Beauxbatons und Durmstrangs

Schon nach ein paar Tagen hatte sie der Schulalltag wieder in seinen Klauen. Das Arbeitspensum war im Vergleich zu den Vorjahren spürbar angestiegen, was zweifellos daran lag, dass sie in diesem Jahr bereits auf die Zaubergrade (ZAG's) vorbereitet wurden.
Wie Professor Snape ihnen in einem halbstündigen Vortrag erklärte, würden sie ihre ZAG's zwar erst im nächsten Schuljahr schreiben, diese würden jedoch ihr allgemeines Niveau bestimmen, aus denen sich in den letzten beiden Oberstufen ihre UTZ's (Unheimlich toller Zauberer-Grad) ableiteten. Diese waren essentiell für ihre Berufswahl. Zoe hörte ihm dabei nur mit halbem Ohr zu. Die ZAG's, UTZ's und vor allem ihre Berufswünsche lagen noch in einer fernen Zukunft und angesichts des derzeitigen Arbeitspensums hatte sie alle Hände voll zu tun, die diesjährigen Abschlussprüfungen zu bewältigen.

So war sie damit beschäftigt Zaubertrankzutaten für Gegengifte zu erforschen, Abhandlungen für Verwandlung zu schreiben und lernte Runentabellen auswendig zu lernen.

Für Professor Flitwicks Unterricht mussten sie zudem noch drei zusätzliche Bücher lesen, da sie sich bald mit Aufrufe- und Sammelzauber beschäftigen wollten. Professor Binns verlangte von ihnen wöchentlich einen Aufsatz über die Kobold-Aufstände im achtzehnten Jahrhundert und sogar Hagrid brummte ihnen weitere Aufgaben auf. Sie mussten nun „im Rahmen ihres Projekts" jeden zweiten Abend hinunter zu seiner Hütte kommen, die Kröter beobachten und sich zu ihrem befremdlichen Verhalten Notizen machen. Obwohl sie noch immer nicht herausgefunden hatten, was die Kröter fraßen, wuchsen sie doch erstaunlich schnell und immerhin stellte Zoe im Zuge ihrer „Beobachtungsabende" fest. Dass sich ihre Anzahl allmählich reduzierte. Mit etwas Glück hatte sich das Thema „Knallrümpfige Kröter" bis Weihnachten von selbst erledigt. Zumindest hoffte die Vierzehnjährige darauf.

So kam es, dass Zoe in ihrer Freizeit häufig mit Daphne, Tracey und Hermine in der Bibliothek recherchierte oder sie gemeinsam Hausaufgaben machten.

In der wenigen Zeit, die Hermine zwischen all der Lernerei blieb, fand man sie häufig vor der Großen Halle, wo sie fleißig BELFER-Anstecker verteilte und Leute für ihren Bund anwarb. Die meisten Schüler belächelten die Gryffindor, einige kauften jedoch für zwei Sickel einen der Anstecker, vielleicht, weil sie Hermine mochten, oder aber, weil sie einfach nicht mehr weiter mit dem Thema belästigt werden wollte.

Auch Zoe hatte ihr Versprechen gehalten und bei den Slytherins versucht die Anstecker zu verkaufen. Standhaft hatte sie dabei Dracos Spott überhört und war sogar bei ein paar Erstklässlern Anstecker losgeworden. Sogar Theodore nahm einen, auch wenn Zoe sich sicher war, dass er ihr nur einen Gefallen tun wollte. Dennoch erfüllte es Hermine mit Stolz, und das, obwohl kaum ein Mitglied, mit Ausnahme von Neville Longbottom (der zweifellos damit Diskussionen aus dem Weg gehen wollte), seinen Anstecker auch trug. Vermutlich, weil viele von ihnen dachten, es handele sich bei Hermines Bewegung um einen Witz.

Als es dann so weit war, dass die zweite Stunde in Verteidigung gegen die dunklen Künste bevorstand, betrat Zoe den Klassenraum mit einem deutlich pochenden Herzen.

Insgeheim hatte sie gehofft, dass Professor Moody von seinem Plan, sie als Vorzeigeobjekt zu verwenden, ablassen würde. Doch ihr Lehrer hatte sein Vorhaben keine Sekunde vergessen.
Nachdem Moody der Klasse verkündete, was er vorhatte, entbrannte zunächst reges Geflüster. Unsicher tauschten die Schüler untereinander Blicke aus, bis schließlich eine Ravenclaw den Mut fand und sich meldete.

„Ja Miss Li?", knurrte Moody und kam vor seinen Schreibtisch gehumpelt.

„Sir, Sie sagten, es wäre verboten einen der Unverzeihlichen Flüche gegen einen Mitmenschen zu richten. Bekommt ... die Schule denn keinen Ärger, wenn Sie den Zauber demonstrieren?"

„Gute Frage, Miss Li", antwortete ihr Lehrer sofort, lehnte mit dem Rücken gegen den Schreibtisch und sah sie der Reihe nach an. „Aber seien sie versichert, dass ich hier keine Experimente auf eigene Faust mache. Der Lehrplan und die Lehrmethoden sind mit dem Schulleiter abgestimmt und Dumbledore ist – wie sie alle wissen werden – im ständigen Kontakt mit dem Zaubereiministerium. Sie brauchen also keinerlei Bedenken zu haben."

Noch immer sahen einige skeptisch drein, doch die Mehrheit der Schüler war inzwischen neugierig geworden. Während Zoe auf ihrem Stuhl immer kleiner wurde, rutschten viele ungeduldig darauf herum, in der Hoffnung, dass Moody endlich anfing.

„Sonst noch irgendwelche Fragen?", hakte Moody grimmig nach. „Oder gibt es gar jemanden, der sich weigert, an der Stunde teilzunehmen – was vollkommen legitim wäre – wenn einer von euch also gehen will: Da ist die Tür!"

Er deutete zum Anfang des Klassensaals und jeder seiner Schüler folgte der Handgeste mit den Augen, aber niemand von ihnen ging hinaus.

„Sehr schön ... dann fangen wir doch mal an. Zoe, komm nach vorne!"

Es war keine Frage gewesen, sondern eine Aufforderung. Zoe hielt für Sekunden die Luft an, als es so still war, dass man eine Fliege hätte hören können. Daphne und Tracey sahen sie überrascht von der Seite an. Die Slytherin hatte den beiden nichts von Moodys vorhaben erzählt, in der Hoffnung, dass es nicht zu Stande kam.

