zarte Gefühle?

Lis zog sich wie immer schick an und legte etwas Make-up auf. Ich hingegen hatte nicht so viele und schon gar nicht schicke Sachen mit für das Wochenende. Mit fragendem Gesichtsausdruck stellte ich mich hinter meiner Freundin und sah sie ein wenig schief an. Schmunzelnd redete sie zum Spiegel und somit zu mir. „Eric kommt zum Essen, er liebt die gute Küche deines Opas. Morgen werde ich nicht da sein... er will mich ausführen." Sie lächelte verliebt. So kontaktfreudig meine Freundin auch war, so verliebt und treuherzig war sie ihrem Freund. Eric und sie waren seit 3 Jahren ein unzertrennliches Paar. Sie lernte ihn damals auf ihrer Arbeit kennen und lieben. Es hatte sofort gefunkt und das Feuer brannte immer noch lichterloh. So etwas habe ich leider noch nie gespürt.

„Hallo?" riss mich meine Freundin aus den Gedanken? „Mhhhm?" reagierte ich darauf. Sie zuppelte an meinem Shirt und zog den Ausschnitt weiter runter. „Schon besser. Darf ich dir ein wenig Make-up auftragen – war die Frage." Schmunzelnd nickte ich leicht. Erfreut griff sie zum Pinsel. Ich hob meine Hand und bremste sie etwas aus. „Aber nicht so viel!" bestand ich darauf. Sie bemühte sich einen Kompromiss zwischen ihren Vorstellungen und meinen Wünschen zu finden.

Am Ende betrachtete sie zufrieden ihr Werk. „Perfekt! Der wird Augen machen." grinste sie zufrieden vor sich hin. Ich kämmte meine braunen, langen Haare noch mal durch, bevor wir zum Essen gingen. Meine Familie war schon vollständig und unterhielten sich angeregt. Ich begrüßte Mamas Freund und Alisah's Freund. Neben meinem Stammplatz saß natürlich Karl. Er tätschelte den freien Stuhl neben sich und bedeutete mir grinsend, mich zu setzen. Ich ging dem freiwillig nach. Alisah setzte sich nach ausführlich Begrüßung ihres Freundes am anderen Ende des Tisches. „Ich dachte sie wäre Single." flüsterte Karl in mein Ohr. Mein Magen krampfte zusammen. „Enttäuscht?" fragte ich ihn überspitzt. Mit hochgezogener Augenbraue sah er mich an. „Wieso sollte ich?" fragte er mit einem Unterton, den ich nicht deuten konnte. Mit einem Schulterzucken beendete ich das Thema. 

Meine Oma fing ein Gespräch an, das eigentlich nur aus Aufgabenverteilung bestand. „Ruby es wäre schön, wenn du mir morgen bei der Bohnenernte, Kirschen und Pflaumen helfen könntest. Karl auf dich warten die anderen Felder aber du hast wirklich gute Arbeit gemacht." 

Der Abend wurde vergnüglich und alle tranken ein wenig Wein. Bevor wir zu Bett gingen, lief ich mit Kira ihre Abendrunde. Sie kannte den Weg schon und wusste auch, dass wir immer zurück zu noch mal in den Stall gingen. Butterblume und Feuerfuß standen ruhend da und schnaubten leise als ich kam. Ich sprach leise mit ihnen und wünschte den beiden eine gute Nacht. Ich hörte Schritte und drehte mich um. Wie so oft gesellte sich mein Opa zu mir. „Na mein Mädchen, alles in Ordnung?" fragte er mich direkt. „Ja schon Opa. Ich bin mir nur nicht so sicher, was Karl anbelangt." Nachdenklich nickte er. „Ihr habt mehr gemeinsam als du denkst. Er hat oder hatte auf irgendeiner weise Liebeskummer und ich glaube, du tust ihm gut. Ebenso tut er dir gut. Nach all den Dates die du hattest, hat dich keiner so zum Lächeln gebracht wie er. Vergeude deine Zeit nicht mit Misstrauen sondern genieße sie und lass es auf dich zukommen. Ruby du bist erst 30 und dein Leben ist nicht vorbei, nur weil du eine Scheidung hinter dir hattest!" Lächelnd sah ich ihn an. „Erst in einigen Wochen Opa." Er lachte herzhaft und steckte mich mit diesem Lachen an. Er gab mir einen Kuss auf die Stirn und ging weiterhin lachend raus. 

Direkt nach ihm kam Karl herein. Er hielt etwas in der Hand hinter dem Rücken. Er schmunzelte mich verführerisch an. „Rechts oder links?" fragte er. Ich lachte und deutete auf links. Lachend hielt er mir einen Bund Karotten vor die Nase. „Lass mich die deinen Pferden geben und dir was, was dir mehr würdig ist." Er offenbarte, was er in der anderen Hand hielt – eine rosafarbene Rose aus Oma's Garten. „Du riskierst dein Leben!" lachte ich, nahm sie aber dankend an. „Das ist es mir wert." sagte er amüsiert. Es herrschte ein Moment peinliches Schweigen. „Ich werde dann mal ins Bett gehen, Kiri ist schon ganz müde." argumentierte ich beinahe entschuldigend. Karl fuhr sich scheinbar nervös durchs Haar und schien nach Worten zu suchen. Ich wollte ihm das ersparen oder vielleicht auch einfach meine Illusion aufrecht erhalten. Langsam ging ich an ihm vorbei und tätschelte seinen Oberarm. Er hielt mich auf. „Ruby ... ich wünsche dir eine gute Nacht. Bis morgen!" Wir schauten uns tief in die Augen. Ich war mir nicht sicher, glaubte aber, dass er meinem Gesicht näher kam. Ich spürte meine Beine nicht mehr und wollte mich auch nicht fortbewegen. Er war mir sehr nahe, als wie in einem schlechten Film meine Freundin hinein platzte und laut rief: „Ruby wir sind dann mal weg. Wir Schreiben uns süße!" und verschwand so schnell wie sie gekommen war. Verlegen lächelten wir uns an. Ich beschloss die Situation zu lösen und ging mit Kira zum Haupthaus.

