Elf

Seit wann war es so?
Seit wann fühlte sie sich so zu ihm hingezogen?
Sie ließ sich fallen in diesem unverhofften Glücksmoment und fügte sich ihrem Herzen. Von Anfang an hatte sie ihn anziehend gefunden, doch dieser Kuss ging von ihm aus. Wenn sie zuerst noch gedacht hatte, dass er anders empfand oder es besser verstecken konnte, so merkte Sanjana nun den großen Irrtum.

Auch wenn er versucht hatte Distanz zu waren, war nun kein Zentimeter mehr zwischen ihnen. Er war so warm und zärtlich. Seine Hand war unerwartet weich und seine Lippen fühlten sich nicht trocken und rau an. Sie waren ein weiches Kissen. Das prickelte auf ihrem Mund.

Trotzdem schrie alles in ihren Innern. Da waren wieder die Alarmglocken.
Sanjana wollte sie ignorieren. Im Augenblick war ihr alles egal.
Jay küsste sie!
Es brachte das Fass ihrer Gefühle zum überlaufen. Ihr Körper brannte vor Leidenschaft und Liebe.

Am liebsten hätte sie ihre Arme um seine Schultern geschlungen, aber sie wagte es nicht. Sie stand wie erstarrt dort im dunklen Flur und traute sich nicht einmal zu zucken. Jede noch so winzige Bewegung könnte ihn verscheuchen und diesen wundervollen Moment ruinieren.

Mochten die Götter doch die Zeit still stehen lassen und sämtliche Gesetze Dokrats im Feuer der Liebe verbrennen.
Beiden waren die Konsequenzen ihres Handelns bekannt.
War es denn wirklich falsch jemandem nahe zu sein, den man mochte? Wer nahm sich das Recht es ihnen zu verbieten?

Nach einer gefühlten Ewigkeit löste er sich von ihr und trat einen Schritt zurück. Noch total liebestrunken starrte Sanjana ihn an. Es dauerte, bis sie in die Wirklichkeit zurück kam.

Ihr Herz pochte immer noch wie wild. Da verschwand der warme Ausdruck in Jays Augen und wich dem kalten, ausdruckslosen Grau.
„Verzeiht! Ich hätte das nicht tun dürfen."
Er wandte sich ab.
„Macht Euch keine weiteren Gedanken um mich oder Jeremy. Ihr könnt beruhigt schlafen", sagte er kalt.

Der Moment war zerrissen und die Stimmung gefror augenblicklich. Sein plötzlich abweisendes Verhalten schaffte auf einmal so viel Distanz zwischen ihnen, dass Sanjana ihn völlig verstört und verletzt anstarrte.

War das sein Ernst? Glaubte er wirklich sie könnte jetzt ruhig schlafen? Oder überhaupt schlafen? Noch immer brannten ihre Lippen von dem Kuss. Sie kribbelten, wollten mehr.

Sie konnte jetzt unmöglich schlafen. Ihm schien es jedenfalls anders zu gehen. Er war wie immer gefasst und sah sie nicht einmal mehr an.
Ließ ihn das wirklich so kalt oder hatte er sich besser im Griff als sie? Das musste es sein. Immerhin war er ein Krieger. Von Kindheit an darauf trainiert, sich zu verstellen und seine Gefühle zu verbergen.

In dem Moment verfluchte sie ihn dafür, dass er ein Krieger war - und sich selbst auch. Ihr war nur allzu klar, wie sie aussehen musste. Ihr gelang es nicht so gut alles herunter zu spielen und so zu tun, als wäre nichts gewesen.

Plötzlich klopfte jemand an der Tür hinter Jay. Dieser öffnete sie und ließ Tristan in den Vorraum zu Sanjanas Gemächern eintreten. Sehr wahrscheinlich wusste er, was gerade zwischen ihr und Jay passiert war.

Allerdings verzog er keine Miene noch sagte er etwas dazu. Allein sein Schweigen sprach Bände.
„Bleib du hier. Ich brauche frische Luft."
Eine schwache Ausrede, bemerkte Sanjana.

Aber anscheinend ließ es Jay doch nicht so kalt, wie sie dachte. Ihm war vermutlich nur wieder eingefallen, dass die Gesetze ihm tiefere Gefühle verboten und er für diesen Verstoß ganz gewaltigen Ärger bekommen könnte.
War es wirklich nur das, was ihn wieder zur Vernunft brachte und ihn auf Abstand gehen ließ?

Er sah sie nicht mehr an, bevor er die Gemächer verlies und irgendwohin verschwand.
Tristan nickte nur hinter ihm her und schloss dann ganz langsam die Tür.
Auch jetzt, wo sie allein waren, machte er keine Anstalten etwas zu sagen und Sanjana zog sich zurück. Sie war Tristan unendlich dankbar für seine Diskretion.

