ACHTZEHN - RegenClan
ACHTZEHN
Efeupfote, RegenClan
Sturmschweif und Mohnrose sprangen auf und folgten Pfützenstern in den Kampf. Efeupfote warf einen Blick zurück in den Wald, wo Lehmpfote zwischen den Stämmen der Bäume seine Kräuter sortierte. Pfützenstern hatte bei ihrem Aufbruch gesagt, er solle dem Heilerschüler helfen, satt mitzukämpfen. Aber hier zu sitzen nichts weiter zu tun als zuzusehen, kam ihm unmöglich vor. Ja, dieser Kampf war etwas anderes als eine der Trainingseinheiten, die er so gern absolvierte. Dieser Kampf war ernster als das Erlernen von Techniken mit seinem Mentor. Katzen kamen zu Schaden, litten unter Schmerzen. Dennoch dachte Efeupfote nicht daran, untätig zu bleiben. Das Jaulen und Kreischen auf dem Schlachtfeld, die umher rennenden Krieger, Körper, die auf dem Boden aufschlugen, wie sollte er all dies ignorieren? Wie sollte er still an der Seite stehen, ohne das Gefühl zu haben, innerlich zerreißen zu müssen? Er musste etwas tun, seine Pfoten bewegen. Nicht, um sich im Kampf zu behaupten, nicht um irgendwen zu besiegen, nein, die Brutalität einiger Katzen erschreckte ihn. Doch er wusste genau, dass die Unruhe, die er schon jetzt verspürte, unerträglich werden würde, wenn er am Rand des Schlachtfeldes sitzen bliebe. Außerdem kämpfte seine Schwester Krabbenpfote ebenfalls. Efeupfote sah, wie eine orangene FelsenClan-Kätzin sie in diesem Moment zu Boden drückte und rannte los.
Auf der Hälfte der Strecke sprang ihm eine Gestalt mit schwarzem Pelz in den Weg. Nachtbriese, eine junge Kriegerin aus dem FelsenClan. Gerade noch rechtzeitig schaffte Efeupfote es, auszuweichen. Mit einem Seitenblick versicherte er sich, dass Krabbenpfote ohne ihn zurechtkommen würde – es schien ganz so, denn sie stand inzwischen wieder auf ihren Pfoten – dann hüpfte er um Nachtbriese herum, um sie von der Seite zu attackieren. Etwas, nein, jemand, rempelte ihn an, zwar nur leicht, doch Efeupfote reagierte sofort mit einem Schritt zurück. So hatte er die andere Katze genauso im Blick wie Nachtbriese. Es war eine große Kätzin mit schwarzem Fell, die von ihm weg taumelte. Efeupfote meinte, dass sie Amselfeder hieß.
»Aua!«, jaulte sie und leckte sich eine ihrer Pfoten, obwohl Efeupfote sicher war, dass sie sich bei ihrem Zusammenstoß kaum verletzt haben konnte. Wenn sie nicht vorher schon verwundet worden war, handelte es sich möglicherweise um ein Täuschungsmanöver. Efeupfote wurde den Eindruck nicht los, dass sie wegen ihrer Schmerzen übertrieb. Besonders gefährlich wirkte sie jedoch auch nicht. Vielleicht wollte sie einfach nicht weiter...
Ein Brennen an seiner Flanke. Silbergraues Fell mit dunklen Stellen darin schwebte zu Boden, Blut tropfte auf die Erde hinab, als Nachtbrieses Krallen Efeupfote trafen. Fürs Erste schien sie die weitaus gefährlichere Gegnerin zu sein. Knurrend stürzte sich Efeupfote auf sie, schaffte es, ihr das Vorderbein unter dem Körper wegzuziehen, auf dem sie ihr Gewicht balanciert hatte, während sie zum Schlag ausgeholt hatte. Nachtbriese schwankte, stolperte zur Seite. Mit einem gezielten Sprung stand Efeupfote neben ihr, stieß sie um und drückte sie auf den Boden. Nachtbriese versuchte, sich zu befreien, doch Efeupfote schaffte es, sie festzuhalten. Nach einer Weile schien sie aufzugeben, reckte ihren Kopf und schaute in die Richtung, in der Efeupfote Amselfeder in Erinnerung hatte. Die andere Kriegerin schleppte sich, noch immer ihre eine Vorderpfote in der Luft haltend, zwischen den Kämpfenden hindurch.
»Jetzt hilf mir doch endlich!«, fauchte Nachtbriese.