Der Professor zog die Brauen nach oben und nun drehte sich auch sein magisches Auge auf Zoe, was ihr unbändiges Herzklopfen nur noch verstärkte. Panisch krallte sie sich in ihren Tisch fest, sodass die Knöchel bereits weiß hervortraten.

Moodys ernste Miene verzerrte sich gräulich und die Vierzehnjährige brauchte ein paar Sekunden, um zu verstehen, dass er lächelte.

„Du brauchst gar nicht, nach vorne zu kommen", sagte er leise und zog seinen Zauberstab aus der Tasche.

Vor Entsetzten klappte Zoe der Mund auf, doch es sollte kein Laut mehr herauskommen.
Dumpfes Gelächter drang an ihre Ohren. Wie durch einen Schleier sah die Slytherin ihre Klassenkameraden, die vor ihr an ihren Bänken saßen, doch es war vielmehr ein Farbenmeer aus unscharfen Konturen. Wie sie nach vorne gekommen war, wusste sie nicht, was sie hier machte auch nicht. Zoe wusste nur, dass diese himmlische Leichtigkeit mochte. Es war ein schwereloses, sorgenfreies Dasein. Sie musste nicht denken, sie musste einfach nur gut zuhören, dann bliebe alles so, wie es war.

Du bist eine Ballerina ... Heb die Arme über den Kopf ...

Eine Ballerina?

Zoe hob die Arme anmutig über den Kopf und stellte sich auf die Zehenspitzen. Wieder hallte Gelächter aus weiter Ferne zu ihr herüber. Durch den Druck, der auf ihren Trommelfellen lastete, klang es dumpf und unwirklich, doch irgendetwas schien dort draußen vorzugehen. Aber es war nicht von Belang für sie. Für Zoe war nur wichtig zu horchen. Zu horchen und zu gehorchen.
Dreh dich im Kreis!

‚Rechts- oder linksherum?', dachte Zoe plötzlich.

Dreh dich im Kreis!

Warum sollte sie das eigentlich tun?

Dreh dich im Kreis!

Der Schleier löste sich langsam. Der Druck auf ihren Trommelfellen klang ab und die Geräusche des Klassenraumes kamen allmählich zurück.

Dreh dich im Kreis!

Zum ersten Mal erkannte sie ein paar Gesichter in dem bunten Farbenstrom vor ihr. Nach und nach kam auch ihr Körpergefühl zurück, in ihren Armen kribbelte es bereits vor Anstrengung.
Dreh dich im Kreis! Jetzt!

‚Ich will nicht!', dachte Zoe trotzig und schüttelte den Kopf, doch die Stimme blieb hartnäckig.
Natürlich willst du ... Es ist zu deinem Besten ... Dreh dich im Kreis ...

Zoe ließ langsam die schmerzenden Arme sinken. Ihr war schwindelig und in ihrem Kopf drehte sich alles. Sie wollte sich auf keinen Fall im Kreis drehen und dieses schummrige Gefühl noch verstärken. Ihr Kopf zuckte unkontrollierbar umher, als sie versuchte, den Zauber abzuschütteln, und gleichzeitig dagegen ankämpfte sich weiterhin Kreis zu drehen.

Dreh dich im Kreis!

„Ich – will – nicht!", presste sie zwischen ihren Zähnen hindurch. „Will – nicht ..."

Mit einem Ruck riss sich die Slytherin von dem Zauber los, stürzte zu Boden und schlug hart mit dem Kopf auf dem Steinboden auf. Benommen blieb Zoe zunächst liegen, während kleine schwarze Pünktchen vor ihren Augen tanzten.

„Habt ihr's gesehen!", grölte Moodys raue Stimme durch den Saal.

Vor Zoes Augen drehte sich alles und sie zwang sich auf die blaugeringelten Socken, die direkt vor ihr unter einer Schuluniform hervorblitzten, zu sehen.

„Zoe hat es geschafft. Sie hat dagegen angekämpft und es sogar hinbekommen, den Fluch von sich abzuschütteln!"

Jemand zog sie unsanft auf die Beine und als das Moodys blaues Auge sie anstarrte, wollten ihre Knie zu gerne wieder nachgeben.

„Toll gemacht, Zoe. Das hatte ich mir erhofft. Alles in Ordnung mit dir?"

Die Slytherin nickte eilig, in der Hoffnung schnellstmöglich zurück auf ihren Platz zu kommen.
„Sehr schön", sprach ihr Lehrer, „dafür hast du dir zwanzig Punkte für dein Haus verdient! Malfoy! Hilf ihr auf ihren Platz, sie ist noch ein bisschen wackelig auf den Beinen."

Draco warf seinen Freunden einen angewiderten Blick zu und Zoe wollte widersprechen, doch ihr Kopf schmerzte fürchterlich und sie fürchtete, jeden Augenblick das Bewusstsein zu verlieren. Der Slytherin zog ihren rechten Arm grob über seinen Nacken und riss Zoe mehr hinter sich her, als dass er ihr beim Gehen half. Stolpernd folgte sie Draco und war heilfroh, dass Moody allein Anschein nach ein neues Opfer gefunden hatte.

„Streber!", zischte Draco in ihr Ohr, als sie ihre Tischreihe erreichten, und Zoe hätte gerne etwas Keckes erwidert, wenn ihr Kopf sich nicht so anfühlen würde, als könne er jeden Moment zerbersten.

Daphne sprang eilig von ihrem Stuhl am Reihenanfang auf und bot ihn Zoe an.

„Das war ja ... wahnsinn!", sagte sie leise und warf einen Blick nach vorne. „Geht's dir gut, du siehst blass aus.!"

Zoe nickte nur, ließ sich auf den Stuhl fallen und stützte ihren Schädel auf den Händen ab. Draco verschwand mit einem letzten hämischen Blick wieder nach vorne. Sie sah ihm nach, dann fiel ihr Blick auf ihren Lehrer, der Gregory gerade eine verblüffende Reihe von Gymnastikübungen machen ließ, zu dem dieser mit Sicherheit bei vollem Bewusstsein nicht in der Lage gewesen wäre. Sie sah, dass sich Moodys Lippen leicht bewegten, doch kein Laut drang an ihre Ohren.

