Die Unverzeihlichen Flüche

Dracos Drohung blieb ohne Konsequenzen.

Zoe fragte sich, ob an Theodores Worten etwas Wahres gewesen sein musste, denn normalerweise standen die Malfoy sofort parat, wenn sich ihr einziger reinerbiger Spross beschwerte. Zoe erinnerte sich noch gut, an ihr zweites Schuljahr. Damals war Mr Malfoy noch Mitglied im Schulrat und er hatte alle Hebel in Bewegung gesetzt, um Albus Dumbledore zu beurlauben. Doch mit Mad-Eye Moody wollten sich Dracos Eltern offensichtlich nicht anlegen. Draco selbst verhielt sich auffällig ruhig und ließ keinen bissigen Kommentar mehr fallen.

Als es dann Donnerstag war frühstückte Zoe mit den Gryffindors, deren Gespräche sich allesamt um ihre erste Unterrichtsstunde bei Moody drehten. Nur Harry ließ sich von der Vorfreude nicht anstecken. Seine sorgenvolle Miene zeugte davon, dass er wieder an Sirius dachte. Vor ein paar Tagen hatte Harry die Nachricht bekommen, dass sein Patenonkel sich auf den Weg gen Norden gemacht hatte, weil ihm eine Kette merkwürdiger Gerüchte zu Ohren gekommen war und er in ihrer Nähe sein wollte. Harry hielt diese Entscheidung für zu gefährlich und fühlte sich schuldig, da er Sirius von seinen Narbenschmerzen berichtet hatte und Zoes Versuche ihn davon zu überzeugen, dass Sirius schon auf sich acht geben würde, überzeugten den Vierzehnjährigen kaum. Schließlich hatte er versucht Sirius von dieser Reise abzubringen, indem er einen weiteren Brief nachschickte, in dem er seine Schmerzen verharmloste. Die Antwort darauf, stand allerdings noch aus. Deswegen blickte Harry auch hoffnungsvoll auf, als die Posteulen hereingeflogen kamen, doch Hedwig war nicht unter ihnen.

„Mach dir keine Sorgen", versuchte Zoe ihren Freund zu trösten, als dieser in seinem Rührei stocherte. „Er hat eine gute Tarnung."

Harry brummte und sagte: „Mir gefällt das ganz und gar nicht ... Was wenn ... wenn sie ihn erwischen ..."

„Dann hätten wir schon lange etwas im Propheten darüber gelesen", beruhigte Zoe ihn. „Diesen Erfolg würde sich das Ministerium doch auf die große Fahne schreiben, nach der Panne bei der Weltmeisterschaft."

„Kann sein", gab Harry kleinlaut zurück.

Zoe beobachtete in ein paar Sekunden und sagte schließlich so leise, dass nur ihr Freund es hören konnte: „Ich finde es irgendwie beruhigend, ihn in der Nähe zu wissen. Dann müssen wir nicht mehr tagelang auf seine Antworten warten ... Er wird sich sicher ein gutes Versteck suchen und – wer weiß, vielleicht können wir ihn sogar einmal besuchen."

Harry sah zu ihr auf und in seinem Gesicht spiegelte sich eine Mischung aus Sorge und Freude wider.

„Das wäre schon toll", gab er schließlich zu.

„Das wäre es", stimmte Zoe ein, „also warten wir's einfach ab."

Der Gryffindor nickte und sah bereits etwas enthusiastischer aus als zuvor.

Nach dem Frühstück schloss sich Zoe ihren Klassenkameraden an, die hinaus auf die Ländereien trotteten, wo sie heute Morgen Kräuterkunde haben würden. In Gewächshaus drei trug ihnen Professor Sprout anschließend auf, den Eiter der Bubotubler zu ernten. Wenig begeistert zogen die Schüler sich ihre Drachenhauthandschuhe über, da der Eiter heftige Hautveränderungen bewirken konnte.

„Wofür braucht man den?", fragte Daphne angewidert, als sie sich am Beet der Bubotubler sammelten.

Es war eine wirklich außerordentlich hässliche Pflanze. Im Grunde ähnelte sie einer auf der Seite liegendem, aufgedunsenem, schwarzen Schneckenhaus. Lediglich die nackten, emporragenden Stängel ließen erkennen, dass es sich bei dem Gewächs um eine Pflanze und nicht um ein Tierwesen handelte.

„Miss Greengrass, der Eiter kommt bei einer Vielzahl von Heilmittel zum Einsatz. Unter anderem kann man ihn in schwerwiegenden Fällen von Akne einsetzten. Er ist sehr wertvoll, also achtet darauf, nichts zu verschütten!"

Die Professorin deutete auf die Stängeln an denen sich unzählige eitrige Beulen befanden. Dann nahm sie ein kleines Flakon zur Hand und führte ihnen vor, wie sie vorzugehen hatten. Im Anschluss konnten sie es selbst versuchen. Der Reihe nach nahmen sie sich jeweils ein kleines Fläschchen aus einem Karton am Boden und verteilten sich um das Beet herum.

Tracey rümpfte die Nase und zwei Ravenclawmädchen schüttelten sich, als sich der gelblich-grüne Eiter aus dem Geschwulst ergoss.

„Riecht wie Benzin", stellte Tracey fest.

Interessiert beobachte Zoe die Veränderung ihrer Drachenhauthandschuhe, als der Eiter, den sie gerade aufzufangen versuchte, an dem Fläschchen vorbeiran und auf ihren Daumen tropfte. Es zischte leise und die dunkelbraunen Handschuhe färben sich bei Kontakt mit der gelblich grünen Flüssigkeit bläulich.

„Miss Dumbledore!", tadelte Professor Sprout, als sie an Zoe vorbeikam und nahm ihr das Fläschchen aus den Händen. „Nicht so! Alle mal herhören! Ich führe es noch einmal vor, schaut aufmerksam zu!"

Nachdem die Kräuterkundelehrerin fertig war, machten sie sich wieder daran selbst Hand anzulegen und so hatten sie zum Ende der Stunde hin bereits einige Liter zusammengetragen. Professor Sprout lobte sie eifrig und ordnete die Fläschchen wieder ordentlich in den Karton ein.

„Was geschieht nun damit?", fragte Zoe, als sie ihr Gefäß ebenfalls abgab.

„Ich übergebe ihn Madame Pomfrey. Sie wird den Eiter dann nach Gutdünken weiterverarbeiten", erklärte die Professorin und fügte an die Klasse gewandt hinzu: „Vergessen Sie nicht, ihre Handschuhe zu reinigen! Wenn sie damit bis zum nächsten Mal warten, werden sich die Flecken nicht mehr entfernen lassen!"

