Zwei

(Wie alles begann)

Es war schon fast Mittag. Die Sonne strahlte durch die deckenhohen Buntglasfenster und erhellte den Thronsaal von Sonara. Es war Sommer. Die schönste Jahreszeit, wie Maya immer behauptete. Solange sich das Wetter hielt war sie stets draußen und trieb sich in der Landschaft herum. Adytia hatte es immer schon schwer gehabt sie zu disziplinieren. Sie war eben wie ihre Mutter, frei und unbeschwert. Doch schon lange hatte Adytia nicht mehr in das strahlende Gesicht seiner Mutter Sanjana sehen können. Seit Jay, sein Vater, von einem Tag auf den anderen spurlos verschwunden war. Dabei hatte er doch geschworen so etwas niemals wieder zu tun.

Adytia erinnerte sich noch genau an den Tag seiner Krönung. Jay hatte ihn persönlich gekrönt und geehrt. Selbst in dem Moment hatte er seinem Vater nichts anmerken können. Hatte er damals schon vorgehabt einfach so zu verschwinden?

Das Jay war der mächtigste Mann auf dem Kontinent. Es gab keinen Grund für ihn einfach so zu verschwinden, es sei denn er wollte es. Genau diese Gedanken beunruhigten den jungen König von Skeliva. Sein Vater hatte so hart gearbeitet, er hatte alles möglich gemacht um sein Volk, sein Land, zum heutigen Glanz zu führen. Dafür hatte er alles geopfert. Welchen Grund konnte er nur gehabt haben sein Volk und seine Familie im Stich zu lassen?

Warum Sanjana mittlerweile ebenfalls verschwunden war, wusste Adytia. Sie hatte Sonara kurz nach Jays Verschwinden ebenfalls verlassen. Womöglich, um nach ihm zu suchen. Oder, weil sie genau wusste, was mit ihm passiert war. Adytia hatte jedenfalls keine Gelegenheit bekommen sie danach zu fragen.

Er und Maya waren seit dem auf sich allein gestellt. Seine jüngere Schwester Maya, sie war ihrer Mutter wie aus dem Gesicht geschnitten. Während alle anderen immer behaupteten Adytia sei das Ebenbild seines Vaters. Leider war er nicht so stark wie sein Vater. Noch nicht, das würde noch kommen. Er hatte noch Zeit. Hoffte er zumindest.

Adytia hatte genug davon seinen Gedanken nachzuhängen. Bald schon würden die Großmeister wieder kommen und ihn wieder mit Aufgaben erdrücken. Doch vorher musste er zu seiner Schwester. So wie er Maya einschätzte, lag sie bestimmt immer noch in ihrem Bett und schlief. Vermutlich war sie wieder die ganze Nacht wach geblieben.

So stand er auf und zog seine Kleider zurecht. Über einem eleganten Waffenrock, trug Adytia einen dunklen Umhang. Er legte keinen Wert auf Schmuck und Prunk. Deshalb hatte er die Krone seit der Krönung auch nicht mehr getragen. Man respektierte ihn auch so.

Das einzige Schmuckstück, was er bei sich hatte war eine Kette mit einem metallenen Anhänger daran. Es war ein Adler, das Zeichen der Königsfamilie von Skeliva. Auch Maya trug so einen Anhänger. Genau wie Adytia nahm sie ihn niemals ab. Diese Kette gehörte zu ihnen, wie das Atmen zum Menschen.

Neben ihm rührte sich plötzlich jemand. Adytia hatte ganz seinen Leibwächter vergessen. Tristan Carvain war der beste Freund seines Vaters gewesen und hatte ihm seit seiner Kindheit treu zur Seite gestanden. Nun war er für Adytias Sicherheit zuständig. Der Mann hatte sich kaum verändert, bis auf ein paar mehr Falten im Gesicht und graue Strähnen im Haar. Doch niemand sollte ihn aufgrund seiner fortgeschrittenen Jahre unterschätzen. Der Mann war brandgefährlich und immer noch ein hervorragender Schwertkämpfer. Von ihm und seinem General hatte Adytia gelernt ein Schwert zu führen.

Leider war ein Schwert in diesen Zeiten nicht mehr die stärkste Waffe. Auch wenn man noch immer großen Respekt vor Skelivas Kriegern haben sollte, sie waren gewohnt mit mittelalterlichen Waffen umzugehen, während sich in der Welt dort draußen ganz andere Bedrohungen entwickelt hatten.

