zoe zusammen mit ihren Slytherinfreundinnen die Gefahren des Labyrinths – der dritten Aufgabe – ausmalte. Sie spekulierten, wer gewinnen würde und stellten dabei fest, dass Harrys Chancen mit dem Punktestand gar nicht so schlecht waren. Zoe hoffte inzwischen, dass der Einwurf von Harrys Namen in den Feuerkelch nur ein fieser Streich gewesen war und er diese letzte Aufgabe ebenfalls unversehrt hinter sich bringen konnte.

Als es läutete, wuschen sie sich die erdverkrusteten Finger und liefen den, von der Frühlingssonne beschienen, Hang zum Schloss hinauf. Tracey und Daphne wollten sich am Tisch nur eine Kleinigkeit zum Essen nehmen und die Pause im Hof verbringen, doch Zoe lehnte ihre Einladung ab. Sie wollte unbedingt wissen, was Harry, Ron und Hermine von Professor Moody erfahren hatten und so wartete sie am Gryffindor-Tisch darauf, dass sie endlich eintrudelten.

Unterdessen plauderte Zoe mit Ginny und den Zwillingen und war schon fast mit den Essen fertig, als sich ihre Freunde am Tisch einfanden. Sie nahmen Platz und die Slytherin wartete, bis sie sich ihre Teller gefüllt hatten, bevor sie fragte: „Was hat Moody gemeint?"

„Nur dass er verschwunden ist", erklärte Harry knapp, „und dass das Ministerium von seinem Auftauchen hier unterrichtet wurde."

„Also suchen die jetzt auch nach ihm?", wollte Zoe wissen.

„Sehr wahrscheinlich", spekulierte Hermine, „wobei, wenn man an Bertha denkt ..."

Zwei Eulen landeten vor ihnen auf dem Tisch und brachten Hermine ihren Tagespropheten und Harry eine Antwort von Sirius. Zoe reckte den Hals, damit sie lesen konnte, was ihr Vater Harry geschrieben hatte.


Harry – wie konntest du dich darauf einlassen, mit Viktor Krum in den Wald zu gehen? Schwöre mir bitte eulenwendend, dass du mit niemandem mehr nachts spazieren gehst. In Hogwarts ist jemand, der höchst gefährlich ist. Für mich ist offensichtlich, dass sie nicht wollten, dass Crouch mit Dumbledore spricht, und sie waren vermutlich nur ein paar Meter von dir entfernt in der Dunkelheit. Sie hätten dich umbringen können.

Dein Name ist nicht zufällig in den Feuerkelch geraten. Wenn dich jemand angreifen will, dann hat er jetzt seine letzte Chance. Bleib immer in der Nähe von Zoe, Ron und Hermine, verlass abends nicht mehr den Gryffindor-Turm und wappne dich für die dritte Aufgabe. Übe Schockzaubern und Entwaffnen. Ein paar Hexereien können auch nicht schaden.

In dieser Crouch-Sache kannst du nichts tun. Halt dich bedeckt und pass auf dich auf. Ich erwarte deinen Brief mit dem Versprechen, dass du dich nicht wieder draußen rumtreibst.

Sirius


Harry faltete den Brief zusammen und sah entrüstet zu Zoe und meinte: „Ausgerechnet er will mir was erzählen von wegen draußen rumtreiben? Nach all dem, was er selbst damals in der Schule getrieben hat!"

„Er macht sich Sorgen um dich!", meinte Hermine, die erleichtert festgestellt hatte, dass der Tagesprophet nichts von Mr Crouch erfahren hatte. „Genau wie Moody und Hagrid! Also hör auf ihn!"

„Das ganze Jahr über hat keiner versucht, mich anzugreifen", sagte Harry. „Niemand hat mir auch nur ein Haar gekrümmt-"

„Außer, dass jemand deinen Namen in den Feuerkelch geworfen hat", unterbrach ihn Hermine. „Und der oder die müssen das aus einem bestimmten Grund getan haben, Harry. Schnuffel hat Recht. Vielleicht haben sie nur abgewartet. Vielleicht ist es genau diese Runde, bei der sie dich kriegen wollen."

