1 Der Auftrag


„Warum immer ich? Wieso bekomme ich immer alle miesen Job zugeschustert! Bin ich denen da oben vielleicht irgendwann auf die Füße getreten, oder wie?" beschwerte sich Agent Stiles Stilinski übellaunig quer über seinen Schreibtisch im FBI-Hauptquartier hinweg:

„Mehr als einmal!" bestätigte Agent Lydia Martin, welche mit übereinander geschlagenen Beinen vor ihm saß mit einem kleinen Lachen: „Aber so schlimm ist es dieses Mal doch gar nicht. Ich beneide dich sogar ein wenig um diesen Auftrag und würde es ja selber machen, dieser Kerl ist nämlich echt heiß! Aber leider bin ich ja immer noch zum Innendienst verdonnert, bloß wegen dieser beiden blöden Kugeln, die sie nach unserem letzten gemeinsamen Einsatz aus mir herausgeholt haben. Ich hab' denen gesagt, dass ich wieder topfit bin, aber hören die auf mich? Natürlich nicht!"

Kurz erlaubte sich Stilinski an jenen furchtbaren Tag vor zwei Monaten zurückzudenken, als er hatte fürchten müssen, seine liebste, beste Kollegin für immer verloren zu haben.

Doch Lydia war zäh und hatte es zum Glück geschafft. Es hatte schlimmer ausgesehen, als es am Ende gewesen war, also schüttelte der Agent diese finstere Erinnerung rasch wieder ab.

Stilinski beobachtete, wie seine Kollegin mit einer ihrer erdbeerroten Haarsträhnen spielte, sie sich um ihren eigenen Finger wickelte und sich über ihn amüsierte.

Man verzieh ihr ihre gelegentlichen kleinen Gemeinheiten, weil sie süß und charmant war und überdies eine der besten, loyalsten Freundinnen, die man sich nur wünschen konnte:

„Mir ist egal, wie heiß dieser Hale ist, ich habe einfach keine Lust, vier Wochen lang sein Kindermädchen zu spielen. Ich hasse diese selbstverliebten, oberflächlichen Hollywood-Typen. Wieso kann Whittemore, der alte Drückeberger diese Sache nicht übernehmen? Der ist doch vom selben Schlag und die Zwei würden sich Mit Sicherheit bestens vertragen."

„Tja, das könnte er wohl, doch mein lieber Verlobter weilt ja wegen dieses streng geheimem Spezialauftrags immer noch in Europa, weswegen er offenbar selbst zu beschäftigt ist, um mich mal anzurufen, um sich nach meinem Wohlbefinden zu erkundigen; etwas wofür ich Jackson nach seiner Rückkehr auch noch sehr leiden lassen werde." gab Lydia schulterzuckend zurück: „Mit anderen Worten: Stiles, mein Süßer, du hast die Sache am Hals! Derek Hale ist nun einmal unser einziger Zeuge gegen Deucalion, weswegen wir alles daran setzen sollten, ihn bis zum Prozess am Leben zu halten. Deucalions Leute hätten Hale schon einmal beinahe erwischt. Sein Bodyguard liegt im Krankenhaus und man weiß nicht, ob er durchkommt. Wir können froh sein, dass der Kerl überhaupt noch aussagen will. Manch anderer hätte nach so einer Erfahrung vermutlich schon das Handtuch geworfen."

Stiles stöhnte. Im Grunde liebte er seinen Job, doch diese Art Aufträge waren ihm zuwider. Er wollte da sein, wo die Action war, wollte dass die Endorphine durch seinen Körper rauschten. Aber wochenlang an einem geheimen Ort eingesperrt sein, um auf irgendeinen Blödmann aufzupassen, das war die reine Folter für einen adrenalinsüchtigen ADHS-Fall wie Stiles Stilinski:

„Und wann lerne ich den großartigen Mr. Hollywod endlich kennen? Der sollte doch schon längst hier sein, wenn ich das richtig sehe. Braucht die Diva etwa ihren großen Auftritt? Das geht ja gleich gut los!" murrte er.

Wie auf's Stichwort surrte in diesem Moment Agent Martins Handy. Sie warf einen Blick auf die soeben erhaltene Nachricht und teilte mit:

„Ruhig,Brauner! Sein Hubschrauber ist soeben auf dem Dach gelandet, also lass' uns gehen, hör auf zu meckern und versuch' doch einfach mal, dich wie ein Profi zu verhalten."