Als Zoe zum Mittagessen bei den Slytherins saß, studierte Millicent ihren Stundenplan, um zu sehen wann sie Verteidigung gegen die dunklen Künste haben würde. Es hatte sich bereits bei den Schülern herumgesprochen, dass Professor Moody eine legendäre Art und Weise besaß, den Unterricht zu führen. Zoe bezweifelte allerdings, dass er auch nur halb so gut sein würde, wie bei Professor Lupin – ihr Lehrer aus dem vergangenen Schuljahr – dessen Ausscheiden fast alle Schüler bedauert hatten.

„Erst morgen!", sprach Millicent enttäuscht zu Pansy und widmete sich ihrem Mittagessen. „Gleich nach Zaubertränken."

Zoe verschluckte sich just in dem Moment an ihrem Kürbissaft und Daphne klopfte ihr hilfsbereit auf den Rücken. Pansy und Millicent lachten hämisch, weil Zoe Tränen in den Augen standen. Als sie wieder zu Atem kam, warf die Slytherin einen flüchtigen Blick hinauf zum Lehrertisch, an dem ihr Hauslehrer gerade speiste.

Schon morgen war der Tag gekommen, an dem sie Professor Snape nicht mehr aus dem Weg gehen konnte und noch immer hatte sie keinen Schlachtplan, wie sie die Diskrepanzen zwischen einander ausräumen sollte.

Appetitlos schob sie ihren Teller von sich. Irgendetwas musste sie sich schnellstmöglich einfallen lassen! Sie konnte schließlich morgen nicht einfach so tun, als wäre nichts geschehen.

Zoe zerbrach sich den Rest des Nachmittags den Kopf darüber, wie sie am geschicktesten Vorgehen konnte. Daher bekam sie kaum mit, was Professor Flitwick der Klasse über den neuen Zauber erzählte, sodass sie immer wieder von Tracey hatte abschreiben müssen. Doch als es schließlich läutete, hatte sich die Slytherin sich eine Taktik zurechtgelegt. Nach dem Unterricht würde sie sich einfach selbst bei Professor Snape zum Tee einladen und ihm ihr Bedauern über die vergangenen Vorkommnisse mitteilen. Und dann ... dann würde Zoe darauf hoffen müssen, dass ihr Großvater recht behielt und er seinen Groll vergessen würde.

Als es schließlich so weit war, dass Zoe sich mit klopfenden Herzen vor der Bürotür, die an beiden Seiten mit Fackelhalter umsäumt war, wiederfand, verließ sie fast der Mut. Unentschlossen blieb sie davor stehen und wartete. Worauf, das wusste sie selbst nicht so recht. Vor ein paar Stunden noch, war sie mehrmals etliche lockere Sprüche für den Gesprächseinstieg durchgegangen, doch nun war es, als seien sie ihr alle aus dem Kopf gefegt. Ihr Mund war furchtbar trocken.

Was sollte sie nur sagen?

Was war, wenn er noch immer wütend auf sie wäre?

Wenn er sie vielleicht gar nicht sehen wollte?

In Zoes Magengegend bildete sich ein unangenehmes Ziehen, als sie sich an den Klang seiner Stimme erinnerte, wenn er mit Harry sprach. Sie hoffte schließlich inständig, dass Professor Snape einfach so tat, als sei nichts zwischen ihnen geschehen.

Unentschlossen hob Zoe die Faust auf Kopfhöhe, hielt jedoch inne, ohne anzuklopfen.

Was war, wenn er sie sofort wieder fortschicken würde?

‚Jetzt mach schon', schalt sie sich selbst, kratzte das letzte bisschen Mut zusammen, dass noch in ihr war, klopfte gegen die Bürotür des Tränkemeisters und hielt den Atem an.

Als das Scharren eines Stuhles zu hören war, musste die Slytherin dem Reflex widerstehen einfach wegzulaufen. Doch schon einen Augenblick später öffnete sich die Tür und Professor Snape blickte mit ernster, Miene auf sie herab. Zoe glaubte zwar, für einen kurzen Moment so etwas wie Überraschung über sein Gesicht huschen gesehen zu haben, doch als er dann schweigend vor ihr stand, war sie sich plötzlich nicht mehr so sicher.

Ihr Herz klopfte vor Aufregung.

„Gibt es ein Problem, Miss Dumbledore?", fragte Snape ruhig nach einer Weile.

Die Slytherin schüttelte nur mit dem Kopf und suchte einige Sekunden lang nach den passenden Worten.

„Ich ... wollte nur 'mal ‚Hallo' sagen", sprach Zoe leise und senkte den Blick.

Eine peinliche Stille entstand. Nervös trat sie von einem Bein auf das andere.

„Darf ich ... rein kommen?", fragte die Slytherin kurz darauf.

Ihr Hauslehrer trat gerade so weit zurück, dass Zoe hindurch schlüpfen konnte und als Snape hinter ihr die Tür schloss, war sie sich auf einmal gar nicht mehr so sicher, ob ihr Vorhaben eine gute Idee gewesen war.

Snape nahm wieder auf seinem Stuhl am Schreibtisch Platz und lehnte sich brütend über einen Stapel Pergamentblätter; vermutlich Hausarbeiten. Etwas verloren sah Zoe sich in dem dunklen Büro mit den deckenhohen Regalen um. Irgendetwas in diesem Raum müsste ihr doch einen Anlass für Smalltalk geben. Angestrengt ließ sie die ihre Augen über die Glaskolben mit schleimig aussehendem Inhalt und den etlichen Zaubertrankzutaten gleiten. Aber ihr wollte einfach nichts einfallen.

Also wagte sie einen kurzen Blick auf ihren Professor, der nicht ein Mal seit ihrer Ankunft von den Pergamenten aufgesehen hatte und biss sich auf die Unterlippe. Warum machte er es ihr auch noch so schwer?

Die Stille im Raum wurde nur durch das gelegentliche Knistern des Feuers im Kamin unterbrochen und schließlich ging sie vorsichtig hinüber, um sich daran zu wärmen.

„Warum sind Sie gekommen?", fragte Snape plötzlich und durchbrach die Leere in ihrem Kopf.

Schuldbewusst wandte Zoe sich um und konzentrierte sich auf den Stapel mit Hausarbeiten auf seinem Schreibtisch.

„Es tut mir leid ...", sagte sie heiser.

„Das braucht es nicht", entgegnete er beinahe ebenso leise.

Zoe riskierte einen vorsichtigen Blick in sein Gesicht und stellte erleichtert fest, dass es nicht wütend aussah.

„Möchten Sie einen Tee?"