Das einzige, das Zoe noch hörte, war das Pochen ihres eigenen Blutes.

Der Rest der Stunde verging quälend langsam. Von den anderen Schülern hatte es niemand geschafft, den Imperiusfluch abzuschütteln. Moody gab ihnen zumindest für diesen Tag keine Hausaufgaben auf. Sie sollten lediglich das Kapitel über Flüche in ihrem Buch lesen.

Als es läutete, beeilte Zoe sich, um das Klassenzimmer zügig verlassen, bevor Moody auf die Idee kommen würde, sie erneut unter vier Augen zu sprechen. Sie war sogar so hektisch davongelaufen, dass Tracey ihr ihre Schulsachen hatte nachtragen müssen.

„Wo gehst du hin?", fragte die Schwarzhaarige besorgt, als sie Zoe eingeholt hatte.

„Krankenflügel", antwortete sie knapp. „Mein Kopf zerbirst gleich vor Schmerz."

„Wir begleiten dich!", sagte Daphne sofort. „Diese Beule da, sollte sie sich wirklich mal ansehen ..."

Die beiden Slytherins hakten sich rechts und links von ihrer lädierten Freundin ein und führten sie zielstrebig zu Madam Pomfrey in den ersten Stock. Dort angekommen, kam Zoe sofort an die Reihe. Gegen den Kopfschmerz gab die Heilerin ihr ein akutes Serum, das den Schmerz augenblicklich linderte. Kritisch besah sie die Beule, sie sich seitlich an Zoes Kopf gebildet hatte.

„Sie hatten Glück, Miss Dumbledore. In der Schläfe verlaufen eine Menge wichtiger Neven, es kann sein, dass sie heute noch ein wenig beeinträchtigt sind. Doch sie wird von selbst vergehen.
Wie sagten Sie noch gleich ist das geschehen?"

„Ich bin gestürzt", antwortete Zoe, sie sich schon viel besser fühlte und Madam Pomfrey unsagbar dankbar für diesen Trank war.

„Mit Fremdeinwirkung?", hakte die Heilerin nach.

„Ohne", erklärte Zoe sofort und sah zu ihren Freundinnen herüber, „im Unterricht, als ich meinen Platz aufsuchen wollte."

Madam Pomfrey blähte kaum merklich die Nasenflügel.

„Sollten Sie morgen weitere Beschwerden haben, kommen Sie unverzüglich zu mir", sagte sie mit Nachdruck.

Zoe nickte.

„Und nicht warten, bis der Unterricht vorbei ist!"

„Okay", beteuerte Zoe und stand von der Pritsche auf.

Dann schulterte sie ihre Schultasche, die sie von Traceys Arm zog und zusammen mit ihren Freundinnen ging sie hinaus.

„Das war geflunkert", stellt Daphne fest, als sie außer Hörweite waren.

„War es nicht", erwiderte Zoe bestimmt, „ich hatte den Fluch schon abgeworfen ..."

„Das hat außer dir übrigens keiner mehr geschafft", meinte Tracey beeindruckt.

Zoe sah sie mit großen Augen an, doch bevor sie nachhaken konnte, sprach von hinten jemand.

„Was geschafft?" Es war Hermine, die zusammen mit einem Pulk von Gryffindors Richtung Große Halle strömten.

„Sie hat den Imperius abgeworfen", erklärte Daphne leise.

„Wow", meinte die Gryffindor ebenfalls beeindruckt, „bei uns war der Einzige, der das bewerkstelligt hat Harry ..."

Wie auf Zuruf liefen er und Ron an ihnen vorbei, grüßten sie munter und verschwanden mit den anderen in einem allseitsbekanntem Geheimgang, der als Abkürzung fungierte.

„Was hast du an der Stirn gemacht?", fragte Hermine besorgt, als sie Zoe näher betrachtet.

„Bin gestürzt", erklärte Zoe knapp und fügte sofort hinzu, „aber Madam Pomfrey hat es schon begutachtet. Halb so wild."

Die Gryffindor sah nicht sonderlich begeistert aus. Es war, als hätte Hermine eins und eins zusammen gezählt, denn als sie vier alleine im Korridor waren, sagte sie leise: „Also ich halte von der Aktion ja eigentlich nichts ..."

„Welcher Aktion?", wollte Daphne wissen.

„Na Moodys Sache. Dass er uns mit dem Imperius belegt und so ... Das ist doch ... illegal ..."
„Er sagte aber, es sei mit Dumbledore abgesprochen", meinte Tracey achselzuckend.

„Ich finde es trotzdem seltsam und irgendwie auch nicht ... richtig."

„Also ich finde es sehr sinnvoll!", meldete sich Zoe zu Wort.

Hermine biss sich auf die Lippen und sagte: „Ich weiß nicht ... was sollen wir dabei schon lernen?"

„Uns zu wehren Hermine! Wie willst du dich zur Wehr setzten, wenn du nicht weißt, was mit dir passiert?"

„Aber so etwas passiert doch nicht mehr einfach so", widersprach die Gryffindor. „Ich meine ... Professor Moody redet immer so, als würde uns hinter jeder Säule und hinter jeder Rüstung ein Schrecken erwarten. Aber Fakt ist, die Zeiten liegen – Merlin sei Dank – in der Vergangenheit."

„Das bewahrt dich aber nicht vor anderweitigem Unheil", erwiderte Zoe, die noch immer mit Grauen an ihre Erinnerungslücken dachte, die ihr Professor Quirrell im ersten Jahr mittels Imperius verursacht hatte.

Hermine seufzte geschlagen. Dann sagte sie: „Aber es war so ein gruseliges Gefühl oder? Als ob alles gut wäre und man von allem befreit ist, ohne ... ohne dabei Glücksgefühle zu empfinden ..."

„Ziemlich irre, auf jeden Fall", pflichtete Tracey mit großen Augen hinzu, „also ich kann zukünftig auf diese Erfahrung verzichten!"

„Ich auch", bestätigte Daphne, „ich hoffe nur, dass er für die nächste Stunde ein anderes Thema hat."

„Oh ja", meinte Hermine und warf einen letzten sorgenvollen Blick auf die Beule an Zoes Stirn, „das hoffe ich auch!"

Als Zoe mit ihren Zimmergenossinnen am nächsten Morgen die Eingangshalle betraten, hatte sich eine große Traube vor dem schwarzen Brett gebildet.

