DREI - FelsenClan
Kühler Wind zerrte an Kaltpfotes Fell, als sie aus dem Heilerbau des FelsenClans heraus humpelte. Die Schmerzen in ihrem linken Vorderbein hatten sie geweckt und es ihr unmöglich gemacht, ohne die Hilfe von Mohnsamen wieder einzuschlafen. Und selbst die hätten eine Weile gebraucht, bis sie wirkten. Also hatte sie beschlossen, den Tag noch vor ihrem Mentor Schwalbenfeder zu beginnen. Langsam wurde es ohnehin Zeit, aufzustehen. Die Sonne stand bereits am Himmel und das, obwohl es sich bei der nahenden Blattleere um eine so düstere Zeit handelte. An jedem anderen Tag wäre Kaltpfote schon längst an der Arbeit gewesen, doch heute war es in Ordnung, damit etwas später zu beginnen. Schließlich waren sie und Schwalbenfeder bis tief in die letzte Nacht hinein zum Heilertreffen unterwegs gewesen.
Auf drei Beinen humpelte Kaltpfote auf den Frischbeutehaufen zu. Das vierte, schmerzende Bein hielt sie dabei in der Luft. Es war so gut wie nutzlos, nachdem sie als Junges angegriffen und schwer verletzt worden war. Für einen Moment kehrte sie in Gedanken in die verschneite Nacht zurück, in der ihr Leben als Streunerin geendet hatte. Zwei Einzelläufer hatten sie, ihren älteren Bruder Tiger und ihre Mutter Wanderin gebeten, Beute und Rastplatz mit ihnen zu teilen. Alles hatte so friedlich gewirkt. Doch dann waren da plötzlich Kampfschreie gewesen. Einer der Einzelläufer, der auf sie zu raste. Seine Krallen, die eine tiefe Wunde in ihrer Schulter hinterließen. Tigers Befehl, wegzulaufen, sich in Sicherheit zu bringen.
Kaltpfotes linkes Vorderbein traf auf Widerstand. Schmerz fuhr ihr in die Schulter und hielt selbst dann noch an, als sie das Gleichgewicht längst wiedergefunden hatte. Sie stolperte und ermahnte sich im Stillen, besser darauf zu achten, wohin sie trat. Dass ihre Verletzung ihr heute solche Schwierigkeiten bereitete, konnte nur eines bedeuten: Ein Wetterumschwung stand an. Möglicherweise war es der kommende erste Nachtfrost, den sie spürte.
Mit einem Anflug von Wehmut betrachtete Kaltpfote einige bunte Blätter, die von den wenigen Bäumen auf der Ebene ins Lager geweht worden waren. Sie hatten sich in den kleinen Lücken des Steinwalls verfangen, der den Versammlungsplatz und die umliegenden Baue des FelsenClans ebenso vor Wind schützte, wie vor Eindringlingen. Bald schon würde die farbenprächtige Blattleere enden und die eisigen Klauen der Blattleere würden die Clans fest in ihrem Griff haben.
***
Zurück im Heilerbau wurde Kaltpfote wie üblich von einem wohltuenden Kräuterduft begrüßt. Jeden Tag aufs Neue rief er ihr in Erinnerung, was der Clan für sie getan hatte. Diese für sie damals fremden Katzen hatten sie nach dem Angriff der Einzelläufer gefunden, ihre Wunden versorgt und sie bei sich aufgenommen. Der Geruch der Kräuter bestärkte sie in dem Wissen, dass es ihre Bestimmung war, dem Clan als Heilerin zu dienen und ließen ihre gelegentlichen Zweifel, ob sie jemals ein vollwertiges Clanmitglied werden würde, verfliegen.
Sie wich dem Nest ihres Mentors aus, in dem Schwalbenfeder noch immer schlief, und machte sich im hinteren Teil der Höhle auf die Suche nach Ringelblume und Eichenblättern. Die würde sie gleich für Bleichjunges' Kratzer benötigen, die die kleine Kätzin sich gestern beim Spielen mit ihrem Wurfgefährten Gewitterjunges zugezogen hatte. Der junge Kater konnte einfach nicht verlieren und ging immer wieder zu grob mit seiner Schwester um, völlig egal wie oft man ihn belehrte.