Die Slytherin nickte sofort eifrig, als sei dies ein Friedensangebot, doch vielleicht war es das auch. Es vergingen ein paar Minuten, in denen ihr Hauslehrer damit beschäftigt war, zwei Tassen Tee aufzubrühen, und Zoe war froh darüber. Sie nahm auf dem freien Stuhl am Schreibtisch Platz und mit jedem weiteren Herzschlag, entspannte sich die Situation ein wenig mehr. Schließlich schob Professor Snape ihr einen herrlich duftenden Tee zu und Zoe schenkte ihm ganz unbedarft in Lächeln. Doch schon im nächsten Moment erinnerte sie sich daran, warum sie überhaupt her gekommen war.

„Ich dachte ... Sie wären vielleicht – noch immer wütend auf mich ...", schloss sie und roch an dem duftenden Kräutertee.

„Es gibt keinen Grund, Ihnen Vorwürfe zu machen, Miss. Der Einzige, der sich wie ein Idiot verhalten hat – und dies ist keinesfalls eine neue Erkenntnis – ist Sirius Black."

Es gab einen kleinen Stich in ihrem Herzen. Einen Moment lang, betrachtete sie ihr eigenes Spiegelbild in der Teetasse. Dann fragte Zoe, ohne jedoch aufzusehen: „Warum hassen Sie ihn nur so sehr?"

„Weil ich ihn kenne", antwortete Snape mit Nachdruck, „seit vielen Jahren schon."

Zoe wagte es nicht, in sein Gesicht zu sehen und dann fuhr er fort: „Er ist ein Lügner, ein Betrüger, ein arroganter Wichtigtuer und –"

„Mein Dad", sagte Zoe leiser zu ihrer Tasse.

Die Worte des Tränkemeisters blieben ihm in der Kehle stecken und schließlich schloss er zähneknirschend den Mund. Das Knistern des Feuers erfüllte erneut das Büro und Zoe nippte vorsichtig an ihrem Tee. Eine ganze Weile war vergangen, in der Severus Snape nur in die Flammen seines Kamins gestarrt hatte, bevor er wieder Worte fand.

„Dazu kann möchte ich nur noch eines sagen, Zoe. Seien Sie umsichtig mit Ihrem Vertrauen und achten Sie darauf, wem sie es schenken. Die Wenigsten haben es verdient und die Meisten, werden Sie nur enttäuschen."

Die Slytherin sah von ihrer Tasse auf zu ihrem Hauslehrer, dessen Blick noch immer auf die Flammen gerichtet war. Zu gerne hätte sie ihm gesagt, dass sie der festen Überzeugung war, dass Sirius sie niemals enttäuschen würde. Sie hatte es einfach gespürt, von ihrer ersten Begegnung an, hatte ihre Beziehung auf Vertrauen beruht. Er hatte darauf vertraut, dass Zoe ihn nicht verraten würde und Zoe hatte schließlich darauf vertraut, dass der mutmaßliche Massenmörder ihr nichts antun würde, als sie wiedergekehrte. Und ihr Vertrauen war belohnt worden. Mit der wunderbarsten Nachricht, die sie seit dem Tod ihrer Zieheltern erhalten hatte: Zoe hatte ein Stück Familie zurückgewonnen; ihren leiblichen Vater.

Und ohne ihr Vertrauen, wäre das alles nicht möglich gewesen.

Ein dumpfes Klonk Klonk durchbrach ihre Gedanken und auch Snape hob kaum leicht den Kopf. Gespannt lauschend, blieben die beiden stumm, während das eintönige Geräusch immer näher kam. Kurz vor dem Büro verstummte es jedoch. Dann klopfte jemand an der Tür.

Professor Snapes Brauen zogen sich kaum merklich zusammen, doch bat er um Eintritt. Die Tür seines Büros öffnete sich und Mad-Eye Moody kam hereingehumpelt.

„Entschuldigt die Störung", sprach Moody und warf die Tür hinter sich ins Schloss.

Sein magisches Auge ruhte auf Zoe, während das andere Snape ansah.

„Ich störe doch nicht etwa?"

„Was wollen Sie hier?", fragte Professor Snape mit einem angespannten Unterton.

„Ich bin hier, um Ihr Büro zu durchsuchen", gab Moody ohne Umschweife zurück und funkelte Snape an.

„Mein Büro durchsuchen?", zischte Snape bedrohlich. „Was gibt Ihnen das Recht dazu, mein Büro zu durchsuchen?"

„Anordnung von Dumbledore", antwortete Moody unbeeindruckt. „Anlässlich der kommenden Ereignisse werden die Büros aller Lehrer durchsucht. Aber wenn Sie nicht wollen Snape, keine Ursache. Klären Sie das selbst mit Dumb-"

„Warten Sie!", fauchte Snape, als Moody sich bereits umgewandt hatte und bedachte dann Zoe mit einem eindringlichen Blick.

Es war unmissverständlich für die Vierzehnjährige. Sie sprang auf, stellte die Teetasse auf dem Schreibtisch ihres Hauslehrers ab und bedankte sich förmlich. Mit einem letzten Blick auf Professor Moody, verschwand sie aus dem Büro des Tränkemeisters, um ihren Gemeinschaftsraum aufzusuchen.

Nach diesem kurzen Gespräch mit ihrem Hauslehrer war Zoe buchstäblich eine große Last von den Schultern genommen und die Angst vor der ersten diesjährigen Zaubertrankstunde war wie weggeblasen. Alles war wieder beim Alten und die Slytherin war sehr erleichtert darüber.

Die Laune ihres Tränkelehrers blieb jedoch weiterhin furchtbar. Seine Anspannung übertrug sich im Unterricht gleich auf seinen schlechtesten Schüler und so schaffte es Neville tatsächlich, bereits seinen sechsten Kessel in Zaubertränke zu zerschmelzen. Damit fing sich der Gryffindor prompt Nachsitzen ein. Als Zoe nach der Stunde hinauf Mittagessen ging, machten Ron und Harry Professor Moody für die miserable Laune ihres Tränkemeisters verantwortlich.

„Was ist das schon wieder für eine verschrobene Theorie?!", fragte Zoe gereizt, als sie zu den Gryffindors aufschloss.

„Daran ist gar nichts verschroben, Zoe", sagte Ron mit einem vielsagenden Blick zu Harry, weil er wusste, dass ihre Slytherinfreundin ihren Hauslehrer immer verteidigte. „Wieder hat ein Anderer die Stelle für Verteidigung gegen die dunklen Künste bekommen."

„Na und?", fauchte Zoe aufgebracht und überholte die beiden Jungs auf der Treppe.

„Was ‚na und'?", blökte Ron zurück. „Was meinst du denn, woran es sonst liegen mag?"

