Die zweite Aufgabe
Am nächsten Morgen wurde Zoe von Daphne und Tracey geweckt, die mit ihr zum Frühstück gehen wollten. Wie ein verschrecktes Tier sprang die Blonde aus dem Bett, als sie bemerkte, dass sie verschlafen hatte.
„Alles in Ordnung mit dir?", fragte Tracey überrascht.
„Ich bin zu spät!", keuchte Zoe und zog sich den am Boden liegenden Umhang an. „Komm' zu spät?"
„Heute ist keine Schule!", sagte Daphne verwirrt und sah ihre Freundin an. „Schon vergessen, das Turnier geht heute weiter."
„Ich muss zu Harry!", meinte Zoe und sprang in ihre Schuhe. „Hab verschlafen ..."
Die Slytherins versuchten sie nicht aufzuhalten, als Zoe ungewaschen aus dem Schlafsaal lief und auch den Gemeinschaftsraum hinter sich ließ. Wie wenige Stunden zuvor rannte Zoe den Gang hinauf und verlangsamte ihre Schritte erst, als sie die Große Halle erreicht hatte.
Zu ihrer Überraschung, war jedoch keiner ihrer Freunde am Gryffindortisch zu finden. Irritiert ging Zoe zu Ginny und Neville, setzte sich zu ihnen und goss sich Tee in eine Tasse.
„Wo sind die anderen?", wollte sie wissen.
Ginny zuckte mit den Schultern und antworte: „Ich hab' heute noch keinen von ihnen gesehen. Was ist denn mit dir passiert?"
„Wieso?", fragte Zoe überrascht und suchte die Halle nach einem Zeichen ihrer Freunde ab.
„Na, deine Haare!", meinte sie und deutete auf Zoes Kopf.
Abwesend versuchte die Slytherin ihren blonden Schopf mit den Fingern ein wenig zu bändigen. Nervöse stellte sie fest, dass bis zur ersten Turnieraufgabe nicht mehr viel Zeit blieb.
„Wenn ich so Recht überlege", sagte Neville nach einer Weile, „dann fällt mir ein, dass ich Ron schon seit dem Unterricht nicht mehr gesehen habe."
„Und Harry?", wollte Zoe wissen.
„Der war gestern noch im Gemeinschaftsraum", sprach Neville und goss sich Kürbissaft ein.
„Naja, sie werden ja jetzt bald irgendwann eintreffen", meinte Zoe und rührte ungeduldig in ihrem Tee.
Und da fiel es der Slytherin wie Schuppen von den Augen. Wenn ihre Freunde weder im Gryffindorturm noch beim Frühstück waren, dann konnten sie nur in der Bibliothek sein.
Zoe sprang auf, ohne ihren Tee angerührt zu haben und lief wortlos wieder hinaus. Während sie die vielen Treppen bis in den vierten Stock erklomm, hoffte sie darauf, dass Professor Moody Wort gehalten und Dobby das Kraut gefunden hatte. Als Zoe dann die Bibliothek betrat, fand sie Harrys Kopf im hintersten Winkel versteckt, der Rest von ihm war unter dem Tarnumhang verborgen. Sie eilte die letzten Meter auf ihn zu, als mit einem leisen Plop, direkt neben dem Gryffindor ein Hauself in zusammengewürfelter Kleidung erschien.
„Dobby!", rief Zoe erleichtert. „Hast du-"
„Dobby hat!", nickte der Elf eilig und öffnete seine Hand.
Darauf lag ein Knäul getrockneter Pflanzen und Zoe fiel mit einem Mal ein Stein vom Herzen – sie waren gerettet!
„Vielen Dank, Dobby!"
„Dobby würde seinem Harry Potter immer helfen, Missy!"
Die Slytherin trat an ihren Freund heran, stupste ihn sachte an und versuchte ihn zu wecken. Der Gryffindor reagierte jedoch nicht sofort.
„Harry Potter muss aufwachen, Sir!", piepste Dobby in dessen Ohr und rüttelte nun ebenfalls an ihm.
Harry zuckte und schließlich grummelte er: „Hör auf mich zu stupsen-"
„Dobby muss Harry Potter stupsen, Sir, er muss aufwachen!", sprach der Elf beharrlich.
Brummend öffnete Harry die Augen, doch er schien nicht sofort zu begreifen, wo er war. Er hob den Kopf von einem Selbsthilfebuch für Zauberer, rückte sich seine Brille zurecht und blinzelte Zoe an.
„Hast du die Nacht hier verbracht?", wollte die Slytherin wissen.
Harry nickte zunächst nur.
„Wo ... sind Ron und Hermine?"
„Keine Ahnung", erwiderte Zoe, „ich dachte, sie seien bei dir."
„Harry Potter muss sich beeilen!", quiekte Dobby. „Die zweite Runde beginnt in zehn Minuten, und Harry Potter-"
„Zehn Minuten?", wiederholte Harry keuchend. „Zehn – zehn Minuten?"
„Beeilung, Harry Potter!", rief der Elf und half Zoe dabei, den Gryffindor vom Stuhl zu zerren. „Sie sollten längst unten am See bei den anderen Champions sein, Sir!"
„Es ist zu spät, Dobby", meinte er und versuchte, die beiden abzuwehren. „Ich werde nicht antreten, ich weiß nicht, wie-"
„Keine Sorge, wir haben eine Möglichkeit gefunden!", beruhigte Zoe ihn.
„Harry Potter wird diese Aufgabe lösen!", quiekte der Elf. „Dobby wusste, dass Harry nicht das richtige Buch gefunden hat, also hat Dobby es für ihn getan!"