Auf die Gefahr hin, dass sie vielleicht etwas früh dran war, um Bleichjunges Kräuterverband zu erneuern, machte sich Kaltpfote auf den Weg zur Kinderstube. Durch das dicke Blätterpaket in ihrem Maul konnte sie den Boden vor ihren Pfoten kaum sehen. Obwohl sie sich im Lager bestens auskannte, war es gar nicht so einfach, Unebenheiten auszuweichen und nirgends mit ihrer nutzlosen Pfote hängen zu bleiben. Wann würde sie endlich lernen, nicht zu viele Kräuter auf einmal mitzunehmen? Sie dankte ihren Kriegerahnen, als sie schließlich ohne zu straucheln an dem mit Brombeeren verstärkten Weißdorn ankam, der die Kinderstube beherbergte.
»Kaltpfote!« Ein kleiner Kater stürmte zwischen zwei Brombeerranken, die sich im Eingang gelöst hatten, hindurch. Dass dabei Fetzen seines langen, weißen Fells an den Dornen hängen blieben, schien er überhaupt nicht zu merken. »Kannst du Bleichjunges nicht endlich gesund machen? Es ist so langweilig, wenn sie nicht mitspielen kann.«
Kaltpfote hätte ihm gern erklärt, dass er sich in Geduld üben müsste, doch sie hatte schon alle Pfoten voll damit zu tun, nicht über Gewitterjunges zu stolpern. Er hüpfte aufgeregt um sie herum, sie übersah einen taunassen Stein und rutschte mit ihrer gesunden Pfote darauf aus. Die Heilkräuter segelten zu Boden und erst im letzten Moment, bevor Kaltpfote mit der Schnauze voran im Staub gelandet wäre, fand sie ihr Gleichgewicht wieder.
Gewitterjunges schnurrte amüsiert, während Kaltpfote Eichenblätter und Ringelblume zu einem Haufen zusammen schob.
»Gewitterjunges!«, ertönte ein Miauen aus der Kinderstube. Als Kaltpfote hoch blickte, stand Minzblatt, die Mutter des Jungen, im Eingang. »Würdest du Kaltpfote helfen und die Kräuter zu deiner Schwester bringen?«
»Ich wollte aber doch gerade schauen, ob Schneepfote da ist! Bleichjunges ist schließlich zu krank zum Spielen.« Er hüpfte los, an seiner Mutter vorbei und auf den Schülerbau zu, kam aber nicht weit, da Minzblatt ihn am Nackenfell packte.
»He, was soll das?«, beschwerte Gewitterjunges sich. »Ich will mir von ihm zeigen lassen, was er als Schüler so gelernt hat! Vielleicht ist er jetzt ja nicht mehr so langweilig, wo er zum Krieger ausgebildet wird!«
Minzblatt ließ Gewitterjunges los, nur um stattdessen ihren Schweif um ihn zu schlingen, damit er nicht davonlief. »Du solltest dich entschuldigen, sowohl bei Kaltpfote, als auch wegen dem, was du über Schneepfote gesagt hast. Vor wenigen Sonnenaufgängen wart ihr noch Baugefährten.«
Sie wandte sich an Kaltpfote. »Es tut mir wirklich leid, dass...«
Wie der Blitz schoss Gewitterjunges an Kaltpfote vorbei und machte sich aus dem Staub.
»Schneepfote!«, rief er einem großen, schneeweißen Kater zu, der gerade das Lager betrat. »Zeigst du mir ein paar Kampftricks?«
Was der junge Schüler antwortete, konnte Kaltpfote nicht verstehen, da er zu leise sprach. Jedoch erkannte sie etwas anderes: Schneepfote hatte Angst. Sein Pelz war gesträubt, sein Blick huschte scheinbar ohne Ziel im Lager umher, er trat unruhig auf der Stelle. Zwar war Schneepfote schon immer leicht zu verunsichern gewesen, doch diesmal musste mehr dahinterstecken. Da war sich Kaltpfote sicher. Der Schüler wich einen Schritt vor dem Jungen zurück und bog dann in Richtung Kriegerbau ab.