Gleichzeitig wollte sie so gerne seine Gedanken hören.
Als Jays bester Freund würde er ihn niemals verraten noch eine Szene vor ihr machen, das wusste sie. Sie erkannte die Verbindung zwischen den beiden Kriegern.

Vielleicht war er Jay auch nicht böse deswegen. Wenn er diesen Fehler hätte verhindern wollen, dann hätte er seinen besten Freund vor Sanjana nicht so gepriesen.
Auch aus diesem Grund hielt er seine Gedanken für den Augenblick zurück.

Nichtsdestotrotz fühlte sich Sanjana von Jay gekränkt. Seine Reaktion - so verständlich sie auch war - schien ihr mehr als übertrieben und verletzend.

Am liebsten hätte sie laut in ihr Kissen geschrien, nahm aber Rücksicht auf Tristan. Wie konnte Jay ihr das antun? Erst küssen, dann entschuldigen.

Wütend ließ sie sich bäuchlings aufs Bett fallen und streckte die Arme rechts und links aus. In ihr herrschte das absolute Gefühlschaos. Ihr Herz drohte vor Liebe über zu sprudeln. Ihr Mund prickelte immer noch. Würde das je aufhören? Oh warum hatte er sie nur geküsst. Er hatte damit alles nur komplizierter gemacht. Jetzt konnte sie ihre Gefühle für ihn nicht mehr leugnen.

Ja, sie hatte sich total in Jay verliebt. In einen tamaranischen Krieger, den sie eigentlich kaum kannte und den sie auf keinen Fall  haben konnte. Die Götter würden sie dafür bestrafen. Sie war verloren!



~



Es hing die Sonne knapp am Himmel, als die Tür zu Samaras Schlafgemach aufgerissen wurde. Erschrocken schnellte sie hoch, ließ  aber dann den Kopf wieder aufs Kissen sinken, als sie Sanjana erkannte, die völlig aufgewühlt vor ihrem breiten und federweichen Bett stehen blieb.

Normalerweise war Samara immer die erste, die wach war und es war üblich ihre Freundin immer aus dem Bett zu zerren - beinahe wortwörtlich. Es sei denn sie wollte sich zu ihren Pferden stehlen, aber auch das war nicht so früh. Außerdem trug Sanjana keine Reitkleidung.

Das ausgerechnet diese Schlafmütze so früh am Morgen vor allen anderen auf den Beinen war, war doch höchst verdächtig. Allerdings war Samara noch schlaftrunken und dachte nicht so weit, sonst hätte sie eher besorgt reagiert oder sogar schockiert.
Also grummelte sie nur verschlafen und drehte sich auf die andere Seite.

„Was soll das Sanju, ist der Teufel heute Nacht über dich hergefallen?", scherzte sie unmotiviert.
„So etwas in der Art."
„Ich hoffe für dich, du hast einen guten Grund mich zu wecken, kaum dass die Sonne aufgegangen ist."
„Ja...habe ich."

Samara stöhnte müde, setzte sich aber auf und rieb sich die Augen.
„Was ist denn nur los?"
„Ich muss mit dir reden!"
„Oje! Immer wenn du das sagst, ist was passiert."

Sanjana nickte, krabbelte aufs Bett und setzte sich im Schneidersitz hin. Dabei nahm sie sich das andere Ende von der Decke, verkroch sich darunter und ignorierte Samaras Protest, weil sie komplett angezogen in ihrem heiligen Bett saß.
„Es ist wegen Jay."
„Habt ihr etwa schon wieder gestritten?", fragte Samara noch desinteressiert.
Sanjana schüttelte den Kopf.
„Was denn dann?"
„Schlimmer."

Samara sah skeptisch aus und konnte sich nichts vorstellen, was noch schlimmer sein konnte. Allerdings hätte sie ihre Freundin vielleicht ein bisschen besser kennen sollen. Sowohl im guten als auch im schlechten Sinne.

Was konnte denn noch schlimmer sein? Sie kniff die Augen zusammen und betrachtete Sanjana forschend durch verengte Augen. Weil sie es nicht länger aushielt, dass Sanjana so herumdruckste, forderte sie endlich:
„Raus damit!"

„Ich werde es dir sagen, aber es wird dir nicht gefallen. Versprich mir, dass du dich nicht aufregst."
Samara wurde nervös. Auf einmal war sie hellwach. Das konnte nichts gutes heißen.
„Ich versuche es. Jetzt rede schon!"

Zuerst murmelte Sanjana etwas in die Decke, sodass Samara sie nicht verstand.
„Was?",fragte sie nach. „Und lass diesmal die Decke weg.
„Ich...ich hab mich in ihn verliebt."