„Was?", fragte Harry perplex. „Aber du weißt doch gar nicht, was in der zweiten Aufgabe drankommt-"
„Das ist eine lange Geschichte, ich erklär' sie dir auf dem Weg zum See, okay? Komm schon, steh auf!", meinte Zoe und stieß ihren Freund an.
„Dobby weiß es sehr wohl, Sir! Harry Potter muss in den See hinein und seinen Wheezy finden-", sprach Dobby schrill.
„Meinen was finden?"
„– und seinen Wheezy von den Wassermenschen zurückholen!"
„Was ist ein Wheezy?"
„Ihren Wheezy, Sir, Ihren Wheezy – Wheezy, der Dobby seinen Pulli geschenkt hat!" Der Elf deutete auf seinen kastanienbraunen Pullover und da stockte Zoe der Atem.
„Du meinst Weasley?", hakte sie überrascht nach.
„Was?", keuchte Harry. „Sie haben ... sie haben Ron?"
Der Elf nickte eifrig und quiekte: „Das, was Harry Potter am meisten vermissen wird, Sir! Und nach einer Stunde-"
„‚...fehlt dir das Glück'", sprach Harry und Entsetzen trat auf sein Gesicht. „‚zu spät, 's ist fort und kommt nicht zurück'"
„Was bedeutet das?", wollte Zoe wissen.
„Das sagten die Stimmen aus dem Ei", erklärte Harry. „Dobby – was muss ich tun?"
„Sie müssen essen, Sir!", antwortete der Elf und hielt ihm die Krautkugel vor die Augen.
„Kurz bevor Sie in den See gehen, Sir – Dianthuskraut!"
„Was bewirkt das?", wollte der Gryffindor wissen und betrachtete das Knäul auf der Handfläche des Elfen kritisch.
„Es macht, dass Harry Potter unter Wasser atmen kann, Sir!"
„Dobby", sprach Harry ernst, „hör zu – bist du dir sicher?"
„Ganz sicher, Harry!", mischte sich nun Zoe ein. „Gestern Nacht, da bin ich in einem Buch darauf gestoßen und Dobby hat es kurzfristig besorgt!"
Doch der Gryffindor sah weiterhin skeptisch drein.
„Dobby ist sich ganz, ganz sicher, Sir!", betonte der Elf ernst. „Dobby kann nicht zulassen, dass Harry Potter seinen Wheezy verliert!"
„Genug geredet!", sagte Zoe endgültig. „Harry, wir müssen los!"
Der Gryffindor gehorchte aufs Wort. Er riss sich den Tarnumhang von den Schultern und stopfte ihn in seine Schultasche. Dann nahm er vom Elfen die Krautkugel und ließ sie in einer Tasche seines Umhangs verschwinden. Gemeinsam eilten sie aus der Bibliothek heraus und Dobby verabschiedete sich im Laufschritt, weil er zurück in die Küche musste.
„Viel Glück, Harry Potter, Sir, viel Glück!", quiekte der Elf.
„Bis später dann, Dobby!", keuchte Harry und sprang die letzten Stufen der Treppe hinunter.
Zoe hatte Mühe mit ihm Schritt zu halten.
In der Eingangshalle schlängelten sie sich durch ein paar Nachzügler hindurch, die ihnen verwundert nachsahen, passierten das große Eichenportal und rannten die Hügel hinab zum See herunter.
Die kalte Luft schmerzte bereits im Hals, doch sie legten noch einen Zahn zu, als das aufgeregte Geschnatter der Zuschauermengen vom Wind zu ihnen hochgetragen wurde.
Der Große See lag im Sonnenlicht glitzernd da und wirkte vielmehr wie ein Becken voll Hämatitkristallen. An dessen Ufer hatte man eine Reihe von Tribünen angebracht, die sich im Wasser des Sees spiegelten.
Als sie fast angekommen waren, entdeckte Zoe einen goldgeschmückten Tisch, der direkt am Ufer stand und vor dem bereits die anderen Champions zusammen mit den Richtern warteten.
„Da!", keuchte Zoe und deute auf den Richtertisch.
„Bis später, Zoe", rief Harry, ohne anzuhalten, „und danke!"
Die Slytherin blieb nach Atmen ringend stehen, stützte sich mit den Händen auf den Oberschenkeln ab und atmete zunächst einmal durch. Ihr Herz raste, wie in der vergangenen Nacht, bevor Professor Moody sie entdeckt hatte. Es beruhigte sich nur langsam und allmählich sickerten Dobbys Worte in ihr Gedächtnis.
Harry musste Ron aus der Gefangenschaft der Wassermenschen befreien. Kein Wunder, dass der Gryffindor seit gestern nicht mehr aufgetaucht war. Doch wo war Hermine?
Als Zoe wieder ein wenig zu Atem gekommen war, hallte Bagmans Stimme über das Gelände.
„Es ist so weit, unsere Champions sind bereit für die nächste Aufgabe, die auf meinen Pfiff hin beginnt. Sie haben genau eine Stunde, um das zurückzuholen, was ihnen genommen wurde. Ich zähle also bis drei. Eins ... zwei ... drei!"
Zoe sah besorgt dabei zu, wie die Champions auf das Wasser zuliefen, nachdem der Pfiff ertönt war. Von den Tribünen schallte lauter Jubel und Beifall zu ihr herüber. Zoe sah, wie Cedric als Erster das Wasser erreichte und hineinsprang. Ihm folgte Viktor Krum, nur mit einer Badehose bekleidet, mit einem Köpper ins Wasser und verschwand sofort. Fleur lief zunächst bis zur Hüfte in den See und tauchte dann ab. Nur Harry, in seinem üblichen Zaubererumhang, blieb im hüfthohen Wasser stehen und starrte auf etwas, dass er in den Händen hielt.
„Komm schon Harry!", flüsterte Zoe leise.
