Die Einladung

Am nächsten Morgen wurde Zoe von Stimmen geweckt. Sie gähnte müde, denn am Abend zuvor war sie bis spät in die Nacht wach gewesen, um einem Muggelhörspiel, zu lauschen, das im Magischen Rundfunk übertragen worden wurde. Eine Weile blieb der Teenager noch unter der Decke liegen, genoss die wohlige Wärme ihres Federbetts und horchte auf die Stimmen von nebenan.

Doch die Wände des alten Schlosses waren viel zu dick, um auch nur eines der gesagten Worte zu verstehen, und so lockte die Neugier Zoe schließlich aus dem Bett.

Sie tapste hinüber ins Badezimmer, vollzog eine Katzenwäsche und schnappte sich ihre Kleider vom stummen Diener. Als sie gerade in ihre Hose schlüpfte, fiel Zoe plötzlich ein dunkler Schatten auf ihrem linken Unterarm auf. Verwirrt stutzte die Vierzehnjährige und betrachtete die gerötete Haut unterhalb der Armbeuge misstrauisch. Vorsichtig strich sie mit den Fingern darüber, während sie sich fragte, ob es ein Ausschlag oder eine Schürfwunde war. Der folgende, unerwartete Schmerz ließ sie augenblicklich zurückzucken. Die zarte Haut, an ihrem Unterarm war heiß und empfindlich. Zweifellos musste Zoe sich diese Verletzung bei dem gestrigen Sturz im Pokalzimmer zugezogen haben.

Den Poltergeist verfluchend, zog sie sich ihr Shirt über den Kopf und schüttelte das mittlerweile schulterlange, blonde Haar auf. Dann trat sie hinaus in den Flur, wo sie schon von weitem die Stimme ihres Großvaters vernahm. Zoe betrat das Schulleiterbüro und sah ihn vor dem Kamin stehen und zu den lodernden Holzscheiten zu seinen Füßen sprechen. Als er seine Enkelin bemerkte, wandte er sich zu ihr um und sagte freundlich: „Warten Sie einen Moment, Molly, sie ist gerade hereingekommen, möchten Sie sie nicht selbst fragen?"

„Selbstverständlich, Albus", antwortete die Frauenstimme aus dem Feuer.

Ihr Großvater winkte Zoe heran und als diese näher trat, erkannte sie das Gesicht von Mrs Weasley in der Glut.

„Hallo, Zoe", sprach diese mit einem liebevollen Lächeln. „Arthur und die Kinder werden zur Quidditch Weltmeisterschaft gehen und da Harry und Hermine ebenfalls zu uns kommen, wollte ich wissen, ob du auch da sein wirst?"

Die Slytherin sah die Mutter ihres Freundes überrascht an. Eigentlich wäre ein Besuch bei den Weasleys eine willkommene Abwechslung gewesen, doch es waren nur noch wenige Wochen, bis zu dem Spektakel und Zoe hatte sich nie um Karten bemüht.

„Also ... ich würde sie gerne besuchen, doch ich habe kein Ticket für die –"

„Ach, Liebes", fiel ihr Mrs Weasley ins Wort, „Arthur wird Karten im Ministerium besorgen, sofern du mitgehen möchtest."

Zoe warf einen fragenden Blick über die Schulter, auf ihren Großvater, der nur zustimmend nickte.

„Sehr gerne, Mrs Weasley!", antwortete die Slytherin fröhlich.

„Wunderbar, wir freuen uns schon auf dich", sprach sie und richtete das Wort wieder an Albus Dumbledore. „Ich werde es wie besprochen weitergeben!"

„Vielen Dank, Molly", sagte ihr Großvater verabschiedend.

„Keine Ursache. Arthur wird sich so schnell wie möglich melden. Bis dann, Zoe!"

„Tschöööö!"