„Pass auf", sagte Harry ungeduldig, „nehmen wir an, Schnuffel hat Recht und jemand hat Krum einen Schocker verpasst und Crouch entführt. Gut, dann wären sie doch irgendwo hinter den Bäumen um uns her gewesen? Aber sie haben gewartet, bis ich fort war, und dann erst angegriffen. Also sieht's nicht danach aus, als ob sie es auf mich abgesehen hätten!"

Hermine sah ihn flehend an und erklärte: „Sie hätten es nicht nach einem Unfall aussehen lassen können, wenn sie dich im Wald ermordet hätten! Aber wenn du während einer Turnierrunde stirbst-"

„Aber Krum haben sie doch einfach angegriffen", sagte Harry. „Warum haben sie mich dann nicht auch gleich weggeputzt? Sie hätten es zum Beispiel so aussehen lassen können, als ob Krum und ich uns duelliert hätten."

„Ich find's auch komisch. Die Gelegenheit war schon ein paar Mal da ...", mischte sich Zoe nachdenklich ein.

„Ich versteh's ja auch nicht", sagte Hermine verzweifelt. „Ich weiß nur, dass eine Menge merkwürdiger Dinge passieren, und mir gefällt das überhaupt nicht ... Moody hat Recht – Schnuffel hat Recht – Harry muss endlich für die dritte Runde trainieren, und zwar sofort." Und an den Schwarzhaarigen gewandt, meinte sie: „Und vergiss ja nicht, Schnuffel zu antworten und ihm zu versprechen, dass du dich nicht mehr alleine rumtreibst."

Harry warf Zoe einen skeptischen Blick zu und die Slytherin meinte: „Es sind nur noch ein paar Wochen, bis zum Ende des Turniers und Vorsicht, ist besser als Nachsicht, oder?"

„DANKE!", sagte Hermine und knallte ihr Glas auf den Tisch. „Damit sind wir uns ja einig! Ich würde sagen, wir treffen uns nach dem Unterricht in der Bibliothek und suchen nach ein paar nützlichen Zaubern für dich, oder?"

Harry warf ihnen einen genervten Blick zu, nickte aber schließlich.

Zoe konnte es Harry jedoch nachfühlen, wie schwer ihm es fallen musste, auf diesen Rat zu hören. Das herrliche Wetter wurde von jedem Tag an verlockender und auch Zoe zog es nun regelmäßig in den Pausen auf den Hof. Der Sommer nahte und wann immer die Slytherin mit Harry zusammen im Klassenzimmer Zauber übte, beneidete sie Daphne und Tracey, die sich genüsslich in der immer wärmer werdenden Sonne fläzten.

„Ach weißt du, ich glaube, Harry hat es jetzt ohnehin raus", sagte Hermine und stieß Zoe an und weckte die Slytherin damit aus ihrem Tagtraum. „Schockzauber kannst du abhaken, Zoe. Und wegen Entwaffnung müssen wir uns keine Sorgen machen, das kann er ja schon ewig." Hermine schielte auf die Liste mit den nützlichen Zaubern, die auf Zoes Schoß lag und die sie in der Bibliothek erstellt hatten.

Die Slytherin gähnte herzhaft und beobachtete, wie Ron sich die schmerzenden Ellen rieb. Seit einer Stunde schon, ließen sie Harry den Schockzauber üben und Ron war zum notwendige Opfer auserkoren worden. Leider war es häufig vorgekommen, dass er neben anstatt auf die vorgesehenen Kissen gestürzt war. Das trug auch erheblich zu seiner schlechten Laune bei.

„Der hier gefällt mir", sagte Hermine und tippte auf den vorletzten Zauber, „dieser Lähmfluch. Soll alles verlangsamen, was dich angreifen will, Harry. Mit dem fangen wir an."