Als hätte ihr Freund sie gehört, stopfte er sich die Knolle in den Mund und kaute angestrengt darauf herum. Einige Augenblicke geschah nichts und von der Tribüne ertönten die ersten Lacher, welches schließlich zu einheitlichem Gelächter anwuchs. Mitfühlend sah Zoe Harry dabei zu, wie er bis zur Brust ins Wasser watete und den Blick stier auf den See gerichtet hatte.
Als die ersten Buhrufe begannen, dauerte es nur noch ein paar Sekunden, dann verschwand auch der Gryffindor gänzlich im Wasser und Zoe hoffte inständig, dass die Knolle groß genug war, um ihren Freund den einstündigen Tauchgang zu gewährleisten.
„Und die Champions sind alle gestartet!", verkündete Bagman laut, der nun auf dem Weg zurück zum Richtertisch war. „Die Aufgabe besteht darin, die Siedlung der Wassermenschen im See aufzuspüren, um sich das zurückzunehmen, was man ihnen in der heutigen Nacht gestohlen hat. Dabei müssen die Champions sich unzähligen Gefahren stellen. Der See ist nämlich nicht nur das Zuhause etlicher magischer Wasserkreaturen, sondern auch das eines Riesenkraken, der durchaus empfindlich reagieren könnte, wenn ein Eindringling in seinem Revier erscheint."
Zoe eilte zu den Tribünen hinüber, in der Hoffnung, dass Daphne und Tracey ihr vielleicht einen Sitzplatz freigehalten hatten. Sie lief die Treppe des Slytherinblocks hinauf, als weiterer Applaus die Bühnen erbeben ließ. Sie sah sich um und erkannte, dass sich ihr Großvater von seinem Platz erhoben hatte, seinen Zauberstab in einer voluminösen Geste über den Kopf schwang und schließlich vor sich auf den See deutete. Die Oberfläche des Wassers wurde plötzlich spiegelnd silbrig, wie Quecksilber und dann erschienen vier unabhängige bewegte Bilder darauf. Von der Tribüne erklang nun ein erstauntes Raunen, als man die vier Champions auf der Wasseroberfläche sah.
Der Schulleiter nahm wieder auf seinem Stuhl Platz und nun erst fiel Zoe auf, dass anstatt Mr Crouch, Percy Weasley neben ihm saß. Allem Anschein nach, war der Leiter der Abteilung für Internationale Magische Zusammenarbeit noch immer erkrankt.
Zoe wandte sich wieder der Menge zu und entdeckte ihre Freunde am Rand sitzend ein paar Reihen unterhalb. Sie ging die Stufen hinunter und da bei ihnen kein Platz mehr frei war, ließ sie sich einfach auf der Treppenstufe neben Tracey nieder. Die zwei Slytherin-Mädchen sahen überrascht zu ihr.
„Wo warst du denn?", fragte die Schwarzhaarige sofort.
„Hab Harry gesucht", antwortete Zoe und fuhr sich verzweifelt durch das Haar, „er hat verschlafen."
„Deswegen ist er zu spät gekommen?"
Zoe nickte nur und lauschte den Kommentaren von Ludo Bagman, der mit seiner allgemeinen Erklärung fortfuhr: „Die Champions haben für diese Aufgabe eine Stunde Zeit. Sie müssen währenddessen, die Mitte des Sees erreichen – wo die Siedlung der Wassermenschen liegt – anschließend deren Geisel befreien und sie vor Ablauf der Frist an die Wasseroberfläche bringen."
„Geisel?", fragte Daphne überrascht neben ihnen. „Was meint er wohl damit?"
„Gute Frage", gab Tracey zu und Zoe zischte leise, als Bagman weitersprach: „Jeder der vier Champions wird jeweils von zwei Wassermenschen begleitet, damit diese in einer brenzlichen Situation eingreifen können. Davon haben die Champions selbstverständlich keine Ahnung. Sie sind es auch, die uns diesen einmaligen Einblick in das Vorgehen der Kandidaten ermöglichen. Also, so viel erst 'mal zum Ablauf. Wie sie sehen", schallte Bagmans Stimme über den See, „haben sowohl Mr Diggory wie auch Miss Delacour den Kopfblasenzauber angewendet. Eine sehr clevere Lösung für das Problem, unter Wasser atmen zu können, jedoch ist dieser Zauber äußerst empfindlich gegenüber mechanischer Beanspruchung. Wir werden sehen, wie weit die beiden damit klar kommen."
Ein lautes ‚Uuuuuuuh' kam vom Publikum und Zoe warf einen Blick auf das Abbild von Cedric, der konzentriert durch das dunkle Wasser schwamm.
„Das ist Mr Krum", kommentierte Bagman mit Bewunderung in der Stimme, „der sich für eine Teilverwandlung entschieden hat. Sein Oberkörper hat von den Schultern aufwärts die Gestalt eines Hais angenommen. Vorzügliche Idee, denn dieses Erscheinen schreckt mit Sicherheit einige Wasserkobolde im Voraus ab – oh und sehen sie nun zu Miss Delacour, die ihr erstes Hindernis erreicht hat!", rief Bagman und Zoe sah auf das Abbild auf dem See hinaus.
Fleur war in eine große Gruppe scharfkantiger Fische geraten, vor denen sie sich mit einem Schildzauber schützte.
„Ein Schwarm Seeschraken", erklärte Bagman, „sind wohl aufgescheucht worden, doch Miss Delacour hat sie erfolgreich abgewehrt. Vorzüglich!"
