Geduld und Vertrauen
Karl kramte aus dem Schrank einen unscheinbar wirkenden Koffer hervor. Er nahm ein Holzplättchen in den Mund. Seine Lippen umschlossen es fest. Wie gerne wäre ich jetzt das Plättchen. Er spannte es in das Mundstück ein und wirkte etwas nervös. „Mir hilft immer, wenn ich mich umdrehe." sagte ich aufbauend. Er lächelte, drehte sich um und begann zu spielen. Ich lag in seinem Bett in meinen frisch geduscht in Schlafklamotten und lauschte seinem Spiel. Er spielte Rolling in the deep von Adele. Er spielte einfach perfekt und so wundervoll, dass ich Gänsehaut bekam. Ich wollte nicht, dass er jemals aufhörte. Von Note zu Note wurde er sicherer und kraftvoller. Ab der 2. Hälfte drehte er sich zu mir um. Seine Augen leuchteten. Er spielte so göttlich. Wahrlich musste er sich damit nicht verstecken. Mein Herz ging auf und ich vergoss Tränen der Freude. Richtig gute Musik konnte mich so richtig berühren. Karl war der Erste, der nur für mich spielte und das auch noch so perfekt. Das Stück war fertig. Fassungslos schaute er sein Instrument an. „Ich kann es noch" flüsterte er. Sein Blick ging freudestrahlend zu mir. Ich hielt mir die Hände vor dem Mund und wischte meine Tränen weg. „War ich so schlecht?" fragte er schmunzelnd. Ich schüttele nur den Kopf. „Du warst soooo unglaublich toll! Ich habe noch nie jemanden so Saxophon spielen hören. Ich flehe dich an, spiel mir noch etwas vor!" Er überlegte einen Moment, setzte seine Lippen an und stimmte das Lied Halo an. Wahnsinn. Jeden Klang, jede Melodie saugte ich ein. Nicht wissend, ob und wann ich ihn das nächste Spielen hören würde, genoss ich jeden Augenblick. Umso deutlicher wurden meine Gefühle für ihn. Ich wollte ihn nicht verlieren – niemals!
Karl beendete das Stück und sah etwas erschöpft aus. Ich klatschte in die Hände und er verbeugte sich ein wenig theatralisch. Er nahm das Saxophon vom Hals, setzte sich zu mir aufs Bett und nahm mich in seine Arme. „Früher war ich noch besser." sagte er leise amüsiert. „Ich habe aufgehört weil meine Ex das nicht sonderlich leiden konnte." fügte er traurig hinzu. „Ich würde dir jeden Tag stundenlang zuhören!" schluchzte ich ein wenig. Liebevoll streichelt er mir über den Kopf. Bittend flüsterte er in mein Ohr: „Spiel für mich." Ich zierte mich ein wenig. Sanft schob er mich hoch. Ich stand auf, nahm das Instrument andächtig in die Hand und bewunderte es. „Brauchst du ein neues Plättchen?" Ich zog meine Braue hoch. „Ich würde auch mit dem spielen, was du schon eingespielt hast, wenn das ok ist?" Er machte sich lang auf dem Bett. „Ja natürlich."
Das Tenorsaxophon war größer und schwerer als mein Altsaxophon. Ich sicherte es um meinen Hals, blies hinein und spielte eine freie Interpretation. Karl lag mit verschränkten Armen hinter dem Kopf und geschlossenen Augen auf dem Bett. Er lauschte schweigend mit einem entspannten Gesichtsausdruck. Man könnte sagen – ich ließ mein Herz sprechen. Unerwartet stand er auf und stellte sich hinter mich. Er legte seine Arme um meinen Bauch und drückte etwas zu, so dass ich noch mehr Luft raus presste. „Du brauchst mehr Spannung im Bauch für ein Tenor. Deine reicht für ein Alt." Ich spielte den letzten Ton lange aus und sah ihn erwartungsvoll an. „Du bist wirklich gut. Du überraschst mich immer wieder." Belustigt konterte ich. „Das sagt genau der Richtige."