Samara starrte sie an. Eine ganze Weile starrte sie reaktionslos und verdaute die eben gehörten, völlig abwegigen und total verrückten Worte. Hatte sie das gerade wirklich gesagt? Das konnte nicht ihr Ernst sein.
„In Jay?", versicherte sie sich noch einmal, um sicher zu gehen es auch richtig verstanden zu haben.

Sanjana nickte verlegen, aber ihre Freundin schwieg. Sie schwieg weiterhin und dachte nach. Wie sollte sie darauf reagieren? Andere wären verstört oder vielleicht auch verzückt. Doch Samara war weder das eine noch das andere. Die Bedeutung Sanjanas Worte hatte viel mehr Gewicht, als ihre Freundin im Augenblick erahnen konnte. Es war... ein Desaster.

Nach einer Weile seufzte Samara und schüttelte bedenklich den Kopf. Sie selbst war schon lange in einen Krieger verliebt. Wohl wissend, dass sie niemals mit ihm zusammen sein konnte und nun machte ihre beste Freundin den gleichen Fehler.
Mitleid befiel Samara, als sie Sanjanas glühendes Gesicht sah. Es war wohl zu spät ihr noch Vernunft einzureden. Also konnte sie nicht anders als sie wie so oft zu tadeln.

„Du hast den Verstand verloren."
„Ja habe ich."
„Ich nahm an, du könntest ihn nicht ausstehen."
„Anfangs war dem auch so. Aber jetzt gefällt mir alles an ihm, was ich vorher nicht mochte."
„Oh nicht doch, Sanju. Das wird dich nur unglücklich machen."

„Ich weiß", gab die Freundin kleinlaut zu.
„Du musst dir das ganz schnell aus dem Kopf schlagen. Ich rate dir Jay zu vergessen. Er ist nicht gut für dich. Also vergiss es, bevor es zu spät ist."
Samara wusste genau, dass sie gerade gegen einen Felsen anredete. Es hatte keinen Zweck.

„Das ist es bereits", murmelte Sanjana in die Decke.
„Wieso? Was ist passiert, Sanjana? Sag es mir!", befahl Samara erschrocken.
„Er hat...er hat mich geküsst", erzählte Sanjana im Flüsterton.
Samaras Augen wurden groß. Sie konnte es nicht glauben.

„Was hat er?", fragte sie entsetzt und sprang aus dem Bett.
Sowohl für Sanjana, als auch für ihn stand einfach zu viel auf dem Spiel. Warum spielte er nur so mit ihren Gefühlen? Warum spielte er so mit seiner Ehre und vor allem mit seinem Leben?

„Dieser verdammte..."
Samara suchte nach dem richtigen Schimpfwort, schluckte es dann aber hinunter.
„Du darfst ihm nicht allein die Schuld geben", bettelte Sanjana kläglich aufgrund der heftigen Reaktion von Samara.
„Tu ich nicht...aber ich gebe ihm die meiste." Sie knirschte mit de Zähnen.
„Aber...", begann Sanjana, doch Samara ließ sie nicht protestieren.

„Er ist ein verdammter Krieger, Sanjana!", schrie sie ihre Freundin aufgebracht an. Sie konnte sich nicht mehr zurück halten.
„Hast du das etwa vergessen? Selbst wenn er es nicht wäre. Solltest du dich nicht mit ihm einlassen. Er weiß nicht einmal, was Liebe ist."

Jetzt war es Sanjana, die schockiert aussah.
„Es ist wahr", fuhr Samara fort „er weiß nichts von solchen Gefühlen. Mir ist klar, dass er dich fasziniert. Er ist charmant - wenn er will - unglaublich attraktiv und er hat dich schwer
beeindruckt mit seinen Fähigkeiten. Dabei ist das nur ein Bruchteil von seinem wahren Können."

„So wie du das sagst, klingt es negativ", maulte Sanjana niedergeschlagen.
„Nein, ich warne dich nur. Klar gefällst du ihm. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass sein Interesse für dich tiefer geht. Er hat eine zu dicke Mauer um sein Herz gebaut. Du hast gerade mal an der Oberfläche dieser Mauer gekratzt. Verstehst du, was ich dir sagen möchte?"

Sanjana nickte. Die Enttäuschung war ihr deutlich anzusehen. Samara bezweifelte nur, dass sie wirklich verstand.
Sie hätte niemals für möglich gehalten, das Jay sich ihr annähern würde. Er hatte vor bestimmten Regeln hohen Respekt und vor allem würde er niemals eine Freundin von Samara kompromittieren.
Er hielt sich keinesfalls von Frauen fern, aber eine so wichtige Person wie Sanjana in solch eine Situation zu bringen, sah ihrem Freund nicht ähnlich. Umso mehr war Samara darüber empört.