Die nächste viertel Stunde sahen sie den Champions nur dabei zu, wie sie durch das schwarze und undurchdringbare Wasser tauchten. Zoes Augenmerk lag hauptsächlich auf den Ausschnitt der Harry zeigte. Der Gryffindor schwamm durch eine trübe Landschaft. An dunkelbraunem Seetang vorüber und immer tiefer an einer schimmernden Felsformation entlang. Silbern glitzernde Fische glitten an ihm vorbei und vor ihm erstreckte sich ein dichtes Tanggeflecht. Wie ein Wald wuchs es meterhoch direkt vor ihm empor und in dem Moment, da er darüber hinwegschwimmen wollte, packte ihn etwas am Fuß und zog ihn herab.
„Aaah, Mr Potter macht Bekanntschaft mit den Grindelohs. Die kleinen Wasserdämonen halten sich mit großer Vorliebe in üppigen Tanggwäldern auf", erklärte Bagman locker, während sie Harry dabei zusahen, wie er versuchte sich zappelnd loszukämpfen.
Im letzten Moment schien er sich an seinen Zauberstab zu erinnern: Er riss den Mund auf, als er einen Zauber wirkte, der den Grindeloh offenbar verbrühte. Der Dämon ließ ihn erschrocken los und auf dessen grüner Haut bildeten sich rote, blasenüberzogene Flecken.
Bagman spekulierte: „Das sieht ganz nach einem Relaschio aus. Gute Reaktion von Seiten Mr Potters. Ich vermute mal, er hätte es nicht mehr aus dem Tang geschafft, falls es dem Grindeloh gelungen wäre, ihn hinein zuziehen." Der Kommentator machte eine kurze Pause und rief dann aufgeregt: „Uuuuh, Mr Krum ist offenbar auf den Riesenkraken gestoßen!"
Die Menge um sie herum hielt den Atem an. Mehrere Fangarme hatten sich um Viktors Körper geschlungen und packten ihn beharrlich. Der Haikopf verbiss sich vergeblich in einen der Tentakel, doch der Oktopode umschlang ihn nur noch fester und machte den Durmstrang völlig bewegungsunfähig. Tracey hatte sich erschrocken eine Hand auf den Mund gedrückt.
„Die werden ihn doch retten", meinte Daphne schrill, „also ... bevor ihm etwas passiert, oder?"
„Denke schon", sagte Zoe verunsichert, der dieser Anblick auch nicht geheuer war. „Dafür sind doch die Wassermenschen bei ihm?"
Der Krake zog Viktor auf Augenhöhe, um ihn besser betrachten zu können.
„Ob sich Mr Krum aus dieser misslichen Lage noch befreien kann?", fragte Bagman in die Menge.
Der Durmstrang konnte sich kaum mehr bewegen, doch irgendwie schaffte er es, seinen Zauberstabarm freizukämpfen und schoss einen gezielten Zauber direkt in das Auge des Riesenkraken. Blitzschnell ließ das Untier ihn los.
Die Schüler auf den Tribünen schrien vor Begeisterung, das Holz unter Zoe erzitterte.
Der Krake zog sich in ein vergleichsweise winziges Loch im Felsen zurück und ließ Viktor einfach weiterschwimmen. Sein Körper war übersät von den roten Abdrücken der Saugnäpfe, doch ansonsten schien er unversehrt zu sein.
„Eins zu null für Krum", donnerte Bagman begeistert, „damit wird der Krake für die nächste Zeit wohl auch genug haben. Übrigens bleibt den Champions noch eine halbe Stunde, um die Aufgabe zu lösen."
„Das war knapp", meinte Tracey atemlos und faltete die Hände wieder im Schoß.
Zoe betrachtete die Abbilder von Fleur und Cedric, die beide zunächst unbedarft durch die Dunkelheit schwammen, als sich vor Fleur derselbe große Tangwald erstreckte, wie zuvor noch bei Harry. Und genau wie bei Harry, griffen kleine, hornhäutige Hände nach ihr. Sie bekamen Fleur am Umhang zu packen und zogen sie in den Algenwald hinab.
„Miss Delacour ist nun ebenfalls auf die Grindelohs getroffen", kommentierte Bagman, „doch im Gegensatz zu Mr Potter hat sie einen großen Nachteil – uh, ich kann es gar nicht so schnell berichten, wie es geschieht."
Einer der Grindelohs hatte den Kopfblasenzauber zerstört. Fleur war nicht in der Lage, sich gegen die Vielzahl von Dämonen zur Wehr zu setzten und nun konnte sie nicht einmal mehr atmen. Die Schüler auf den Tribünen wurde unruhig und auch Zoe hielt den Atmen an, bis Bagman fortfuhr: „Damit ist Miss Delacour, wohl disqualifiziert. Ja, ich sehe schon, die Prüfung ist für den Beauxbatons-Champion beendet."
Das Abbild auf dem Wasser löste sich auf.
„Was passiert nun mit ihr?", rief eine hysterische Stimme von links.
Zoe begann unbewusst beide Daumen zu drücken. Doch es dauerte nur wenige Sekunden, da wurde die Wasseroberfläche durchbrochen und Fleurs silberblonder Haarschopf erschien neben dem eines Wassermenschen. Das Publikum applaudierte verhalten und die Enttäuschung aus der Beauxbaton-Fraktion war geradezu spürbar.
„Miss Delacour wird ans Ufer geleitet. Sehr schade, doch gut für unsere verbleibenden Champions."
Zoes Aufmerksamkeit widmete sich wieder den Abbildern auf der Wasseroberfläche. Sie beobachtete Cedric dabei, wie er durch eine felsige Landschaft schwamm. Vorsichtig und gefasst darauf, dass hinter jeden Stein ein weiteres Monster auf ihn wartete, um ihn zu attackieren. Es dauerte nicht lange, da schnappte ein großes Ungetüm nach ihm. Es war kaum von seiner Umgebung zu unterscheiden und Cedric schreckte zurück und hob den Zauberstab.