Nur eines machte die Krieger auch anders bekannt als Channajiu so gefährlich: Ihre eigene Fähigkeit Dinge zu sehen und zu fühlen, wie kaum ein anderer so empfinden konnte. Das Channa war eine mächtige Fähigkeit. Auch wenn es sich zunehmend unter den Menschen verbreitete, nur ein Channajiu wusste das volle Ausmaß dieser Kraft auszuschöpfen.

Tristan war ein solcher Channajiu. Er beteuerte stets niemals so stark wie Jay zu sein. Doch Adytia wusste, dass er dennoch ziemlich stark war. Nun stellte er sich neben ihn und grinste ihn erwartungsvoll an. Es war eine seiner merkwürdigsten Eigenschaften. Als Krieger hatte man ihm beigebracht sich zu verstellen und eine Maske zu tragen. Tristans Art seine Gefühle nicht zu zeigen bestand darin stets und überall zu lächeln.

Es brauchte schon einiges, um dieses Lächeln in einen ernsten Ausdruck zu verwandeln. Trotzdem war der Mann Adytia sympathisch. Er kannte ihn eben schon fast sein ganzes Leben lang und wusste, was in ihm vorging. Leider konnte auch er ihm nicht sagen, warum sein Vater einfach so verschwunden war.

„Hast du vor deine Schwester zu besuchen?", fragte er neugierig. Dabei konnte man nicht von einem Besuch sprechen. Adytia hatte vor sie aus dem Bett zu schmeißen. Allein der Gedanke daran, versüßte ihm den Tag. Doch nicht nur das. Er hatte auch unheimlich tolle Neuigkeiten für die Prinzessin von Skeliva.

„Ja das werde ich. Ich muss ihr endlich die frohe Botschaft verkünden."
Adytia lächelte schelmisch.
Doch Tristan hob nur skeptisch eine Augenbraue. „Ich bezweifle, dass deine Schwester das auch so sieht."
Tristan war es gewohnt auf die höfliche Anrede zu verzichten, wenn sie unter sich waren.

„Das kümmert mich nicht. Ich habe ihr lange genug Freiheiten zugestanden. Sie wird in Kürze einundzwanzig Jahre alt und muss langsam lernen Verantwortung zu übernehmen. Schließlich ist es nicht nur meine Pflicht mich um unser Erbe zu kümmern. Wir sind beide die Nachkommen eines mächtigen Königs. Doch bisher habe ich mich alleine darum gekümmert. Es wird Zeit, das meine Schwester sich endlich für das Volk engagiert."

Adytia bewegte sich durch den Saal und Tristan folgte ihm. „Maya wird eher einen Felsen heiraten, als einen Mann, den sie nicht liebt. Ich kann sie da gut verstehen. Sie kommt in der Hinsicht zu sehr nach ihrer Mutter."

„Ich weiß, dass du deine Bedenken dabei hast. Ich wünschte auch, ich könnte ihr dieses Schicksal ersparen. Doch hat sie nun einmal eine gewisse Verantwortung dem Volk gegenüber als Prinzessin von Skeliva. Ich sage ja nicht, das sie überhaupt keine Mitsprache hat. Sie darf sich ihren Gemahl aussuchen."
„Ja, aus einer engen Vorauswahl, die du festlegen wirst."
„Es ist das Beste für uns, wenn sie Beziehungen zu den Nachbarländern knüpft. Das wird unsere Bündnisse stärken und unsere Zukunft sichern."

„Adytia, durch deinen Vater habe ich gelernt, wie grausam es sein kann nicht auf das zu hören, was das Herz sagt. Deine Schwester träumt seid ihrer Kindheit von großen Gefühlen, wie ihre Mutter."
„Solche Gefühle kann sie sich in ihrer Position nicht leisten. Das können wir alle nicht."
„Ach, ist das der Grund, warum du Aria noch keinen Antrag gemacht hast?"

Adytia konnte deutlich Tristans Lachen hören. Er blieb vor dem Ausgang stehen und drehte sich zu ihm um. „Aria versteht das schon."
Tristan schenkte ihm nur einen skeptischen Blick. „Natürlich tut sie das. Dennoch wünscht sie sich schon lange nichts anderes, als an deiner Seite zu sein."
„Das ist sie doch. Vielleicht nicht als meine Königin, aber als sehr gute Freundin."
Wieder lachte Tristan.