Gleichzeitig fühlte sie mit ihrer Freundin, die sich so leicht nicht in einen Mann verliebte. Keiner konnte ihr gut genug erscheinen. Dass sie sich jetzt ausgerechnet in einen Krieger verliebte, war eine Katastrophe.

„Bitte hör auf mich und geh ihm aus dem Weg. Ich werde mit ihm reden. Es ist absolut ungehörig an seiner Stelle sich so zu verhalten. Gerade weil er nicht so empfinden kann wie du."

Am liebsten hätte Samara ihr etwas anderes gesagt, aber es war besser so. Ihre Freundin sollte nicht das gleiche Schicksal erleiden, wie sie selbst. Wenn es dafür mal nicht zu spät war.




~



Jay hielt sich für den restlichen Tag und Abend in seinem Zimmer auf. Er hatte sich keinen Meter in Sanjanas Nähe getraut. Denn er hätte am liebsten ganz andere Dinge mit ihr angestellt. Der Kuss brannte noch in ihm, wie ein Feuer.
Er hasste es. Feuer war seine Schwäche. Sanjana war seine Schwäche. Was hatte diese junge und stolze Frau nur an sich, dass es ihn sämtliche Regeln und Anstand vergessen ließ?

Wieder erinnerte er sich an ihre zusammengekniffenen Augen. Jay hatte einen unglaublichen Fehler gemacht, sie zu küssen. Er hätte sich beherrschen müssen.

Doch wie sie so leicht bekleidet vor ihm gestanden und ihm beteuert hatte, wie dankbar sie ihm war, konnte er sich nicht mehr zurückhalten. Nur warum hatte er sie nicht einfach gehen lassen? Das wäre für alle am besten gewesen.

Jay saß an dem kleinen Schreibtisch und raufte sich die Haare. Wenn Jeremy ihn jetzt sehen würde, dann hätte er verdammt leichtes Spiel mit ihm.

Sein Herz quälte Ihn. Er wollte zu Sanjana gehen. Alles wiederholen, was letzte Nacht geschehen war und noch mehr. Aber der Gedanke an ihr entsetztes Gesicht und an ihren verkrampften Körper, ließen ihn genau dort sitzen bleiben.
Zum Glück hatte Tristan ihm die Moralpredigt erspart. Jay wusste ja selbst, welch ungeheure Sünde er begangen hatte.

Als er so in Gedanken versunken war, spürte er plötzlich jemanden näher kommen. Es war Sanjana. Geschwind stand er vom Stuhl auf. Sie durfte ihn jetzt auf keinen Fall sehen. Nicht
wenn er sich nicht unter Kontrolle hatte.

Verzweifelt sah er sich im Zimmer um, als würde er eine Lösung oder einen Fluchtweg finden. Da war nichts, was ihm hätte helfen können.
Sie stand vor seiner Zimmertür, nur wenige Meter von ihm entfernt. Aber sie klopfte nicht. Stattdessen sagte sie hinter der Tür leise: „Lass mich rein, Jay. Ich weiß, dass du meine Anwesenheit wahrnimmst. Ich muss mit dir reden."

Verzweifelt sah Jay immer noch die Tür an. Er durfte sie nicht rein lassen.
„Geh!", warnte er sie.
„Nein. Ich will mit dir reden."
„Ich habe Euch nichts zu sagen, Mylady."
Mit Absicht sprach er sie mit diesem Titel an, um einen letzten Funken Abstand zu ihr zu wahren, um irgendwie seine Kontrolle wieder zu erlangen.

„Ich aber, mach die Tür auf."
Jay seufzte und gab nach. Langsam machte er die Tür auf.
„Ihr seid der dickköpfigste und törichtste Mensch, der mir je begegnet ist."
„Mag sein, aber ich komme gleich nach dir."
Sanjana betrat sein Zimmer und er schloss hinter ihr die Tür. Er betrachtete sie kurz. Sie hatte gebadet, frische Kleider angezogen und die Haare wieder zurück geflochten.
Er trug sein übliches Schwarz, schlicht und einfach.

„Was wollt Ihr, Sanjana?"
„Ist das nicht offensichtlich?"
Jay versuchte Haltung zu wahren und sich nicht in ihren Augen zu verlieren. Er musste stark an sich halten, um sie nicht auf der Stelle anzufallen.

Bevor er seine Beherrschung völlig verlor und sie es bemerkte, drehte er sich von ihr weg. Er sah aus dem Fenster wo die Sonnenstrahlen sich einen Weg durch das Hoftor bahnten und seltsame Schatten warfen. Er musste blinzeln so grell war es.

„Wie schon gesagt, ich habe nichts zu sagen."
„Ach wirklich? Ich jedoch würde gerne von dir wissen, warum du mich letzte Nacht geküsst hast. Oder ist dir das schon wieder entfallen?"
„Sowas erklärt man nicht."
Sie wirkte gereizt. Seine Antwort gefiel ihr nicht. Nervös zappelte sie hin und her.