„Während sich Mr Potter immer weiter dem Ziel nähert, sieht sich Mr Diggory einem besonders gefährlichen Geschöpf gegenüber, wenn ich das richtig erkenne", meinte Bagman.
Gespannt sahen sie dabei zu, wie ein Paar großer gelber Augen den Zauberer fixierte. Je mehr sich das Wesen bewegte, desto besser konnte man seinen krokodilähnlichen Körper erkennen, der nahezu perfekt an den felsigen Untergrund um ihn herum angepasst war.
„Ja, ich habe richtig vermutet", kommentierte Bagman. „Mr Diggory ist auf ein Addanc gestoßen, ein weiterer Wasserdämon. Drücken wir ihm die Daumen, dass er seine Gliedmaßen behält!"
„Ei-ei-einen was?", fragte Zoe in Traceys Richtung.
„Keine Ahnung", antwortete sie gespannt und beobachtete das Schauspiel auf der Wasseroberfläche.
Cedric hatte zunächst versucht, an dem Wesen vorbei zu schwimmen, doch das riesige lange Maul hatte nach ihm geschnappt und den Hufflepuff nur um Zentimeter verfehlt.
Ein erschrockenes „Uuuuh" erklang von den Tribünen und erst jetzt konnte man erkennen, dass das Wesen gut viermal so lang war, wie Cedric selbst. Sein reptilienartiger Körper mit den sechs Beinen krabbelte langsam über den Felsen auf ihn zu.
„Mr Diggory sollte schnell handeln", erklärte Bagman durch das Schweigen des Publikums hindurch. „Bekommt das Addanc ein Körperteil von ihm zu fassen, wird es sofort damit beginnen, sich um die eigene Achse zu drehen, bis Knochen und Fleisch zerreißen. Kein schöner Anblick ..."
Zoe brachte vor Angst keinen weiteren Ton mehr heraus. Verzweifelt begann sie auf den Nägeln zu kauen, um das Zittern ihrer Hände nicht zu spüren. Wo war Hermine nun? Jetzt, da sie ihren Beistand am meisten brauchen konnte?
Cedric entschied sich für einen Rückzug, doch das Addanc schien nicht daran zu denken seine potenzielle Beute einfach so entkommen zu lassen. Seine Bewegungen wurden schneller und in dem Moment, als es begriff, dass Cedric von ihm fliehen wollte ging es zum Angriff über. Das krokodilartige Wesen, legte die Beine an den Körper und hatte mit wenigen Schlägen, seines mächtigen Schwanzes die Distanz zwischen ihnen überwunden.
Das Publikum kreischte, Zoe schloss für einige Sekunden die Augen und verpasste somit den Moment, da sich Cedric mit einem Zauber von dem Wasserdämon wegstieß.
„Ein cleverer Zug, doch leider hat er die Felsen im Rücken!", kommentierte Bagman mit angespannter Stimme. „Aber Mr Diggory hat Glück, sein Kopfblasenzauber blieb unversehrt – oh ..."
Die Anfeuerungsrufe der Hufflepuffs wandelten sich zu einem erschrockenen Kreischen, als das Addanc abermals zum Angriff überging. Doch das riesige Reptil bekam nur einen scharfkantigen Felsen zu fassen, der ihm das Maul zerschnitt. Das Wasser um Cedric herum färbte sich rot und es wurde immer schwieriger zu erkennen, was dort im Dunklen vor sich ging.
„Scheinbar ist auch dieser Angriff vorbei, ob Mr Diggory verletzt ist kann ich jedoch nicht ausmachen. Aber solange sein Kopfblasenzauber unversehrt bleibt, wird der Wassermensch nicht eingreifen", berichtete Bagmans und Zoe hatte panische Angst davor zu sehen, wie das Ungetüm Cedric zu fassen bekam, da ertönte die Stimme des Kommentators erneut: „Doch seht euch das an! Unser jüngster Champion hat derweil das Ziel erreicht. Wird er seinen Schatz rechtzeitig zurückbringen?"
„CEDRIC!", kreischte jemand über ihre Köpfe hinweg und Zoe wusste gar nicht mehr, wohin sie schauen sollte.
Der Hufflepuff war noch immer damit beschäftigt, sich vor dem Wasserdämon zu schützen, welcher sich offenbar in den Kopf gesetzt hatte, zumindest Teile von Cedric zu verspeisen. Doch die Zauber, die der Champion zunächst verwendete, hatten keine Wirkung.
„Mr Potter hat den Dorfplatz der Wassermenschen erreicht, Mr Diggory kämpft derweil immer noch vergeblich gegen das Addanc während Mr Krum fortwährend in den Untiefen des Sees auf der Suche nach seinem Ziel ist. Ein spannendes Spiel", plauderte Bagman begeistert. „Und Mr Diggory siegt!"
Der Lärm, den die Hogwartsschüler machten, war ohrenbetäubend. Die Tribüne bebte, als hunderte von Schülern aufsprangen. Zoe ließ erleichtert ihre Hände sinken, als sie sah, dass der Wasserdämon mit dem Bauch nach oben über die Felsen trieb.
„Ein gut gezielter Schockzauber, sauberer Sache!", meinte Bagman. „Doch was ist mit Mr Potter los, er zögert."
„Worauf wartet der denn?", erklang Daphnes Stimme von links.
„Ist das Hermine?", wollte Tracey von Zoe wissen und deutete auf das Abbild im Wasser.