„Ich habe kein Recht dich in dieser Hinsicht zurecht zu weisen, nur solltest du mal länger darüber nachdenken. Das Erbe deines Vaters besteht nicht allein aus Pflichten und Verantwortung."
Adytia verstand nicht, was Tristan ihm sagen wollte. Vielleicht dachte er, es sei ein Fehler seine Schwester zu verheiraten. Nur sah er diesen Fehler noch nicht. Er war fest entschlossen sein Land zu stärken. Das war seine Verantwortung, sein Aufgabe. Er könnte es sich niemals verzeihen das zu zerstören, was sein Vater unter so viel Verzicht und Mühe aufgebaut hatte. Skeliva war frei, unabhängig und wurde vor allem von anderen Ländern respektiert. Das sollte auch so bleiben.

~

Jemand riss die Tür zu ihrem Schlafgemach auf, polterte laut herein und lief ums Bett herum. Bevor sie zwei unsanfte Hände packten und an ihre rüttelten, hörte Maya noch die energische Stimme von Samara.
„Steh endlich auf, Maya, wenn du keinen Ärger bekommen möchtest."

Maya grummle nur unter der Decke, zog sie sich über den Kopf und ignorierte Samara, die schon vor dem Fenster stand und die großen, braunen Vorhänge beiseite schob. Sofort drang grelles Tageslicht ins Zimmer. Danach kam Samara zurück und schüttelte Maya erneut. „Wenn du nicht willst, dass sich das Ganze Schloss über dich auslässt, stehst du besser auf."

„Was soll das? Ich habe kaum ein Auge zugetan die Nacht", grummelte Maya verschlafen.
„Ohja das glaube ich dir sofort. Hast dich wieder mit Rony und Kim herum getrieben nicht war? Schöne Freunde sind das, die eine Prinzessin immer wieder dazu bringen sich selbst in Verruf zu bringen."
„Ich habe doch nichts schlimmes angestellt."
„Du musst etwas ganz schlimmes angestellt haben, denn dein Bruder ist in diesem Augenblick auf dem Weg hier her. Ich habe selbst gesehen, wie er mit Tristan den Thronsaal verlassen hat."

„Und wieso bist du dann vor ihm hier?"
Samara zog ruckartig an der Bettdecke und schmiss sie zurück. Sofort verkrümmte sich Maya auf der Matratze. Das Licht blendete sie und ihr war kalt. Wäre sie früher aufgestanden, hätte man ihr wohl dieses Theater erspart.

„Ich habe die Abkürzung durch den Dienstboten Trakt genommen. Doch Adytia wird jeden Moment hier sein. Dann wird er dich ordentlich zusammen falten, wenn er sieht, dass du immer noch im Bett liegst."
Nun wurde Maya unruhig. Ihr Bruder konnte ganz schön unangenehm werden, wenn er wütend oder enttäuscht war. Da er ziemlich oft auf Maya würden war, konnte sie sich das Donnerwetter bereits vorstellen. So war sie in wenigen Sekunden hellwach und auf den Beinen. Samara legte ihr einen Mantel um und rupfte unsanft an ihren Haaren.
Nein, sie versuchte ihre Locken zu kämmen. Fühlte sich eher wie Folter an.

„Au! Das tut weh."
„Zier dich nicht so. Wir hätten das auch vor Stunden in aller Ruhe machen können. Doch das hast du jetzt davon."
Maya verdrehte die Augen und konnte sich gerade noch zusammen reißen. Sobald ihre Haare mehr schlecht als recht gebändigt waren, schleifte Samara sie ins Nebenzimmer und wies sie an ihr Gesicht zu waschen.

Am liebsten hätte Maya gebadet, doch dafür blieb ihr keine Zeit mehr. So goss sie Wasser in die Waschschale und hielt ihr komplettes Gesicht hinein. Nicht besonders angenehm. Das Wasser war eiskalt. Doch half es ihr dabei wach zu werden.
Sie hatte gerade noch Zeit sich abzutrocknen, da klopfte es. Das musste Adytia sein. Sie ließ das Handtuch fallen und eilte in ihr Schlafgemach zurück. Panisch suchte sie Samaras Blick. Doch auch sie könnte ihr jetzt nicht mehr helfen.

Die Tür öffnete sich und Adytia trat ein, gefolgt von Tristan und zwei ihrer Zofen. Sie trugen beide Kleider über den Armen. Was hatte das zu bedeuten? Ihr Bruder hob nur eine Augenbraue und musterte sie. Mayas Blick wanderte kurz zu Tristan, der sich bequem an den Türrahmen anlehnte und ihr zuzwinkerte.