Das Gesicht im Feuer verschwand, die Flammen verglommen allmählich und Zoe trottete hinüber zu dem kleinen Tisch, auf dem ihr Frühstück bereits wartete.

„Na siehst du", meinte ihr Großvater munter, „schon bald ist der langweilige Teil deiner Ferien vorüber."

„Das dauert immer noch ewig!", widersprach seine Enkelin und nahm zuerst die beiden Briefe von ihrem Sessel, bevor sie sich setzte und die Umschläge aufriss.

Der erste war ein Ferienbericht ihrer Freundin Tracey, die allem Anschein nach von der Reise mit ihren Eltern zurückgekehrt war. Sie wünschte Zoe frohe Ferien und fragte, ob sie ihren Zaubertrankaufsatz für das kommende Schuljahr bereits vollendet hatte.

Auch der zweite Brief war von einer Slytherin. Daphne Greengrass berichtete von den gesellschaftlichen Gepflogenheiten der letzten Tage und wollte einen Termin vereinbaren, in denen sie sich zusammen in der Winkelgasse treffen konnten, um ihre Schulsachen zu kaufen.

„Darf ich demnächst mit Daphne und Tracey in die Winkelgasse, um unsere Sachen zu holen?", fragte Zoe in den Raum und sah ihrem Großvater dabei zu, wie er die Futterschale des Phönixes auffüllte.

„Selbstverständlich!", antwortete Dumbledore mit einem freundlichen Lächeln.

Zoe frohlockte und legte zufrieden die Pergamentblätter zur Seite, um zu dem frühstücken. Mit der Aussicht, ihre Freunde zum Einkaufen zu treffen, würden die paar Tage, die vergehen mussten, damit sie endlich zu Hermine fahren konnte auch noch vorüber gehen. Schon nach dem Frühstück würde Zoe ihren Freundinnen zurückschreiben, um ihnen einen Termin vorzuschlagen.

Die Zeit verging jedoch weiterhin schleppend. Doch bald lagen auch diese Tage endlich hinter Zoe und an dem Morgen, als sie mit den Slytherinmädchen verabredet war, plapperte sie unaufhörlich auf ihren Großvater ein. Schließlich verabschiedete sich dieser von seiner Enkelin und Zoe trat mittels einer Handvoll Flohpulver durch den Kamin hindurch, direkt in den Tropfenden Kessel. Sie hatte unterwegs jedoch einen Mundvoll Staub eingeatmet und kam schließlich hustend und prustend in dem Wirtshaus an.

„Da ist sie ja!", rief eine Stimme und im nächsten Moment fielen Tracey und Daphne johlend über ihre keuchende Freundin her.

„Schön, dass du mitkommst!", rief Tracey und klopfte ihr auf den Rücken.

„Wir hatten schon gedacht, du wärst bei Hermine", sprach Daphne.

„Erst – übermorgen", keuchte Zoe mit tränenden Augen, jedoch enorm glücklich über die herzliche Begrüßung der beiden, „sie ist – noch – mit ihren Eltern – im Urlaub."

Es dauerte einige Sekunden, bis Zoe sich gefangen hatte und wieder normal atmen konnte, da erklang auch schon eine jammernde Stimme hinter ihnen: „Kommt endlich!"

Zoe wandte sich um und erst jetzt erkannte die Slytherin, dass auch Daphnes jüngere Schwester mitgekommen war.

„Hallo, Astoria", sprach Zoe freundlich und diese nickte ungeduldig.

„Ja, hi – quatschen können wir auch noch unterwegs", entgegnete sie quengelig, „ich will unbedingt zu Madam Malkins!"

Daphne klatschte vergnügt in die Hände und zog Zoe entschlossen mit sich mit und gemeinsam betraten sie den Hinterhof des Wirtshauses. Routiniert klopfte Tracey mit ihrem Zauberstab auf den Stein, der ihnen Einlass in die Winkelgasse gewähren würde.