Das Ende der Pause wurde durch das Läuten der Glocken angekündigt und Zoe fragte sich, wie sie in ihren derzeit trägen Zustand in Arithmantik mitkommen sollte. Hermine zauberte eilig die Kissen zurück in den Schrank, dann schlüpften sie aus dem Zauberkunstklassenzimmer heraus und Ron und Harry verabschiedeten sich von ihnen.

„Wir sehen uns beim Abendessen!", meinte Hermine fröhlich und hakte sich bei Zoe ein. „Ich bin schon ein bisschen erleichtert, dass wir so gut vorankommen."

Zoe brummte nur zur Antwort.

„Du könntest jetzt einen Aufwachtrank gebrauchen, was?", scherzte Hermine.

„Hast du einen dabei?", wollte Zoe hoffnungsvoll wissen.

„Natürlich nicht!", gab Hermine gleich zurück und wurde wieder ernst.

Arithmantik verlief genauso wie erwartet. Zoe kam nicht im Geringsten mit, machte ständig Konzentrationsfehler und war irgendwann dazu übergegangen einfach nur von Hermine abzuschreiben. Die Sonne schien durch die Fenster und Zoe kämpfte damit die Augen überhaupt noch offen zu halten. Zu allem Überfluss begann auch wieder das Dunkle Mal auf ihrem Unterarm zu brennen und lenkte sie noch mehr ab, sodass Zoe unheimlich dankbar war, als der Unterricht endgültig endete. Erschöpft packte sie ihre Tasche und sagte zu Hermine gewandt: „Schafft ihr das heute auch mal ohne mich?"

Die Gryffindor warf ihr einen besorgten Blick zu.

„Ist dir nicht gut?", fragte sie sogleich.

„Ich fühl mich ein bisschen schlapp und würde mich gerne ausruhen."

„Klar, mach dir keine Sorgen", meinte Hermine, „ruh dich aus und dann sehen wir uns zum Abendessen."

„Vielleicht", sagte Zoe gähnend.

Sie verabschiedete sich von der Gryffindor und zockelte den Slytherins hinterher in ihren Gemeinschaftsraum, wo sie sich vor dem Kamin kauerte und vor dem Schlafen gehen, noch ein wenig in der neuen Ausgabe von Verwandlung heute las.

Am nächsten Morgen saß Zoe bei den Slytherins am Frühstückstisch und aß ihre Flakes, während sie Theo und Blaise bei einem Streitgespräch über Quidditch lauschte.

Daphne und Tracey hatten die Köpfe in ein Teenagermagazin für junge Hexen mit dem Namen Hex!Hex! gebeugt und füllten kichernd einen Test aus, während die Durmstrang-Gruppe um Kylian, immer wieder interessiert zu ihnen herübersah.

Zoe ließ den Blick über den Tisch gleiten. Viktor Krum saß alleine am Kopfende und stocherte gedankenverloren auf seinem Teller herum. Er hatte sich schnell wieder vom Schockzauber erholt und war ohne jegliche Einbußen davongekommen. Es war ruhig an diesem freien Morgen und die Schüler waren ausgelassen. Doch diese Ruhe hatte ein jähes Ende, als Draco mit seiner Bande die Halle betrat. Gregory schubste auf dem Weg zu ihrem Haustisch mehrere Erstklässler zur Seite, die einfach nur die Halle verlassen wollten und Draco bedachte sie unterdessen mit hämischen Kommentaren. Als Zoe mit einem genervten Blick zu ihm hinüber sah, erwiderte er ihn und schnitt ihr eine bescheuerte Grimasse.

Augenrollend wandte sie sich wieder ab und schob ihre leere Flakes-Schale von sich.

„Kommt ihr mit in den Hof?", wollte Zoe von ihren beiden Freundinnen wissen.

Tracey hob den Kopf und meinte: „Nein, danke!" Bevor sie sich wieder in dem Magazin vertiefte aus dem Daphne gerade einen Artikel vorlas.