Amselfeder betrachtete sie einen Moment, humpelte näher, schien es sich dann jedoch anders zu überlegen, wandte sich ab und hinkte zum Rand des Schlachtfeldes. Dort gesellte sie sich zu Rabenpelz, der gar nicht erst irgendwelche Anstalten gemacht hatte, sich dem Kampf anzuschließen.
»Verräter!«, fauchte Nachtbriese den beiden nach, als sie sich von der Grenze entfernten.
Es verwirrte Efeupfote, welch eine Wut auch er auf Amselfeder verspürte. Sie war nicht seine Clangefährtin. Wenn sie sich nicht für ihren Clan einsetzen wollte, konnte ihm das doch nur recht sein. Trotzdem brodelte da Wut in ihm, als hätte ihn gerade ebenfalls ein Clanmitglied im Stich gelassen.
Rabenpelz warf einen Blick über die Schulter zurück. »Ich bin zu alt für Kämpfe. Und meine Tochter ist verletzt, das siehst du doch!«
Amselfeder neben ihm humpelte schon gar nicht mehr so stark.
Ein Ruck unter Efeupfotes Pfoten lenkte seine Aufmerksamkeit wieder auf den seine Gegnerin. Nachtbriese hatte ihr linkes Hinterbein aus seinem Griff befreien können.
»Diese Fuchsherzen!«, fauchte sie, während sie sich auf dem Boden wand, bis sie mit ihren Krallen über Efeupfotes Bauchfell kratzen konnte.
Aufjaulend sprang der Schüler zur Seite, versuchte, in der Bewegung seinerseits die Krallen durch das Fell an ihrer Flanke zu ziehen, doch Nachtbriese schien das vorhergesehen zu haben. Sie wich ihm mit einer Rolle seitwärts aus und stand keinen Herzschlag später wieder auf den Pfoten. Mit dem Rücken zu ihm blieb sie stehen, etwas auf der fernen Ebene des FelsenClan-Territoriums schien ihre Aufmerksamkeit gefesselt zu haben. Zumindest für diesen Augenblick.
Das war seine Gelegenheit. Efeupfote stürmte auf die Kriegerin zu. Kurz bevor er sie erreichte, zuckten ihre Ohren und sie machte einen kleinen, aber wirkungsvollen Schritt zur Seite. Efeupfote, der mit einem Aufprall gerechnet hatte, segelte an ihr vorbei. Er stolperte ein paar Katzenlängen weiter und konnte gerade noch verhindern, mit dem Kopf voran gegen einen etwa dachshohen Stein zu rennen. Er vermutete Nachtbriese direkt hinter ihm und wirbelte herum.
Im Licht blitzende Krallen sausten kaum eine Schnurrhaarbreite vor seiner Schnauze hinab. Der Luftzug ließ Efeupfotes Schnurrhaare erzittern und er wich instinktiv zurück.
Etwas hielt ihn auf. Etwas Kaltes, Festes. Etwas, was sich hinter ihm befand. Der Felsbrocken, den er eben beinahe gerammt hätte. Links von ihm ragte ein zweiter Stein auf, während sich Nachtbriese von der anderen Seite näherte. Sie hatte ihn in die Enge gedrängt, ließ ihm keine Lücke, durch die er fliehen konnte.
Fieberhaft dachte Efeupfote über eine Strategie nach, da sauste erneut eine von Nachtbrieses Pfoten auf seinen Kopf herab. Efeupfote drückte sich an den Stein neben ihm, schaffte es gerade, sich klein genug zu machen, um dem Schlag zu entgehen. Er nutzte den Moment, schlug zurück, doch Nachtbriese hatte Platz, auszuweichen, ohne ihm dabei eine Gelegenheit zur Flucht zu bieten. Die Kontrahenten hieben weiter aufeinander ein, Nachtbrieses Krallen hinterließen tiefe Kratzer an Efeupfotes Schultern und an seiner Brust, während er die meiste Zeit damit zubrachte, sich zu verteidigen. Nur zwei seiner Schläge streiften ihr Ziel.
»He, du!«
Efeupfote warf einen Blick an Nachtbriese vorbei. Krähenfluch kam auf sie zugestürmt, stürzte sich, ohne abzubremsen, auf die FelsenClan-Kriegerin. Nachtbriese schaffte es gerade noch, sich zu ihm umzudrehen, doch fürs Ausweichen war es zu spät.