„Zoe weiß bestimmt, wofür wir die Festumhänge brauchen, oder?", sprach Daphne und sah ihre Freundin hoffnungsvoll an.

„Festumhänge?", wiederholte diese überrascht.

Die drei Mädchen drehten sich synchron zu ihr um und musterten Zoe skeptisch.

„Veralber' uns nicht", bat Tracey, „du musst doch irgendetwas von deinem Großvater aufgeschnappt haben!"

Verwirrt sah Zoe ihre Freundinnen an, die sie mit großen, neugierigen Augen musterten. Nachdenklich zog sie die Brauen zusammen und überlegte, worauf die Slytherins aus waren.

„Ich weiß nicht, was ihr meint", gab sie schließlich zu und sah, wie sich die Neugierde in ihren Gesichtern in Enttäuschung wandelte.

„Na, die Festumhänge, von der Liste, die sie unseren Eltern zugeschickte haben", sprach Daphne und zog einen Zettel aus Pergament hervor. „Wofür brauchen wir die?"

Zoe nahm den Brief an sich und las ihn durch, während sie gemeinsam in die Gasse schlenderten und sich die Mauer hinter den vier Mädchen schloss.

Sehr geehrte(r) Mr und Mrs Greengrass,

Wie bereits in dem Schreiben vom ersten September vergangenen Jahres mitgeteilt, findet im bevorstehenden Schuljahr ein besonderes Ereignis statt. Aus diesem Grund bitten wir darum, alle Schüler ab der vierten Klasse mit einem Umhang für feierliche Anlässe auszustatten.

Gestattet ist festliche Abendgarderobe.

Mit freundlichen Grüßen

Minerva McGonagall, stellvertretende Schulleiterin

„Den hab' ich gar nicht bekommen", sagte Zoe verdutzt.

Tracey stöhnte.

„Und wir hatten die Hoffnung, du könntest uns verraten, was geplant ist."

„Das Einzige was ich weiß ist, dass Professor Sprout das Quidditchfeld bepflanzt hat", meinte Zoe nachdenklich und dachte an das Gestrüpp, welches ihre Kräuterkundelehrerin angelegt hatte.

„Wofür denn das?", fragte Daphne verwundert.

„Gute Frage", stimmte Tracy grübelnd zu.

„Das kann wohl kaum etwas mit den Festumhängen zu tun haben?!", nörgelte Astoria und drängte sie weiter.

„Aber Moment mal", meinte Zoe plötzlich und folgte den dreien, „du kommst doch erst in die zweite Klasse, Astoria. Damit brauchst du doch gar keinen Festumhang."

Die Zwölfjährige warf Zoe einen vernichtenden Blick über die Schulter zu.

„Mum und Dad haben mir aber trotzdem erlaub, mir einen zu kaufen", fläzte sie ungehalten, „für Familienfeiern!"

Zoe ignorierte ihren bissigen Unterton, gab Daphne den Brief zurück und gemeinsam gingen sie die häuserumsäumte Gasse herunter. Die Sonne beschien ihre Köpfe und allmählich füllte sich die Winkelgasse mit weiteren Einkäufern.

Als sie bei Madam Malkins – Anzüge für alle Gelegenheiten ankamen, blieben die Mädchen staunend vor dem Schaufenster stehen, wo die prächtigsten Festumhänge ausgestellt waren.

Astoria drückte sich die Nase sofort an der Scheibe platt, als sie einen kurz geschnittenen, mintgrünen Umhang bewunderte.

„So etwas hatte ich mir vorgestellt", hauchte sie atemlos.

„Der wird aber ein Traum bleiben", sagte ihre Schwester und deutete auf das Preisschild. „Der kostet über Dreihundertsechsundsechzig Galleonen."