Zoe warf einen kurzen Blick auf die wolkenfreie verzauberte Decke über ihnen, erhob sich und schlug entschlossen den Weg nach draußen ein. Nach all der Lernerei in den letzten Tagen wollte sie sich unbedingt wieder einmal an der frischen Luft bewegen. Noch bevor sie die Eingangshalle komplett durchquert hatten, holte Harry sie ein.

„Warte!", hatte der Gryffindor ihr nachgerufen, „Ich komme mit!"

Überrascht war Zoe an der Tür stehen geblieben und hielt ihrem Freund die Tür auf, damit er hindurchschlüpfen konnte. Fragend sah sie zurück zu Hermine und Ron, die ihr zuwinkten und dann die Marmortreppe hinaufgingen.

„Was ist mit den beiden?", wollte die Slytherin wissen.

„Ich möchte mit dir alleine sprechen", sagte Harry verschwörerisch.

Zoe bekam Angst und fragte: „Ist etwas passiert?"

Der Gryffindor nickte nur, wimmelte sie aber zunächst ab und meinte: „Lasst uns erst ein Stück gehen."

Zoe war nicht die Einzige gewesen, die auf die Idee eines morgendlichen Spaziergangs gekommen war. Im Hof waren schon ein paar Schülergruppen. Einige hatten sich auf ihren Umhängen auf dem Rasen gemütlich gemacht und die zwei suchten sich ein Plätzchen, an dem sie ungestört waren. Harry begann sofort zu erzählen, als hätte es ihm schon die ganze Nacht auf der Zunge gelegen: „Ich hab's gestern Abend schon mit Ron und Hermine besprochen. Aber .... Also gestern, in Wahrsagen, da hatte ich wieder so einen Traum ..."

„Du meinst den Traum, mit Du-weißt-schon-wem?", wollte Zoe nervös wissen.

Harry nickte und fuhr fort: „Ich war wieder in diesem Zimmer ... mit Wurmschwanz und Voldemort. Eine Eule brachte ihnen einen Brief und darin stand wohl, dass Wurmschwanz' Fehler behoben wäre, weil er nun tot ist."

„Wer?", fragte Zoe ängstlich.

„Ich weiß nicht, wen er meinte", sagte Harry sofort. Er sah sich im Hof um und lehnte sich schließlich gegen eine große Eulenstatue „Voldemort hat Wurmschwanz beglückwünscht, weil er ihn nicht an die Schlange verfüttern würde und ihn dann mit dem Cruciatus-Fluch gefoltert. Das war der Moment, in dem ich wach wurde, weil meine Narbe so sehr geschmerzt hat."

Die Slytherin betrachtet ihren Freund nur besorgt und wusste nicht so recht, was sie darauf antworten sollte.

„Als ich dann hoch in das Büro deines Großvaters gegangen bin, musste ich einen Moment auf ihn warten, weil er mit dem Zaubereiminister die Stelle, an der Crouch verschwunden ist, besichtigen wollte." Er machte eine kurze Pause und biss sich auf die Lippen. „Während ich also alleine im Büro wartete, da fiel mir dieses Ding auf ..."

„Was für ein Ding?", fragte Zoe, die wusste, dass im Büro ihres Großvaters unzählige mysteriöse Gerätschaften standen, von denen sie selbst nicht alle benennen konnte.

„Es war eine große steinerne Schale, mit einer merkwürdigen Flüssigkeit darin."

„Sein Denkarium", sagte Zoe sofort.

„Genau so hieß es ... du weißt also, was es ist?"

„Er bewahrt darin seine Erinnerungen auf", erklärte Zoe und Harry nickte. „Und weiter?"

„Naja ... irgendwie bin ich ... sozusagen rein gefallen und hab da ..."

„Du bist", Zoe stockte vor Entsetzten, „in seine Erinnerungen eingedrungen?!"