Zoe sah herüber, auf die Stelle, an der man Harry schwebend auf einer Art Dorfplatz sah. Um sie herum schwammen ein zwei Dutzend mit Speeren bewaffnete Wassermenschen. Vor Harry waren vier Personen am Grund des Sees befestigt und sie schienen in eine Art Schlaf versunken. Vor Schrecken klappte Zoe der Mund auf, als sie die ersten Personen erkannte: Es waren Ron, Hermine, Cho Chang und ein junges Mädchen, welches Fleur Delacour verblüffend ähnlich sah.
„Sieht ganz so aus", meinte sie verdattert.
„Der weiß bestimmt nicht, wen er nehmen soll", spekulierte Daphne, die Harrys seltsamen Verhalten bewertete.
Zoe nickte nur stumm und hatte zeitgleich dieselbe Vermutung. Doch eigentlich hatte Dobby ihnen gesagt, dass er Ron zurückbringen musste. Auf was wartete er dann nur?
Harry versuchte scheinbar mit den Wesen zu kommunizieren, doch diese erhoben nur ihre Speere gegen ihn.
„Es macht den Anschein, als habe Mr Potter keine Möglichkeit, seine Geisel zu befreien", überlegte Bagman laut. „Er versucht einen Wassermenschen den Speer zu entreißen." Ein paar Lacher hallten über die Tribünen. „Das ist natürlich aussichtslos. Die Wassermenschen sind in ihrem Element überlegen."
‚Dein Zauberstab, Harry', dachte Zoe verzweifelt.
„Inzwischen nähern sich auch Mr Krum sowie Mr Diggory dem Ziel", erzählte Bagman. „Den Champions bleiben nur noch fünfzehn Minuten, für das zeitige Lösen ihrer Aufgabe."
Zoes Blick huschte hinüber zu Cedric, der durch die Dunkelheit schwamm und wieder zurück zu Harry. Der Gryffindor war auf den Grund herabgesunken, hatte sich einen Stein vom Boden geklaubt und versuchte damit das Tau von Ron durchzuschneiden.
„Uuuuuuuh, das kostet Zeit", meinte Bagman, „wertvolle Zeit."
Es dauerte mehrere Minuten, in denen sie gespannt zwischen den drei Abbildungen hin und hersahen, bis Harry Rons Seil durchtrennt hatte und Bagman kommentierte: „Und Mr Potter hat es geschafft. Er hat seine Geisel befreit, doch was tut er da?!"
Zoe sah dabei zu, wie er mit dem Stein zu Hermines Tau schwamm, um auch ihre Fesseln zu lösen, doch die Wassermenschen hielten ihn davon ab.
„Offensichtlich möchte Mr Potter die restlichen Geiseln ebenfalls befreien. Das kostet ihn weitere Zeitpunkte. Es verbleiben noch fünf Minuten. Wenn er nicht Acht gibt, werden ihn die beiden anderen Champions eingeholt haben", prophezeite Bagman.
„Ist ja klar", meinte Tracey seufzend zu Daphne, „Potter muss wieder den Helden spielen!"
Konzentriert sah Zoe auf das Wasser und tat so, als hätte sie die bissigen Worte ihrer Freundin nicht gehört. Insgeheim hoffte sie jedoch, dass Harry endlich einsehen würde, dass er nur Ron zu retten hatte und mit ihm an die Oberfläche kam. Doch stattdessen rang dieser nun mit den Wassermenschen, bis diese ihn schließlich festhielten und erst Bagmans donnernde Stimme, lenkte sie wieder auf Cedrics Abbild.
„Und da kommt Mr Diggory!"
Die Hogwartsschüler jubelten laut. Einige von ihnen sprangen auf und sie begannen einen Singsang mit Cedrics Namen. Zoe hielt gespannt den Atem an.
Die Blase um Cedrics Kopf war immer kleiner geworden, aber der Hufflepuff schwamm zielstrebig auf Cho Chang zu, zog ein Messer aus der Tasche und zerschnitt das Tau mit Leichtigkeit. Dann zögerte er.
Er schien in irgendeiner Form mit Harry zu kommunizieren. Gebannt starrten alle auf Wasseroberfläche, bevor sich allmählich der anfeuernde Singsang für den Hufflepuff aufbaute.
„Komm schon Cedric!", rief jemand aus dem Publikum.
„Noch eine Minute!", kündigte Bagman an.
Weitere Sekunden verstrichen, doch dann sah Cedric nach oben. Er schlang den Arm und Cho und begann mit dem Auftauchen.
Bagman eröffnete schließlich einen Countdown: „Zehn – Neun – Acht ..."
Der Anfeuerungsrufe wurden immer lauter, einige Schüler trommelten mit den Füßen fest auf die Tribüne.
„Sieben – Sechs – Fünf ..."
Zoe sah gebannt auf das Abbild im Wasser, das den mühsam strampelnden Cedric zeigte. Mit Cho im Schlepptau schien er noch viel langsamer voranzukommen.
„Vier – Drei – Zwei ..."
Allmählich wurde das Wasser um sie herum heller und Zoe fragte sich, ob es Cedric bewusst war, wie knapp sein Aufstieg war.
„Eins – Null – Die Zeit ist um!", schrie Bagman mit etwas Enttäuschung in der Stimme. „Damit hat keiner der Champions es geschafft, ihre Aufgabe in dem vorgeschriebenen Zeitrahmen zu erledigen. Sehr schade!"
Er hatte den Satz kaum zu Ende gesprochen, da durchbrachen Cedric und Cho die Oberfläche des Sees und sein Abbild löste sich nun ebenfalls auf.
Die Menge jubelte laut und Zoe stimmte eifrig in den Beifall ein. Cho war in dem Moment erwacht, da ihre Lungen wieder Luft geatmet hatten und gemeinsam schwammen die beiden an Land, wo sie von Madam Pomfrey bereits mit weichen Decken empfangen wurden.