„Warum, Jay? Wie konntest du mir das antun?"
„Ich habe Euch gar nichts angetan. Ihr müsst daraus keine große Sache machen. Ich kann nicht mehr tun, als Euch um Verzeihung zu bitten. Es war ein Fehler und ich werde ihn niemals wiederholen."
Er drehte sich zu ihr um und versuchte so überzeugend wie möglich zu wirken.
„Ich habe Euch aus dem Moment heraus geküsst. Mir war einfach danach. Und jetzt vergesst es wieder."

„Aus dem Moment heraus...", wiederholte Sanjana flüsternd. Plötzlich verschwand jegliche Farbe aus ihrem Gesicht. Jay erstarrte, als ihm eine unerwartete Welle der Traurigkeit entgegen flog. Manchmal war sein Channa ein Fluch.

Er hatte sie verletzt, sehr verletzt. Mehr als er beabsichtigt hatte. Er hatte es ihr leicht machen wollen, doch diese Reaktion hatte er nicht erwartet. Konnte es sein, dass
Sanjana mehr für ihn empfand? Warum sonst würde sie so ein Gesicht machen?

Er trat einen Schritt auf sie zu, erschrak, als er Tränen in ihren Augen sah.
„Sanjana?", er war verwirrt, bestürzt und verzweifelt, alles zugleich.
„Warum zum Teufel weinst du jetzt?"
Schluss mit Förmlichkeit und Anstand.
„Ist dir dass den wirklich nicht klar?"
Nachdem sie tief Luft geholt hatte, sprach sie weiter.
„Ich habe mich in dich verliebt, Jay. Bedingungslos und unwiderruflich."

Jay starrte sie mit aufgerissenen Augen an. Das war zu viel. So sehr sein Herzschlag sich bei ihren Worten auch beschleunigte, er durfte nicht darauf eingehen. Diese Worte anzuerkennen, würde sein Todesurteil unterschreiben. Er konnte ihre Hoffnung einfach nicht erfüllen, ganz gleich, ob er es wollte oder nicht.

„Tu das nicht, Sanjana. Liebe mich nicht. Ich verdiene dich einfach nicht."
„Warum sagst du das?"
„Weil es der Wahrheit entspricht. Du bist viel zu gut für einen Krieger, wie mich."
„Mich kümmert es nicht wer wir sind, ob Senatorin oder Krieger...ganz egal. Ich kann es meinem Herz eh nicht erklären."

Er musste über die Bemerkung schmunzeln.
„Wenn du dich in einen Krieger verliebst, wirst du untergehen."
Jay legte behutsam seine rechte Hand an ihr Gesicht und wischte ihr die Tränen weg. Selbst das sollte er nicht tun, aber er tat es.

„Dann ist es mein Untergang. Ich weiß, ich bin verloren. Das war ich vom ersten Augenblick an, als ich dir in die Augen gesehen habe."
Er trat noch näher, hielt sie an den Armen. Er sollte das nicht tun, aber er tat es.
„Dann sieh mir jetzt wieder in die Augen. Sieh hinein und ließ, was in ihnen geschrieben steht."
Auch das sollte er auf keinen Fall sagen und doch sagte er es.

Jay konnte ihr niemals seine Gefühle gestehen. Er durfte es nicht aussprechen, sonst wäre das sein Untergang. Aber zumindest wollte er, dass sie die Wahrheit in seinen Augen las. Er liebte sie. Von der ersten Sekunde - ihrer ersten Begegnung -  an liebte er sie.

Trotz aller Warnungen, trotz der Angst vor dem Urteil und wohl wissen, das es nicht gut ausgehen konnte, küsste er sie.

Dieses Mal leidenschaftlicher als zuvor. Er wollte sie berühren, ihren ganzen Körper spüren. So bedeckte er ihre Wangen, ihren Hals und ihr Dekolleté mit Küssen. Ihre Hände berührten seine Arme, fassten in sein Haar.

Als sie dann auch unter sein Wams fasste und über seinen Rücken streichelte, spornte ihn das noch mehr an. Er küsste ihre Lippen, fordernd und voller Verlangen. Sie stöhnte, was sein Herz heftig schlagen ließ.

Jay konnte nicht länger an sich halten. Er schnürte ihr Korsett auf. Langsam, ganz langsam streifte er ihr das Kleid vom Leib. Dabei hörte er nicht auf sie zu küssen. Sie erwiderte seine Küsse und Berührungen, gab sich ihm voll und ganz hin, ließ ihn mit ihr machen, was er wollte.