Auch Zoe staunte nicht schlecht, dass so wenig Stoff so teuer sein konnte. Mit einem unbehaglichen Gefühl in der Magengegend, zog sie das Säckchen mit Münzen hervor, das ihr Großvater ihr mitgegeben hatte, um nachzusehen, ob es für einen Festumhang reichen könnte. Doch darin klimperten allerlei goldene Galleonen, so dass sie sich darum keine Sorgen machen musste.

„Lasst uns reingehen", forderte Tracey, die nun auch ungeduldig wurde.

Als sie die Tür öffneten, schellte ein Glöckchen über ihren Köpfen und eine hübsche, dunkelhäutige Frau mit mandelförmigen Augen, die auf einem Stuhl in der Ecke saß, sah flüchtig von ihrem Modemagazin auf und musterte sie abschätzend.

Madam Malkins erschien kurz aus dem Hinterzimmer und betrachtete die Mädchen vielwissend.

„Auch Hogwarts?", fragte sie rhetorisch und fuhr fort, als sie nickten, „dann seht euch schon einmal um, ich bin gleich bei euch!"

Danach verschwand sie wieder nach hinten.

Dazu ließen sich die Mädchen nicht zweimal auffordern. Astoria stürzte sich gleich auf den ersten Kleiderständer und begann damit, die nach Farben sortierten Umhänge zu begutachten.

Zoe fühlte sich bei der Vielzahl von Farben, Stoffen und Schnitten sichtlich überfordert.

„Wisst ihr schon, was ihr haben wollt?", fragte sie verblüfft und beobachtete die Geschwister dabei, wie sie sich gegenseitig berieten.

„Ich will eines, wie Myron Wagtail!", antwortete Astoria sofort und Daphne rollte mit den Augen.

Zoe wusste gleich, dass die Jüngere damit, die Sängerin der Band ‚Schwestern des Schicksals' meinte, hatte jedoch weiterhin keine Vorstellung davon, was sie für sich selbst aussuchen sollte.

„Ich fände etwas mit Spitze schön", flötete Tracey schwärmerisch, „und einem Herzausschnitt."

„Und weit ausgestellt, sollte es sein", hauchte Daphne. „Wie dieses zum Beispiel!"

Die Slytherin zog ein ecrufarbenes Exemplar hervor mit endlos vielen zwiebelförmigen Schichten und ihre Augen leuchteten förmlich. „Natürlich mit einem Verdugado!"

„Verdu-was?", fragte Zoe verdattert und sah von der anhimmelnden Daphne zu Tracey, die nur mit den Schultern zuckte.

„Einen Verdugado", wiederholte Astoria in einem hochmütigeN Ton und musterte Zoe ungläubig. „Einem Unterrock!"

„Achso", meinte Zoe kleinlaut, der einmal mehr bewusst wurde, dass Astoria und Daphne Greengrass aus einer traditionsbewussten und reinblütigen Familie stammten.

Immer wenn Daphne von ihren Ferienerlebnissen berichtete, hatten ihre Geschichten einen bitteren Beigeschmack. Den Prunk und die Exklusivität, den die Schwestern ausschließlich durch das Arrangement ihrer Eltern für ihren Gehorsam genossen, hatte Zoe nie beneidet. Für die beiden Mädchen war das Normalität, doch Zoe kam dieses strenge und arrangierte Leben, wie ein goldener Käfig vor.

„Ich finde das nächste hübsch", sagte Tracey und deutete auf einen weniger pompösen Festumhang mit einer farblich abgesetzten Spitze.

„So, da haben wir den jungen Herrn, Mrs Zabini", ertönte die Stimme von Madam Malkin hinter ihnen.

Die Mädchen wirbelten herum und sahen, wie die stämmige Ladenbesitzerin einen weiteren Slytherin vor sich herschob. Blaise Zabini, war während der Ferien um ein gutes Stück gewachsen und auch seine Gesichtszüge, mit den hohen Wangenknochen schienen kantiger geworden zu sein. Er trug eine schlichte, dunkle Hose, ein Gilet aus schwarzem Brokat und darüber, statt des traditionellen Zaubererumhangs einen Justaucorps in blutroter Farbe. Als sich seine Mutter erhob und ihn aus strengen Augen musterte, drehte Blaise sich mit genervtem Blick um, und nachdem er seine Hausgenossinnen bemerkte, wurde sein Ausdruck wieder etwas milder.