Wir tauschten uns noch weiter aus. Am Ende musste ich versprechen, nächste Woche mein Instrument mit zu bringen. Abschließend klatschte er in die Hände. „Ok, bereit für den Filmabend? Ich dachte mir, wir fangen in der richtige Reihenfolge an und schauen zuerst den Hobbit Teil 1? Ich habe auch Snacks vorbereitet." Er zauberte stolz eine Schüssel Popcorn hervor und meinen Lieblingseistee. Erfreut quickte ich kurz auf. Er freute sich wiederum, dass ich mich so sehr freute. Er zündete eine Duftkerze an und breitete eine Decke über meine Beine aus. Er selbst setzte sich mit der Schüssel in der Hand neben mir. Lag das an der Zubereitung oder an ihm, dass das Popcorn so besonders gut schmeckte. Ich genoss den ganzen Abend in vollen Zügen.
Nachdem wir die Snacks aufgefuttert hatten, räumte er die Schüssel weg. „Magst du dich zu mir legen?" fragte er beinahe schüchtern. Ich nickte und schmiegte mich an seinen Oberkörper ehe er es sich anders überlegte.
Wir waren noch fit und beschlossen den zweiten Teil uns auch noch anzuschauen. Karl machte es sich zur Aufgabe mich mit Legolas aufzuziehen. „Sieh mal dein Liebling." neckte er mich immerzu.
„Mein eigentlicher Liebling sitzt neben mir." damit brachte ich ihm zum schweigen. Doch ich revanchierte mich und streichelte demonstrativ meinen zuckersüßen Hund. Er lachte laut los und überfiel mich mit Kitzelattacken. Wir lachten und berührten uns viel. Doch es fand ein jähes Ende als er bedauernd mir in die Augen schaute. „Verdammt ich will dich so gerne küssen." sagte er traurig. Ich legte meine Hand auf seine Brust. „Tu es nicht, wenn es sich für dich noch nicht richtig anfühlt!" war mein ernstgemeinter Rat an ihm. Er befolgte ihn und ließ sich neben mir fallen. „Es wird nicht mehr lange dauern, bis ich zur Anhörung muss, wo ich meiner Ex Frau gegenüber stehe. Ich fürchte mich vor dem Tag." Ich spendete ihm Trost so gut ich konnte. Nun war er es, der seinen Kopf an meiner Schulter ablegte. „Danke." flüsterte er mir zu und schloss seine Augen. Er schlief ein, ich umarmte ihn und hielt ihn einfach fest.
Ich erwachte aus einem unruhigen Schlaf. Zu meiner Überraschung lag Karl neben mir wach und mich lächelnd anschauend. „Der gestrige Abend war sehr schön Ruby. Ich lasse dich heute nur ungern wieder gehen. Das Wochenende war einfach zu kurz." Ich umarmte ihn innig. Er erwidert diese Umarmung und hielt mich eine Zeit lang fest. Ich übte mich weiter in Geduld. Doch wenn ich könnte würde ich ihm die Sachen von seinen Leib reißen, ihn Küssen, ihn in mich spüren. Nervös kaute ich auf meiner Lippe. Mich so zu zügeln kostete mich eine menge Kraft. So gesehen war es gut, dass ich unter der Woche mich dem nicht aussetzen musste. Ich würde mir heute Abend wieder selber zu helfen wissen und dabei an ihn denken. „Was hast du?" fragte er mich. „Ich übe mich in Geduld und Zurückhaltung. Das ist schwer aber du bist es mir wert!" Er lachte leise. „Ich begehre dich ebenso. Du bist eine wunderschöne Frau. Jeder Mann der von dir beachtet wird kann sich glücklich schätzen!" Wieder sahen wir uns in die Augen. Er löste die Umarmung, streichelte mein Gesicht und sprach ruhig. „Lass uns aufstehen und den Tag beginnen. Ich fürchte wir machen uns alles nur noch schwerer als ohnehin schon." Zustimmend nickte ich. Er stand als erstes auf. Mir stockte der Atem als ich seine Erregung in der Lendengegend sah. Er zog sein Shirt aus und ging nur in seiner Unterhose bekleidet und leicht grinsend ins Bad. „Karl?!" Er wand sich zu mir um. Nun sah ich ihn noch mehr in seiner vollen Pracht, was mich in Wallung brachte. „Ja?" fragte er und riss mich aus den Gedanken. „Wie lautet deine Frage?" Ich schmunzelte. „Wie heißt du wirklich? Darfst du mir das sagen?" Er setzte sich zu mir aufs Bett und nahm meine Hand. „Ich kann dir keinen Wunsch abschlagen und werde es dir sagen aber niemand darf je meinen wahren Namen erfahren! Du würdest sowohl mich als auch dich damit in Gefahr bringen! ... Chris also eigentlich Christopher aber Chris war mir schon immer lieber."