Während er selbst von der Falle, den beiden Steinen, weg stolperte und behielt er Krähenfluch und Nachtbriese im Auge. Sein Clangefährte stieß die Kriegerin um und drückte sie zu Boden. Unterstützung schien er keine zu benötigen. Also nutzte er die Gelegenheit, um sich einen Überblick zu verschaffen. Er selbst stand am Rand des Schlachtfeldes, auf FelsenClan-Gebiet. Die meisten anderen Katzen kämpften im RegenClan-Territorium. Der Kampf schien ausgeglichen. Er versuchte gerade,abzuschätzen, welcher seiner Clangefährten am ehesten Hilfe benötigte, als Saphirpfote aus dem FelsenClan auf Efeupfote zu stürmte.
***
Efeupfote atmete tief durch. Der Kampf zog sich hin, das Schlachtfeld hatte sich ein wenig geleert. Gerade hatte er gemeinsam mit Pfützenstern den FelsenClan-Krieger Zapfenbart in die Flucht geschlagen. Er war ein harter Gegner gewesen und doch war Efeupfote nicht erleichtert gewesen, als er aufgegeben hatte. Er mochte diese Momente nicht, in denen er mitten auf dem Schlachtfeld stand, einen Augenblick verschnaufen und sich einen Überblick über die Lage verschaffen konnte. Denn es waren auch die Momente, in denen die Zweifel zurückkehrten, und Wut, Angst und Schmerz ihn mitzureißen drohten. Trotz der brennenden Kratzer, die er inzwischen in seinem Pelz spürte, war es ihm lieber, sich ganz auf die Bewegungen eines Gegners und auf seine eigenen Schachzüge zu fokussieren. Es lenkte ihn ab davon, wie grausam eine Schlacht wie diese doch war. Ein merkwürdiger Widerspruch. Auf der einen Seite wollte er kämpfen, auf der anderen auch nicht.
Ganz in der Nähe jagte Krähenfluch die orangene FelsenClan-Kriegerin. Die Kätzin wich Zapfenbart aus, der auf die Stelle zu humpelte, an der Schwalbenfeder seine Kräuter ausgebreitet hatte und nun Falkensterns Wunden behandelte. Der FelsenClan-Krieger Schattenseele kam von der Seite angesprungen, bot Zapfenbart seine Hilfe an, doch der lehnte knurrend ab. Schattenseele wandte sich ab und rannte weiter, auf seine Clangefährtin Tupfenpfote zu. Die Schülerin war immer weiter vor Flammenspritzers wirbelnden Pfoten zurückgewichen, jedoch wurde sie nun von einem Brombeerdickicht direkt hinter ihr aufgehalten.
Ein Stück weiter kämpfte Krabbenpfote gegen Nachtbriese. Eine stark blutende Wunde klaffte an der Schulter der FelsenClan-Kriegerin, machte es Krabbenpfote einfach, sie in Schach zu halten. Bis Saphirpfote zu Nachtbriese sprang und ihr half, Krabbenpfotes Schläge abzuwehren. Eine gewisse Unsicherheit machte sich in Efeupfote breit, er konnte jedoch nicht direkt sagen, woher sie kam. Gerade wollte er seiner Schwester zur Hilfe kommen, als er sah, wie Pfützenstern zu Krabbenpfote hinüber sprintete. Mit der Anführerin an ihrer Seite würde Krabbenpfote kaum ein Problem haben, sich gegen die FelsenClan-Katzen zu verteidigen. Also beschloss Efeupfote, stattdessen Flammenspritzer im Kampf gegen Tupfenpfote und Schattenseele zu unterstützen.
Er sprintete los. Der Fokus auf seine trommelnden Pfoten, seine Gegner und die Hindernisse auf dem unebenen Boden, kehrte zurück. Die Angst, die Wut, der Schmerz, all die Gefühle, die der Kampf ausstrahlte, rückten erneut in den Hintergrund.
Bis Efeupfotes Blick seinen Mentor streifte. Sturmschweif wurde von einem FelsenClan-Kater mit weißem Pelz auf die Erde gedrückt, der sich Efeupfote einmal als Federflug vorgestellt hatte. Der Krieger beugte sich zu Sturmschweif hinab und knurrte ihm etwas ins Ohr. Sturmschweif heulte auf, obwohl Efeupfote sich sicher war, dass Federflug keine seiner Pfoten bewegt hatte und Sturmschweif somit kaum verletzt haben konnte. Entsetzen packte Efeupfote, zerstörte die Konzentration auf seinen Sprint von einem Herzschlag auf den anderen. Ein stechender Schmerz fuhr in seine Pfote, breitete sich in seinem gesamten Bein aus und hinderte ihn daran, der Ursache des Entsetzens auf den Grund zu gehen.