„Was es wohl Neues gibt?", fragte Tracey und reckte den Hals.

„Sollen wir nicht später schauen?", warf Daphne ein, „ich hab nen riesen Hunger."

„Geht schon mal vor, ich schau nach", bot Zoe an, die viel zu neugierig war, als dass sie jetzt an Essen denken konnte.

Daphne und Tracey nahmen das Angebot nur zu gerne an und zockelten in die Große Halle, während sich Zoe an dem Pulk anstellte, als Ron neben ihr erschien und sie begrüßte.

„Kannst du was erkennen?", fragte Zoe, die Ronald in diesem Moment um seine Größe beneidete.

Doch auch der Rothaarige musste sich auf die Zehenspitzen stellen und er kniff die Augen zusammen, um den Text zu fokussieren.

„Am Freitag den 30. Oktober kommt die Abordnungen aus Beauxbatons und Durmstrang", berichtete er, „um sechs Uhr am Nachmittag. Deswegen endet der Unterricht eine halbe Stunde früher."

„Toll!", meinte Harry, der hinter Zoe erschienen war. „In der letzten Stunde am Freitag haben wir Zaubertränke! Dann hat Snape wenigstens keine Zeit mehr, uns alle zu vergiften!"

Zoe wandte sich erbost um und kniff Harry in die Seite, der sich lachend abwandte.

„Er wollte doch nur, dass wir fleißig die Gegengifte lernen!", verteidigte Zoe ihren Hauslehrer.
„Klar", antwortete Harry und verkniff sich ein Grinsen, „also ich hab diese Empfehlung auf jeden Fall ernst genommen!"

„Die Schüler werden gebeten", las Ron weiter vor, „Taschen und Bücher in die Schlafräume zu bringen und sich vor dem Schloss zu versammeln, um unsere Gäste vor dem Willkommensfest zu begrüßen."

„Nur noch eine Woche!", meinte Ernie McMillan neben ihnen aufgeregt. „Ob Cedric das schon weiß? Ich glaub, ich geh und sag's ihm ..."

Er machte auf dem Absatz kehrt und lief wieder aus der Halle. Ronalds sah ihm mit einem ratlosen Ausdruck im Gesicht nach.

„Cedric?", wiederholte er verwundert.

„Diggory", erklärte Harry. „Er wird sicher am Turnier teilnehmen."

„Dieser Idiot soll Hogwarts-Champion werden?", fragte Ron missmutig.

„Er ist kein Idiot!", warf Zoe sofort ein und ertappte sich dabei, wie ihr Herz schneller gegen ihren Brustkorb schlug.

„Natürlich ist er das", beharrte Ron, „ihr habt ihn doch an der Weltmeisterschaft selbst gesehen ... Er-"

„Er ist kein Idiot", warf Hermine dazwischen.

Woher sie gekommen war, konnte Zoe nicht sagen, doch über ihren mentalen Zuspruch war sie augenblicklich dankbar.

„Du kannst ihn nur nicht ausstehen, weil er Gryffindor im Quidditch geschlagen hat", sagte Hermine und warf Zoe einen verschwörerischen Blick zu. „Ich hab gehört, er sei richtig gut im Unterricht – und er ist Vertrauensschüler."

Zoe kam nicht umhin ihre Freundin für ihre Loyalität zu lieben.

„Ihr mögt ihn doch nur, weil er hübsch ist", erwiderte Ron spöttisch.

„Entschuldige mal", entrüstete sich Hermine sofort, „ich mag niemanden, nur weil er hübsch ist!"

Ron warf Harry einen Blick zu und begann zu husten. Es klang verdächtig nach „Lockhart", doch zumindest Hermine schien es nicht verstanden zu haben.

Nachdem die Ankunft der anderen Schüler angekündigt worden war, ging es überall im Schloss nur noch um dieses Thema. Die Vorfreude auf das Trimagische Turnier steigerte sich mit jedem Tag der verging und die Gerüchteküche wurde richtig angeheizt. Es wurde über die Kandidaten spekuliert, die Aufgaben und natürlich auch über die Gastschüler.

Bei den Jungs hielt sich hartnäckig das Gerücht, Beauxbatons sei ein reines Mädcheninternat und es habe die hübschesten Schülerinnen in ganz Europa. Während man über die Durmstrangs sagte, sie seien so rau, wie das Klima in dem sie lernten und dass man anstatt Quidditch dort eine Sportart spielte, die auf den Rücken von haarigen Mammuts auszuüben war und an Polo erinnerte.

In der Zwischenzeit wurde das Schloss noch einmal auf Vordermann gebracht. Die unzähligen Rüstungen wurden auf Hochglanz poliert und Filch schrubbte den Ruß von etlichen Gemälden und wurde zum Berserker, wenn die Schüler mit schlammigen Schuhen ins Schloss hereinkamen.

Doch auch die Lehrer schienen angesichts des elitären Besuches angespannter zu sein. Professor McGonagall hielt ihnen einen langen Vortrag darüber, dass sie die Ehre der Schule nicht zu besudeln hatten und wie sich ein jeder während der Anwesenheit der Gastschüler verhalten sollte. Und dann, am Morgen des dreißigsten Oktobers war die Große Halle während der Nacht geschmückt worden. An den Wänden prangten, die seidenen Banner, der vier Häuser und hinter dem Lehrertisch hing, wesentlich größer als die anderen, das Wappen von Hogwarts. Zoe sah staunend zu dem „H" hinaufauf, das von den vier Wappentieren: Löwe, Adler, Dachs und der Schlange umsäumt war. Die Farben darauf leuchteten lebendig und auch die Tiere machten den Eindruck, als könnten sie jeden Moment zum Leben erwachen.

„Aus dem Weg!", schnarrte eine Stimme überheblich und jemand stieß Zoe grob in den Rücken, sodass sie nach vorne stolperte.

„Draco!", fauchte sie sofort, wirbelte herum und sah den Slytherin und sein Gefolge aus zornesfunkelnden Augen an.

Die Jungs lachten nur amüsiert und setzten ihren Weg zu ihrem Haustisch unbeeindruckt fort.

Zoes Nasenflügel weiteten sich vor Ärger und sie atmete einmal tief durch, bevor sie sich umwandte und entschlossen zu den Gryffindors hinüber ging. Doch auch hier sprachen die Schüler von nichts anderem, als dem bevorstehenden Ereignis.