Harry sah peinlich berührt von Zoe zum Boden und wieder zurück. Seine Wangen bekamen einen rosanen Glanz und er sagte hastig: „Es war ja keine Absicht! Ich bin einfach dem Glitzern gefolgt, hab in die Schale geschaut und ... irgendwie bin ich dann rein gefallen."

Das schien das Entsetzte der Slytherin keinesfalls zu mindern.

„Außerdem hat Dumbledore mich erwischt-"

Zoe biss sich vor Unbehagen auf die Unterlippe.

„ – er war gar nicht böse ..."

„War er nicht?", fragte sie überrascht und ungläubig zugleich.

„Also ... nicht so richtig, zumindest", gab der Gryffindor zu und sah Zoe wieder an. „Er hat mir sogar gestattet, ein paar Fragen über das, was ich da gesehen habe zu stellen."

„Was hast du gesehen?"

„Ich bin zunächst in einen Prozess hineingefallen – also vom Ministerium", erklärte Harry und sah sich nachdenklich im Hof um, während er sich erinnerte. „Es war der Prozess von Karkaroff. Er hat versucht, seinen Kopf zu retten, indem er andere Todesser verpfiffen hat."

„Nun ja, das ist ja keine neue Info ..."

„Stimmt. Doch in der nächsten Erinnerung war Ludo Bagman der Beschuldigte."

Zoe riss überrascht die Augen auf und hakte nach: „Was haben sie ihm vorgeworfen?"

„Mr Crouch – also, er war der Ankläger in diesen Prozessen – hat ihm so etwas wie ‚Umtriebigkeit mit den Todessern' zur Last gelegt. Aber Bagman hat alles abgestritten und gesagt, er habe nicht gewusst, dass dieser Ministeriumsangestellte ein Todesser war."

„Ein Ministeriumsangestellter?", fragte Zoe erschrocken. „Du-weißt-schon-wer hatte Anhänger aus dem Ministerium?"

Harry nickte und fuhr fort: „Offensichtlich. Bagman wurde durch Abstimmung freigesprochen. Das war während seiner Quidditch-Karriere, mir schien es fast so, als haben die Leute ihn einfach noch gut leiden können."

Zoe erwiderte zunächst nichts, doch der Gedanke an diesen Prozess beunruhigte sie.

„Was glaubst du?", wollte sie von ihrem Freund wissen. „War er unschuldig?"

„Ich weiß es nicht", gab Harry zu. „Dein Großvater sagte zumindest, er sei seitdem nie mehr einer solchen Tat beschuldigt worden."

„Die Geschichte gibt mir trotzdem zu denken, weil Bagman dir die ganze Zeit schon seine Hilfe für das Turnier anbietet. Findest du nicht?"

Harry sah ratlos drein.

Sie schwiegen eine Weile, weil ein Pärchen Siebtklässler aus Slytherin, dass durch den Hof spazierte, an ihnen vorbeischlenderte. Erst, als die beiden außer Hörweite waren, begann Harry weiter zu erzählen: „Ich hab auch den Prozess gesehen, in dem Mr Crouch seinen Sohn verurteilte ..."

Zoe sah von den Slytherins wieder zurück zu Harry, der etwas mitgenommen wirkte.

„Er war so jung. Hat seinen Vater angebettelt und gefleht, doch Crouch hat einfach knallhart gesagt: ‚Er habe keinen Sohn mehr'", erzählte der Gryffindor.

„Das ist ja furchtbar", sprach Zoe entsetzt. „Wie kann man denn so ... so gefühlskalt werden?"

„Keine Ahnung ... also ich hatte Mitleid mit ihm ..."

Die beiden hingen ein paar Sekunden ihren Gedanken nach. Doch für Zoe würde dieses Verhalten immer unverständlich bleiben. Irgendwann versuchte sie den Gedanken, an diese Szene zu verbannen und dann kam die Erinnerung an Harrys Traum zurück.

„Was hat Großvater über deinen Traum gesagt?"