Dann hob er die Arme, so dass sie ihm das Wams öffnen und ablegen konnte.
Ihre warmen Hände fühlten seine Muskeln. Sie küsste seine Brust und er musste schmunzeln.

„Was ist?", fragte sie verwirrt.
„Willst du das wirklich? Wenn du jetzt damit weiter machst, kann ich mich nicht mehr beherrschen."
„Niemand verlangt das von dir."
Nun war sie es die ihn küssen wollte. Intensiv und hungrig.
„Verdammt seist du, Sanjana."
Sein Mund verschmolz mit ihrem. Er spürte ihre Zunge, fühlte ihren ganzen Körper gegen seinen gepresst. Er liebkoste sie von oben bis unten.

Wenig später lag Sanjana entkleidet in seinem Bett. Eine wunderschöne Frau, wie er abermals feststellte. Er ließ die Augen von oben bis unten über sie gleiten. Jeder Zentimeter von ihr schien perfekt und er liebte ihren Körper.

Weiche Kurven, glatte Haut, kein einziger Makel zu sehen. Von den ausgeprägten Knochen ihres Schlüsselbeins bis hin zu ihren zärtlichen kleinen Füßen, gefiel ihm alles.
Er starrte sie einen Moment zu lange an und machte sie damit verlegen.

Doch kannte er keine schönere und attraktivere Frau. Nicht einmal die jungen Kurtisanen Dokrats konnten ihre Schönheit mit Sanjanas vergleichen. Vielleicht weil sie verbraucht und wertlos waren. Sanjana war frisch und absolut rein, wie ein kostbares Juwel.
Es wäre eine Schande diese Reinheit zu beflecken, doch wollte Jay sie unbedingt haben. Er gierte nach dieser Frau.

Sie wirkte nervös, aber erwartungsvoll. Es wäre besser gewesen, wenn sie ihn aufgehalten hätte. Sich ihm absolut freiwillig hinzugeben, war schwach und gefährlich. Bis zur letzten Sekunde hoffte er sie würde ihren Verstand dazu benutzen ihn aufzuhalten.

Stattdessen bewegte sie sich unter seinen feurigen Liebkosungen und schmiegte sich an seinen warmen brodelnden Körper.
Es fiel ihm schwer sein Channa zurück zu halten. Er fühlte ihren Konflikt. Das Gewissen meldete sich ganz leise, wurde nur von ihrer Zuneigung und ihrer Angst vor dem Unbekannten unterdrückt.

Warum hatte er es vorher nicht gespürt, wie sehr sie ihn mochte?
Erst jetzt empfing er ihre Gefühle.
Sie waren das Einzige, was ihre Angst vor der körperlichen Verbindung mit ihm in freudige Erwartung verwandelte.

Den Schmerz konnte er ihr nicht ersparen.
Aus Mitgefühl unterdrückte er sein Channa nicht und teilte ihn mit ihr. Mehr konnte er nicht tun.
Eine Träne löste sich aus dem Winkel seines Auges und tropfte auf ihr errötetes Gesicht, als ihre Körper sich verbanden und sich beide dem Schmerz und der Liebe hingaben.



~



Sanjana lag wach auf dem Bett. Die hellen Laken schmiegten sich an ihren wunden Körper.
Sie konnte natürlich nicht schlafen. Nicht in dieser Nacht. Ihr ganzer Körper kribbelte noch an den Stellen, wo Jay sie berührt hatte. Ihr Herz klopfte unaufhörlich schnell und laut.

Auch wenn sie sich müde und irgendwie auch geschändet fühlte, empfand sie weder Reue noch Unbehagen. Glück durchströmte ihre Seele. Unsagbares Glück und Zufriedenheit.

Sie lag auf der Seite, die Beine leicht angewinkelt und den Kopf auf ihren Händen. Sie sah in Jays entspanntes Gesicht. Er schlief ganz ruhig an ihrer Seite.

Bei den Göttern, war dieser Mann attraktiv. Und in dieser Nacht gehörte er allein ihr. Für einige Stunden konnte sie die Welt vergessen und so tun als ob er für immer bei ihr sein könnte. Sie stellte sich vor ihn in ihrem Leben zu haben. Wäre das möglich?

- Nein. Es wäre absolut unmöglich, denn er war ein Krieger. Ganz gleich was er auch für sie empfinden mochte, er würde ihr niemals ganz gehören. Denn er gehörte Dokrat.

Bald würde er sie wieder verlassen müssen. Sobald sein Schutzauftrag endete, musste er in die Stadt der Krieger zurück kehren und sie würde ihn niemals wiedersehen. Bei dem Gedanken daran verkrampfte ihr Herz.
Sie wollte wenigstens heute Nacht nicht darüber nachdenken. Für den Augenblick gehörte er ihr.