„Hey!", sagte er erfreut und hob lässig die Hand zum Gruße.

Die Mädchen erwiderten diesen freundlich – alle bis auf Tracey, die offenbar keinen Ton herausbekam.

„Der sieht gut aus!", lobte Daphne seinen Festumhang sofort und trat etwas näher, um die Details zu erkennen.

„Gut?", fragte die helle kalte Stimme der Frau, die offenbar seine Mutter war, abfällig. „Nun ist es perfekt, Madam Malkin. So kann es bleiben!"

„Ganz, wie sie wünschen, Mrs Zabini", sprach die Ladenbesitzerin aalglatt und strich einen Flusen von Blaises Schulter. „Ich werde ihn noch anpassen und dann können Sie die Robe binnen drei Tage abholen."

„Na endlich!", sagte Blaise erleichtert während Madam Malkin noch einmal mit kritischem Blick und Schneiderkreide um ihn herumging.

„Wir sind schon seit Stunden hier", sprach er genervt und als er Zoe bewusst wahrnahm, zog er nachdenklich die Brauen zusammen. „Du weißt doch sicher, warum wir diese Umhänge brauchen."

Aber Zoe schüttelte nur den Kopf, trat ebenfalls näher und ließ Tracey alleine zurück, die noch immer peinlich berührt in den Festumhängen wühlte.

„Leider nicht", antwortete Zoe wahrheitsgemäß.

„Du wirst es schon bald erfahren!", unterbrach sie Mrs Zabini eisern und musterte ihren Sohn streng. „Nun geh' und zieh dich um. Wir müssen noch ein noch ein Präsent besorgen, für die Teegesellschaft der Malfoys!"

Blaise gehorchte, offensichtlich froh darüber, sich der Festkleidung zu entledigen, und verschwand wieder im Hinterzimmer. Noch bevor er zurückgekommen war, hatten Madam Malkin ihre Leistungen abgerechnet und widmete sich im Anschluss den Mädchen.

„Nun, wissen sie drei schon was sie möchten?", hakte sie nach, nachdem sie die Zabinis aus dem Laden geleitet hatte.

Tracey, die offensichtlich ihre Stimme wiedergefunden hatte, zog einen senfgelben, ausgestellten Festumhang mit etlichen Rüschen hervor.

„Damit werde ich aussehen wie Belle aus ‚Die Schöne und das Biest'", sagte sie freudestrahlend.

„Was soll das denn sein?", fragte Daphne und Tracey grinste amüsiert.

„Das ist ein Muggelmärchen", erzählte die Halbblütige und strich mit den Fingern über den sanften Stoff. „Darin verliebt sich ein hübsches Mädchen in einen verwunschenen Prinzen, der ihr als ein fürchterliches Ungeheuer gegenübertritt. Es gibt einen fantastischen Zeichentrickfilm darüber, in der Belle – die Schöne – ein tolles gelbes Kleid trägt. Genau wie dieses hier."

Daphne und Astoria tauschten kurze Blicke aus.

„Was ist ein Film?", fragte Astoria stirnrunzelnd.

„Das sind bewegte Bilder mit Ton, welche sich die Muggel zur Unterhaltung ansehen", erklärte Zoe, die bei Hermine schon einige Male Fern gesehen hatte.

„Braucht ihr noch einen Augenblick?", unterbrach sie Madam Malkin ungeduldig.

„Verzeihung", sagte Tracey sofort, „ich würde dieses gerne anprobieren."