Harry zögerte, bevor er antwortete: „Er hält es für möglich, dass es wirklich passiert ist." Zoe sah ihn entsetzt an der Gryffindor erzählte weiter: „Er glaubt, dass meine Fluchnarbe, eine Verbindung zu Voldemort ist."

„Harry! Nenn ihn doch nicht jedes Mal so!", flehte die Slytherin sofort.

„Doch, Zoe! Dein Großvater tut es auch!"

„Mein Großvater ist auch angeblich der Einzige, den Du-weiß-schon-wer je gefürchtet hat!", gab sie wütend zurück.

Harry zog die Brauen zusammen und fragte: „Wirklich?"

„Ja!"

„Aber warum?"

„Keine Ahnung, vielleicht weil er auch schon den Schwarzmagier Grindelwald besiegt hat?"

Harry dachte einen Moment nach. Dann nahm er den Faden wieder auf.

„Auf jeden Fall sagte er, dass das Verschwinden von Menschen typisch wäre und er das für ein sicheres Zeichen hält, dass er stärker wird. Er glaubt nicht daran, dass es Zufall ist, dass Bertha Jorkins an dem letzten bekannten Aufenthaltsort von ihm verschwand. Und Mr Crouch war auch nicht der Erste. Da gab es noch einen Muggel, der im Dorf seines Vaters als vermisst gilt, doch das Ministerium geht der Sache nicht nach, weil sie es für unerheblich halten ..."

„Das alles ist sehr beängstigend", meinte Zoe, ging in die Hocke und lehnte sich mit dem Rücken gegen den kalten Steinsockel der Statue.

„Das ist es allerdings", gab Harry zu und setzte sich neben sie auf den Boden. „Da ist aber noch etwas, Zoe, der Grund, warum ich alleine mit dir reden wollte ..."

Die Slytherin sah erschrocken zu Harry und fragte ängstlich: „Was?"

„Als ich den Prozess im Denkarium gesehen habe, in dem Karkaroff die Namen nannte, da war ... also, da nannte er unter anderem ..."

Zoe schloss für einen Atemzug die Augen, denn sie wusste genau, was Harry nun sagen würde. Sie wusste es einfach, auch wenn sie es anfangs nicht hatte wahrhaben wollen.

„Severus Snape", flüsterte sie leise und öffnete die Augen.

Harry sah sie besorgt, jedoch ernst an. Dann nickte er und fragte: „Hast du das gewusst?"

Die Slytherin schüttelte den Kopf. Warf einen Blick über den Hof, um sich zu vergewissern, dass sie noch unbeobachtet waren und sagte: „Ich weiß es deshalb!"

Sie zog für ein paar Sekunden den linken Ärmel ihrer Robe hoch, der auf ihren Oberschenkeln ruhte und offenbarte Harry die gebrandmarkte Haut ihres Unterarms. Dieser zuckte erschrocken zusammen und Zoe zog den Stoff wieder herunter.

„Das ist es", sagte sie belegt, „was er und Karkaroff auf dem Unterarm tragen, was alle Todesser auf dem Unterarm tragen ..."

Harry sah sie noch immer entsetzt an.

„Wo hast du das her?", fragte er entgeistert.

„Professor Quirrell", antwortete Zoe knapp. „Er hat es mir vermutlich im ersten Schuljahr zugefügt?"

„Warum?"

Zoe zuckte mit den Schultern.

„Er war besessen", meinte sie schließlich. „Erinnerst du dich nicht mehr?"

„Doch", erwiderte Harry mit einem bitteren Lächeln.

„Du bist der Erste, dem ich es gezeigt habe ... nicht einmal Hermine weiß davon", sagte Zoe betreten. „Es war in den vergangenen Jahren nie zu sehen. Es tauchte erst vor ein paar Monaten auf. Wie ein Schatten und ich dachte zuerst, ich hätte mich verletzt oder allergisch reagiert. Doch seitdem wird es immer deutlicher. Es brennt manchmal und sticht."