Ihre Freunde saßen zusammen mit Rons Zwillingsbrüdern bereits am gedeckten Tisch und waren am Frühstücken. Gerade als Zoe, nach einer flüchtigen Begrüßung, Platz nahm, fragte Harry die Zwillinge: „Habt ihr beide schon irgendwelche Ideen, was ihr beim Trimagischen Turnier anfangen wollt? Habt ihr darüber nachgedacht, ob ihr doch noch teilnehmt?"

Georges Gesicht verzog sich bitter, bevor er antwortete: „Ich hab McGonagall gefragt, wie die Champions ausgewählt werden, aber sie hat nichts verraten", er rollte genervt mit den Augen. „Sie meinte nur, ich solle den Mund halten und endlich meinen Waschbären verwandeln."

„Was das wohl für Aufgaben sein werden?", fragte Ron und sah nachdenklich von seinen Würstchen auf. „Harry, ich wette, wir könnten es schaffen, mit gefährlichen Dingen kennen wir uns doch aus ..."

„Wie willst du denn mit den Volljährigen mithalten, Ron?", fragte Zoe kopfschüttelnd, als sie saß und goss sich Milch über ihr Müsli. „Die sind uns drei Jahre im Studium voraus!"

„Von denen hat sich sicher aber noch keiner mit 'nem Troll angelegt", konterte Ron, „oder mit einem dreiköpfigen Hund, oder einem Rudel Spinnen!"

„Spinnen leben nicht im Rudel!", sagte Hermine mit zusammengezogenen Brauen, als täte ihr der Ausdruck in den Ohren weh.

„Dann sag das doch mal Aragog!", erwiderte Ron, verdrehte die Augen und sah George in diesem Moment verblüffend ähnlich.

„Man würde dazu Schwarm sagen!", betonte Hermine.

„Ich sag aber Rudel!", antwortete Ron genervt und widmete sich wieder seinem Frühstück.
„Wer sind die Schiedsrichter?", fragte Harry, an Hermine gewandt und zweifellos, um die beiden Streithähne voneinander abzulenken.

„Jedenfalls sind die Leiter der teilnehmenden Schulen immer mit in der Jury", erklärte die Gryffindor souverän, so dass nun auch Fred und George wieder aufmerksam wurden „Das weiß ich, weil alle drei beim Turnier von 1792 verletzt wurden, als ein Basilisk, den die Champions eigentlich fangen sollten, auf Nahrungssuche ging."

Ihre Freunde sahen sie mit großen Augen an und Zoe wusste nicht recht, ob sie über die Tatsache, dass man einen Basilisken zur Turnieraufgabe gemacht hatte, aufregend oder waghalsig finden sollte.

„Na", sagte die Slytherin an Ron gewandt, „meinst du, du kannst es mit einem Basilisken aufnehmen?"

Der Rothaarige zuckte mit den Schulter und überlegte einige Sekunden, bevor er sagte: „Harry hat das zumindest schon hinter sich."

Der Schwarzhaarige blinzelte ungläubig.

„Die haben die Teilnehmer nicht wirklich mit einem Basilisken kämpfen lassen?", fragte er zögernd. „Woher weißt du das, Hermine?"

Ihre Freundin sah die Jungs tadelnd an und sagte dann mit einem Hauch Arroganz in der Stimme: „Steht alles in der Geschichte von Hogwarts'. Natürlich ist dieses Werk nicht ganz zuverlässig. ‚Eine umgeschriebene Geschichte von Hogwarts'' wäre zutreffender. Oder ‚Eine höchst einseitige und zensierte Geschichte von Hogwarts'', welche die hässlicheren Seiten der Schule übertüncht."

Zoe lehnte sich in ihrem Stuhl zurück und unterdrückte ein genervtes Aufstöhnen. Die Slytherin hatte sich schon, angesichts der geschmückten Halle, gewundert, dass Hermine das Thema nicht eher angesprochen hatte.

Rons Zauberstab, schien allerdings noch verknotet, denn er runzelte fragend die Stirn.
„Worauf willst du raus?", fragte er schließlich.

Zoe und Harry warfen sich einen vielsagenden Blick zu.

„Hauselfen!", rief Hermine so laut, dass sich einige Ravenclaws vom Nachbartisch zu ihnen umdrehten. „Nicht ein einziges Mal auf über tausend Seiten erwähnt die Geschichte von Hogwarts', dass wir alle bei der Unterdrückung von hundert Sklaven mitwirken!"

Zoe hatte gehofft, nachdem sie sich dazu bereit erklärt hatte, Anstecker bei den Slytherins zu verteilen und selbst einen zu kaufen, dass Hermine irgendwann das Thema ruhen lassen würde. Doch der Eifer der Gryffindor blieb unberührt. Zu jeder Gelegenheit hing sie ihnen damit in den Ohren und auch Ron und Harry konnten es allmählich nicht mehr hören. Zumindest las Zoe dies aus ihren resignierten Gesichtern, während sie in ihrem Frühstück stocherten.

Nun, da Fred und George anwesend waren, die sich bisher geweigert hatten einen B.ELFE.R-Anstecker zu kaufen, nutze Hermine die Möglichkeit für einen weiteren Bekehrungsversuch.
„Ihr wisst doch genau", begann sie ihren Vortrag, „dass eure Bettwäsche gewechselt, eure Feuer angezündet, eure Klassenzimmer geputzt und eure Mahlzeiten gekocht werden von einer Gruppe magischer Geschöpfe, die unbezahlt und versklavt sind?"

„Hör mal zu, Hermine, bist du jemals unten in den Küchen gewesen?", bremste George sie aus.
„Nein, natürlich nicht", erwiderte Hermine schroff, „ich glaube kaum, dass Schüler dort unten was –"

„Aber wir beide schon", fuhr der Gryffindor fort und deutete auf seinen Zwilling, „und zwar öfters, um Essen zu klauen. Wir haben sie getroffen, und ich sag dir, sie sind glücklich. Sie glauben, sie haben die besten Jobs der Welt –"

Hermine schnaubte herablassend und erwiderte dann hitzig: „Weil sie ungebildet sind und eine Gehirnwäsche verpasst bekamen! Und –"

Doch in dem Moment kamen die Postheulen herein und der Rest ihres Satzes ging im Lärm der Flügelschläge und Japsen der Schüler unter. Zoe trank den letzten Schluck Milch aus ihrer Müslischale, als Hedwig auf Harrys Schulter landete und mit ihren langen Schwingen ihre Stirn streifte. Harry band ihr zwei Umschläge vom Bein und bot der Schneeeule zur Stärkung ein Stück Speck an, das die sie freudig annahm. Dann sah er hinab auf die Briefe in seinen Händen und runzelte die Stirn.