„Ich habe eine Umkleidekabine im Hinterzimmer", sprach die Geschäftsdame, nahm Tracey den Festumhang ab und deutete ihr zu folgen.

Die drei anderen schauten sich derweil weiter um.

„Ich denke", sagte Daphne irgendwann, „dass ich gerne einen in Lavendelfarbe hätte ... Und du, Zoe?"

„Ich kann mich nicht entscheiden", gab die Vierzehnjährige zu und schob die unzähligen Umhänge von rechts nach links. „Darauf war ich so gar nicht gefasst – mir einen Festumhang zu besorgen."

„Was hältst du von diesem?", fragte Daphne und zeigte ihr ein beiges Modell, aus seidenem Stoff.

Zoe rümpfte die Nase und entgegnete: „Nicht meine Farbe!"

„Was hättest du stattdessen gerne?"

Zoe trat nun zu ihrer Freundin und überlegte ernsthaft.

„Etwas in Blau oder Türkis vielleicht", meinte sie schließlich und sah sich im Laden um.

„Dann sind wir hier ganz falsch", lachte Daphne, die sich die weißen, silbernen und erdtönernen Festumhänge betrachtete.

„Was hältst du hiervon, für mich?", unterbrach Astoria aus einer anderen Ecke des Raumes und hob einen sehr kurzen, dunkelgrauen Festumhang aus Netzstoff in die Höhe.

„Wenn du dir diesen aussuchst, wird Vater dir Beine daran hexen", antwortete Daphne lapidar und ging hinüber zu den wasserfarbenen Kleidern.

Sie sahen sich noch eine ganze Weile um, bis Tracey schließlich in ihrem senfgelben Festumhang erschien und sie alle beeindruckte.

„Den nehme ich!", sagte die Vierzehnjährige, nach einem kurzen Blick in den Spiegel.

„Vorzügliche Wahl, Miss! Vorzügliche Wahl!", bekräftigte Madam Malkin.

Bei den Greengrass-Schwestern ging die Auswahl ihrer Festumhänge allerdings nicht so schnell vonstatten. Beide probierten mehrere Modelle an und ließen sich von Zoe und Daphne beraten. Nach einer gefühlten Ewigkeit entschied sich Astoria schließlich für einen knöchellangen, anthrazitfarbenen Umhang mit viktorianischen Elementen und Daphne für einen slytheringrünen, der im Schnitt Traceys verblüffend ähnlich sah.

Zoe hingegen, wusste noch immer nicht, wofür sie sich entscheiden sollten. Die Mädchen präsentierten ihr einen pompösen und ausladenden Festumhang nach dem anderen. Die einen waren aus puren Samt, andere aus edler Seide, doch Zoe wusste – auch ohne all diese Kleider anprobiert zu haben – dass sie sich daran mehr als unwohl fühlen würde.

Schließlich stolperte sie über einen Umhang, der aus einem leichten und wallenden Stoff genäht war, dessen dunkelblaue Farbe wie der Atlantik anmutete und sie spürte gleich, dass sie sich in dieses Material verliebt hatte. Doch von der Hüfte aufwärts, waren daran silbern glitzernde Applikationen, die der Vierzehnjährigen viel zu glamourös erschienen.

„Probier' ihn doch wenigstens an, Zoe", ermutigte Tracey ihre Freundin.

„Ich weiß nicht", meinte die Slytherin und fuhr mit den Fingern über die silbernen Stickereien.

„Der passt hervorragend zu deinen Augen", bestätigte Daphne nickend. „Ich finde auch, du solltest ihn einmal anlegen."

Von ihren Freunden überstimmt, willigte Zoe schließlich ein und bat Madam Malkin darum, den kobaltblauen Festumhang anzuprobieren. Die Geschäftshexe begleitete Zoe nach hinten, half ihr beim Anziehen und ließ den Stoff sogleich an den richtigen Stellen mit Hilfe ihres Zauberstabes schrumpfen.