„Vielleicht, weil er jedes Jahr erneut deine desinteressierte Fratze im Unterricht ansehen muss?", giftete Zoe.

Ronald klappte vor Fassungslosigkeit der Kiefer herunter, doch die Slytherin konnte es nicht sehen, ebenso wenig den bedeutungsvollen Blick, den der Rothaarige abermals Harry zuwarf, denn sie war schon alleine die Stufen hinauf stolziert. Oben im Korridor wurde sie schließlich von Hermine eingeholt, die sie japsend am Arm griff.

„Zoe, warte! Ich muss dir unbedingt etwas zeigen."

Widerwillig blieb die Slytherin stehen und warf dem kurz darauf vorbeigehenden Ron einen finsteren Blick nach. Währenddessen kramte die Muggelstämmigen in ihrem Umhang, dann zog sie eine Kleinigkeit daraus hervor und hielt es Zoe direkt vor die Nase.

„Sieh mal!", meinte Hermine stolz und Zoes Blick fixierte den kleinen filigranen Gegenstand in ihrer Hand. „Mein Prototyp."

Die Slytherin runzelte verständnislos die Stirn.

„Belfer?", fragte sie verwundert.

„Es heißt nicht Belfer", belehrte Hermine sie, „sondern ‚B-ELFE-R': Bund für Elfenrechte."

Zoe zog die rechte Augenbraue hoch, um ihre Skepsis auszudrücken.

„Bund für Elfenrechte?", hakte Zoe nach, nahm den Gegenstand von Hermine an und stellte überrascht fest, dass es sich dabei um einen Anstecker handelte.

„Genau. Ich hatte vor ein paar von diesen Dingern zu machen, um sie an die Mitglieder zu verkaufen. So könnte ich schon mal etwas Geld sammeln, um eine Flyerkampagne zu starten."

„Du hast den hier selbst gemacht?" Verblüfft drehte Zoe den Stecker in den Fingern und betrachtete das glänzende Metall anerkennend.

Hermine nickte und erklärte dann: „Ja, aus einer Sicherheitsnadel und einem Mantelknopf. Es war ein bisschen knifflig, aber ich hab nun den Dreh heraus. Vielleicht vervielfältige ihn einfach, anstatt weitere zu machen ... Ich bin mir noch nicht so sicher, wie ich jetzt vorgehe ... Meinst du, fünf Sickel wäre ein angemessener Preis?"

Zoe zuckte mit den Schultern und gab Hermine den Anstecker zurück, während sie stark bezweifelte, dass Hermine überhaupt jemanden für ihren Bund finden würde.

„Weiß nicht ...", gab die Slytherin verhalten zurück.

„Du, Harry und Ron müssen natürlich nichts bezahlen!", fügte sie eilig hinzu. „Ihr seid Ehrenmitglieder."

Die Slytherin verkniff sich einen Kommentar und lauschte weiterhin Hermines berichten: „Unser Manifest trägt den Titel ‚Stoppt die schändliche Misshandlung unserer magischen Mitgeschöpfe – Bewegung zur Stärkung der Elfenrechte'. Ich wollte es zuerst auf die Anstecker zaubern, doch es war zu lang. Du weißt gar nicht, was ich alles für entsetzliche Dinge über die Hauselfenversklavung in der Bibliothek gefunden habe. Die armen Geschöpfe werden schon seit Jahrhunderten unterdrückt." Sie machte eine kurze Pause und verstaute den Anstecker vorsichtig in ihrem Umgang.

„Ich dachte mir, zunächst wäre es wichtig, dass die Elfen für ihre Arbeit einen fairen Lohn erhalten, aber auch ihre Arbeitsbedingungen müssen sich unbedingt verbessern. Langfristig möchte ich jedoch erreichen, dass das Gesetz über den Nichtgebrauch von Zauberstäben und –"

„Wieso? Sie benötigen keine Zauberstäbe", entgegnete Zoe.

„Wir benötigen auch keine Zauberstäbe!", erwiderte Hermine sofort.

Zoe starrte ihre Freundin perplex an.

„Doch, brauchen wir", widersprach die Slytherin, „es wäre ja sonst kaum machbar den ganzen Tag zu bewältigen."

„Aber es wäre machbar", sagte Hermine beharrlich, „es wäre nur fürchterlich anstrengend und langwierig. Doch das ist es für die Hauselfen auch. Das Zaubern würde ihnen mit einem Fokussiermittel sehr viel leichter von der Hand gehen." Hermine ignorierte Zoes ungläubigen Blick und fuhr fort: „Das Wichtigste, aber wahrscheinlich auch das schwierigste Unterfangen, wäre es, einen Hauself oder eine Hauselfe in die Abteilung zur Führung und Aufsicht Magischer Geschöpfe zu bringen, denn sie haben dort keinen Lobbyisten."

„Einen was?", fragte Zoe verdattert.

„Einen Lobbyisten", wiederholte Hermine, „jemand, der ihre Interessen vertritt."

„Wie willst du das denn erreichen?"

„Schritt für Schritt. Es wird womöglich Jahre dauern, aber die Abschaffung der Sklaverei in den Vereinigten Staaten hat ja auch nicht über Nacht stattgefunden."

Die Slytherin gähnte herzhaft und Hermine sah sie tadelnd an.

„Um zum Punkt zu kommen", sagte sie schließlich, „ich werde noch ein paar Anstecker zaubern und dann können wir anfangen Mitglieder anzuwerben. Es ist erst einmal wichtig, dass wir uns ein Kollektiv aufbauen. Und ich hatte gehofft, du könntest das für mich bei den Slytherins übernehmen."

Zoe horchte erschrocken auf und war nun wieder aufmerksam.

„Ich?", fragte sie überrascht.

„Na klar, es ist viel wahrscheinlicher, dass sie einwilligen, wenn du, als Hausgenossin, darum wirbst."

„Aber Hermine –", wollte Zoe widersprechen, doch die Gryffindor würgte sie ab.

„Bitte, Zoe, das ist mir so wichtig!"

Die Blonde seufzte gequält. Sie hielt Hermines Vorhaben für überzogen, auch wenn – und dass musste Zoe ihr eingestehen – dahinter ein guter Vorsatz schlummerte. Sie sah ihre Freundin an, die sie aus großen, haselnussbraunen Augen flehend anblickte.

„Na gut", räumte Zoe ein und Hermine jubelte leise. „Aber nur ein Versuch!"

„Okay! Super, dann muss ich mich also ranhalten, damit wir auch ein paar Stecker zum Verkaufen haben. Über den Mitgliedsbeitrag mache ich mir dann noch einmal in Ruhe Gedanken!"