„Was?", wollte Zoe irritiert wissen, die seine Mimik beobachtet hatte.

Harry warf den Zwillingen einen flüchtigen Blick zu, doch die beiden waren bereits wieder in ein Gespräch über das Trimagische Turnier vertieft und so reichte er Zoe einen der beiden Umschläge unter dem Tisch weiter.

Verwundert sah die Slytherin ihn an, nahm den Brief und erkannte die schräge Handschrift darauf sofort. Hektisch und mit vor Freude klopfendem Herzen riss sie das Pergament auf.


Liebste Zoe,

ich bin wieder im Land und gut versteckt!
Ich mache mir jedoch weiterhin Sorgen um Harry und vermute, er könne mir aus Besorgnis Informationen vorenthalten, denn er hat bereits versucht, meine Rückkehr zu verhindern.
Deswegen bitte ich dich darum, dass du mich über alles, was bei euch in Hogwarts vor sich geht unterrichtest. Wechsel dabei stets die Eulen und mach dir keine Sorgen um mich – ich weiß auf mich aufzupassen!
Halte ein Auge auf Harry und gib auf dich Acht.

Ab imo pectore!
Sirius


Zoe faltete das Pergament sorgfältig zusammen und steckte es in die Innentasche ihres Umhangs. Dann sah auch Harry von seinem Brief auf, über dessen Schulter Ron und Hermine mitgelesen hatten.

„Was meint er?", wollte Harry mit finsterem Blick von Zoe wissen.

Diese zögerte einen Augenblick, doch dann sagte sie: „Ich soll mir keine Sorgen machen ... und ein Auge auf dich halten ... Und bei Antworten, ständig die Eulen wechseln."

Der Gryffindor lachte trocken.

„Warum ständig die Eulen wechseln?", wollte Ron wissen.

Hermine schnalzte mit der Zunge, dann meinte sie: „Hedwig zieht zu viel Aufmerksamkeit auf sich. Sie fällt auf. Eine Schneeeule, die ständig zu seinem Versteck fliegt ... sie ist jedenfalls kein einheimischer Vogel, verstehst du?"

„Ich hoffe, dass er ein Gutes gefunden hat ...", sagte Harry leise und mit sorgenvoller Miene.
„Mit Sicherheit", versuchte Zoe ihn zu beruhigen, „das, was er geschafft hat ... Das hat zuvor niemand geschafft. Er ist clever."

Harry nickte nur, bedankte sich bei seiner Eule und strich ihr sanft über das Gefieder, bevor diese sich schließlich wieder in die Lüfte erhob, um zurück in die Eulerei zu kehren.


Am Donnerstagabend erschien Professor Snape nach der Sperrstunde im Gemeinschaftsraum der Slytherins. Kurz und knapp tat er seine Erwartungen für den nächsten Tag kund. Sie wurden angewiesen ordentliche und saubere Schuluniformen zu tragen, nach dem Wegbringen ihrer Taschen gesammelt in der Eingangshalle zu erscheinen und allerlei Scherze und andere Peinlichkeiten während der Begrüßungszeremonie zu unterlassen. Die Vertrauensschüler wurden ermahnt vermehrt für Ordnung zu sorgen und jeden, der die Schule nicht angemessen repräsentierte im Anschluss zu melden, damit derjenige seine Strafarbeit bei ihm abholen konnte. Diese kurze, jedoch eindrucksvolle Rede ihres Hauslehrers zeigte am nächsten Tag seine Wirkung. Trotz der erwartungsvollen Stimmung und der Ungeduld, die in der Luft lag, trafen sich die Schüler unterschiedlicher Jahrgänge in ihrem Gemeinschaftsraum, nachdem sie ihre Taschen abgelegt hatten. Die Vertrauensschüler zählten sie durch und prüften beim gemeinsamen Verlassen, ihre Klassenzugehörigkeit und ihr Aussehen.

„Erstklässler voran! Dann die Zweitklässler und so weiter ...

Goyle! Steck dein Hemd in die Hose!", fauchte die Vertrauensschülerin Isla Walsh, die schon den ganzen Tag angespannt war. „Und du Gestrell, zurück in deinen Schlafsaal und kämm dein Haar! Krawatte neu binden, Zabini!"

Zoe zog den Kopf ein, als sie durch die Öffnung in der Wand schritt, um einer eventuellen Rüge zu entgehen und war heilfroh, als sie mit ihren Freundinnen hindurch war. Im Gänsemarsch liefen sie pärchenweise nach oben und Theodore hatte seine Chance genutzt und war zu Zoe aufgeschlossen.

„Ich bin gespannt, wie sie ankommen", sagte er grübelnd und warf ihr einen Blick von der Seite zu. „Was meinst du?"

„Das hab ich mir, ehrlich gesagt auch schon gefragt", gab Zoe zu. „Ich denke mal mit Portschlüsseln?"

„Kling logisch."

„Das müssen aber 'ne Menge Portschlüssel sein, für 'ne ganze Schule!", warf Blaise von hinten ein.

„Naja, da nur Volljährige am Turnier teilnehmen dürfen, wird hier sicher nicht die ganze Schule auftauchen, oder?", warf Zoe ein.

„Lassen wir uns überraschen", trällerte Tracey von vorne und machte einen Luftsprung.
Zoe lachte amüsiert über die Freude ihrer Freundin, als Isla sie überholte und jeden noch einmal dazu anhielt, sich zu benehmen.

Geschlossen betraten die Slytherins die Eingangshalle und waren damit das extreme Gegenbeispiel zu den anderen Häusern. Dir Hufflepuffs, Ravenclaws und Gryffindors wuselten wild durcheinander und wurden allmählich von ihren Vertrauensschülern zusammen gescheucht. Professor McGonagalls strenge Stimme hallte durch die Halle und brachte etwas Ordnung in die Gryffindormeute.