»Aber ich will sie jetzt lernen!«, rief Gewitterjunges und rannte hinter Schneepfote her. »Warte doch mal!«
Doch Schneepfote achtete nicht auf darauf. Er steckte den Kopf in den Kriegerbau und miaute: »Goldtropfen?«
Besorgt tappte Kaltpfote näher. Schneepfote brauchte offenbar Hilfe. Doch seine Mentorin, Goldtropfen, hatte sich letzten Sonnenaufgang eine Pfote gezerrt und sollte heute in ihrem Nest bleiben. Solange er nur jemanden zum Reden brauchte, wäre es natürlich in Ordnung, wenn Schneepfote sich an sie wandte. Dennoch wollte Kaltpfote sicher gehen, dass wirklich alle Probleme aus der Welt geschafft werden würden.
»Goldtropfen!« Als Kaltpfote den Kriegerbau erreicht hatte, rüttelte Schneepfote seine schlafende Mentorin gerade an der Schulter. »Goldtropfen, wach auf!«
Die hellgoldene Kätzin mit den dunklen Tigerstreifen schlug die Augen auf und gähnte.
»Goldtropfen, ich... ich brauche deine Hilfe!«
»Jetzt lass mich doch erst einmal wach werden.«
»Was ist denn los?« Als sich Kaltpfote vom Eingang des Kriegerbaus aus einmischte, zuckte Schneepfote zusammen.
Er warf einen vorsichtigen Blick zu ihr hinüber. »Ach, du bist das.« Einige Herzschläge lang herrschte Stille, in der Schneepfote tief Luft holte. »Es gibt einen Streit an der Grenze. Streuner haben die Duftmarkierungen übertreten. Und ich... ich bin einfach weggerannt.«
»Warum kommst du damit nicht gleich zu mir?«, donnerte eine Stimme hinter Kaltpfote. Falkensterns Stimme.
Schneepfote duckte sich neben seiner Mentorin, wagte es anscheinend nicht, seinen Anführer anzusehen. Nicht ganz sicher, ob sie über Falkensterns plötzliches Auftauchen erleichtert sein sollte, stand Kaltpfote zwischen dem Anführer und Schneepfote. Einerseits hatte Falkenstern Recht damit, dass Probleme an der Grenze nicht zuerst einer ohnehin verletzten Kriegerin mitgeteilt werden sollten, andererseits... Schneepfote machte sich offensichtlich Vorwürfe wegen seiner überstürzten Flucht und hatte nur Sicherheit bei einer Katze gesucht, der er vertraute. Außerdem hatte er nur von einem Streit gesprochen, nicht von einem Kampf. Vielleicht würde die Patrouille auch allein mit dem Vorfall fertig werden, wenn es bei einem Wortgefecht blieb. Zumindest hoffte Kaltpfote das. Kämpfe gingen niemals für irgendwen gut aus.
»Brauchen Schattenseele, Federflug und Tupfenpfote Unterstützung?«, wollte Falkenstern wissen.
»Ich... also, ich weiß es nicht... so... so genau. Also auch nicht wie... äh... wie viele Streuner dort waren...«
War sein Tonfall zuvor noch versöhnlich gewesen, so mischte sich nun ein Knurren in Falkensterns Miauen. »Was soll das heißen, du weißt es nicht?«
»Also ich - äh - bin weggerannt, als sich der erste Streuner auf Federflug gestürzt hat.«
Unwillkürlich zuckte Kaltpfote zusammen. Also gab es doch einen Kampf! Wenn sie doch nur eingreifen könnte, um das Blutvergießen zu stoppen! Doch es lag ein viel zu weiter Weg zwischen Lager und Grenze.
Falkenstern schüttelte den Kopf. »Du kannst überhaupt keine nützlichen Informationen liefern?«
Mit wachsendem Unmut beobachtete Kaltpfote das Geschehen. Falkenstern, der sonst für die meisten Clankatzen ein offenes Ohr hatte und sie durchaus gerecht behandelte, sollte wirklich etwas Rücksicht auf Schneepfote nehmen. Niemand im Clan hätte etwas davon, wenn der junge Schüler noch weiter verunsichert werden würde. Doch wenn es um Streuner oder Hauskätzchen ging, verstand Falkenstern keinen Spaß.