Sie betraten die Große Halle und nahmen bei Ron und Harry am Gryffindortisch Platz, wo Hermine sofort damit begann sich hastig ihren Teller zu putzen, um schnellstmöglich wieder in die Bibliothek zu kommen.

Nach dem Essen trottete Zoe mit Daphne und Tracey hinauf zum Klassenzimmer für Verteidigung gegen die dunklen Künste. Als sie jedoch ankamen, waren die vordersten Reihen allesamt schon durch die Ravenclaws besetzt. Verwundert, weil sich ansonsten die meisten Schüler um die hintersten Reihen stritten, nahmen sie schließlich im mittleren Block Platz.

Während die anderen aufgeregt tuschelten, begann Zoe damit ihre Arbeitsutensilien ordentlich auf dem Tisch zu platzieren, bevor sie sich im Klassenraum umsah. Nichts mehr hier drin erinnerte an ihren vorherigen Lehrer. Professor Lupin hatte all seine Präparate, die Plakate und Lehrmittel mitgenommen. Zoe hatte Lupins Kündigung sehr bedauert, denn seit sie am Unterricht teilnahm, hatten sie noch nie einen so guten Lehrer, wie Professor Lupin in diesem Fach gehabt.

Noch während Zoe darüber grübelte, ob sich all die Gerüchte, die über Professor Moody im Umlauf waren, bewahrheiten würden. Weckte sie das näher kommendes Klonk Klonk aus ihrem Tagtraum. In der Klasse wurde es auf einen Schlag still. Alle schauten gespannt zu dem Türrahmen in dem Professor Moody nach kurzer Zeit erschienen war. Grimmig blickte er durch den Klassensaal. Dann schloss er die Tür hinter sich und humpelte zu seinem Schreibtisch. Dabei lugte die klauenartige Spitze seines Holzbeines bei jedem zweiten Schritt unter seinen Umhang hervor.

„Diese Bücher braucht ihr nicht!", knurrte er im Vorbeigehen Lisa Turpin zu, die sie gerade aus ihrer Tasche geholt hatte.

Zoe zog skeptisch die Brauen zusammen.

Am Schreibtisch angekommen, zog er eine Liste aus der Schublade hervor. Während er mit seinem menschlichen Auge zu lesen begann, scannte das magische die Schüler nach und nach ab, während er die Namensliste vorlas. Zoe schien es dabei fast so, als verweile es auf ihr einen Augenblick länger, als auf den anderen. Nachdem er fertig war, verstaute er das Pergament wieder, warf seine schneeweiße Haarmähne zurück und sah sie aus seinem vernarbten Gesicht streng an.

„Nun denn", begann er schließlich, „nach Professor Lupins Bericht habt ihr bereits allerlei schwarze Kreaturen kennengelernt: Irrwichte, Rotkappen, Hinkepanks, Grindelohs, Kappas sogar Werwölfe. Hab ich recht?"

Vereinzelt antwortete ein Schüler mit leisem Gemurmel, doch die Mehrheit der Klasse nickte. Moody schien zufrieden.

„Gut, gut. Dann ist es nun an der Zeit euer Defizit bezüglich Flüche zu bereinigen!", sprach er unheilvoll. „Irgendjemand Fragen dazu?"

Blaises Hand schnellte nach oben und Moody deutete auf ihn und sagte: „Wie ist dein Name?"

„Zabini, Sir. Blaise Zabini."

„Und was willst du wissen?"

„Stimmt es, dass Sie nur ein Jahr bleiben, Sir?"

Mad-Eye-Moody musterte ihn ausgiebig, dann ließ er seinen Blick noch einmal durch die Klasse schweifen, bevor er antwortete: „Das ist korrekt! Ich bin nur hier, um Dumbledore einen Gefallen zu tun. Doch bereits nächsten Sommer werde ich wieder meinen Ruhestand genießen."

Er lachte bellend und es klang ein wenig unheimlich.

„So", schloss er und rieb sich die knochigen Finger, „jemand noch 'ne Frage zum Unterricht? Nein? Gut, dann legen wir doch los, nicht? Ich hab mich vor ein paar Tagen mit dem Lehrplan beschäftig, den das Ministerium vorschlägt. Demnach soll ich euch Gegenflüche lehren, denn die schwarzen Flüche sollt ihr erst nach der sechsten sehen. Doch ich sage euch, das ist SCHWACHSINN!" Er bellte das letzte Wort zu laut hervor, dass sie allesamt zusammenzuckten.

„Dumbledore glaubt auch, dass ihr alt genug seid, um damit fertig zu werden und je früher ihr wisst, womit ihr es zu tun habt, desto besser! Ihr könnt euch nur wappnen, wenn ihr wisst wogegen!" Er machte eine kurze Pause, um ihnen Zeit zu lassen, das Gesagte zu verarbeiten und keiner wagte es, in der Stille einen Laut zu verursachen. „Wenn euch ein Zauberer mit einem verbotenen Fluch verhext, dann wird er euch nicht zuvor sagen, was er vorhat! Er wird euch ansehen – er wird lächeln und euch einfach ungeniert verhexen.

Also merkt euch eines: Seid IMMER WACHSAM!"

Es war so ruhig in der Klasse, das Zoe der festen Überzeugung war, dass sie eine Nadel hätten fallen hören können.

„Nun gut", fuhr Moody fort, öffnete eine Schublade seines Schreibtisches und holte ein Einmachglas hervor, „welche Flüche kennt ihr, die unter der Höchststrafe des Ministeriums fallen?"

Einige der Schüler hoben die Hände und die meisten waren aus Slytherin, doch Moody nahm Terry an die Reihe.

„Dein Name?", forderte ihr Lehrer auf und nun erkannte Zoe, dass in dem Glas, drei münzgroße Spinnen umherkrabbelten.

„Terry Boot, Sir." Moody nickte und der Ravenclaw fuhr fort. „Der Todesfluch steht unter Höchststrafe."

„Vollkommen richtig", bestätigte Moody.

Er öffnete das Glas, fischte eine der Spinnen heraus und setzte sie auf seinen Schreibtisch. Mit einem Wedeln seines Zauberstabs wuchs die Spinne zu der Größe einer Katze heran. Einige Mädchen schrien und die erste Reihe rückte mit ihren Stühlen weiter nach hinten. Doch das Spinnentier war nicht lange eine Bedrohung für sie, denn Moody deutete ungeniert mit seinem Zauberstab auf das Lebewesen und sagte: „Avada Kedavra!"

Ein heller grüner Lichtblitz surrte durch die Luft und die Spinne sackte leblos auf dem Schreibtisch zusammen. Einig der Schüler hielten sich erschrocken die Hand vor den Mund und auch Zoe starrte ungläubig auf die tote Spinne, geschockt davon, dass der Professor es tatsächlich so schamlos getan hatte. Er hatte sie einfach getötet ... So grundlos.