Sanjana beobachtete schweigsam wie sich seine Brust beim Atmen hob und senkte. Ihre Augen wanderten von seinem Gesicht zu seinen Schultern und Armen. Seine Muskeln schienen selbst im Schlaf angespannt.

Die Bettdecke war bis zu seinem Bauch hochgezogen und gab seinen kräftigen aber schlanken Oberkörper preis. Sie verspürte den Wunsch ihn zu berühren - wider und wieder.

Sie gab dem Drang nach und streckte einen Arm aus. Doch bevor sie seine Haut fühlen konnte, bewegte er sich. Schnell zog sie sich zurück.
Erst befürchtete sie er würde aufwachen, aber das tat er nicht. Angestrengt verzog sich sein Gesicht und sein Kopf bewegte sich hin und her. Der sanfte Schlaf wich der Unruhe.

Er träumte. Ganz offensichtlich ein schlimmer Traum, seiner plötzlich unruhigen Atmung nach zu urteilen.
Ihr Herz wurde ihr schwer. Dieser Anblick war fürchterlich. Welche Gespenster quälten ihn nur?

Jay musste sehr viele schreckliche Dinge erlebt haben. Seine Hände führten ein starkes Schwert. Er musste so hart gekämpft und so viel Blut gesehen haben.
Sie fürchtete sich nicht vor der Erkenntnis. In dieser Welt musste man stark sein und kämpfen, wenn man überleben wollte. Es war eine grausame und kalte Welt.

Tröstend legte Sanjan eine Hand auf seine Brust. Davon wurde er wach. Er griff ruckartig nach ihrem Handgelenk und setzte sich blitzschnell auf. Es dauerte einen Moment, bis ihm klar wurde, wo er sich befand. Er sah sie erschrocken an. Sein Griff war zu fest und Sanjana verzog schmerzerfüllt das Gesicht. Als Jay es bemerkte, ließ er sie sofort los.

„Tut mir leid. Ich wollte dir nicht weh tun."
„Schon gut. Du würdest mir niemals weh tun."
Für eine Sekunde hob er skeptisch die Augenbraue. Sanjana setzte sich ebenfalls auf. Zog dabei fröstelnd die Decke über die Schultern.
„Mach dir keine Gedanken, ich träume immer schlecht."

„Jede Nacht?", wollte sie bedauernd wissen.
Er nickte schwach.
„Immer das gleiche?"
„Meistens."
Seine Augen zeigten einen tiefen Schmerz. Sanjana wurde krank vor Mitgefühl. Sie wusste was ihm Alpträume bereitete - Seine Vergangenheit.

„Erzähl es mir", bat sie vorsichtig. Auch wenn sie es schon von Samara wusste, sie wollte es von ihm hören.
Jay deutete ein schwaches Kopfschütteln an.
„Nein, nicht heute. Irgendwann erfährst du es. Aber jetzt schlaf. Es ist schon schlimm genug, dass ich dich geweckt habe."
„Hast du nicht."
Er zögerte irritiert.

„Ich habe nicht geschlafen", erklärte Sanjana.
„Warum nicht? Geht es dir nicht gut?"
„Mir fehlt nichts. Ich habe mich sogar noch nie besser gefühlt. Nur bin ich innerlich viel zu aufgewühlt, um schlafen zu können", gestand sie und spürte ihre Wangen erröten.
Jays Mundwinkel zogen sich hoch und wurden zu einen schelmischen Lächeln. Schnell wurde er wieder ernst und sagte:
„Ich bin auch froh, dass ich überhaupt schlafen konnte. Meistens bekomme ich wegen meiner Träume nicht viel Ruhe."

„Eine Erklärung dafür, dass du ständig in meiner Nähe bist und anscheinend nie schläfst."
Er grinste sie an. „Ich bin mittlerweile daran gewöhnt."

Jay ließ sich langsam wieder zurück sinken und betrachtete ihren halb bedeckten Körper. Plötzlich fühlte sie seine Finger behutsam über ihren Rücken streichen, der nicht von der Decke verhüllt wurde. Ihre Hand wanderte von selbst zu seiner anderen, die auf seinem Bauch ruhte.

Ihre Finger verflochten sich mit
seinen. Sie starrte lange darauf ohne etwas zu sagen.
Nach einer Weile fragte Jay: „Stört es dich gar nicht?"
„Was?"
„Das Blut an meinen Händen."

Sanjana fiel aus allen Wolken. Das fragte er sie jetzt? Nachdem er sie so berührt und mit seinen Händen liebkost hatte? Verwirrt
schüttelte sie den Kopf.
„Ich habe so viele Menschen mit diesen Händen getötet. Das muss dich doch stören."

„Es stört mich, dass man dich zwingt solche Dinge zu tun. Dinge, die du offensichtlich bereust. Aber deshalb bist du kein schlechter Mensch."
„Ein Krieger ist man freiwillig, Sanjana."
„Ja schon, aber was willst du jetzt von mir hören? Dass ich die letzten Stunden mit dir bereue?"