»Mach dir keine Sorgen, Schneepfote«, hob sie an und trat zwischen den Anführer und den Schüler, »du hast nichts falsch gemacht...«
»Er hätte wenigstens darauf achten können, mit wie vielen Feinden wir es zu tun haben.« Falkenstern wandte sich erneut an Schneepfote. »Wo genau hast du deine Patrouille zurückgelassen?«
»Irgendwo... also... am Zweibeinerort.«
»Genauer. Eher in Richtung Donnerplatz, oder in der Nähe des Nadelwaldes?«
Schneepfote zitterte. »Ich... ich weiß es nicht. Wir sind erst an der RegenClan-Grenze gewesen. Aber wie weit wir dann gegangen sind...« Er scharrte mit den Pfoten im Nestmaterial seiner Mentorin. »Ich kenne die Grenzen noch nicht so gut.« Ein kurzer Blick zu Goldtropfen, bevor er wieder zu Boden sah. »Und es ging alles so schnell.«
Falkenstern trat einen Schritt zur Seite, sodass Kaltpfote ihm nicht mehr im Weg stand und er Schneepfote besser im Blick hatte. »Erinnerst du dich denn an gar nichts?«
»Genug jetzt!« Kaltpfote wurde es langsam zu viel. »Schneepfote wurde erst vor wenigen Sonnenaufgängen zum Schüler ernannt! Er wird sich kaum schon jetzt verteidigen können, oder sich perfekt im Territorium auskennen. Es ist doch klar, dass ein Kampf ihm Angst macht.«
»Er hätte auf die Befehle einer der Krieger warten müssen. Ich werde später über die Konsequenzen entscheiden.«
Bei dem Wort Konsequenzen sackte Schneepfote noch weiter in sich zusammen. Goldtropfen neben ihm sah auf ihre Pfoten und wirkte fast so verschüchtert wie ihr Schüler. Kaltpfote selbst glaubte, sich verhört zu haben. Schneepfote machte sich doch offensichtlich schon genügend Vorwürfe. Sie hoffte, Falkenstern würde sich wieder einkriegen und dass er nur wegen der Streuner so schlecht gelaunt war.
»Sag du doch auch mal was!«, fuhr sie Goldtropfen an, doch die starrte Falkenstern nur aus großen Augen an. Bestimmt war es dieses mäusehirnige Gesetz, dass einem Anführer nicht widersprochen werden durfte, das sie daran hinderte, ihrem Schüler zur Seite zu stehen.
Falkenstern wirbelte herum und stapfte auf eine Gruppe von Kriegern zu, die am Frischbeutehaufen saßen.
»Du kannst ihn nicht ernsthaft bestrafen wollen!« Kaltpfote folgte dem Anführer.
»Ich sagte doch, dass ich das später entscheide!« Falkenstern warf einen flüchtigen Blick zu ihr hinüber. »Jetzt habe ich erst einmal dringenderes zu erledigen. Sprenkelflamme, Tauweide, Saphirpfote, ihr kommt mit mir. Wir haben ein paar Streuner zu vertreiben.«
Sprenkelflamme, Tauweide und Saphirpfote? Da hatte sich Falkenstern ja die richtigen Katzen ausgesucht. Wenn bereits ein Kampf gegen die Streuner im Gange war, würden sie sich ohne zu zögern in die Schlacht stürzen. Die ohnehin schon viel zu kleine Chance auf eine friedliche Lösung würde endgültig zunichte gemacht werden.
»Möchtest du nicht noch jemanden mitnehmen, eine diplomatische Lösung anstreben würde?« Kaltpfote versuchte, zu Falkenstern aufzuschließen, doch die Schmerzen in ihrem Bein hinderten sie daran.
Doch entweder wollte, oder konnte Falkenstern sie nicht mehr hören. Er war gefolgt von seiner Patrouille bereits durch die Lücke im steinernen Lagerwall verschwunden. Nur Saphirpfote warf der Kaltpfote noch einen kurzen Blick zu, den diese nicht so recht deuten konnte. In ihren ersten Monden als Heilerschülerin hatte sie den Schüler stets im Auge behalten und ihm ihre Hilfe angeboten, war er doch ebenso wie sie selbst als Einzelläufer geboren worden und dem Clan erst nach dem Tod seiner Familie beigetreten. Ein wenig fühlte sie sich noch immer für ihn verantwortlich, schließlich wusste sie nur zu gut, welche Wunden ein solcher Verlust hinterließ. Diese Wunden waren zwar von außen nicht sichtbar, doch das hieß nicht, dass sie sie als Heilerschülerin einfach ignorieren könnte. Kaltpfote hoffte, dass zumindest er vernünftig bleiben würde, wenn die Patrouille auf die Streuner traf. Doch sicher war sie sich keinesfalls, denn mittlerweile schien sich der Schüler gut an das Leben im Clan und das Gesetz der Krieger gewöhnt zu haben, vielleicht besser als Kaltpfote selbst. Außerdem hatte Kaltpfote den Eindruck, dass er sämtliche Streuner dieser Welt für den Verlust seiner Familie verantwortlich machte.