„Der tödliche Fluch ist mit Abstand der Schlimmste, den man wirken kann. Er hinterlässt keinerlei Spuren und es gibt für ihn keinen Gegenfluch. Man kann ihn auch nicht abwehren und bis dato hat nur ein einziger Menschen ihn überlebt. Mit einer blitzförmigen Narbe auf der Stirn, ist er für den Rest seines Lebens gezeichnet."

Die Stille im Klassenzimmer hatte einen unbehaglichen Beigeschmack bekommen. Zoe stierte auf die tote Spinne, bis Professor Moody sie schrumpfte und dann achtlos vom Schreibtisch fegte. Sie hatte als Kind viele Geschichten gelesen über den Jungen, der Überlebte und Zoe hatte, seit sie mit Harry Potter befreundet war, viele Male über sein Schicksal nachgedacht. Über die Grausamkeit und die Ungerechtigkeit, die sie beide gleichermaßen vor vier Jahren heimgesucht hatte. Doch es war ihr noch nie so deutlich gewesen, wie jetzt. Nun, da sie das schaurig grüne Licht des tödlichsten Fluches mit eigenen Augen gesehen hatte, der unaufhaltsam war. Erst jetzt, war dieses tragische Ereignis für sie real geworden.

„Dieser Fluch", sprach Moody in die Klasse und riss die Slytherin damit aus ihren Gedanken, „ist jedoch – Merlin sei Dank – nicht einfach so anzuwenden. Es braucht dafür höhere Magie. Wenn ihr jetzt eure Zauberstäbe auf mich richten und den Fluch sprechen würdet, dann würde das vermutlich nicht mal für ein blaues Auge reichen. Doch das ist nicht der Punkt. Ich will euch den Fluch nicht beibringen, ihr sollt ihn nur gesehen haben. Damit ihr wisst, was euch da draußen im wahren Leben erwarten kann, wenn ihr nicht aufpasst. Also: IMMER WACHSAM!", polterte er.

Die Schüler zuckten wieder zusammen und Moody ließ seinen Blick erst einmal gemächlich durch die Reihen schweifen, bevor er mit seinem Vortrag fortfuhr: „Wer kennt noch einen?"

Etwas melancholisch sah Zoe auf und hob dann zögerlich die Hand, doch ihr Professor gab das Wort an Blaise.

„Den Folterfluch", sagte dieser ernst und einige rutschten nervös auf ihren Stühlen umher, „den Cruciatus."

Moody nickte anerkennend, griff abermals nach dem Glas, schraubte den Deckel ab und holte sich die zweite Spinne hervor. Zoe schauderte unwillkürlich.

„Der Cruciatus-Fluch", erzählte Moody, „fand vor ein paar Jahren großen Anklang. Zu der Zeit, als der Dunkle Lord nach der Macht griff war dieser Fluch ein beliebtes Mittel Widersacher gefügig zu machen. Engorgio!"

Die neue Spinne vergrößerte sich ebenfalls und gerade, bevor sie vom Schreibtisch krabbeln konnte, hatte Moody seinen Zauberstab auf sie gerichtet und sprach: „Crucio!"

Zoe zuckte just in dem Moment, da die Spinne ihre Beine vor Schmerz an den zitternden Körper zog, zusammen. Wenn dieses Tier hätte schreien können, wäre es mit Abstand der erbärmlichste und herzzerreißendste Schrei gewesen, die viele Schüler dieser Klasse jemals gehört hätten. Die Spinne wippte krampfartig hin und her und allmählich schien die ganze Klasse zu verstehen, was dort passierte.

„Bitte hören Sie auf!", flehte Lisa mit Tränen in den Augen aus der ersten Reihe.

Moody sah zu ihnen auf und der überraschte Ausdruck auf seinem Gesicht ließ beinah vermuteten, dass er während der Ausführung dieses Zaubers die Anwesenheit seiner Schüler vergessen hatte. Er brach den Zauber ab, und das Tier blieb erschöpft liegen.

Reducio", sprach er, um die Spinne wieder zu schrumpfen. „Der Cruciatus-Fluch vermag es, jeden noch so eisernen Willen zu brechen. Zu lange angewendet, kann er zu geistigen Verwirrungen und irreparablen Schäden führen, was ihn ebenso unverzeihlich, wie den Todesfluch macht. Man braucht keine physikalischen Waffen, um zu foltern, wenn man diesen Fluch beherrscht."

Er packte das Spinnentier am Bein und ließ sie in das Glas fallen, wo sie weiterhin reglos blieb. Während er die letzte Spinne aus dem Gefäß fischte, sprach er: „Nun haben wir zwei von dreien. Wer von euch, kann mir den letzten nennen?"

Erneut hob Zoe die Hand und bemerkte dabei, dass sie nun zitterte. Außer ihr, hatten sich auch drei Ravenclaws und Daphne gemeldet. Beide Augen des Professors ruhten plötzlich auf ihr und es war Zoe so unangenehm, dass sie die Hand fast wieder herunter nahm.

„Nun, Zoe?", sagte Moody leise und fixierte sie weiterhin.

Überrascht darüber, dass er sie beim Vornamen nannte, hielt sie kurz inne. Dann leckte sie sich nervös über die Lippen, zögerte jedoch weiter. Moodys stierender Blick irritierte sie und sie sah angespannt auf ihre Hände und dachte an den letzten Fluch.

„D-d-der Imperius, Sir ...", sagte sie schließlich und dabei lief es ihr eiskalt den Rücken herunter.

Nie mehr würde sie diesen Fluch vergessen können. Nie mehr würde sie das befremdliche und leichte Gefühl der Gleichgültigkeit im Kopf vergessen, wenn man mit ihm belegt war.

Zoe hatte dies am eigenen Leib erfahren. In ihrem ersten Schuljahr, als Professor Quirell sie benutzen wollte, um an den Stein der Weisen zu gelangen.

„Oh, ja", sagte Moody nickte und nahm endlich den Blick von der Vierzehnjährigen. „Der Imperius-Fluch hat ebenfalls vor ein paar Jahren für viel Ärger im Ministerium gesorgt. Engorgio!"

Moody ließ die Spinne just in dem Moment fallen, da er sie vergrößert hat und das Spinnentier versuchte sofort zu flüchten, als schwante ihm Böses.

Doch gerade in dem Moment, da es die Kante des Schreibtisches erreicht hatte, da deutete der Professor mit seinem Zauberstab auf das Wesen und sagte „Imperio!"