Stilinski versuchte, seine Kollegin mit einem Blick zu töten.

Derek Hale entstieg dem Hubschrauber in Begleitung seiner Managerin Kate Argent und seiner Cousine Malia Tate. Zwei schwerbewaffnete Agents in schwarzen Anzügen und mit klischeehaften dunklen Sonnenbrillen auf der Nase waren bei ihnen. Einer ging voraus und checkte die Lage und dann wiesen die Zwei ihnen den Weg ins Innere des Gebäudes.

Auf dem Weg zum Konferenzsaal, wo Derek Hale gleich seinen neuen Personenschützer kennenlernen würde, stellte seine Managerin fest:

„Wow, das ist also das FBI-Hauptquartier. Ist das aufregend! Präg' dir alles gut ein Derek-Baby, wer weiß, wann du diese Erfahrung mal für eine deiner Rolle verwenden kannst?"

„Schön das wenigstens du Spaß hast." brummte der Schauspieler übellaunig.

„Ach du nun wieder! Warum bist du eigentlich immer so sauertöpfisch? Sieh' es doch mal von der positiven Seite: Das hier ist Publicity, die man für Geld echt nicht kaufen kann. Dadurch bist du nicht nur ein Actionheld auf der Leinwand, sonder auch in richtigen Leben. Das nennt man Credibility, Darling! Das schießt dich endgültig hinauf in den Hollywood-Olymp. Du wirst unsterblich werden, Schätzchen!"

„Oh halt die Klappe, Kate!" mischte sich Malia Tate nun angriffslustig ein: „Unsterblich? Ist das nicht ein bisschen zynisch? Dereks Leben steht auf dem Spiel! Diese Typen wollen ihn umlegen, falls du das schon vergessen hast! Und ich wette, wenn sie es ihnen tatsächlich gelingt, dann wird mein Cousin tatsächlich unsterblich werden, genau so wie Marilyn Monroe, James Dean oder Kurt Cobain, nur wird er dann leider tot sein! Aber du würdest da PR-mäßig sicher was draus machen, stimmt's nicht, 'Schätzchen'? Die Kohle muss schließlich weiterfließen, auch wenn deinen Star längst die Würmer fressen."

„Hört auf zu streiten, ich kriege Kopfschmerzen!" forderte Derek und massierte sich die Schläfen: „Am Liebsten würde ich diese ganze Sache abblasen und meine Aussage zurückziehen, aber dafür ist es nun wohl zu spät. Also bringen wir es einfach hinter uns."

Die kleine Gruppe betrat den Konferenzraum, wo die Agents Martin und Stilinski bereits auf sie warteten.

Derek ließ seinen Blick ungläubig zwischen der winzigen, süßen Rothaarigen im flatternden Sommerkleid und dem dürren, jungen Kerl in der dunklen Bundfaltenhose und dem weißem Oberhemd mit gelockertem Schlipsknoten hin- und herwandern. Einer von diesen zwei Figuren sollte also allen Ernstes in den nächsten Wochen sein Überleben gewährleisten, wo doch die Schergen eines der meistgesuchten Verbrechers der Vereinigten Staaten momentan auf seinen Fersen waren?

Heimlich hoffte er, es möge wenigstens du Frau sein. Die wirkte wenigstens einigermaßen tough.

Stiles musterte den Mann vor sich gründlich. Genauso hatte er sich das vorgestellt: Ein aufgeplusterter Muskelberg, der es gewohnt war, dass alles nach seiner Pfeife tanzte, weil er eine hübsche Fresse hatte. Scheiße, er sah wirklich verdammt heiß aus, ein bisschen so wie der Kapitän des Lacrosse-Teams, der ihn früher gemobbt hatte. Der Agent hasste Derek Hale jetzt schon!

Und selbstverständlich hatte so ein Typ auch nicht bloß eine, sondern gleich zwei schöne Frau in seinem Gefolge, um sich mit ihnen zu schmücken. Das war ja jetzt auch ein alter Hut. Ob er wohl mit beiden schlief? Und ob beide Ladys auch davon wussten?