„Damit ist Mr Diggory der erste Champion, der mit seiner Geisel zurückkehrt!"
Abermals folgte Applaus und Zoe sah wieder zu Harry, der noch immer von den Wassermenschen festgehalten wurde. Plötzlich jedoch wurden sie unruhig und Zoe sah zu Krum herüber, der sich offenbar dem Dorfplatz näherte.
„Auch Mr Krum hat seine Geisel erreicht!", erklärte er schallend. „In dieser Form ist es natürlich keine große Sache das Seil zu zerreißen – oder vielleicht doch?"
Der Hai-Mann biss an dem dünnen Tau von Hermine herum, aber offensichtlich war das Gebiss eines Hais nicht dafür gemacht, etwas so Filigranes zu zertrennen. Doch dann riss sich Harry von den Wassermenschen los, die ängstlich vor Krum zurückgewichen waren, und schwamm auf diesen zu. Er gab Krum den Stein, mit dem er selbst Rons Tau zerschnitten hatte.
„Na sieh einer an", sprach Bagman überrascht, „Mr Potter hilft dem Durmstrang-Champion bei der Befreiung dessen Geisel. Unglaublich!"
Einheitliche Buhrufe kamen von den Hogwartsschüler und Zoe war froh darüber, dass ihr Freund sie nicht hören konnte. Krum zertrennte das Seil, schnappte Hermine um die Taille und schwamm nun ebenfalls an die Oberfläche. Es dauerte noch eine Weile, bis die beiden oben ankamen, doch auch Hermine erwachte mit dem ersten Atemzug und gemeinsam mit Viktor steuerten sie das Ufer an. Zoe erhob sich unschlüssig und nahm die fragenden Gesichter von Daphne und Tracey gar nicht wahr. Auf der einen Seite wollte sie schnellstmöglich zu ihrer Freundin eilen. Auf der anderen Seite musste sie wissen, wie es mit Harry weiterging.
„Zoe, setz dich!", beruhigte Tracey sie und deutete zum Ufer. „Schau doch, sie kümmern sich direkt um sie."
Sie folgte dem Blick ihrer Freundin und sah, wie Viktor und Hermine mit schweren Schritten aus dem Wasser watete. Wie zuvor bei Cedric und Cho, stand Madame Pomfrey bereit, um ihnen Decken und ein heißes Getränk zu geben.
„Zoe!", meinte Tracey mahnend und die Blonde ließ sich wieder neben ihr auf die Stufe sinken.
„Du hast ja Recht", gab sie kleinlaut zu und sah erneut hinaus auf das Wasser.
„Mr Potter zögert noch immer", berichtete Bagman tonlos, „worauf er wartet, ist mir nicht ganz klar, doch die Zeit läuft."
Der Gryffindor schwamm hinab zum Grund und holte einen neuen Stein hoch. Dann steuerte er das junge Mädchen an und die Wassermenschen stellten sich ihm abermals in den Weg.
„Mr Potter möchte offensichtlich immer noch die letzte Geisel retten", erzählte Bagman im Plauderton. „Dafür hat er sogar die Chance auf den ersten Platz verspielt."
Harry zog seinen Zauberstab und hob die andere Hand in die Höhe und es machte den Anschein, als würde er von drei an herunterzählen. Die Wassermenschen wichen zurück und Harry schwamm zu dem silberhaarigen Mädchen.
„Die Wassermenschen lassen ihn gewähren", rief Bagman überrascht, „unglaublich! Er hat sie losgeschnitten! Mr Potter ist auf dem Weg nach oben."
Jubel erklang in der Zuschauermenge. Zoe atmete erleichtert auf und sah dabei zu, wie Harry Ron mit dem Mädchen im Schlepptau und in Begleitung der Wassermenschen eilig aufstiegen. Die Slytherin hoffte inständig, dass die Tierwesen Harry nicht bei der nächsten Gelegenheit davon abhalten würden weiter nach oben zu schwimmen.
Es verging eine kleine Ewigkeit und der Beifall ebbte allmählich ab und wurde ersetzt von einer gespannten Stille. Harry wurde immer langsamer, die Kräfte schienen ihm auszugehen, doch das Wasser um ihn herum wurde bereits heller.
Schließlich begann der Gryffindorblock mit Anfeuerungsrufen und nach und nach bildete sich, wie zuvor bei Cedric, ein melodischer Gesang. Stumm flehend hoffte Zoe darauf, dass ihr Freund die Oberfläche erreichen würde, doch sie bangte weitere langandauernde Sekunden.
Dann – endlich tauchte Harry keuchend auf und Zoe sprang von der Stufe auf und stimmte in den dröhnenden Applaus ein. Ron und das Mädchen erwachten. Neben ihnen brachen auch die Köpfe der Wassermenschen durch die Wasseroberfläche und sie begannen einen kreischenden unangenehmen Gesang. Ihre Haut war gräulich und ihre langen dunkelgrünen Haare ähnelten Seegras. Sie begleiteten die drei Menschen ans Ufer und waren bald so nah, dass man bei jeder Silbe ihre spitzen Zähne erkennen konnte. Der Applaus ging zurück und übrig blieb nur das schaurige Kreischen der Wassermenschen.
Als Harry mit den Geiseln das Ufer kam, stand dort schon die aufgeregte Fleur, die von Madame Maxime im Zaum gehalten wurde, damit diese nicht zu dem Mädchen ins zurück Wasser rannte. Die Richter erhoben sich vom Richtertisch und gingen ebenfalls zum Ufer. Nur Karkaroff blieb sitzen und beobachtete die Krankenschwester, wie sie mit Decken im Arm zu den Nachzüglern lief und sich zunächst um das junge Mädchen kümmerte, bevor Fleur dazukam und sie wie eine aufgeschreckte Glucke umwuselte.