Die Spinne erstarrte. Dann streckte sie schwungvoll alle Beine von sich und rollte sich wie ein Rad über Moodys Schreibtisch. Auf den forderen Plätzen begannen die ersten Schüler zu kichern, als die Spinne ihr Rad immer kleiner im Kreis machte, bis sie schließlich wie eine Münze rotierte und dann flach liegen blieb. Doch nur für ein paar Sekunden, denn schon im nächsten begann sie eine komplizierte Steppausführung und brachte somit auch den Rest der Klasse zum Lachen. Sie alle lachten – außer Zoe.

Moodys vernarbtes Gesicht verzog sich zu einem übertriebenen Lachen, als er sagte: „Witzig, nicht wahr? Was sollen wir sie tun lassen? Einen von euch anspringen? Sich am seidenen Faden abseilen? Oder aus dem Fenster stürzen lassen?" Und mit seinen letzten Worten, machte die Spinne einen weiten Sprung und flog aus dem geöffneten Fenster hinaus.

Und die Klasse war auf einen Schlag verstummt.

Professor Moody betrachtete seine Schüler nun grimmig.

„Wie fändet ihr es, wenn ich das mit euch täte?", fragte er in das bedrückte Schweigen herein. „Auch so witzig?"

Niemand wagte es mehr zu antworten.

„Der Imperius führt zur vollkommenen Unterwerfung und vor einigen Jahren, waren viele Hexen und Zauberer davon betroffen. Stellt euch vor, wie schwierig es für das Ministerium war herauszufinden, wer unter diesem Fluch und wer aus freiem Willen gehandelt hat.

Doch dieser Fluch, ist anders als bei den anderen, zu bekämpfen! Ich werde euch zeigen wie, doch es wird keine leichte Lektion werden. Es fordert Charakterstärke, diesem Fluch zu widerstehen und einen starken Willen.

Ihr solltet also darauf achten, dass ihr diesem Fluch nicht zum Opfer fallt. IMMER WACHSAM!", bellte Moody abermals und sie zuckten wieder allesamt zusammen. „Diese drei Flüche – Avada Kedavra, Imperius und Cruciatus – werden als die ‚Unverzeihlichen Flüche' bezeichnet, weil sie unverzeihlich sind. Wer auch immer einen von ihnen, an einem Mitmenschen anwendet, der wird zu einer lebenslangen Haft in Askaban verurteilt.

Und trotz alledem, gibt es da draußen noch immer Menschen, die diese Flüche auf euch richten, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken! Das ist der Grund, warum ich euch den Kampf gegen diese Flüche beibringen muss. Ich werde euch vorbereiten, damit ihr gewappnet seid und ihr in eurer Wachsamkeit niemals nachlasst! Verstanden?"

Die Klasse murmelte nach kurzer Verzögerung und Moody deutete dies als ein Einverständnis.

„Sehr gut", sagte er und fuhr fort, „also nehmt ihr euch nun Pergament und Feder zur Hand und schreibt mit!"

Ihr Professor erzählte ihnen den Rest der Stunde allerlei über die Unverzeihlichen Flüche, sodass Zoe am Ende der Stunde zwei Rollen Pergament an Notizen hatte. Als es läutete erfüllte ein aufgeregtes Schnattern den Raum und das Klassenzimmer leerte sich nach und nach. Zoe folgte Daphne und Tracey stumm nach vorne, als Professor Moody, darum bat, dass Zoe noch einen Augenblick dableiben sollte. Die Slytherin tauschte einen verwunderten Blick mit ihren Freundinnen und schickte sie dann vor. Mit etwas Unbehagen wartete sie darauf, dass auch der Letzte den Klassenraum verlassen hatte.

„Dein Großvater hat mir natürlich alles über die Sache in deinem ersten Schuljahr berichtet", begann Moody das Gespräch und verstaute das Glas mit der übrig gebliebenen Spinne im Schreibtisch.

Zoe schwieg betroffen.

„Umso wichtiger fand ich es, gleich mit diesem Thema zu beginnen."

Er starrte sie an und die Slytherin kam sich regelrecht geröntgt vor. Nervös begann sie am Ärmel ihres Umhangs zu spielen.

„Du hast gehört, was ich für die nächste Stunde angekündigt habe? Dass ich euch gegen den Imperius-Fluch ankämpfen lassen will."

Zoe nickte, ohne jedoch aufzusehen.

„Gut", fuhr Moody fort, „und ich möchte mit dir, zur Demonstration beginnen."

Geschockt sah die Slytherin zu ihrem Professor auf.

„Wie bitte?", fragte sie verunsichert.

„Eigentlich war es die Idee von deinem Großvater. Er ist sehr darauf bedacht, dass du dir in so einer Situation zukünftig helfen kannst", er machte eine kurze Pause. „Und da du ja schon weißt, was auf dich zukommt, wird es sicher auf Anhieb klappen. Das wäre ein toller Effekt für den Einstieg."

„Ich weiß nicht, Professor", meinte Zoe und sah schüchtern zu ihm auf, „das würde ich ungern wollen."

„Ach was", sprach Moody, „du hast doch sicher einen starken Willen. Deine Mutter, war eine echte Kämpferin!"

„Ich bin nicht ... wie meine Mutter", erwiderte Zoe leise.

Professor Moodys eigenes Auge funkelte auf eine Art, welche auf die Vierzehnjährigen beklemmend wirkte. Dann meinte er: „Das werden wir schon sehen ..."

Dieser Blick war Zoe mehr als unheimlich, doch sie zwang sich dazu ihm standzuhalten.

Das Gesicht ihres Professors begann plötzlich zu zucken und er schüttelte seinen Kopf, wie ein nasser Hund, bevor er sprach: „Das war alles, Zoe, du kannst gehen!"

Das ließ sich die Slytherin nicht zweimal sagen. Noch während Moody in den Innentaschen seines Umhangs wühlte, steuerte sie eilig die Tür an. Im Rahmen warf sie einen letzten Blick zurück und sah gerade noch, wie der ehemalige Auror einen tiefen Schluck aus seinem Flachmann nahm und dann lief sie rasch davon.

Mit einem beklemmenden Gefühl eilte sie durch die Korridore, Stockwerk um Stockwerk hinab. Mad-Eye Moody war ihr unheimlich. Sehr unheimlich sogar und Zoe fragte sich, warum ihr Großvater den ehemaligen Auror gebeten hatte für dieses Jahr zu unterrichten. Hatte er wirklich niemand anderen für die Stelle gefunden, oder lag da gar mehr im Argen? Wünschte er sich Unterstützung während des Trimagischen Turniers oder hatte es vielleicht sogar mit den Vorfällen an der Weltmeisterschaft zu tun? Dass selbst Sirius in seinem Brief an Harry, von ‚einer Kette merkwürdiger Gerüchte' schrieb, hatte Zoe hellhörig gemacht. Die Slytherin nahm sich vor, ihren Großvater bei einer passenden Gelegenheit dazu zu befragen.