„So sitzt er schon ganz gut", sagte die stämmige Hexe schließlich und ermutigte Zoe hinaus zu gehen.

Mit zögerlichen Schritten trat sie nach vorne und die Reaktion ihrer Freundinnen, entlockte Zoe ein erleichtertes Grinsen.

„Das ist es Zoe!", sprach Daphne sofort.

„Der sieht umwerfend an dir aus", bestätigte Tracey und Astoria beäugte sie nur mit großen ungläubigen Augen.

„Wirklich?", fragte Zoe unsicher und zupfte an dem Stoff an ihrem Bauch herum.

„Und ob!", ergänzte Astoria und schloss ihren Mund, den sie vor Staunen hatte offen stehen lassen.

Zoe trat an den Spiegel heran und betrachtete die junge Frau darin ungläubig. Der zarte Stoff fiel fließend um ihre weiblichen Kurven und die intensive blaue Farbe ergänzte ihre blasse Haut und das goldgelbe Haar, als sei es der einzige Farbton, der ihrer würdig war. Irritiert drehte sie sich herum und begutachtete das ungewöhnliche Spiegelbild. Das Abbild, das sie dort sah, wirkte so viel älter, erwachsenen und reifer, dass es Zoe schon fast befremdlich vorkam.

Doch nun, da sie den Umhang an ihrem Leib trug, fand sie die silbernen Stickereien gar nicht mehr zu viel. Es passte zum Gesamtbild. Es passte zu ihr.

Zoe lächelte ihr Spiegelbild an und es lächelte zurück.

„Es gefällt mir", sagte sie schließlich.

„Es muss an der Hüfte noch etwas enger sein", sprach Madam Malkin und markierte die Stelle sofort. „Und hier hinten, am Rücken. Dieser Ausschnitt steht ihnen wirklich sehr gut Miss. Möchten Sie ihn nehmen?"

Einen Augenblick überlegte Zoe noch, doch als sie schließlich nickte, klatschten auch ihre Freundinnen erfreut in die Hände. Nachdem sie sich alle wieder umgezogen hatten, rechnete Madam Malkin die Umhänge mit den Mädchen ab und versprach ihnen, dass sie ab der nächsten Woche abholbereit seien. Kurz darauf konnten die vier Slytherins das Ankleidegeschäft verlassen.

Im Anschluss besuchten sie den Süßigkeitenladen und genossen danach noch einen großen Eisbecher bei Florean Fortescue im Eissalon. Dann füllten sie ihre Zaubertrankzutaten in der Apotheke auf und besorgen sich die neusten Schulbücher bei Flourish & Blotts.

Als sie den Buchladen verließen, waren sie alle erleichtert darüber, dass dieses Jahr kein Monsterbuch auf ihrer Liste stand, welches versuchen würde einen ihrer Finger abzubeißen. Und als sie schließlich wieder im Tropfenden Kessel ankamen, war die Sonne schon hinter den Dächern der kleinen Häuser in der Winkelgasse verschwunden und die Freundinnen bereiteten sich auf den Abschied vor.

„War schön, dass du mitgekommen bist, Zoe", sprach Daphne und umarmte sie herzlich. „Wir sehen uns ja schon bald wieder!"

„Es hat mir auch Spaß gemacht!", bestätigte Zoe und verabschiedete sich von Tracey und Astoria. „Genießt den Rest der Ferien!"

„Das tun wir", sagte Tracey, „auch wenn ich es kaum erwarten kann den Festumhang abzuholen!"

Die Mädchen kicherten noch einmal, doch einen Augenaufschlag später, waren die Greengrass-Schwestern schon im Kamin verschwunden. Als Nächstes trat Tracey in die grünen Flammen und verabschiedete sich mit einem Winken, bevor Zoe es ihnen gleichtat, um nach diesem ausgelassenen Tag nach Hogwarts zurück zu kehren.

Szenentitel:

status: komplett

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