In Gedanken verfluchte Kaltpfote ihr verkrüppeltes Bein, das es ihr unmöglich machte, der Patrouille zu folgen. Schlecht gelaunt machte sie kehrt, um noch einmal nach Schneepfote zu sehen und anschließend Bleichjunges Verletzung zu behandeln. Allerdings kam sie nicht weit, da sie beinahe in ihren Mentor Schwalbenfeder hinein gerannt wäre. Sie hatte gar nicht bemerkt, dass er hinter ihr aufgetaucht war.
»Du solltest deinem Anführer nicht widersprechen«, tadelte er sie. »Vor allem Katzen wie du... oder wie ich sollten nicht denken, wir wüssten Dinge besser als Clankatzen.«
»Ich bin eine Clankatze.« Dass sie selbst manchmal daran zweifelte, ob sie sich an das Leben im Clan mit all seinen Gesetzen anpassen konnte, ließ sie sich nicht anmerken. Dafür war sie zu aufgebracht. »Und selbst wenn ich keine wäre, könnte ich doch trotzdem eine Meinung haben und dazu stehen! Was haben eigentlich immer alle gegen Streuner? Warum können die Katzen einander nicht akzeptieren? Warum muss es immer gleich Streit geben? Hast du gehört, was an der Grenze los ist? Bestimmt schafft es wieder niemand, zu einer friedlichen Lösung zu kommen!«
»Du bist nicht im Clan geboren«, widersprach Schwalbenfeder seelenruhig. »Ebenso wenig wie diese Streuner die gerade an der Grenze Probleme machen. Es ist gut, dass sie vertrieben werden und dass der Clan gegen sie kämpft. Mach dir darum keine Sorgen: Die Clankatzen werden als Team zusammenhalten. Jede Schwierigkeit, die sie zu meistern haben, wird sie näher zusammen führen und stärker werden lassen. Der Streit mit den Streunern ist nichts Schlechtes. Wenn wir nur die Hoffnung nicht verlieren, werden die Clankatzen siegen und dann...«
Kaltpfote hatte geahnt, dass sie mit ihren Bedenken bei ihrem Mentor auf taube Ohren stieß. Nur zu gut wusste sie, welch seltsame Wege die Gedanken ihres Mentors oft einschlugen. Doch sie würde nicht aufgeben, irgendwann würde sie ihn zur Vernunft bringen.
»Aber...«, begann sie, jedoch schien Schwalbenfeder sie nicht gehört zu haben.
»...wird der Clan stärker und stärker. Wenn wir nur Hoffnung haben, dass...«
»Schwalbenfeder!«
»Ja?«
»Kämpfe sind niemals etwas Gutes! Unschuldige werden zu verletzt und alle leiden an den Folgen. Es gibt keine Sieger, wenn sich Katzen gegenseitig den Pelz zerfetzen, oder gar schlimmeres antun. Nur Verlierer.«
In solchen Momenten wurde Schwalbenfeder ihr regelrecht unheimlich. Erneut musste sie an jenen Abend denken, an dem die beiden Einzelläufer ihre Mutter, ihren Bruder und sie angegriffen hatten. Nur Tigers Mut hatte sie es zu verdanken, dass sie hatte fliehen können und heute noch am Leben war. Sie hatte sich verlaufen, blutend unter einem Busch verkrochen und als weder Wanderin noch Tiger aufgetaucht waren, gedacht, sie müsste dort elendig sterben. Es war schrecklich gewesen. Doch dann hatten Krieger des FelsenClans sie gefunden und ihr geholfen. Bis heute wusste sie nicht, was mit ihrer Familie geschehen war und in manchen Momenten hatte sie Angst, die Wahrheit zu erfahren. Möglicherweise würde sie ihr nicht gefallen.