„Weißt du warum?"

„Großvater glaubt, es ist eine Art Verbindung mit Du-weißt-schon-wem. Er kann darüber mit seinen Todessern kommunizieren und je stärker er wird, desto deutlicher wird es."

„Und er wird stärker", schloss Harry.

„Offensichtlich. Und allem Anschein nach fürchtet sich Karkaroff davor."

„Natürlich", sprach Harry, als hätte sich nun ein fehlendes Puzzlestück offenbart. „Er hat etliche Todesser diesem Prozess verraten und an das Ministerium verkauft."

„Und ... Professor Snape?", fragte Zoe mit zittriger Stimme.

Harry sah sie mitfühlend an, dann meinte er: „Als Karkaroff seinen Namen im Prozess aufführte, da hat Crouch gesagt, Snape wäre bereits entlastet." Er machte eine kurze Pause. „Dein Großvater stand auf und erklärte, Snape habe bereits die Seiten gewechselt und für sie als Spion gearbeitet. Und er schwor, dass er dafür bürgen würde, dass er kein Todesser mehr ist."

„Das ... ist doch etwas Gutes, oder?", sagte Zoe nach einer Weile.

Harry zuckte mit den Schultern, doch dann gab er zu: „Ich denke schon ... Als dein Großvater mir zeigte, wie das Denkarium funktioniert, da hat er die Schale so komisch geschwenkt und dann sah ich Snapes Gesicht auf der Oberfläche ... Er sagte etwas, wie ‚dass es zurückkommt und das von Karkaroff auch' und dass es deutlicher denn je wäre ... Er muss das Mal gemeint haben und Snape hat mit deinem Großvater darüber gesprochen ..." Harry nestelte an dem Ärmel seines Umhangs herum. „Ich hab ihn auch gefragt ... was ihn so sicher macht, dass Snape – also, dass er sich wirklich davon abgewandt hat."

„Was hat er geantwortete?", wollte Zoe sofort wissen.

„Nur, dass es eine Sache zwischen ihm und Professor Snape sei und dass er ihm nach wie vor vertraue."

Dieser Satz nahm Zoe eine bleierne Schwere von ihrem Gemüt und Stille legte sich für einen Moment über die beiden.

Auch wenn sie es nun nicht mehr von der Hand weisen konnte, dass Professors Snape ein Todesser gewesen war. Ein Gefolgsmann von dem, dessen Name nicht genannt werden durfte. Zoe schauderte unwillkürlich, als diese unangenehme Wahrheit sich nach und nach in ihrem Gehirn manifestierte. Der Gedanke behagte ihr nicht. Dabei war Zoe nicht einmal sicher, ob es die Tatsache gewesen war, dass sie etwas Zwielichtiges in der Vergangenheit ihres Professors entdeckt hatte, oder ob es daran lag, dass er es vor ihr verheimlicht hatte.

In ihrem Magen kribbelte es unheilvoll.

Doch hatte sie selbst nicht auch die vergangenen Wochen das Mal an ihrem Unterarm vor allen anderen verborgen? Aus Angst sie könne verurteilt werden? Aus Angst vor den Reaktionen der Menschen, die ihr wichtig waren? War das nicht ein ganz normales Verhalten? Doch warum fühlte Zoe sich dann auf diese seltsam Weise betrogen?

Sie dachte an Sirius' Worte zurück, als sie ihn in der Höhle, nahe Hogsmeade, besucht hatten: ‚Du glaubst gar nicht, wie viele von uns solche dunklen Geheimnisse mit sich herum tragen'.

Dieser Gedanke behagte ihr absolut nicht. Dieser Gedanke, machte ihr Angst!

Sirius hatte Snape seit seiner gemeinsamen Schulzeit gehasst und Zoe hatte sich immer nach dem Grund gefragt.

„Glaubst du", fragte Zoe schließlich, „dass ... Sirius ihn deswegen so sehr hasst?"