Professor Snape erschien an der Spitze der Slytherins und deutete mit einer knappen Handbewegung, ihm zu folgen. Gehorsam trotteten sie ihm hinterher und Zoe warf einen letzten Blick hinüber zu Cedric, der die Hufflepuffs der Reihe nach aufgestellt hatte.

Nacheinander stellten sich die Schüler aller Häuser im Hof auf und eine ansteckende Aufregung schwebte über ihren Köpfen. Obwohl es noch nichts zu sehen gab, reckten sie ihre Hälse, sahen sich nach den anderen um und lugten zu den konkurrierenden Häusern hinüber. Die Ravenclaws, mit Professor Flitwick an der Spitze, kamen als letzten in den Hof und nahmen den Platz neben den Slytherins ein.

Zoe zog sich den Umhang enger um die Schultern, denn an diesem klaren Abend pfiff ein kühler Wind über die Ländereien. Die Dämmerung brach an und ein blasser, sichelförmiger Mond stieg gerade über dem Verbotenen Wald auf.

Als alle Schüler im Hof versammelt waren, kehrte etwas Ruhe ein. Von drinnen schlug eine Uhr und Zoe zählte die Glockenschläge mit. Es schlug sechs.

„Wie werden die wohl herkommen?", flüsterte jemand leise hinter ihnen.

Ungeduldig warteten sie darauf, dass endlich etwas passierte und mit jeder weiteren Minute wurde Zoe kälter dabei. Sie vergrub die Hände in ihrem Umhang und wackelte mit den Zehen. Von den Gryffindors drang Geflüster zu ihnen herüber und nur Sekunden später rüffelte Professor McGonagall ihre Schüler.

Allmählich wurde es dunkel, die Nacht brach herein und der Schulleiter erhellte mit einem einzigen Klicken eines kleinen silbernen Gegenstandes in seinen Händen die Fackeln im Hof.
Verblüfft folgten die Schüler den unzähligen Lichtkugeln mit den Augen. Dann rief Dumbledore aus: „Aha! Wenn ich mich nicht sehr täusche, nähert sich die Delegation aus Beauxbatons!"
Zoe reckte den Hals, um zu sehen, wo ihr Großvater hindeutete und zu ihrer Verblüffung, war es der Himmel.

„Dort!", schrie jemand aus dem Gryffindorblock und sie sahen alle in Richtung des Waldes.

Etwas Großes zeichnete sich über den Baumwipfeln ab und es kam in wellenförmigen Bewegungen auf sie zu.

„Was ist das?", flüsterte Tracey und kniff die Augen ein wenig zusammen.

„Ein Drache!", schrie irgendjemand.

„Blödsinn ... es ist ein fliegendes Haus!", erwiderte ein Gryffindor.

Gespannt beobachteten sie das undefinierbare Objekt, dass mit jeder Sekunde näher kam und erst, als es kurz vor dem Hof in den Landeanflug ging, erkannte Zoe, dass es eine gigantische Kutsche war. Ein verblüfftes Raunen ging durch die Menge der Hogwartsschüler und einen Augenaufschlag später berührten ein Dutzend Hufe von geflügelter, palominofarbener Pferde den gepflasterten Hof. Es rumpelte Laut, als die haushohe graublaue Kutsche mit ihren eisenverstärkten Rädern aufschlug. Die elefantengroßen Palominos schlugen dabei erregt die Köpfe nach oben und ihre feurigroten Augen glühten in der Dämmerung wie Kohlen im Feuer.

Schlitternd kam die Kutsche schließlich zum stehen.

Verblüfft betrachtete Zoe die filigranen Schnitzereien im Holz. In der Flanke des Wagens war das Schulwappen geprägt, dass auch zwei gekreuzten, funkensprühenden Zauberstäben bestand.
In dem Moment, da die Kutsche gänzlich stand, klappte seitlich eine Tür auf und ein Jung in einem blassblauen Umhang sprang daraus hervor und verschwand unter der Kutsche.

Sekunden später hatte er eine große goldene Treppe darunter hervorgeklappt und sprang dann ehrfurchtsvoll zur Seite. Die Kutsche schwankte ein wenig, dann erschien eine imposante Frau in der Türöffnung. Zoes Mund stand vor offenkundiger Verblüffung leicht auf, doch auch die anderen Schüler beobachteten die Frau überrascht dabei, wie sie den ersten hochhackigen, schwarzen Schuh auf das hogwart'sche Pflaster setzte.

„Die ist ja so groß, wie Hagrid!", flüsterte einer hinter ihnen so laut, dass Professor Snape sich mit einem finsteren Blick zu ihnen umwandte.

Derjenige hatte allerdings Recht. Zoe hatte noch nie einen so großen Menschen gesehen, mit Ausnahme des Wildhüters natürlich. Doch trotz ihrer unnatürlichen Größe wirkte sie auf eine bizarre Art elegant. Sie trug ein schwarzes Satinkleid und ihr dunkles Haar war hinter dem Kopf zu einem Dutt zusammengebundene. Ihr Teint war olivfarbenen und die spitzen, schnabelähnlichen Nase muteten beinahe sogar etwas arrogant an, als sie die Schüler um sie herum mit ihren schwarzen Augen musterte.

Der Schulleiter begann zu klatschen und nach kurzem Zögern stimmten auch die Schüler mit ein. Ihre angespannten Gesichtszüge wurden augenblicklich weicher und Dumbledore trat hervor, um sie zu begrüßen.

„Meine liebe Madame Maxime", sprach er, ergriff ihre opalbesetzte Hand und begrüßte sie mit einer Akkolade. „Willkommen in Hogwarts."

„Dumbly-dorr", antwortete Madame Maxime mit einer viel tieferen Stimme, als man vermutet hätte. „Isch 'offe, Sie befinden sisch wohl?"

„In exzellenter Verfassung, danke, Madame", sagte Dumbledore.

„Meine Schüler", sprach Madame Maxime und deutete hinter sich.

Zoe folgte der Handbewegung und sah wie etwa ein Dutzend Jungen und Mädchen aus der Kutsche kletterten. Sie alle schienen bereits siebzehn Jahre oder älter zu sein und in ihren seidigen Umhängen zu frieren. Mit bangem Blick sahen sie zum Schloss hinauf und einige der Mädchen wickelten sich mit zittrigen Fingern ihre Schals um den Kopf.