'Tja, Hollywood, in den nächsten Wochen ist jedenfalls Handbetrieb angesagt!', dachte Stilinski gehässig. Er setzte eine neutrale Miene auf, mit welcher er seine wahren Gefühlen zu verbergen suchte, erhob sich, streckte zum Gruß seine Hand aus und begann zu sprechen:

„Guten Tag Mr. Hale. Ich heiße sie willkommen im Hauptquartier des Federal Bureau of Investigation. Mein Name ist Agent Stilinski, dies ist meine Kollegin Agent Martin. Zunächst einmal möchte ich ihnen versichern, dass wir uns der misslichen Lage in welcher sie sich zurzeit befinden deutlich bewusst sind. Wir werden versuchen, ihnen die kommende Zeit so angenehm wie möglich zu machen. Ich persönlich werde in den nächsten Wochen bis zu ihrer Zeugenaussage an ihrer Seite sein und für ihre Sicherheit bürgen."

Der abschätzige Blick, mit welchem Derek Hale Stiles in diesem Moment bedachte versetzte diesen auf der Stelle um Jahre zurück in die Umkleidekabine nach einem großen Spiel, welches sein Team angeblich durch seine Schuld verloren hatte. Und nun fragte Mr. Hollywood auch noch:

„Wirklich? SIE sind mein Personenschutz? Sind sie überhaupt schon alt genug dafür und haben Erfahrung mit derlei Fällen. Immerhin geht es hier um mein Leben. Und wenn ich ehrlich sein darf: Sie sehen nicht besonders einschüchternd aus? Ich meine... schauen sie mich an und dagegen sie im Vergleich...?"

Agent Stilinskis Gesicht verfinsterte sich und seine Hände ballten sich zu Fäusten, doch ehe er etwas erwidern konnte, hatte sich neben ihm Lydia erhoben, bedachte Hale mit ihrem Eisprinzessinnenblick und erwiderte schneidend:

„Seien sie versichert, dass mein Kollege Agent Stilinski mehr als qualifiziert dafür ist sie zu beschützen. Er ist ausgebildet in der Benutzung von allen erdenklichen Schuss,- Stich- und Schlagwaffen und er beherrscht acht verschiedene Kampfsportarten von Karate bis Krav Maga, also ist es ratsam, ihn nicht zu verärgern. Und nun lassen sie uns darüber sprechen, wie es in nächster Zeit laufen wird: Gleich wird ein weiterer Hubschrauber sie und Agent Stilinski abholen und an einen streng geheimen Ort schaffen. Dort wird für sie gesorgt sein; Lebensmittel und alles was sie sonst so brauchen finden sie in diesem Haus. Und das ist auch notwendig, denn wenn alles so läuft, wie wir es uns erhoffen, dann werden sie dieses Haus bis zum Prozess nicht ein einziges Mal verlassen. Das bedeutet jeder Kontakt zur Außenwelt, sei es telefonisch, persönlich oder online ist tabu!" Bei diesem letzten Satz blickte Lydia streng auf Hales Begleiterinnen. Dann wollte sie wissen:

„Gibt es noch weitere Fragen?"

Eigentlich war diese Frage an den Schauspieler selbst gerichtet, doch an seiner Stelle meldete sich eine empörte Kate Argent zu Wort:

„Kein Kontakt zur Außenwelt? Das kann doch wohl nicht ihr Ernst sein! Wissen sie denn nicht, wer er ist? Derek Hale ist eine Figur des öffentlichen Lebens! Er kann nicht mal eben für mehrere Wochen in der Versenkung verschwinden. Er hat Fans, Sponsoren, Kollegen, Regisseure, für die er erreichbar sein muss. Das kommt also überhaupt nicht infrage! Lassen sie sich etwas anderes einfallen, sie sind schließlich das FBI. Sie sollten doch für eine sichere Internetleitung oder Telefonverbindung sorgen können. Wofür werden sie denn bezahlt?"

„Ihre Sponsoren und die Interessen der Öffentlichkeit sind uns herzlich egal." schaltete sich nun Stilinski wieder ein: „Unser einziges Interesse gilt lediglich dem Überleben von Mr. Hale. Das ist es, wofür wir bezahlt werden und ich schlage vor, sie gewöhnen sich daran, Ma'am! Und wenn nun alles geklärt ist, würde ich gern aufbrechen."

„Das ist eine Unverschämtheit!" beschwerte sich die Promoterin, doch Derek hob beschwichtigend die Hand und versicherte:

„Ist in Ordnung, Katie! Reg' dich nicht auf! Diese Leute machen doch bloß ihren Job."

Er erhob sich, umarmte beide Frauen lange, wandte sich dann Stilinski zu und erklärte:

„Ich bin soweit, es kann losgehen."

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