»Mäusedreck!«, fluchte er und versuchte stolpernd, den Schwung von seinem schnellen Lauf abzufangen und zum Stehen zu kommen. Er hatte nicht genügend auf die Umgebung geachtet und war auf einem am Boden liegenden Ast umgeknickt.
***
Leicht humpelnd schleppte sich Efeupfote in die Schatten unter den Bäumen. Nachdem er über den Ast gestolpert war, hatte sich das Kämpfen zunehmend schwerer gestaltet. Vor allem, da er sich wenig später noch eine Wunde auf der Stirn zugezogen hatte, aus der ihm ständig Blut in sein Auge tropfte. Irgendwann Pfützenstern neben ihm aufgetaucht und hatte ihm befohlen, sich zurückzuziehen und von Lehmpfote behandeln zu lassen. Sie würden es auch ohne ihn schaffen. Tatsächlich sah es nicht schlecht aus für den RegenClan.
Lehmpfote hatte seine Kräuter unter einem Haselstrauch ausgebreitet. Ganz in der Nähe lag Mohnrose im Laub, ihr rechtes Ohr war eingerissen und Blut tränkte das Fell an ihrem Rücken ebenso wie die Spinnenweben, mit denen ihre Verletzung bedeckt worden war. Sie hatte die Augen geschlossen und schien sich auszuruhen. Daneben saß Blattsilber. Gerade drückte Lehmpfote eine weitere Pfote voll Spinnenweben auf eine tiefe Wunde an ihrer Brust. Die junge Kriegerin zuckte zusammen, wann immer er sie berührte.
»Ich muss die Blutung stoppen, Blattsilber«, miaute Lehmpfote und versuchte, mit seiner Behandlung fortzufahren.
»Au!«, beschwerte sich Blattsilber und rückte von dem Heilerschüler weg.
Ärger und Gereiztheit staute sich in Efeupfote an, als er die Szene beobachtete.
Lehmpfote warf Efeupfote einen kurzen Blick zu. »Bist du schlimm verletzt?«
Efeupfote schüttelte den Kopf, doch Lehmpfote hatte sich schon wieder seiner Patientin zugewandt. »Nein«, miaute er. »Du kannst dich ruhig erst um Blattsilber kümmern.«
Er überlegte, ob er Lehmpfote unterstützen konnte, indem er Blattsilber irgendwie gut zuredete, als sein Blick auf seine Schwester fiel. Krabbenpfote kämpfte noch immer, allerdings gegen ihre Clangefährten. Zuerst dachte Efeupfote, er hätte sich getäuscht, oder Krabbenpfote hätte Sturmschweif nur versehentlich getroffen. Doch dann erkannte er, dass sie sich tatsächlich gemeinsam mit Saphirpfotes gegen die Attacken des stellvertretenden RegenClan-Anführers wehrte.
Im ersten Moment überwog die Verwirrung, bevor er darunter ein seltsames Gefühl der Befreiung, der Erleichterung entdeckte. Ein Gefühl, das so gar nicht zu den Übrigen passte, die auf ihn einstürmten, seit er mit der Patrouille aus dem Lager aufgebrochen war.
»Möwenschrei!«
Efeupfote zuckte zusammen. Nicht nur, weil er die Katze nicht kommen gehört hatte, die neben ihm durchs Unterholz brach und auf Lehmpfote zu stürmte. Nein, auch, weil etwas in ihrer Stimme ihm einen Schrecken einjagte. Es war Dünenbriese. Ihr Fell war gesträubt, ihre Augen weit aufgerissen, ihr Schweif peitschte durch die Luft.
»Wo ist Möwenschrei?« Dünenbriese sah sich zwischen Lehmpfote und seinen Patienten um. »Blitzjunges ist krank, wir brauchen einen Heiler im Lager!«
»Ist Möwenschrei denn nicht dort?« Lehmpfote sah nicht von seiner Arbeit auf. »Er sollte im Heilerbau sein.«
»Wir haben ihn überall gesucht. Im Lager war er nicht. Also dachten wir, er würde vielleicht trotz seiner Krankheit hier helfen.«
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