Je mehr Abstand, sie zwischen sich und ihrem neuen Lehrer bekam, desto entspannter wurde die sie und Zoe verdrängte die Erinnerung an das Gespräch von eben. Doch erst, als sie das erste Stockwerk erreichte, atmete sie erleichtert ein, rückte sich die Tasche auf den Schultern zurecht und zügelte ihre Schritte ein wenig. Sie kam an einem kleinen Erker vorbei, auf dessen Sockel normalerweise eine Rüstung thronte, die jedoch ab und an ihren Standort selbständig wechselte. Und an Stelle der Rüstung, saß dort, über ein Buch gekauert, Neville Longbottom. Verwundert blieb Zoe stehen und der Gryffindor sah zu ihr auf.

„Hi, Zoe!", sagte er und lächelte schüchtern.

„Hey Neville", erwiderte die Slytherin und fügte hinzu: „Es hat schon geläutet. Willst du nichts essen?"

Er schüttelte den Kopf, klappte das Buch zu und sagte: „Ich weiß ... Ich hab' nur keinen Hunger ..."

Der Blick der Vierzehnjährigen fiel auf seinen Schoß und für eine Sekunde, als sie das Cover erkannte, hielt sie den Atem an.

„Wo hast du das her?", fragte Zoe überrascht.

Perplex runzelte Neville die Stirn und schien dem Themenwechsel nicht ganz folgen zu können.

„Hab ich was?", fragte er und blinzelte Zoe an.

„Das Buch", entgegnete die Slytherin energisch und deutete auf Magische Wasserpflanzen des Mittelmeeres und ihre Wirkungen.

„Oooh, das", stammelte Neville verdattert, „Professor Moody hat es mir gegeben. Meinte, es könnte mich interessieren, weil ich Kräuterkunde –" Er stockte kurz, als er den schmerzlichen Gesichtsausdruck des Mädchens sah. „Warum fragst du?"

Zoe seufzte tief, riss den Blick von dem See auf dem Einband und sah ihren Mitschüler an.

„Meine Mutter hat es geschrieben", sagte sie leise und ihre Augen wurden plötzlich feucht, „es war das letzte Buch, das sie veröffentlicht hat."

Verblüfft sah Neville wieder auf das Lehrbuch herab und betrachtete das Cover eindringlich.

„Dr. sc. nat Evelyn Evie Jones?", fragte er ungläubig und sah wieder auf.

Zoe blinzelte heftig, nickte nur und korrigierte dann: „Sie waren meine Zieheltern. Ich bin bei ihnen in Albanien aufgewachsen ..."

Eine kurze Stille umgab sie. Ein Moment in dem Zoe ihrer Trauer nachhing, doch Neville fand tröstende Worte für sie.

„Es tut mir leid, was mit ihnen geschehen ist", sagte er ohne zu wissen, was Zoes Eltern passiert war.

Doch dass es etwas Schlimmes gewesen sein musste, das konnte er aus ihrem Gesicht heraus lesen. Er war gut darin solche Dinge in den Menschen abzulesen. Vielleicht war es eines der wenigen Dinge, die er wirklich gut konnte.

„Ich weiß, wie das ist ..." Mitfühlend sah Zoe zu ihm auf und er fuhr fort: „Meine Eltern sind im St. Mungos ... Für immer ..."

Zoe runzelte fragend die Stirn. Das St. Mungos war das größte magische Krankenhaus in London.

„Sie sind krank?", hakte die Slytherin vorsichtig nach. „Beide?"

„So etwas ähnliches", sagte Neville, schloss das Kräuterbuch endgültig und klemmte es sich unter den Arm. „Sie sind damals, nachdem Du-weißt-schon-wer verschwunden war von Todessern gefoltert worden. Meine Eltern waren Auroren, weißt du."

Zoe nickte nur und hörte ihm stumm zu.

„Sie haben sie mit dem Cruciatus-Fluch gefoltert und ... das hat ihr Gedächtnis zerstört irgendwie ... Sie erkennen mich meistens nicht einmal, wenn Oma und ich sie besuchen ..."

„Das ist ja furchtbar", sagte Zoe sichtlich mitgenommen und fasste Neville unwillkürlich tröstend am Arm.

Er lächelte dankbar, für ihr Mitgefühl.

„Es war so eine Hexe namens Bellatrix Lestranges", erzählte Neville weiter.

„Lestranges?", wiederholte Zoe nachdenklich, die den Namen schon einmal irgendwo gehört hatte.

Neville nickte und fuhr fort: „Reinblutfanatiker, wie die Blacks und die Malfoys ... Oma sagt immer: ‚Du kannst stolz auf alles sein, was du bist – nur nicht auf dein Blut. Für dein Blut kannst du nichts' ..."

„Das ist sehr weise", stimmte Zoe zu und ließ Neville wieder los.

Einen Moment folgte eine peinliche Stille. Dann jedoch füllte der Gryffindor sie wieder.

„Sie mag deinen Großvater sehr ... und deine Großmutter mochte sie auch."

„Ich hab sie nie kennen gelernt", erklärte Zoe, doch Neville nickte nur verstehend.

„Ich weiß ... Großmutter sagt immer, sie habe noch nie so herzliche Menschen erlebt, wie es ein jeder Prewett war ... und ich soll immer nett zu dir sein."

Zoe lachte leicht und Neville tat es ihr gleich.

„Eine liebe Frau, deine Oma", meinte Zoe ehrlich.

„Eigentlich schon", sprach Neville erheitert, „doch meistens ist sie ziemlich streng ..."

„Du solltest sie von mir grüßen!"

„Werde ich, das wird sie sicher freuen."

Sie schwiegen ein paar Sekunden und schließlich deutete Zoe auf ihre Tasche und sprach: „Ich muss los, dass ich noch vor dem Unterricht essen kann."

Neville nickte verstehend.

„Dann bis demnächst", sagte der Gryffindor und Zoe wandte sich zum Gehen, als er ihr hinterherrief: „Zoe?"

Die Slytherin drehte sich noch einmal um und sah den dicklichen Jungen in sein freundliches rundes Gesicht.

„Bitte erzähl das niemandem", bat er ernst und Zoe wusste sofort, was er meinte.

„Natürlich nicht, Neville!"

„Danke!"

Und damit wandte sie sich wieder um, um hinunter zur Großen Halle zu gehen.

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top