Ich versprach ihm, es für mich zu behalten. Er vertraute mir. Lächelnd stand er mit seiner Erregung wieder auf und ging endgültig ins Bad. Er schloss die Tür und drehte den Schlüssel um. Ich wollte nicht lauschen aber auf dem Weg zu meinem Zimmer um frische Sachen zu holen, hörte ich ein unterdrücktes Stöhnen aus dem Bad. Er tat das, was ich garantiert heute Abend auch tun werde. Verdammt warum tun wir es nicht zusammen?! In meinem Zimmer saß ich im Bademantel und wartete, dass das Bad frei wird. Er kam heraus, lediglich mit einem Handtuch um der Hüfte, nassen Haaren und nassen Körper.
Er kam in mein Zimmer und lehnte sich an den Türrahmen. „Das Bad ist frei." sagte er grinsend. Ich stand auf und drückte ihn aus meinen Zimmer. „Geh weg." sagte ich lachend. Karl rührte sich nicht. Er hielt mich am Oberarm fest. Mit gesenktem Blick und verruchter Stimme sprach er. „Du willst mich?" ich nickte trocken. „Wenn ich dir gebe, wonach wir uns beide sehnen – muss ich gehen, fort von hier, von dir!" Mein Magen zog sich zusammen. Aufrichtig sagte ich ihm, was ich dachte. „Dann gehe ich besser duschen und komme auf anderen Gedanken." Lächelnd ließ er meinen Arm los, gab mir einen Kuss auf die Wange und ließ mich gewähren.
Während des Duschens versuchte ich ihn zu verstehen. Er wollte mich, er begehrte mich und wollte dennoch nicht mit mir zusammen sein. Lag es wirklich an dem Zeugenschutzprogramm? Liebte er seine Ex noch? Was es auch war, ich schien ihm offenbar jedes mal erneut auf die Probe zu stellen. Ich fühlte mich schlecht. Nach dem duschen ging ich in meinem Zimmer, zog mir Reitsachen an und ging hinunter zum Frühstück. Karl stand am Wasserkocher. Gerade betrat ich die Küche, da stürmte er auf mich zu. „Ruby es tut mir leid, dass ich so forsch und aufdringlich war! Ich danke dir, dass du dich für mich entschieden hast und nicht für den Sex!" Er gab mir einen Kuss auf die Wange und ging hinaus zum Stall. Nachdenklich aß ich mein Frühstück.
Plötzlich kam Alisah in die Küche gestürmt. „Lis, komm her und setze dich! Ich muss dir etwas erzählen!" Ich berichtete ihr vom gestrigen Abend und den heutigen Morgen. Ich ließ nichts aus, außer seinen richtigen Namen. Ihre Emotionen im Gesicht wechselten von amüsiert zu schockiert zu nachdenklich zu mitfühlend. Ich weinte von dem ganzen neu aufflammenden Gefühlschaos. Sie nahm mich in den Arm, spendete mir Trost und sprach mir gut zu. Ich war müde und erleichtert mich jemanden anvertrauen zu können. „Scheiße Mausi – du liebst ihn so richtig ... Eure Zeit wird kommen. Hab Geduld meine Süße!"
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