Sogar Percy lief bis zu den Knöcheln ins Wasser, um Ron in Empfang zu nehmen und ihn ans Ufer zu zerren. Dieser hatte große Mühe damit, seinen älteren Bruder abzuschütteln.
Der erschöpfte Harry wurde währenddessen von Dumbledore und Bagman auf den Beinen gehalten und zu Madam Pomfrey begleitet, die ihn in eine der Decken einwickelte. Dann ging der Schulleiter zurück zum Wasser und unterhielt sich mit einem der Wassermenschen, der einen auffälligen Haarschmuck trug.
„Dein Großvater kann Meerisch?", fragte Daphne überrascht.
„Sieht ganz so aus", antwortete Zoe nachdenklich, die sich noch nie darüber Gedanken gemacht hatte, wie viele Fremdsprachen ihr Großvater beherrschte.
Nach einer Weile, die Aufregung des Publikums war bereits abgeebbt und die meisten von ihnen hatten auch wieder Platz genommen, kam Dumbledore zurück und beriet sich mit den restlichen Richtern.
In der Zwischenzeit sah Zoe Madame Pomfrey dabei zu, wie sie sich um Ron kümmerte, der noch immer von seinem älteren Bruder belagert wurde und ignorierte währenddessen das eifrige Getuschel um sich herum. Es vergingen ein paar Minuten und erst, nachdem Ludo Bagmans magisch verstärkte Stimme erneut ertönte, wurde es wieder still auf den Tribünen.
Gespannt sah Zoe hinab, so wie alle anderen, als Bagman sagte: „Meine Damen und Herren, wir haben unsere Entscheidung getroffen. Seehäuptlingin Murcus hat uns genau geschildert, was auf dem Grund des Sees geschehen ist, und wir haben daher beschlossen, die Champions bei fünfzig möglichen Punkten wie folgt zu benoten ... Miss Fleur Delacour hat zwar gezeigt, dass sie hervorragend mit dem Kopfblasenzauber umgehen kann, doch sie wurde von Grindelohs angegriffen, als sie sich ihrem Ziel näherte, und hat es nicht geschafft, ihre Geisel zu befreien. Wir erteilen ihr fünfundzwanzig Punkte."
Er machte eine kurze Pause, um nicht den Applaus zu dämpfen, dann moderierte er weiter: „Mr Cedric Diggory, der ebenfalls den Kopfblasenzauber verwendet hat, kam als Erster mit seiner Geisel zurück, allerdings nach der gesetzten Zeit von einer Stunde." Die Hufflepuffs applaudierten und wurden auch vom Rest der Hogwartsschüler unterstützt.
Zoe tat es ihnen gleich, wenn sie auch nur ungern herab zu ihrem Schwarm sah, der noch immer Cho Chang im Arm hielt.
„Deshalb geben wir ihm siebenundvierzig Punkte."
Der Applaus wurde eine weitere Nuance lauter und Bagman musste fast eine Minute warten, bevor er die Stimme wieder erheben konnte.
„Mr Viktor Krum hat eine unvollständige Verwandlung benutzt, die dennoch sehr wirksam war, und ist als Zweiter mit seiner Geisel zurückgekehrt. Wir geben ihm vierzig Punkte."
Die Durmstrangs klatschten und johlten und nach einer Weile gab Bagman die letzten Punkte bekannte: „Mr Harry Potter hat mit bester Wirkung Dianthuskraut genommen. Er kehrte als Letzter zurück und weit über dem Zeitlimit von einer Stunde. Wie uns die Seehäuptlingin allerdings bestätigte, hat Mr Potter die Geiseln als Erster erreicht, und die Verspätung bei seiner Rückkehr war seiner Entschlossenheit geschuldet, alle Geiseln, nicht nur die seine, in Sicherheit zu bringen." Er machte eine kurze Pause, in der er sicher Applaus erwartete, doch es hatte sich eine angespannte Stille über sie gelegt. „Die Mehrzahl der Richter – sind der Überzeugung, dass dies moralisches Rückgrat beweist und mit der vollen Punktzahl belohnt werden sollte. Dennoch ... Mr Potters Ergebnis lautet fünfundvierzig Punkte."
Der folgende Trubel war ein Gemisch aus Applaus und gelegentlichen Buhrufen aus dem Block der Slytherins. Zoe sah herab zu Karkaroff und Krum die beide düster dreinblickten während sie selbst so feste Applaudierte, dass ihre Hände schon bald schmerzten.
„Damit sind die beiden Hogwarts-Champions Mr Potter und Mr Diggory auf Platz Eins!", donnerte Bagman durch den anschwellenden Applaus. „Gefolgt von Durmstrang vertreten durch Mr Krum und Beauxbatons mit Miss Delacour!"
Er ließ dem Publikum ein wenig Raum, um ihre Champions gehörig zu feiern, dann fuhr Bagman fort.
„Die dritte und letzte Runde des Turniers findet am vierundzwanzigsten Juni bei Einbruch der Dunkelheit statt. Wir werden den Champions genau einen Monat vorher mitteilen, was auf sie zukommt. Dank an alle für die Unterstützung ihrer Champions."
Zoe rieb sich die schmerzenden Hände und erhob sich schwerfällig von der Treppe, als ihre Freundinnen von ihren Plätzen aufstanden. Ein erleichtertes Lächeln stand ihr ins Gesicht geschrieben. Harry hatte es geschafft! Er hatte zwei von drei Aufgaben – sogar erfolgreich – erledigt und schon bald würde auch die letzte Prüfung hinter ihm liegen. Danach würde ihr Freund endlich außer Gefahr sein!
Es waren nur noch wenige Wochen ...
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