„Gut möglich", gab Harry zu.

War Severus Snape möglicherweise auch der Auslöser für das Duell, in dem ihre Mutter starb? Hatte Gwendolyn ihren Freund schützen oder vielleicht sogar zurückgewinnen wollen?

Zoe seufzte verzweifelt und versuchte, den Gedanken zu verdrängen, als das Mal an ihrem Unterarm erneut kribbelte. Du-weißt-schon-wer wurde stetig stärker und das konnte bedeuten, dass er schon sehr bald nach einem Weg suchen Macht zu ergreifen.

„Hast du Angst davor, dass er zurückkommt?", wollte Zoe plötzlich von Harry wissen.

Der Gryffindor schwieg eine ganze Weile und schien einen Moment lang zu überlegen, während er interessiert seine Schuhe betrachtete. Schließlich sah er zu Zoe auf und nickte.

„Ich auch", sagte Zoe leise. „Was geschieht dann nur?"

„Wir müssen gegen ihn kämpfen", schloss Harry, als sei es das Normalste auf der Welt. „Er hat unsere Familien ausgelöscht. Er hat meine Eltern ausgelöscht ... Und immer wieder frage ich mich warum? Warum sie?"

„Darauf gibt's keine Antwort", sagte Zoe heiser und versuchte angestrengt, bei dem Gedanken an ihre eigenen Eltern nicht loszuheulen. „Ich hab auch lange danach gesucht."

Harry sah überrascht zu ihr auf und es war, als er erinnerte er sich erst in jenen Moment, dass auch Zoe ihre Eltern und sogar ihre leibliche Mutter durch Voldemort verloren hatte.

„Immerhin", sprach Harry aufmunternd, „haben wir noch Sirius!"

„Ja", stimmte Zoe lächelnd zu, „und irgendwann werden wir zusammen wohnen!"

„Genau!"

Eine Eule flog durch den Hof und beide sahen ihr nach, bis sie verschwunden war. Dann sagte Harry: „Hast du gewusst, dass Sirius auch deinem Großvater Briefe schreibt?"

Verblüfft sah die Slytherin ihren Freund an und schüttelte den Kopf.

„Dann weißt du es jetzt", sagte er und fand sein Grinsen wieder.

Irgendwo schlug eine Uhr zur vollen Stunde und Harry sprang wie vom Blitz getroffen auf.

„Wir müssen los!", sagte er plötzlich.

„Wohin?", wollte diese wissen.

„Vor Flitwicks Klassenzimmer. Hermine will da mit dem Lähmfluch weiter machen", erklärte Harry, reichte Zoe die Hand und zog die Slytherin auf die Beine. „Die beiden warten sicher schon auf uns."

„Hoffentlich streiten sie nicht wieder!"

Harry lachte und Zoe klopfte ihm den Rücken ab, wo der Schmutz der Sandsteine an seinem Umhang hängen geblieben war. Dann schüttelte sie sich selbst durch. Gerade, als sie durch die nun offene Tür der Eingangshalle schritten, kamen ihnen zwei Slytherins entgegen.

„Ah, sieh mal einer an", trällerte Pansy fröhlich zu Millicent. „Hat die Granger dich nun auch abserviert Potter? Muss jetzt eine Neue deine Wehwehchen lindern?"

„Halt die Klappe, Pansy!", giftete Zoe zurück, während Harry sie unterdessen energisch weiter zog.

„Komm schon", sagte er nur, „Hermine wird uns ne Standpauke halten, wenn wir zu lange weg sind!"

Zoe warf ihrer Zimmergenossin einen wütenden Blick nach und folgte dem Gryffindor. Als sie das Klassenzimmer erreichte, wurden sie von der angespannten Hermine bereits empfangen. Sie hatte schon alles vorbereitet, damit Harry sofort loslegen konnte und so verbrachten sie den Rest des Tages damit, den Gryffindor auf seine letzte Prüfung vorzubereiten.

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