Ich schlief tief und fest, als mich ein Klopfen weckte. Meine Mama trat ein und brachte mir Frühstück ans Bett. „Guten morgen mein Mädchen. Deine Großeltern sind schon am ackern und Marco und ich machen uns auf dem Weg. Mach nicht so lange Ok?! Immerhin musst du morgen auch wieder arbeiten!" Meine Mutter unterhielten sich noch etwas mit mir, ehe sie sich verabschiedete. Ich machte mich fertig und fütterte die Hunde. Ein Blick aus dem Küchenfenster und ich sah Karl, der die Pferde zur Koppel brachte. Ich schmunzelte vor mir hin und fühlte mich ertappt, als er zufällig zu mir rüber sah und winkte.

Pflichtbewusst sah ich mir meine Arbeitsmails an. Vertieft in meiner Arbeit bemerkte ich nicht, dass Karl hinein kam und sich ein Getränk aus dem Kühlschrank nahm. Er beugte sich über meine rechte Schulter und schaute auf dem PC. „Du arbeitest auf einen Sonntag?" ich wand meinen Kopf zu ihm und erwiderte schmunzelnd: „Du doch auch." Er lachte und zeigte seine blendend weißen Zähne dabei. Er gab mir spielerisch einen Kuss auf die Wange und ging wieder hinaus an die Arbeit. Ich war geflasht von seiner Reaktion. Ich spürte die Wärme auf meiner Wange noch den ganzen Tag. 

Die Arbeiten, die meine Oma mir aufgab erfüllte ich natürlich, was mich bedauerlicherweise die meiste Zeit des Tages in Anspruch nahm. Gerade pflückte ich Bohnen – meine Hassarbeit, als sich ein Schatten über mich ausbreitete und mir die Hand reichte. „Essen ist fertig." Beim Klang seiner Stimme schauderte es mir. Mein Herz schlug definitiv schneller. Dankend nahm ich die Hand an, rechnete aber nicht damit, so schnell hochgezogen zu werden. Ich stöhnte etwas und hielt mich mit der anderen Hand ebenfalls an seinem Arm fest. „Was ist los?" wurde ich besorgt gefragt. „Ich hocke hier seit 2 Stunden... Meine Beine sind eingeschlafen." Er nahm meinen einen Arm, legte ihn um seinen Hals und griff mir unter die Beine. „Ehe das Essen kalt wird." war seine verteidigende Antwort. Lachend nahm ich das so hin und hoffte nicht allzu sehr rot zu werden. Es fühlte sich so gut an, von ihm getragen zu werden.

Meine Großeltern, Karl und ich genossen das letzte gemeinsame Essen bevor meine Arbeitswoche begann. Schweren Herzens musste ich meinen Großeltern mitteilen, dass ich unterhalb der Woche nicht zu ihnen kommen konnte. „Ich habe vorhin eine Mail gelesen ... es steht eine Menge diese Woche an, das läuft auf Überstunden hinaus. Allerdings könnte ich vielleicht Freitag früher Feierabend machen und wieder zu euch kommen." Karl's Blick änderte sich als er meine Nachricht hörte. Meine Oma hingegen war wie immer verständnisvoll. „Natürlich Liebes, du weißt doch, dass wir uns immer über dich freuen!"

Nach dem Essen ging ich hoch und packte meine Sachen zusammen. „Tschüss ihr beiden und passt auf euch auf!" sagte ich nur an meine Oma und Opa gewandt. Karl war nicht hier, vielleicht arbeitete er ja wieder auf dem Feld. Ich verabschiedete mich von den Hunden und den Pferden, bevor ich zu meinem blauen SUV ging. Dort stand er auch – an der Beifahrertür angelehnt. Er nahm meine Tasche ab und legte sie in den Kofferraum, ehe er mir die Tür auf der Fahrerseite aufhielt. Nach einem Blick in seine wundervollen Augen, stieg ich ein. Er öffnete die Tür hinten für Kira und schloss diese auch sogleich. Bei der Wärme fuhr ich gerne mit offenen Fenster – lieber als mit Klimaanlage. Unerwartet stützte sich Karl auf das offene Fenster. Er überreichte mir einen gefalteten Zettel. „Schreib mir, wenn du angekommen bist ... und ... pass auf dich auf!" er lehnte sich zurück und ließ mich gewähren. „Mach ich danke! Du auch auf dich!" rief ich zum Ende etwas lauter, da ich bereits los rollte.

Er blieb dort stehen, was ich im Rückspiegel beobachtete, bis ich endgültig abbog. Wehmütig nahm ich meinen einstündigen Heimweg auf mich und dachte einfach über alles, was das Wochenende betraf, nach.

'Hey ich bin da.' schickte ich ihm die Nachricht unter der Nummer die er mir gab. Während – Schreibt .... - da stand, betrachtete ich meine von ihm geschenkte Rose. 'Das freut mich, jetzt kann ich beruhigt schlafen. Gute Nacht Ruby.'

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