„Ist Karkaroff schon angekommen?", wollte Madame Maxime von Dumbledore wissen und dieser antwortete: „Er sollte jeden Moment eintreffen. Möchten Sie vielleicht hier warten und ihn begrüßen oder würden Sie lieber hineingehen und sich ein wenig aufwärmen?"

„Aufwärmen, würde isch sagen", sprach Madame Maxime nach einem Blick auf ihre Schüler.

„Aber die 'ferde –"

„Unser Lehrer für die Pflege magischer Geschöpfe wird sich mit Vergnügen um sie kümmern", beruhigte Dumbledore sie sofort, „sobald er sich von einem kleinen Notfall lösen kann, der sich bei einem seiner – ähm – anderen Schützlinge eingestellt hat."

Auf Madame Maximes Stirn bildeten sich Sorgenfalten.

„Meine Rosse verlangen", begann sie und suchte nach den passenden Worten, „ahm – eine 'arte 'and. Sie sind serr stark ..."

„Ich versichere Ihnen", entgegnete Dumbledore lächelnd, „dass Hagrid dieser Aufgabe vollkommen gewachsen ist."

Madame Maxime nickte und deutete eine Verbeugung an.

„Serr gutt", sprach sie, „würden Sie bitte diesem 'Agrid mitteilen, dass die 'ferde nur Single Malt Whisky saufen?"

„Dafür wird selbstverständlich gesorgt, Madame", versicherte Dumbledore und erwiderte ihre Verbeugung.

Madame Maxime lächelte höflich, wandte sich zu ihren Schülern um und sprach im gebieterischen Ton: „Kommt!"

Sie suchten sich ihren Weg durch die Menge, erklommen die steinernen Stufen, verschwanden hinter dem Portal und es wurde wieder still. Nur das gelegentliche Flüstern eines Schülers erschallte im Hof. Hoffnungsvoll sah Zoe zurück in den Himmel. Mittlerweile war ihr richtig kalt geworden und sie hoffte darum, dass auch die Durmstrangs endlich ankommen würden.
Ab und an schnaubten, die vor Schweiß dampfenden Palominos und als eines von ihnen anfing ungeduldig mit den Hufen zu scharren, zuckte Zoe erschrocken zusammen. Daphne neben ihr kicherte amüsiert und Zoe musste über ihre eigene Schreckhaftigkeit schmunzeln.

Nur ein paar Sekunden später zischte jemand, um das Flüstern eines Schülers zu unterbrechen. Zoe hielt den Atem an, um zu horchen, denn von irgendwo kam ein leises Gurgeln gefolgt von einem immer lauter werdenden Gluckern. Verwundert sahen sie sich nach der Ursache des Geräusches um, als jemand rief: „Der See! Seht euch den See an!"

Zoe musste sich auf die Zehenspitzen stellen um hinunter auf den See blicken zu können. Von der Anhöhe aus, auf der sich der Innenhof befand hatte man eine gute Sicht auf die glatte Seeoberfläche. Doch diese war nun aufgewühlt und unruhig. Kleine Wellen wurden an das Ufer gedrückt, als immer mehr Blasen aus der Tiefe hinaufstiegen. Schließlich bildete sich aus dem unruhigen Strom ein Strudel aus dessen Mitte ein dunkler Mast gefolgt von einer Takelage hervorstieg.

„Es ist ein Boot", entfuhr es Blaise, der in ihrer Reihe stand.

Es dauerte ein paar Sekunden, bis das gesamte Schiff auf die Wasseroberfläche sprang und sanft im Wellengang auf und ab hüpfte. Das Wasser am oberen Deck schoss herunter und die Lichter, die aus den Bullaugen schienen, flackerten kurz. Als sich der See etwas beruhigt hatte, glitt das gerippenhafte Schiff auf das Ufer zu und wirkte einmal mehr, wie ein Geisterschiff. Rufe hallten zu ihnen hinauf, als Leben an Deck kehrte und das Schiff am Ufer vertaut wurde, bevor sie erkennen konnten, dass Leute von Board gingen.

Im zügigen Schritt kamen die stämmigen Personen den Hang hinauf und als sie näher kamen, erkannte Zoe erst, dass sie alle in dicke, zottige Pelzmäntel gehüllt waren. Als sie den Hof betraten, schritt ein alter Mann in einem seidigen, schwarzen Pelz hervor und seine Augen suchten die Menge ab. Erst als der den Schulleiter ausgemacht hatte, ging er voller Inbrunst auf ihn zu und sprach: „Dumbledore! Wie geht's Ihnen, altes Haus, wie geht's?"

„Glänzend, danke, Professor Karkaroff", erwiderte der Schulleiter.

Karkaroff war ebenso wie Dumbledore, groß und von schlanker Statur. Doch sein weißes Haar war nicht so lang und sein Spitzbart endete in einem kleinen Kringel, der sein fliehendes Kinn nicht ganz verbergen konnte.

Die beiden Schulleiter umarmten sich, wie alte Freunde. Dann sah Karkaroff zum Schloss hinauf und bleckte seine gelben Zähne, als er lächelte.

„Das gute alte Hogwarts", sprach er, während er über das Gemäuer sah. „Wie schön, wieder hier zu sein, wie schön ... Viktor, komm rein in die Wärme ...", er wandte sich wieder zu Dumbledore und fügte hinzu: „Sie haben nichts dagegen, Dumbledore? Viktor hat einen leichten Schnupfen ..."

Er winkte einem seiner Schüler zu und dieser trat aus der Reihe und schloss zu Karkaroff auf. Zoe konnte nur einen kurzen Blick auf das markante Gesicht unter der Pelzmütze erhaschen und es kam ihr auf eine merkwürdige Weise bekannt vor.

Auch die restlichen Durmstrangs setzten sich nun in Bewegung und folgten ihrem Schulleiter hinein und im Hof, als um sie herum eine Welle aus Geflüster entbrannte und Zoe sah sich verwirrt um.

„Was ist los?", wollte die Slytherin von Theo wissen, der direkt neben ihr stand und die die plötzlich umgreifende Unruhe nicht verstehen konnte.

Theodore sah mit einem ungläubigen Blick zu ihr herüber.

„Ernsthaft, Zoe?", fragte er und sah wieder den Durmstrangs hinterher. „Das ist Krum. Viktor Krum!"

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