Sie mochte Tristan. Er war nicht nur der einzige Mann, der ihren Bruder anständig beschützen konnte, sondern auch ein ehrlicher und verständnisvoller Mann. Im Gegensatz zu Samara, wies er sie nicht ständig in die Schranken. Er war zwar auch nicht begeistert davon, dass sie sich hauptsächlich außerhalb des Palastes aufhielt, doch hielt er ihr das nicht ständig vor. Es amüsierte ihn irgendwie. Wahrscheinlich, weil Maya ihn so sehr an ihre Mutter erinnerte. Er war stets für ihre Eltern da gewesen, hatte sie beschützt und beraten. Er war ihr bester Freund. Genauso wie Samara.

Sie war die beste Freundin ihrer Mutter Sanjana gewesen, bis vor ein paar Jahren. Auch sie hatte das plötzliche Verschwinden ihrer beiden besten Freunde ziemlich erschüttert. Doch zum Glück war sie nicht allein. Durch ihren Mann und ihre Tochter hatte sie es mit der Zeit geschafft nicht mehr länger darüber nachzudenken.

Ram war Skelivas General und Heerführer. Er war ein ausgezeichneter Stratege und Schwertkämpfer. Er und Samara hatten eine Tochter, Aria. Sie war fast genauso alt wie Adytia. Die beiden waren zusammen aufgewachsen und seither die besten Freunde. Wobei Maya und jeder andere im Palast wusste, das die beiden mehr für einander übrig hatten, als nur Freundschaft.

Jetzt stand Skelivas König vor ihr und strafte sie eher mit einem Vorwurfsvollen Blick, anstelle sich um wichtige politische Angelegenheiten zu kümmern. Sie wagte ein entschuldigendes Grinsen. „Guten Morgen!", stammelte sie verlegen.
„Lass mich raten, du bist vor einer Minute aufgestanden", kam es von Adytia nur anstelle einer Begrüßung.

„Nicht doch Bruder, ich bin schon seit Stunden wach."
Er glaubte ihr kein Wort. „Und deshalb steckst du noch immer im Morgenmantel? Ehrlich Maya, was soll ich bloß mit dir anfangen?"
Sie zuckte entschuldigend mit den Schultern und senkte den Blick.
„Das Ganze muss endlich ein Ende haben, Maya. Ich kann nicht länger zusehen, wie du dein Leben nicht ernst nimmst."
„Ich nehme es doch ernst."

„Nicht genug, für meinen Geschmack. Doch ich bin hier um das zu ändern."
Adytia ging durchs Zimmer und setzte sich in den kleinen Sessel vor dem Fenster. Für Maya wirkte er immer so eindrucksvoll als König. Ihn jetzt dort sitzen zu sehen wirkte irgendwie fremd. Dabei vergaß sie, wie so viele, dass er auch ein Mensch und vor allem ihr Bruder war.

„Sollen wir vielleicht hinaus gehen?", fragte Samara rücksichtsvoll.
„Nein, schon gut. Das was ich Maya zu sagen habe, wird ihr ganz und gar nicht gefallen. Tristan sollte einen möglichen Fluchtweg sichern und dich brauche ich für die Vorbereitungen."
„Für was?", fragte Maya nun und ahnte schlimmes? Fluchtweg? Weshalb sollte sie flüchten? Sie sah zu Tristan, der ihrem Blick auswich und sich gerade noch ein Grinsen verdrückte.

Adytia strich sich seine schwarzen Haare zurück. Vergebens. Gleich darauf fielen sie ihm wieder in die Stirn. Seine grünen Augen fixieren Maya. Was hatte sie nun zu erwarten? Was wollte ihr Bruder ihr mitteilen? Nervös knabberte sie an ihren Fingernägeln und starrte ihren Bruder erwartungsvoll an.
„Maya, ich habe beschlossen dich zu verheiraten. Zwar bin ich nicht dein Vater, sondern nur dein Bruder. Dennoch obliegt es mir als König einen Gemahl für dich auszusuchen."
Maya erstarrte. Das konnte er unmöglich ernst meinen. Heirat? Sie?

„Es ist an der Zeit, dass du endlich etwas mehr Verantwortung zeigst. Lange genug habe ich dir Freiheiten zugestanden, dich in Schutz genommen und dafür gesorgt, dass es dir an nichts fehlt. Nun wirst du mir diesen Gefallen erwidern und dich meinen Wünschen beugen. Es wird dir zu Ehren ein Fest geben, in ein paar Wochen. Dann werden wir gemeinsam entscheiden, welcher Mann deine Zukunft bestimmen wird. Bis dahin wirst du dich endlich wie eine Prinzessin benehmen. Regelmäßig deinen Unterricht verfolgen und dich in Konversation üben. Samara wird dir dabei helfen."