„Tust du es?"
„Nein!", rief sie fast empört. Das er sie das überhaupt fragte, beleidigte sie.
„Jay, ich bin gerade so unglaublich glücklich. Ich kann dir gar nicht sagen wie sehr."

Im nächsten Moment zögerte sie.
„Moment...bereust du es?"
Voller Angst wagte sie ihn anzusehen. Doch er schwieg lange, was sie noch nervöser machte. Hätte sie doch bloß auf Samara gehört und sich nicht mit Jay eingelassen.
Sie wollte es ja unbedingt drauf ankommen lassen.

„Nein", sagte er endlich und setzte sich wieder auf. „Ich bereue es nicht. Nur habe ich Angst vor dem, was daraus werden könnte. Ich bringe dich in Gefahr, weil ich nicht die Finger von dir lassen konnte."

Er streichelte ihre Wange. Sah er die Panik in ihren Augen? Sein Blick war weich und in der nächsten Sekunde küsste er sie. Sanft, aber voller Leidenschaft. Seine Hand wanderte von ihrer Wange in ihr Haar, drückte sie näher zu sich, was ihr keine Möglichkeit bot sich ihm zu entziehen.

„Ließ in meinen Augen, Sanjana. Ich bereue nichts", hauchte er auf ihre Lippen. Ehrlichkeit und Verlangen sprachen aus seinen strahlend grünen Augen. Aber war es Liebe, was er für sie empfand? Konnte der Krieger in ihm so etwas wirklich empfinden oder fühlte er nur Leidenschaft?

„Ich liebe dich", sagte Sanjana direkt und mutig. Ganz egal, was er auch immer empfand - auch wenn er sie nicht liebte - er sollte wissen, wie ihre Gefühle für ihn waren.
Er küsste sie erneut. Wieder und wieder. Immer intensiver. So, wie er sie in den vergangenen Stunden geküsst hatte. Mit purem Verlangen.
Wieder gab sie sich ihm hin. Dieses Mal ohne Schmerz und ohne Angst. Nur allein mit Sehnsucht im Herzen.

Als Sanjana am Morgen wieder aufwachte, war es schon hell draußen. Das fahle Licht des grauen Himmels blendete sie. Wie spät mochte es sein? Sie hatte die ganze Nacht bei Jay verbracht. Das würde auf jeden Fall Ärger geben. Gewaltigen Ärger!

Sie drehte sich zu Jay und bemerkte, dass er noch immer neben ihr lag. Sanjana hatte befürchtet alleine zu sein. Doch Jay war noch da und er war wach. Sein attraktives Lächeln begrüßte sie wie die ersten wärmenden Sonnenstrahlen nach einem ewig langen Winter.

„Wer hat jetzt nicht geschlafen?", fragte sie schmunzelnd, hoffte aber insgeheim, dass er keine Alpträume mehr gehabt hatte.
„Ich habe über dich gewacht, so wie immer. Nur...viel näher."
„Ich kann mir keinen sichereren Ort vorstellen, als in deinem Bett."
Er schien amüsiert.

„Täusche dich da mal nicht. Letzte Nacht warst du nicht besonders sicher vor mir."
„Sama wird uns umbringen."
„Nicht wenn Tristan ihr zuvor kommt."
Jay strich sich die schwarzen Strähnen aus der Stirn.
„Ich werde mir nachher viel von ihm anhören müssen."

Sanjana nickte verständnisvoll. Ihr blühte vermutlich etwas ähnliches. Sie war froh, dass Samara kein Channa benutzen konnte. Ganz im Gegensatz zu den Kriegern.

Jay und sie konnten die letzte Nacht unmöglich vor ihnen geheim halten. Selbst ohne Channa war der Beweis für ihren Liebesakt deutlich auf den Laken seines Bettes zu sehen. Er konnte nicht vernichtet oder versteckt werden.
Sanjana war in dieser Nacht zur Frau geworden. Ihr ganzer Körper fühlte sich anders an.

Jay hatte ihr etwas genommen, was ihr keiner wieder geben konnte. Wenn sie jemals heiraten sollte, würde das ein gewaltiges Problem werden. Deshalb hatte er sie in Gefahr gebracht. Doch das war nichts im Vergleich zu den Problemen, die ihm drohten. Nur hatte Sanjana davon nicht den geringsten Schimmer.

Sie fühlte sich trotz des schmerzenden Körpers lebendig und frei. So frei wie schon lange nicht mehr. Also schwor sie sich nichts zu bereuen. Egal, was auf sie zukommen würde, sie würde es nicht bereuen mit Jay geschlafen zu haben.

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top