Wie konnte eine Katze nur auf die Idee kommen, von etwas Gutem zu sprechen, wenn es um Kämpfe ging? Zwar war sie Schwalbenfeder dankbar dafür, dass er sie gesund gepflegt hatte, nachdem der Clan sie in sein Lager gebracht hatte, aber manchmal konnte ihr Mentor verdammt anstrengend sein. Anstrengend, unbelehrbar und ziemlich seltsam.
Schwalbenfeder schüttelte den Kopf. »Verstehst du denn nicht? Die Streuner sind wie eine Herausforderung im Training der Schüler. Sie sind nur da, um die Clankatzen stärker zu machen.«
Kaltpfote merkte, dass ihre Beine zu zittern begonnen hatten, atmete tief durch und versuchte, sich zu beruhigen. Auf keinen Fall wollte sie sich anmerken lassen, wie anstrengend dieses Gespräch für sie war.
»Nein«, fauchte Kaltpfote. »Das kann man nicht verstehen. Es ist ganz und gar falsch.«
***
Die ersten Sterne funkelten bereits am Himmel, als Kaltpfote das Lager verließ. Der Tag war anstrengend gewesen, obwohl im Kampf gegen die Streuner niemand ernsthaft verletzt worden war. Zumindest auf der Seite des Clans nicht. Darüber, wie es den Streunern ergangen war, hatte Kaltpfote keine zufriedenstellenden Informtionen aus ihren Clangefährten herausbekommen können.
Nun war sie auf dem Weg über die Ebene zu den Steilfelsen am Meer. Es war eine klare Nacht, in der kaum Wind wehte, selbst auf der großen, kargen Fläche des Hochplateaus nicht. Die Stille, die um sie herum herrschte, ließ auch Kaltpfote zur Ruhe kommen. Solche Abende waren für sie der perfekte Zeitpunkt, um die Bestände der im Territorium wachsenden Kräuter zu prüfen und vielleicht die ein oder andere Pflanze zu pflücken. Auf dem Weg ließ es sich hervorragend nachdenken.
Die Nacht und das Licht der Sterne - ihrer Kriegerahnen, die auf sie achtgaben - erinnerten sie an damals, als ihre Mutter ihr und ihrem älterer Bruder Tiger bei Anbruch der Dunkelheit Geschichten erzählt hatte. Diese hatten oft von Wanderins Abenteuern gehandelt, von unzähligen geschlossenen Freundschaften und fernen Orten, die sie gesehen hatte, bevor Tiger zur Welt gekommen war. Oder es handelte sich um Erlebnisse, die Wanderin von einem der vielen Einzelläufer und Streuner berichtet worden waren, die sie im Laufe der Zeit in ihr kleines Lager eingeladen hatte.
Stimmen weckten Kaltpfote aus ihren Erinnerungen. Sie kamen von irgendwo Richtung Meer, waren kaum zu verstehen. Kaltpfote meinte, das Miauen mehrerer Katzen herauszuhören, die durcheinander riefen. Nun fielen ihr auch die Gestalten dreier Katzen auf, die sich an den Steilfelsen in der Dunkelheit bewegten. Der Geruch nach RegenClan wehte zu ihr hinüber. Die Katzen mussten die Grenze übertreten haben, doch das kümmerte Kaltpfote nicht weiter. Was ihr allerdings Sorgen machte, war die Art und Weise, wie die RegenClan-Katzen aufs Wasser hinaus starrten, auf und ab liefen und immer wieder auf etwas wiesen, das in den Fluten trieb. So schnell es ihr auf drei Beinen möglich war, machte sich Kaltpfote auf den Weg zu ihnen.
***
Hallo,
Nachdem ich einige Teile dieses Kapitels drei mal geschrieben habe, bin ich endlich zufrieden genug damit, es zu veröffentlichen. Es ist wieder viel länger geworden als geplant, aber ich wollte es auch nicht in zwei Kapitel unterteilen. Bitte verzeiht mir die viel zu lange Wartezeit... Ich werde versuchen, in Zukunft etwas regelmäßiger zu updaten.
Inzwischen habe ich zumindest einen etwas genaueren Plan, was in der Geschichte noch alles so geschehen wird. Allerdings geht es mir momentan psychisch nicht so gut. Kann sein, dass ich daher nicht so oft zum Schreiben komme.
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