Er erhob sich, drehte ihr den Rücken zu und deutete auf die Kleider, die nun von den beiden Zofen präsentiert wurden. „Triff deine Wahl für das Kleid. Es müssen noch einige Dinge daran geändert und zugeschnitten werden.  Am besten du probierst sie gleich an. Je schneller die Schneiderin anfangen kann, desto besser. Du bist ja ohnehin noch nicht angekleidet."

Maya verstand nun, warum Tristan ihren Fluchtweg sichern sollte. Denn gerade in diesem Augenblick wollte sie nichts anderes, als weglaufen. Das hatte ihr Bruder geahnt. Er kannte sie einfach zu gut.

Maya wollte protestieren, sich dagegen wehren. In ihrem Kopf ging sie tausend Ausreden auf einmal durch. Doch ihr kam kein einziges Wort über die Lippen. Sie war geschockt von dieser Neuigkeit. Warum auf einmal? Wieso hatte er so etwas nicht früher erwähnt? Sie so zu überfallen war nicht gerecht.
Im nächsten Moment wurde ihr klar, dass Adytia sie immer ermahnt hatte sich anders zu verhalten. Er hatte sie auf die Ehe vorbereiten wollen. Hatte sie studieren lassen, hatte ihr alles mögliche beigebracht, um eine möglichst gute Partie abzugeben.

Maya hätte mit so etwas rechnen sollen. Wie konnte sie nur davon ausgehen ewig so weiter leben zu können? Hatte sie sich je Gedanken darüber gemacht, wie sie sich ihre Zukunft vorstellte? Ja natürlich hatte sie das! Maya sah nur ihre Zukunft nicht innerhalb dieser Palastmauern. Sie wollte raus, die Welt sehen und Menschen kennen lernen. Das konnte sie mit einer arrangierten Ehe vergessen.

Adytia drehte sich wieder zu seiner Schwester um und wartete auf eine Reaktion von ihr. Doch Maya war beschäftigt, damit auf den Boden zu starren und sich einen Fluchtplan auszudenken. Sie musste hier unbedingt weg. Niemals würde sie sich verkuppeln lassen.
„Maya? Hast du gehört, was ich gesagt habe?"
Sie sah zu Adytia auf und tat so, als hätte sie geträumt.
„Was? Ja, habe ich."
„Wirst du tun, was ich von dir erwarte?"

Sie schenkte ihm ein allerliebstes Lächeln und knickste anständig, so wie sie es schon vor Jahren von ihrer Mutter gelernt hatte. Adytia schien das als Einwilligung aufzufassen, denn er lächelte zufrieden.
„Gut, dann werde ich euch nicht länger stören. Ich bin mir sicher, es gibt viel vorzubereiten."

Kaum hatte sich die Tür hinter ihrem Bruder geschlossen, sank Maya auf den Boden und atmete tief durch.
„Liebes, ich weiß, dass dir das nicht gefällt. Doch will dein Bruder nur das Beste für dich. Es wäre nicht klug sich ihm weiter zu widersetzen."
„Sag mir Sama, würdest du einen anderen als Ram heiraten wollen?"
„N-Nein, natürlich nicht. Nur vergiss nicht, dass ich bereits verheiratet bin."
„Ja, aber du hattest die Wahl. Mir wird keine Wahl gelassen."

„Das hat er doch gar nicht gesagt. So wie ich das aufgefasst habe, gönnt Adytia dir ein Mitspracherecht. Jetzt lass den Kopf nicht hängen. Vielleicht findest du ja auf dem Fest deine wahre Liebe."
Maya wusste nicht einzuordnen, ob Samara sie mit ihren letzten Worten wirklich trösten wollte, oder ob sie sich nur über sie lustig machte.

Zugegeben, sie verstand nicht viel von Liebe. Doch wollte sie sich nicht die Chance nehmen lassen sie persönlich zu erfahren. Erst recht nachdem ihre Eltern das beste Beispiel für wahre Liebe waren. Ihre Geschichte war auf dem gesamten Kontinent bekannt. Also warum zwang man ausgerechnet sie dazu sich an einen wildfremden Mann zu heften? Sanjana hatte das nur Kummer gebracht. Maya wollte nicht solches Leid erfahren, wie ihre Mutter.

Das konnte man vielleicht mit anderen Frauen in der Gesellschaft machen. Doch nicht mit ihr. Nicht mit ihr!

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